Testamentsauslegung: Enkel als „Abkömmling“ des Erblassers

Januar 10, 2020

Testamentsauslegung: Enkel als „Abkömmling“ des Erblassers

Das OLG Oldenburg hat entschieden, dass der in einem Ehegattentestament benutzte Begriff „gemeinschaftliche Abkömmlinge“ nicht auf Kinder der Erblasser beschränkt ist, sondern auch Enkel und Urenkel umfassen kann.

Die Eheleute hatten sich in einem notariellen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Erben des Letztversterbenden sollten „unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Anteilen“ sein. Der Überlebende sollte allerdings auch die Erbfolge „unter den gemeinschaftlichen Abkömmlingen abändern“ können. Tatsächlich setzte die ihren Ehemann überlebende Ehefrau in einem zweiten Testament ihre eine Tochter und deren Sohn zu ihren Erben ein. Die andere Tochter hielt dies für nicht möglich. Denn die Eheleute hätten verfügt, nur die „gemeinschaftlichen Abkömmlinge“ könnten als Eben eingesetzt werden. Unter „gemeinschaftliche Abkömmlinge“ seien aber nur die gemeinsamen Kinder zu verstehen. Eine Erbeinsetzung des Enkelsohns sei nicht möglich. Deswegen sei die Erbeinsetzung der überlebenden Ehefrau unwirksam. Erben seien – nach dem ersten, gemeinsamen Testament – daher weiterhin alle Kinder der Eheleute.
Das LG Osnabrück gab der Klägerin Recht. Erben seien die gemeinsamen Kinder der Eheleute geworden. Die Einsetzung des Enkelsohns durch die Ehefrau sei nach dem gemeinsamen Testament nicht möglich gewesen. Dagegen wandten sich die von der Ehefrau eingesetzte Tochter und deren Sohn mit ihrer Berufung zum Oberlandesgericht. Sie vertraten die Auffassung, das Testament der Ehefrau sei wirksam. Sie hätte auch den Enkel einsetzten dürfen.

Die Berufung hatte vor dem OLG Oldenburg Erfolg

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist das Wort „Abkömmlinge“ nicht allein auf Kinder beschränkt. „Abkömmlinge“ heiße auch Enkel, Urenkel usw.. Dies ergebe sich bereits aus dem Gesetz (§ 1924 BGB). Seien nur die Kinder gemeint gewesen, hätten die Eheleute auch den Begriff „Kinder“ gewählt. Es sei auch plausibel, dass die Eheleute alle ihre zum Zeitpunkt des Erbfalls lebenden Abkömmlinge – ob Kinder, Enkel oder Urenkel – gleichbehandeln wollten. Denn häufig hätten die eigenen Kinder beim Versterben der Eltern bereits eine gefestigte Lebensstellung, während die Enkel und gegebenenfalls die Urenkel sich noch ihr eigenes Lebensumfeld schaffen müssten und eher finanzielle Unterstützung nötig hätten. Es sei auch nachvollziehbar, dass die Eheleute alle Abkömmlinge gleich behandeln wollten und der Umfang des Erbes der einzelnen Enkelkinder nicht davon abhängen sollte, ob ihre Eltern noch lebten und wie viele Geschwister sie jeweils hätten.

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