BGH, Urteil vom 02. April 1990 – II ZR 17/89

April 19, 2020

BGH, Urteil vom 02. April 1990 – II ZR 17/89
Ein Schiedsgutachten ist nicht nur dann offenbar unrichtig, wenn sich einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter – sei es auch erst nach eingehender Prüfung – offensichtliche Fehler der Leistungsbestimmung aufdrängen, die das Gesamtergebnis verfälschen, sondern auch dann, wenn die Ausführungen des Sachverständigen so lückenhaft sind, daß selbst der Fachmann das Ergebnis aus dem Zusammenhang des Gutachtens nicht überprüfen kann (Festhaltung BGH, 1987-11-16, II ZR 111/87, WM IV 1988, 276).
vorgehend OLG Nürnberg, 22. Dezember 1988, 8 U 885/87
vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 6. Februar 1987, 2 HKO 1410/83
Tatbestand
Die Klägerin, ihr Ehemann – der Widerbeklagte – sowie der Beklagte zu 2 und dessen Vater L. W. waren Kommanditisten der Beklagten zu 1. Zum 31. Dezember 1977 schieden die Klägerin und ihr Ehemann aus der Gesellschaft aus. Hierüber faßten die Gesellschafter am 15. Dezember 1977 einen Beschluß, wonach der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dr. K. mit der Aufstellung einer Auseinandersetzungsbilanz zum 31. Dezember 1977 beauftragt werden sollte. Die Nrn. 4 bis 6 des Beschlusses haben folgenden Wortlaut:

„4. Die Gesellschafter verpflichten sich, dem Wirtschaftsprüfer
unverzüglich alle erforderlichen
Auskünfte zu erteilen. Bei unterschiedlicher Auffassung
der Gesellschafter ist er gehalten, nach
eigenem sachverständigen Ermessen zu entscheiden,
erforderlichenfalls Fachgutachten beizuziehen.

5. … Das Grundvermögen … ist in der Auseinandersetzungsbilanz
mit dem Tageswert zum 31.12.1977
(Realwert) einzustellen. Für seine Bestimmung
gilt:
Beide Gesellschaftergruppen beauftragen unverzüglich
je einen öffentlich bestellten vereidigten
Sachverständigen mit der Bewertung ….
Der Mittelwert beider Gutachten ist verbindlich.
Sollten die Bewertungen jedoch im Falle Grundbesitz
V. um mehr als 1 Mio DM, im Falle P. um mehr als
750.000,00 DM auseinanderliegen und eine Angleichung
der Bewertungen auf diese Beträge nach
nochmaliger Prüfung durch die Sachverständigen
nicht erfolgen, so wird der Gutachterausschuß der
Stadt N. bzw. Stadt R. beauftragt, ein Gutachten zu
erstellen. Diese Gutachten sind verbindlich der
Bewertung zugrunde zu legen.
6. Die Auseinandersetzungsbilanz des Steuerberaters
Dr. K. wird für alle Gesellschafter verbindlich,
wenn nicht binnen einer Frist von drei Monaten ab
Zugang Feststellungs- bzw. Leistungsklage gegen die
andere Gesellschaftergruppe erhoben wird.“

In Nr. 7.1 übernahmen der Beklagte zu 2 und sein Vater die persönliche Haftung für ein etwaiges Auseinandersetzungsguthaben der Klägerin und ihres Ehemannes.
Dr. K. wurde entsprechend dem Beschluß vom 15. Dezember 1977 beauftragt. Mit Anwaltsschreiben vom 29. Juni 1978 entzogen die Klägerin und ihr Ehemann ihm den Auftrag mit der Begründung, er habe zwischenzeitlich die steuerliche Beratung und Interessenvertretung für den Beklagten zu 2 und dessen Vater übernommen. In einer Besprechung am 18. Juli 1978 einigten sich die Beteiligten, wie es in einem darüber aufgenommenen „Kurzprotokoll“ heißt, darauf, „daß Herr Dr. K. nicht befugt sei, eigenverantwortlich Entscheidungen über strittige Punkte zu treffen“; Dr. K. erklärte, „daß er seine Aufgabe auch nicht als Schiedsrichter sehe“.
Am 29. April 1979 verstarb Dr. K.. Seine Praxisnachfolger übersandten den Parteien mit Schreiben vom 30. Mai 1979 eine Auseinandersetzungsbilanz zum 31. Dezember 1977. Sie ergab eine Auseinandersetzungsschuld der Klägerin und ihres Ehemannes gegenüber der Gesellschaft in Höhe von zusammen 751.438,12 DM. Hiervon klagte eine Frau Ne. W. aus abgetretenem Recht einen Teilbetrag von 500.000,– DM gegen die Klägerin und ihren Ehemann ein (5 HK O 5325/80 LG Nürnberg-Fürth). Die Klage wurde mit der Begründung abgewiesen, die dortigen Beklagten brauchten als Kommanditisten ihre negativen Kapitalkonten nicht auszugleichen.
Im jetzigen Rechtsstreit verlangt die Klägerin ihrerseits – teilweise aus abgetretenem Recht – von den Beklagten Zahlung eines Teilbetrages von 500.000,– DM aus einem angeblich ihr und ihrem Ehemann zustehenden, anderweitig ermittelten Abfindungsguthaben von 756.904,69 DM. Der Beklagte zu 2 hat gegen die Klägerin und deren Ehemann Widerklage auf Zahlung von 50.000,– DM erhoben.
Die Vorinstanzen haben Klage und Widerklage abgewiesen. Der Senat hat nur die Revision der Klägerin angenommen. Mit ihr verfolgt sie ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat, soweit es nicht um die Grundstückswerte geht, die von den Praxisnachfolgern Dr. K. übersandte Abfindungsbilanz als verbindlich angesehen, weil die Klägerin und ihr Ehemann nicht innerhalb der in Nr. 6 des Gesellschafterbeschlusses vom 15. Dezember 1977 bestimmten Frist von drei Monaten Klage erhoben hätten. Die dortige Regelung sei durch die mit Schreiben vom 29. Juni 1978 Dr. K. gegenüber ausgesprochene Kündigung nicht berührt worden. Diese habe nur die Rechtsbeziehungen der Klägerin und ihres Ehemannes zu Dr. K., nicht aber diejenigen der Parteien untereinander betroffen. Nach jener Kündigung sei Dr. K. ein neuer Auftrag erteilt worden, wonach er zwar nicht, wie ursprünglich vorgesehen, eine schiedsgutachterliche Funktion habe ausüben, im übrigen aber die Abfindungsbilanz wie vorgesehen habe aufstellen sollen. An der in Nr. 6 des Beschlusses vom 15. Dezember 1977 vereinbarten Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfbarkeit der von Dr. K. aufgestellten Bilanz habe sich dadurch nichts geändert.
Bei dieser Beurteilung hat das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, wesentlichen Tatsachenstoff übersehen oder jedenfalls nicht erkennbar gewürdigt.
a) Nach der weder von der Revision noch von der Revisionserwiderung beanstandeten Feststellung des Berufungsgerichts sah der Gesellschafterbeschluß vom 15. Dezember 1977 vor, Dr. K. zum Schiedsgutachter zu bestellen. Wäre es dabei geblieben, dann wäre die von ihm aufgestellte Bilanz nur auf grobe Unrichtigkeit gerichtlich überprüfbar gewesen (§ 319 BGB). Darauf bezog sich die Regelung in Nr. 6 des Beschlusses. Eine Klage, die jene eingeschränkte Überprüfung zum Ziel hatte, mußte danach binnen drei Monaten erhoben werden; unterblieb dies, konnte auch grobe Unrichtigkeit der Bilanz nicht mehr geltend gemacht werden.
Im Anschluß an die von der Klägerin und ihrem Ehemann mit dem Schreiben vom 29. Juni 1978 ausgesprochene Kündigung sind, wie das Berufungsgericht – ebenfalls unbeanstandet – festgestellt hat, die schiedsgutachterlichen Befugnisse Dr. K. beseitigt worden. Der auch jetzt im Einverständnis aller Gesellschafter von ihm aufzustellenden Bilanz kam nur noch die Bedeutung eines Entwurfs zu, über den sich die Gesellschafter einigen mußten. Das konnte gewiß in der Weise geschehen, daß der von Dr. K. gefertigte Bilanzentwurf maßgeblich sein sollte, wenn keiner der Gesellschafter dagegen binnen drei Monaten im Klagewege Einwendungen erhob. Dann hätte Nr. 6 der Vereinbarung vom 15. Dezember 1977 ihren Sinn behalten. Das war aber nicht selbstverständlich. Die Grundlage für die dort getroffene Regelung hatte sich geändert. Der in ihr liegende Eingriff in die Rechte der von einer für sie ungünstigen Abfindungsbilanz betroffenen Gesellschafter ist schwerwiegender, wenn diese sich nach Ablauf einer bestimmten Frist an einem an sich unverbindlichen Bilanzentwurf festhalten lassen müssen, als wenn ihnen nur die Möglichkeit genommen wird, den Einwand grober Unrichtigkeit einer von einem Schiedsgutachter aufgestellten, grundsätzlich verbindlichen Bilanz zeitlich unbeschränkt geltend zu machen.
Ob Nr. 6 jenes Beschlusses auch für die nach dem Schreiben vom 29. Juni 1978 eingetretene Sachlage gelten sollte, hängt in erster Linie davon ab, was im Anschluß daran, insbesondere in der Besprechung vom 18. Juli 1978, vereinbart worden ist. In dem „Kurzprotokoll“ darüber ist festgehalten, man habe sich darüber geeinigt, „daß Herr Dr. K. nicht befugt sei, eigenverantwortlich Entscheidungen zu strittigen Punkten zu treffen“. Im Schreiben vom 28. Juli 1978, das der damalige Anwalt der Klägerin und ihres Ehemannes, Dr. E., an den Beklagten zu 2 und dessen Vater richtete, wird darauf hingewiesen, daß Dr. K. am 18. Juli 1978 erklärt habe, er werde in die Bilanz „nur Material einarbeiten können, das von beiden Gesellschaftergruppen einverständlich genehmigt sei“. Im Anschluß daran heißt es in dem Schreiben:

„Wir dürfen hiermit bestätigen, daß wir uns mit
dieser Verfahrensweise einverstanden erklären und daß
der in unserem Schreiben vom 29. Juni 1978 erklärte
Widerruf der Beauftragung der Wirtschaftsprüferkanzlei
Dr. K. insoweit als gegenstandslos betrachtet
werden kann.
Eine andere Frage ist es, wie verfahren werden soll,
wenn sich bei den Bilanzbesprechungen der Gesellschaftergruppen
Fragen ergeben, über die Einigkeit
nicht erzielt werden kann. Da entgegen den Bestimmungen
in Ziffer 3 und 4 des Auseinandersetzungsbeschlusses
vom 15. Dezember 1977 Dr. K. für eine Entscheidung
solcher strittiger Fragen nach eigener Erklärung
nicht in Frage kommt, wird man im Falle des
Auftretens von Differenzen entweder eine neue Regelung
finden oder gegebenenfalls eine streitige Auseinandersetzung
anstreben müssen. Dieses Problem sollte jedoch
nach unserer Meinung zunächst zurückgestellt werden,
da doch begründete Hoffnung besteht, daß jedenfalls
der Großteil aller anstehenden Bilanzprobleme und der
damit zusammenhängenden Fragen einvernehmlich geregelt
werden kann.“

In der Beweisaufnahme, die das Landgericht durchgeführt hat, hat Dr. E. als Zeuge ausgesagt, Dr. K. habe erklärt, er werde in die Bilanz nur das einarbeiten, womit beide Parteien einverstanden seien. Die damals bei Dr. K. angestellte Zeugin Sch.-A. hat bekundet, Dr. K. habe gesagt, er werde jeweils „den für die Gesellschaft günstigsten Ansatz einbringen“; den Gesellschaftern sei es vorbehalten gewesen, sich über die streitigen, als solche zu kennzeichnenden Punkte zu einigen. Dr. K. habe sich das so vorgestellt, daß, „wenn sich die Parteien nicht einigen würden, von diesen Sachverständige hinzugezogen würden“. Nach der insoweit mit dem Vortrag der Beklagten übereinstimmenden Aussage der Zeugin haben nach der Besprechung vom 18. Juli 1978 verschiedene „Arbeitssitzungen“ stattgefunden, auf denen nach ihrer Darstellung eine Einigung über die strittigen Fragen nicht erzielt werden konnte; danach waren „im wesentlichen … alle Punkte der Bilanz … noch umstritten“. In einem von den Beklagten vorgelegten Schreiben der Klägerin und ihres Ehemannes vom 19. Dezember 1978 – offenbar handelt es sich um ein Anwaltsschreiben – ist deren Standpunkt in einer ganzen Reihe von Fragen dargelegt. Was in der Zeit danach bis zum Tode Dr. K.’s weiter geschehen ist, ist nicht vorgetragen. In dem Schreiben der Praxisnachfolger Dr. K.’s vom 30. Mai 1979, mit dem den Beteiligten die nach der Feststellung des Berufungsgerichts noch von Dr. K. aufgestellte Abfindungsbilanz übersandt worden ist, heißt es:

„Die noch strittigen Punkte haben wir in unserem bereits
übergebenen Konzept gekennzeichnet.
Wir wären gerne bereit, ein gemeinsames Gespräch zu
arrangieren, um nun nach Vorlage dieser Auseinandersetzungsbilanz
nach Lösungen für die strittigen
Punkte zu suchen.
Wir würden sie bitten, zwecks Terminvereinbarung mit
uns Kontakt aufzunehmen.“

Diese gesamten Vorgänge deuten eher darauf hin, daß die streitigen Bilanzposten im Zusammenwirken mit Dr. K. – notfalls unter Hinzuziehung weiterer Sachverständiger – geklärt werden sollten. Was geschehen sollte, wenn eine einvernehmliche Regelung nicht zu erzielen war, sollte nach dem erwähnten Anwaltsschreiben vom 28. Juli 1978 „zunächst zurückgestellt werden“. Das alles begründet Zweifel an der Annahme, die Beteiligten hätten für die endgültige Bilanzfeststellung an der ursprünglich unter anderen Voraussetzungen vereinbarten Regelung in Nr. 6 des Beschlusses vom 15. Dezember 1977 festgehalten. Das Berufungsgericht hat nicht erörtert, welche Bedeutung die Änderung dieser Voraussetzungen für die Fortgeltung jener Regelung hat, sondern nur darauf abgestellt, daß Nr. 6 des Beschlusses nicht förmlich geändert worden ist. Die Frage kann jedoch nur aufgrund einer alle Umstände einbeziehenden tatrichterlichen Würdigung beantwortet werden. Das Berufungsgericht wird sie, gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien, nachholen müssen.
b) Sollte das Berufungsgericht zu der Feststellung gelangen, daß Nr. 6 des Gesellschafterbeschlusses vom 15. Dezember 1977 trotz Wegfalls des Schiedsgutachtenverfahrens für die von den beteiligten Gesellschaftern mit Hilfe Dr. K.’s festzustellende Abfindungsbilanz gelten sollte, würde es darauf ankommen, wann die Dreimonatsfrist zu laufen begann. Auch insoweit bestehen im Hinblick auf die oben dargestellten Umstände Bedenken, ohne weiteres den Zugang des Schreibens vom 30. Mai 1979 mit der ihm beigefügten Bilanz als maßgeblich anzusehen. Auch wenn die Bilanz noch von Dr. K. aufgestellt worden ist, fehlt es, worauf die Revision im Ergebnis zu Recht hinweist, an der Feststellung, daß es sich um eine endgültige Bilanz handeln sollte. Zweifel ergeben sich insoweit zwar nicht so sehr, wie die Revision meint, daraus, daß die Abschlußkosten noch nicht eingearbeitet waren und Unterschrift sowie Prüfvermerk fehlten; Dr. K. hatte nach seinem im Juli 1978 modifizierten Auftrag ohnehin letztlich nur einen Bilanzentwurf aufzustellen. Ob die den Beteiligten übersandte Bilanz die endgültige Leistung sein sollte, mit der Dr. K. beauftragt worden war, konnte aus der Sicht der Empfänger vielmehr deswegen fraglich sein, weil, wie oben ausgeführt, die Diskussion anscheinend noch nicht abgeschlossen war. Nach der Aussage der Zeugin Sch.-A. waren den Beteiligten schon einmal – nämlich Ende November/ Anfang Dezember 1978 – „berichtigte Bilanzen“ vorgelegt worden; auf sie bezieht sich offenbar das oben erwähnte Schreiben vom 19. Dezember 1978, in dem von „den am 28. November 1978 übergebenen Bilanzentwicklungen“ die Rede ist. Vor diesem Hintergrund war das in dem Übersendungsschreiben enthaltene Angebot der Praxisnachfolger, in einem Gespräch nach Lösungen für die streitigen Punkte zu suchen, kaum geeignet, den Beteiligten bewußt zu machen, daß nunmehr die dreimonatige Frist zur Klageerhebung zu laufen begonnen hatte.
Auch insoweit wird das Berufungsgericht, das nur darauf abgestellt hat, daß die Bilanz von Dr. K. stamme und daß dieser im Einverständnis mit der Klägerin und deren Ehemann tätig geworden sei, die erforderliche tatrichterliche Würdigung nachzuholen haben.
2. Den Wert des Grundstücks in P. hat Dr. K. aus dem gemäß Nr. 5 des Gesellschafterbeschlusses vom 15. Dezember 1977 eingeholten Gutachten des Gutachterausschusses beim Landratsamt R. (vgl. S. 2 des Gutachtens des Sachverständigen G. vom 22. September 1981, GA 147, 148) übernommen. Die Klägerin hat geltend gemacht, dieses Gutachten sei grob unrichtig, und dazu auf das im Prozeß Ne. W. ./. F. vom Landgericht eingeholte Gutachten des Sachverständigen G. hingewiesen. Dieser hat dort im einzelnen dargelegt, daß das Gutachten des Gutachterausschusses lediglich eine Schätzung darstelle, deren Grundlagen nicht erkennbar und damit nicht nachprüfbar seien. Das Berufungsgericht hat den Einwand der Klägerin mit der Begründung nicht gelten lassen, der Gutachterausschuß habe die Grundlagen seiner Wertfestsetzung nicht näher zu erläutern brauchen. Er habe eine andere Stellung als ein privater Sachverständiger; da seine Mitglieder den besten Überblick über die örtlichen Verhältnisse hätten, reiche es für sie aus, auf die eigenen Erfahrungen zu verweisen.
Auch diese Ausführungen greift die Revision mit Erfolg an.
a) Sollte freilich die erneute Tatsachenverhandlung ergeben, daß die von Dr. K. aufgestellte Bilanz binnen drei Monaten hätte angegriffen werden müssen und daß diese Frist nicht gewahrt ist, wären – anders, als das Berufungsgericht offenbar meint, und entgegen der Ansicht der Revision – auch die Grundstückswerte nicht mehr überprüfbar. Wenn die Parteien insoweit auch in Nr. 5 des Beschlusses vom 15. Dezember 1977 ein besonderes Schiedsgutachtenverfahren vereinbart haben, so sind die dabei ermittelten Werte doch ebenfalls nur Rechnungsposten in der Abfindungsbilanz. Anders als die sonstigen Bilanzposten sind sie nur im Rahmen des § 319 BGB überprüfbar. Auch das ist nicht mehr der Fall, wenn die Bilanz mit verbindlicher Wirkung zwischen den Beteiligten festgestellt ist. Es wäre sinnwidrig, wenn nach Ablauf der vereinbarten Frist die zunächst unverbindlichen Bilanzposten unangreifbar wären, die von einem Schiedsgutachter mit grundsätzlich verbindlicher Wirkung festgestellten Grundstückswerte dagegen weiterhin – wenn auch nur auf grobe Unrichtigkeit – überprüft werden könnten.
b) Gilt die Dreimonatsfrist dagegen nicht, dann können auch die in die Bilanz eingestellten Grundstückswerte zur Nachprüfung gestellt werden, allerdings nur daraufhin, ob die Schiedsgutachten, in denen sie ermittelt worden sind, grob unrichtig sind. Letzteres läßt sich, soweit es um das Grundstück in P. geht, mit der vom Berufungsgericht dafür angeführten Begründung nicht verneinen. Ein Schiedsgutachten ist nicht nur dann offenbar unrichtig, wenn sich einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter – sei es auch erst nach eingehender Prüfung – offensichtliche Fehler der Leistungsbestimmung aufdrängen, die das Gesamtergebnis verfälschen, sondern auch dann, wenn die Ausführungen des Sachverständigen so lückenhaft sind, daß selbst der Fachmann das Ergebnis aus dem Zusammenhang des Gutachtens nicht überprüfen kann (st. Rspr., vgl. Sen.Urt. v. 16. November 1987 – II ZR 111/87, WM 1988, 276, 277 m.w.N.). So ist es, wie für die Revisionsinstanz zu unterstellen ist, im vorliegenden Fall; denn das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß das, was der Sachverständige G. in dem oben erwähnten Gutachten ausgeführt hat, nicht zutrifft.
Das Berufungsgericht meint freilich, für die kommunalen Gutachterausschüsse gelte das Gesagte grundsätzlich nicht. Das ist aber in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Auch die Gutachten der Gutachterausschüsse müssen jedenfalls gewisse Mindestanforderungen erfüllen, damit sie wenigstens in ihren Grundzügen für einen Fachmann nachvollziehbar sind. Das vom Berufungsgericht herangezogene Urteil des Bundesgerichtshofes vom 4. März 1982 (III ZR 156/80, VersR 1982, 550 f.) stützt seine gegenteilige Meinung nicht. Dort ist für den entschiedenen Fall, bei dem es im übrigen um eine Amtspflichtverletzung des Gutachterausschusses ging, ausführlich dargelegt, daß das Gutachten, das zu beurteilen war, ausreichend nachprüfbar sei. Lediglich die Bemessung bestimmter prozentualer Abschläge vom Sachwert brauche, so heißt es, nicht näher erläutert zu werden, weil sich ein Großteil der persönlichen Erfahrung nicht weiter begründen lasse.
Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige G. ausgeführt, „daß der Gutachterausschuß keine Wertermittlung durchgeführt hat, sondern seine Begutachtung als ‚Grundstücksschätzung‘ bezeichnet“. Wie der Gutachterausschuß zu den im einzelnen für jedes Grundstück angesetzten Quadratmeterwerten gekommen sei, gehe aus dem Gutachten nicht hervor. Dieses könne daher nicht im Sinne einer nachvollziehbaren Wertermittlung qualifiziert werden, sondern stelle eine bloße „Schätzung“ dar. Das Berufungsgericht hat nicht erkennbar geprüft, ob diese Wertung des Sachverständigen zutrifft. Ob die Grundlagen eines Gutachtens ausreichend offengelegt sind, läßt sich aber nur dann beurteilen, wenn man sich mit seinen Einzelheiten befaßt hat. Das Berufungsgericht hat dies offenbar nicht getan. Es ist nicht einmal ersichtlich, ob ihm das Gutachten des Gutachterausschusses vorlag. Das Berufungsgericht wird daher, wenn die Dreimonatsfrist nach Nr. 6 des Beschlusses vom 15. Dezember 1977 nicht gilt, die bisher unterlassene Prüfung des beanstandeten Gutachtens nachzuholen haben.
3. Damit die danach noch erforderlichen Tatsachenfeststellungen getroffen werden können, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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