OLG Frankfurt am Main, 05.12.2012 – 19 U 253/12

Mai 2, 2019

OLG Frankfurt am Main, 05.12.2012 – 19 U 253/12
Tenor:

Der Antrag des Klägers und Berufungsklägers vom 5. November 2012 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist wird als unzulässig verworfen.

Die Berufung des Klägers gegen das am 6. Juli 2012 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 90.462,00 € festgesetzt.
Gründe
1

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen vermeintlicher Falschberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb verschiedener Fondsbeteiligungen in Anspruch.
2

Das Landgericht hat mit seinem am 6.7.2012 verkündeten und dem Kläger am 4.9.2012 zugestellten Urteil die Klage abgewiesen.
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Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 9.10.2012 Berufung eingelegt. Zuvor hatte er eine durch seinen Prozessbevollmächtigten verfasste Berufungsschrift per Fax versandt, wobei auf dem Schriftsatz eine falsche Faxnummer, nämlich die des Sozialgerichts Frankfurt am Main angegeben war und der Schriftsatz auch an diese Faxnummer versandt wurde. Der Originalschriftsatz ging bei dem Rechtsmittelgericht am 9.10.2012 ein. Mit Schreiben der Geschäftsstelle des für die Berufung des Klägers zuständigen Senats vom 11.10.2012, das noch am selben Tag in den Postlauf gegeben wurde, wurden dem Prozessbevollmächtigten das Aktenzeichen und das Eingangsdatum der Berufungsschrift mitgeteilt. Mit Beschluss vom 29.10.2012 wurde der Kläger von dem Vorsitzenden des zuständigen Senats darauf hingewiesen, dass die Berufungsschrift erst nach Ablauf der Berufungsfrist bei dem Rechtsmittelgericht eingegangen ist und die Berufung deshalb unzulässig sein dürfte.
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Mit Schriftsatz vom 5.11.2012, eingegangen per Fax am selben Tag, hat der Kläger Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Berufungsfrist gestellt und zugleich die Berufung begründet.
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Er hat zu dem Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragen, dass die im Büro seines Prozessbevollmächtigten mit der Fristenkontrolle beauftragte qualifizierte und zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte … entgegen den Gepflogenheiten in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten nach Versendung des Schriftsatzes an die dort angegebene Telefaxnummer den Telefaxbericht in der Akte abgeheftet habe, ohne diesen nochmals gesondert zu kontrollieren, insbesondere zu überprüfen, dass die Faxmitteilung auch an der zuständigen Stelle in vollständiger Seitenzahl angekommen ist, was auch eine Kontrolle der Empfängernummer einschließe. Zur Glaubhaftmachung dieses Vortrages bezieht sich der Kläger auf die anwaltliche Versicherung seines Prozessbevollmächtigten sowie eine dem Wiedereinsetzungsgesuch beigefügte eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten … vom 5.11.2012.
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II.

1. Die Berufung des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht innerhalb der Frist des § 517 ZPO durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht (§ 519 Abs. 1 ZPO) eingelegt wurde.
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Die Berufungsschrift ist bei dem hierfür gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG zuständigen Oberlandesgericht erst am 9.10.2012 eingegangen und damit nach Ablauf der nach § 517 ZPO am 4.10.2012 endenden Berufungsfrist.
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Ein vorab versendetes Faxschreiben ist beim Berufungsgericht nicht eingegangen, weil es an die Fax-Nummer des Sozialgerichts Frankfurt am Main versandt wurde.
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1. Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) ist statthaft, jedoch verfristet und deshalb unzulässig.
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Der Kläger hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO gestellt wurde. Die Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 Abs. 2 ZPO) beginnt mit dem Tag, an dem die Versäumung der Frist hätte erkannt werden müssen. Ausweislich des Vermerks der für den Senat zuständigen Geschäftsstelle sind dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 11.10.2012 das Aktenzeichen und das Eingangsdatum der Berufungsschrift mitgeteilt worden. Die Versendung dieses Schreibens an den Prozessbevollmächtigten erfolgte noch am selben Tage durch Eingabe im Postausgangsfach, so dass die postalische Versendung am darauffolgenden Tag erfolgte. Bei ordnungsgemäßem Postlauf ist von einer Zustellung dieses Schreibens an den Prozessbevollmächtigten des Klägers spätestens am 14.10.2012, jedenfalls aber bis zum 19.10.2012, auszugehen. Durch dieses Schreiben musste das Hindernis beseitigt und die Wiedereinsetzungsfrist in Gang gesetzt worden sein (§ 234 Abs. 2 ZPO) mit der Folge, dass der erst am 5.November 2012 beim Oberlandesgericht Frankfurt eingegangene Wiedereinsetzungsantrag verfristet ist. Es gehört zu den Pflichten eines Anwalts, bei Zugang einer gerichtlichen Mitteilung über das Eingangsdatum einer Rechtsmittelschrift anhand dieser Mitteilung zu überprüfen oder durch geeignetes Büropersonal überprüfen zu lassen, ob die Rechtsmittelschrift rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist. (BGH, Beschl. v. 13.5.1992 – VIII ZB 3/92). Ersichtlich fand eine solche Kontrolle des Eingangsdatums weder durch die Büroangestellten des Prozessbevollmächtigten des Klägers noch durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst statt, dem die Akten nach dessen Vortrag erst am 22.10.2012 im Rahmen einer allgemeinen Aktenwiedervorlage vorgelegt wurden. Eine Anweisung an das Büropersonal, den fristgerechten Eingang der Berufungsschrift beim Rechtsmittelgericht nach Eingang der Mitteilung des Rechtsmittelgerichts nochmals zu überprüfen und ggf. im Falle einer Nichteinhaltung der Frist die Akte dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorzulegen, hat der Kläger nicht vorgetragen. Im Falle der sofortigen Vorlage der Akten unter Hinweis auf die Mitteilung des Rechtsmittelgerichts hätte der Rechtsanwalt innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist den Antrag gemäß § 233 ZPO stellen müssen. Die Frist des § 234 ZPO läuft ab Eingang der Mitteilung vom Datum des Eingangs der Berufungsschrift (vgl. auch Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl., § 233 Rn. 23, Stichwort: Gerichtseinlauf). Diese Frist war am 5.11.2012, dem Datum des Eingangs des Antrages jedenfalls abgelaufen, so dass der Antrag verfristet und das Wiedereinsetzungsgesuch mithin unzulässig ist.
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2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wäre überdies aber auch unbegründet. Der Kläger hat nicht ausreichend darlegen und glaubhaft machen können, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Fristversäumnis verschuldet hat. Dessen Verschulden ist dem Kläger zuzurechnen (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO).
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Der Rechtsanwalt, der unter Einschaltung seines Büropersonals fristgebundene Schriftsätze per Telefax einreicht, muss durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle der Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird, um Fehler bei der Eingabe, der Ermittlung der Faxnummer oder deren Übertragung in den Schriftsatz feststellen zu können (st. Rspr. des BGH, vgl. nur BGH, Beschl. V. 31.3.2010 – XII ZB166/09 – Rn. 9 m. w. N., juris).
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Eine diesen Anforderungen genügende Ausgangskontrolle im Büro des Klägervertreters ist nicht dargetan worden.
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Zwar hat der Kläger vorgetragen, dass sein Prozessbevollmächtigter die Rechtsanwaltsfachangestellte … angewiesen habe, dass der Sendebericht des Telefax ausgedruckt sowie auf richtige, von einer (anderen) Rechtanwaltsfachangestellten aus dem Telefonbuch sowie aus dem Internetauftritt des Rechtsmittelgerichts ermittelte und in das Diktat über die Berufungsschrift eingefügte Empfängernummer und auf Übermittlungsstörungen überprüft werden solle, was diese jedoch versehentlich unterlassen und ausnahmsweise ohne Überprüfung den Telefaxbericht abgeheftet habe. Er hat dies auch durch anwaltliche Versicherung seines Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht. Jedoch entspricht diesem Vortrag nicht die zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs beigefügte und in Bezug genommene eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten …, so dass es insgesamt an der erforderlichen Glaubhaftmachung fehlt.
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3. Aus der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten … geht nicht hervor, dass der Prozessbevollmächtigte sie überhaupt angewiesen hat, die Faxnummer nach der Faxversendung anhand des Faxberichts nochmals auf deren Richtigkeit zu überprüfen. Die eidesstattliche Versicherung legt vielmehr die Annahme nahe, der Prozessbevollmächtigte habe sich auf die Anordnung beschränkt, den Faxbericht auf eine Fehlermeldung hin zu überprüfen.
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Die eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten … lässt gerade nicht erkennen, dass sie angewiesen wurde, die Telefaxnummer nach Eingang des Sendeberichts nochmals einer Prüfung zu unterziehen. Vielmehr hat sie sich darauf bezogen, dass sie sich nicht erklären könne, weshalb sie die eingetragene Berufungseinlegungsfrist „trotz des Fehlervermerks auf dem Faxbericht“ durch Abhaken als erledigt gekennzeichnet und nicht bemerkt habe, dass die Berufungsschrift „nicht übermittelt“ worden sei. Dies spricht dafür, dass für sie lediglich die Anordnung bestand, den jeweiligen Sendebericht dahingehend zu überprüfen, ob dieser eine Fehlermeldung enthielt, nicht jedoch eine davon unabhängige Kontrolle der Telefaxnummer vorzunehmen, die sie zudem, wie sich aus dem Vortrag des Klägers ergibt, nicht selbst ermittelt hat. Im vorliegenden Falle gab es nämlich keinen Fehlervermerk auf dem Sendebericht, weil die Berufungsschrift als Faxschreiben an eine gültige Faxnummer gesandt wurde, nämlich an die des Sozialgerichts Frankfurt am Main. Indem die Fachangestellte … jedoch ihr Augenmerk allein auf das Vorliegen eines Fehlervermerks richtete, konnte ihr auch dann nicht auffallen, dass die Berufungsschrift nicht an das zuständige Rechtsmittelgericht übermittelt wurde, wenn sie den Sendebericht nicht ohne weitere Prüfung abgeheftet hätte. Diese Angaben in der eidesstattlichen Versicherung sprechen mithin gegen das Vorliegen einer Anweisung, die Faxnummer nach Erhalt des Sendeberichts unabhängig vom Vorliegen eines Fehlervermerks nochmals zu überprüfen. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine entsprechende Anordnung hinreichend glaubhaft gemacht ist (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Dann aber liegt ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers vor, das sich der Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 238 Abs. 4 ZPO.

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