LAG Hessen, 30.04.2014 – 18 Sa 1169/13 Auch der selbstschuldnerisch haftende Bürge nach § 1a AEntG aF (jetzt: § 14 AEntG) kann sich nach § 768 Abs. 1 BGB darauf berufen, dass die Hauptschuld gegenüber der U-LAK (mittlerweile) verjährt ist, die Haftung ist nicht subsidiär, aber akzessorisch (BGH 12.03.1980 – VIII ZR 115/79 – NJW 1980, 1460; BGH 28.01.2003 – XI ZR 243/02 – NJW 2003, 1250).

Mai 2, 2019

LAG Hessen, 30.04.2014 – 18 Sa 1169/13
Auch der selbstschuldnerisch haftende Bürge nach § 1a AEntG aF (jetzt: § 14 AEntG) kann sich nach § 768 Abs. 1 BGB darauf berufen, dass die Hauptschuld gegenüber der U-LAK (mittlerweile) verjährt ist, die Haftung ist nicht subsidiär, aber akzessorisch (BGH 12.03.1980 – VIII ZR 115/79 – NJW 1980, 1460; BGH 28.01.2003 – XI ZR 243/02 – NJW 2003, 1250).
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 12. Juni 2013 – 3 Ca 2703/11 – abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1

Die Parteien streiten darum, ob und in welcher Höhe die Beklagte als Bürgin für Urlaubskassenbeiträge eines Nachunternehmers in der Zeit von Oktober 2007 bis Februar 2008 einzustehen hat.
2

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe – BRTV -, Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe – VTV -) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Kläger zu zahlen.
3

Die Beklagte ist ein in der Baubranche tätiges Unternehmen in A. Sie beauftragte die B mit der Erbringung von Trockenbauarbeiten, Reinigungsarbeiten und Holzarbeiten im Zeitraum von Oktober 2007 bis Februar 2008. Aufgrund von Ermittlungen des Hauptzollamtes C hinsichtlich der streitgegenständlichen und anderer Baustellen wurde der Geschäftsführer der B, Herr D, durch rechtskräftiges Strafurteil des Landgerichts München I vom 25. Mai 2009 (- 6 KLs 305 Js 33443/05 -) der Steuerhinterziehung und des Vorenthaltens sowie der Veruntreuung von Arbeitsentgelt schuldig gesprochen.
4

Der Ermittlungsbericht des Hauptzollamtes C vom 20. Februar 2009 ging am 11. März 2009 beim Kläger ein. Mit Schreiben vom 10. Februar 2010 (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 12. Januar 2012, Bl. 8 f. d.A.) teilte der Kläger der Beklagten mit, dass ihr Nachunternehmer, die B, ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen sei und forderte von der Beklagten als Auftraggeberin einen Betrag in Höhe von 5.017,09 € aus Bürgenhaftung.
5

Mit Klageschrift vom 22. Dezember 2011, welche bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden am 23. Dezember 2011 einging und der Beklagten am 05. Januar 2012 zugestellt wurde, nahm der Kläger die Beklagte auf Zahlung der begehrten Beiträge in Anspruch. Die Klageschrift enthält lediglich den Antrag und verweist im Übrigen darauf, dass die weitere Begründung des Anspruchs einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleibe. Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2012 (Bl. 4-10 d.A.) begründete der Kläger die Klage, hierauf wird Bezug genommen.
6

Der Kläger hat keine Klage auf Beiträge in Höhe von 5.017,09 € gegen die B erhoben, wie in der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden am 12. Juni 2013 klargestellt wurde (vgl. Sitzungsniederschrift Bl. 50 d.A.).
7

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte schulde ihm Urlaubskassenbeiträge aus Bürgenhaftung. Wegen der vom Kläger vorgetragenen Anspruchsvoraussetzungen wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils (Bl. 52-59 d.A.) verwiesen. Der Kläger hat gemeint, die Ansprüche seien weder verfallen noch verjährt, da er erst durch den Ermittlungsbericht des Hauptzollamts im Jahr 2009 Kenntnis von den Umständen erhalten habe, auf denen die Forderung beruhe.
8

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.017,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 11. März 2010 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Die Beklagte hat den Vortrag des Klägers im Wesentlichen mit Nichtwissen bestritten. Sie hat die Einrede der Verjährung in Bezug auf die Bürgenschuld und die Hauptforderung erhoben und behauptet, der Kläger sei schon 2008 während des laufenden Ermittlungsverfahrens über mögliche Schwarzarbeit informiert worden. Sie hat außerdem die Ansicht vertreten, dass die 2011 erhobene Klage nicht geeignet gewesen sei, den Eintritt der Verjährung zu hemmen.
11

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat der Klage durch Urteil vom 12. Juni 2013 stattgegeben. Die Beklagte sei nach § 1a AEntG in der bis 23. April 2009 geltenden Fassung (AEntG aF) verpflichtet, als Bürgin Beiträge in Höhe von 5.017,09 € zu zahlen. Die Forderungen des Klägers seien weder verjährt noch verfallen. Der Kläger habe erst im Jahr 2009 durch Erhalt des Ermittlungsbericht des Hauptzollamts Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen erlangt (§ 199 Abs. 1 BGB). Zumindest die Begründung der Klage durch Schriftsatz vom 12. Januar 2012 sei geeignet gewesen, die Verjährung zu hemmen und den Anspruch geltend zu machen.
12

Zur vollständigen Wiedergabe der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils sowie des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf das Urteil Bezug genommen (Bl. 52-59 d.A.).
13

Die Beklagte hat gegen das ihr am 16. September 2013 zugestellte Urteil mit am 08. Oktober 2013 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Ihre Berufungsbegründung ist am 11. November 2013 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.
14

Mit der Berufung nimmt die Beklagte Bezug auf ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszug. Sie machte geltend, dass das Arbeitsgericht ihr Bestreiten mit Nichtwissen übergegangen und ihre Darlegungslast verkannt habe. Sie wiederholt die Einrede der Verjährung der Hauptforderung.
15

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 12. Juni 2013 – 3 Ca 2703/11 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

16

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

17

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung. Er ist der Ansicht, er sei nicht verpflichtet gewesen den Hauptschuldner, die Firma B, in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte hafte nach § 1a S. 1 AEntG aF wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet habe.
18

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird schließlich auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift vom 30. April 2014 verwiesen (Bl. 106 d.A.).
Entscheidungsgründe
19

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 12. Juni 2013 ist zulässig gem. §§ 64 Abs. 2 b), 8 Abs. 2 ArbGG. Sie ist gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß und rechtzeitig begründet worden.
20

Die Berufung ist auch erfolgreich, da die Beklagte sich nach § 768 Abs. 1 BGB auf die Verjährung der Hauptschuld berufen kann.

1.

21

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte die tatbestandlichen Voraussetzungen ihrer Haftung nach § 1a S. 1 AEntG aF ausreichend bestritten hat und das Arbeitsgericht der Klage ohne Beweisaufnahme stattgeben durfte.
22

Die Beklagte hat zwar nach § 1a S. 1 AEntG aF als Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt hat, wie ein Bürge zu haften, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Durch den Verzicht auf die Einrede der Vorausklage nach § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird jedoch nur die Subsidiarität der Bürgenhaftung aufgehoben, nicht deren Akzessorietät. Der Bürge kann Einreden gegen die Hauptschuld erheben (§ 768 BGB) und insbesondere die Verjährung der Hauptschuld geltend machen (BGH Urteil vom 12. März 1980 – VIII ZR 115/79 – NJW 1980, 1460; BGH Urteil vom 28. Januar 2003 – XI ZR 243/02 – NJW 2003, 1250; Palandt, 73. Aufl., § 773 Rz. 2).

2.

23

Die – insoweit unterstellte – Beitragsschuld der B für die Zeitspanne von Oktober 2007 bis Februar 2008 ist verjährt gemäß § 21 Abs. 4 VTV (in den bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassungen des Tarifvertrags: § 25 Abs. 4 VTV; in den bis 30. Juni 2013 geltenden Fassungen des Tarifvertrags: § 24 Abs. 4 VTV).
24

Geht man davon aus, dass auch die Verjährungsfrist gegenüber der B nicht im Jahr 2008, sondern erst im Jahr 2009 gem. § 199 Abs. 1 BGB (vgl. BAG Urteil vom 25. November 2009 – 10 AZR 737/08 – NZA 2010,518, Rz. 34) zu laufen begann, weil erst dann der Umfang der Schwarzarbeit feststand, so ist spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2013 Verjährung eingetreten. Es ist unstreitig, dass der Kläger gegen die B keine Klage erhoben hat. Der Kläger hat geltend gemacht, dies sei nicht erforderlich. Dabei ist nicht erheblich, dass der Kläger die Bürgenschuld rechtzeitig geltend gemacht hat. Der Bürge kann sich auf die Verjährung der Hauptforderung auch dann berufen, wenn die Bürgschaftsklage vor Vollendung dieser Verjährung erhoben wurde, dies gilt auch bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft (BGH Urteil vom 12. März 1980 – VIII ZR 115/79 – NJW 1980, 1460, Rz. 15 f.). Nach dem Grundsatz der Akzessorietät haftet die Beklagte gemäß § 768 Abs. 1 BGB zumindest seit dem 01. Januar 2014 nicht mehr. Die Klage ist daher auf die Berufung abzuweisen.

III.

25

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.
26

Die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG ist nicht begründet.

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