Extra-Gebühr für Geldabheben am Bankschalter erlaubt

Juni 18, 2019

Extra-Gebühr für Geldabheben am Bankschalter erlaubt

Der BGH hat seine Rechsprechung geändert und entschieden, dass Banken und Sparkassen für das Abheben und Einzahlen am Schalter grundsätzlich eine Extra-Gebühr verlangen dürfen, allerdings dürfe diese nur so hoch sein wie die tatsächlich entstandenen Kosten.

Früher hatte der BGH die Ansicht vertreten, dass eine Gebühr für das Abheben am Schalter nur zulässig sei, wenn fünf Transaktionen im Monat kostenlos möglich seien. 2009 hat sich allerdings die Rechtslage geändert. Seit dem Inkrafttreten des auf europäischem Richtlinienrecht beruhenden Zahlungsdiensterechts im Jahr 2009 dürfen Banken in ihren Preis- und Leistungsverzeichnissen dem Grunde nach Entgelte für Bareinzahlungen und Barauszahlungen auf oder von einem Girokonto am Bankschalter vorsehen, und zwar ohne dass dem Kunden zugleich im Wege einer sog. Freipostenregelung eine bestimmte Anzahl von unentgeltlichen Barein- und Barauszahlungen eingeräumt sein müsse. Im Rechtsverkehr mit Verbrauchern könne aber die Entgelthöhe der richterlichen Inhaltskontrolle unterliegen, so der BGH.

Im konkreten Fall hatte der Kläger, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., von der beklagten Sparkasse begehrt, es zu unterlassen, in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis für Bareinzahlungen und Barabhebungen am Bankschalter ein Entgelt vorzusehen. Die beklagte Sparkasse bietet entgeltliche Giroverträge in unterschiedlichen Gestaltungen an. Bei dem Vertragsmodell „S-Giro Basis“ verlangt sie – bei einem monatlichen Grundpreis von 3,90 Euro – in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis für die Leistung

„Beleghafte Buchungen und Kassenposten mit Service, je Buchung“

ein Entgelt von 2 Euro. Bei dem Vertragsmodell „S-Giro Komfort“ mit höherem monatlichen Grundpreis beträgt das Entgelt für dieselbe Leistung 1 Euro.
Hierauf gestützt berechnete die Beklagte bei beiden Vertragsmodellen für jede Ein- oder Auszahlung von Bargeld auf bzw. von einem bei ihr unterhaltenen Girokonto am Bankschalter ein Entgelt von 1 oder 2 Euro. Bareinzahlungen sowie Barabhebungen am Geldautomaten, letztere täglich bis zu einem Betrag von 1.500 Euro, sind bei jedem Vertragsmodell im Grundpreis inklusive. Der Kläger hält solche Entgeltklauseln für Bareinzahlungen und Barauszahlungen am Bankschalter für unwirksam, wenn nicht durch eine sog. Freipostenregelung monatlich mindestens fünf Bareinzahlungen oder Barauszahlungen am Bankschalter „und/oder“ am Geldautomaten entgeltfrei gestellt werden.
Das Landgericht hatte die in der Hauptsache auf Unterlassung gerichtete abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.

Der BGH hat auf die Revision des Klägers das angefochtene Urteil insoweit aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, als das Berufungsgericht hinsichtlich der von der Beklagten konkret verwendeten Klauseln „Beleghafte Buchungen und Kassenposten mit Service, je Buchung … Euro“ bislang nicht überprüft hat, ob das dort vorgesehene Entgelt von 1 oder 2 Euro im Rechtsverkehr mit Verbrauchern der Höhe nach einer richterlichen Inhaltskontrolle standhält.
Im Übrigen, also insbesondere soweit der Kläger es der Beklagten generell untersagen lassen möchte, für Barein- und Barauszahlungen am Bankschalter ohne angemessene Freipostenregelung überhaupt ein Entgelt zu verlangen, hat der BGH die Revision zurückgewiesen.

Nach Auffassung des BGH ist die Unterlassungsklage unbegründet, soweit der Kläger der Beklagten die Verwendung von Barein- und Barauszahlungsentgeltklauseln ohne angemessene Freipostenregelung generell, also unabhängig von der konkreten Ausgestaltung, verbieten lassen möchte. Nach der früheren Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH hätte die Unterlassungsklage allerdings Erfolg gehabt. Danach haben solche Entgeltklauseln sowohl im Verbraucher- als auch im Unternehmerverkehr der richterlichen Inhaltskontrolle unterlegen und seien wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden unwirksam gewesen, wenn sie keine angemessene Freipostenregelung vorgesehen haben. Hintergrund dieser Rechtsprechung sei, dass Ein- und Auszahlungen auf oder von einem Girokonto nach Darlehensrecht (§§ 488 ff. BGB) oder dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung (§ 700 BGB) zu beurteilen seien, welches weder für die Begründung noch für die Erfüllung von Darlehens- bzw. Verwahrungsverhältnissen ein Entgelt vorsehe (siehe BGH, Urt. v. 30.11.1993 – XI ZR 80/93 – BGHZ 124, 254; BGH, Urt. v. 07.05.1996 – XI ZR 217/95 – BGHZ 133, 10).

Aufgrund geänderter gesetzlicher Vorgaben sei an dieser Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten. Zwar weise der Girovertrag nach wie vor die für ihn charakteristischen darlehens- und verwahrungsrechtlichen Elemente auf. Allerdings bestimme das im Jahre 2009 in Kraft getretene Zahlungsdiensterecht (§§ 675c ff. BGB), mit dem der deutsche Gesetzgeber europäisches Richtlinienrecht, nämlich die Zahlungsdiensterichtlinie 2007 sowie deren Nachfolgerichtlinie aus dem Jahr 2015, umgesetzt habe, dass für die Erbringung eines Zahlungsdienstes das „vereinbarte Entgelt zu entrichten“ sei (§ 675f Abs. 5 Satz 1 BGB). Danach seien auch Bareinzahlungen auf und Barabhebungen von einem Girokonto Zahlungsdienste (§ 675c Abs. 3 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 ZAG). Für diese dürfe – auch ohne Freipostenregelung – ein Entgelt verlangt werden.

Davon unabhängig unterlägen die von der Beklagten verwendeten Klauseln allerdings im Rechtsverkehr mit Verbrauchern im Hinblick auf die Höhe des vereinbarten Entgelts der richterlichen Inhaltskontrolle. Denn insoweit greife die zu Gunsten von Verbrauchern (halb-)zwingende Preisregelung des § 312a Abs. 4 Nr. 2 BGB ein. Mit dieser Vorschrift habe der deutsche Gesetzgeber – wenn auch richtlinienüberschießend – Vorgaben der europäischen Verbraucherrechterichtlinie umgesetzt, indem er gemäß § 312 Abs. 5 BGB in rechtlich unbedenklicher Weise auch Finanzdienstleistungen in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift einbezogen habe. Die Erfüllung einer vertraglichen Pflicht i.S.d. § 312a Abs. 4 Nr. 2 BGB sei auch die (teilweise) Rückführung eines überzogenen Girokontos durch eine Bareinzahlung am Bankschalter. Mit den in Streit stehenden Entgeltklauseln „Beleghafte Buchungen und Kassenposten mit Service, je Buchung … Euro“ bepreise die Beklagte u.a. auch einen solchen Zahlungsvorgang, so dass eine Entgeltkontrolle eröffnet sei.

Ob das von der Beklagten verlangte Entgelt von 1 und 2 Euro im Rechtsverkehr mit Verbrauchern der Entgeltkontrolle standhalte, habe das Berufungsgericht nicht überprüft.

Der BGH hat das Berufungsurteil deswegen insoweit aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Für die vom Berufungsgericht nunmehr vorzunehmende Entgeltkontrolle sei darauf hinzuweisen, dass gemäß § 312a Abs. 4 Nr. 2 BGB nur solche Kosten umlagefähig seien, die unmittelbar durch die Nutzung des Zahlungsmittels, d.h. hier die Barzahlung, entstehen (sog. transaktionsbezogene Kosten). Gemeinkosten wie allgemeine Personalkosten und Kosten für Schulungen und Geräte, deren Anfall von dem konkreten Nutzungsakt losgelöst seien, seien dagegen nicht umlagefähig.

Vorinstanzen
LG Memmingen, Urt. v. 16.11.2016 – 1 HK O 893/16
OLG München, Urt. v. 12.10.2017 – 29 U 4903/16

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