Voraussetzung für die Löschung eines Nacherbenvermerks

April 20, 2020

OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 20 W 516/10
Grundbuchverfahren: Zulässigkeit einer Zwischenverfügung zur Vorlage der Zustimmung der Ersatznacherben als Voraussetzung für die Löschung eines Nacherbenvermerks
1. Hält das Grundbuchamt zur Wahrung eines Löschungsantrags die Zustimmung der noch unbekannten Ersatznacherben, die Bestellung eines Pflegers sowie die Genehmigung von dessen Erklärungen durch das Familiengericht für erforderlich, so kann dies nicht im Wege der Zwischenverfügung verlangt werden, da es nicht Inhalt einer Zwischenverfügung sein kann, auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts hinzuwirken, das erst die Grundlage einer einzutragenden Rechtsänderung sein soll (Festhaltung OLG Frankfurt, 7. Juli 2010, 20 W 349/09).
2. Ist die gleichwohl ergangene Zwischenverfügung unzulässig, so ist sie durch das Beschwerdegericht in jedem Fall aufzuheben. Die Entscheidung über die Löschungs-/Eintragungsanträge hat dagegen das Grundbuchamt zu treffen, da Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur die Zwischenverfügung und nicht diese Anträge sind.
vorgehend AG Eschwege, 15. November 2010, XX

Tenor
Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.
Gründe
Im betroffenen Grundbuch ist in Abt. I die Beteiligte zu 1. als Eigentümerin eingetragen. In Abt. II Ziffer 5 findet sich folgender Nacherbenvermerk: „A1 (…) ist Vorerbin nach … A2 (…); Nacherben sind A3 (…) und A4 (…); die Nacherbfolge tritt ein beim Tod oder bei Wiederverheiratung der Vorerbin; Ersatznacherben sind die Abkömmlinge der Nacherben; gemäß Erbschein vom 10.12.2008 (…).“
Am 30.09.2010 hat der seinerzeitige Notarvertreter die notarielle Urkunde vom 24.09.2010, UR.-Nr. …/2010, beim Grundbuchamt eingereicht. Dabei handelt es sich um einen Grundstücksauseinandersetzungs- und Übergabevertrag mit Auflassung. Ausweislich § 1 dieses Vertrags haben die Beteiligten zu 2. und 3. ihre jeweilige Nacherbenanwartschaft auf die Beteiligte zu 1. übertragen, die damit Vollerbin werden sollte. Die Beteiligten zu 2. und 3. haben die Löschung des jeweils zu ihren Gunsten eingetragenen Nacherbenvermerks im Grundbuch bewilligt. Die Beteiligte zu 1. hat die Löschung beantragt. Darüber hinaus hat die Beteiligte zu 1. das in lfd. Nr. 7 des Bestandsverzeichnisses des betroffenen Grundbuchs vermerkte Grundstück auf die Beteiligte zu 2. übertragen, die dies angenommen hat. Wegen des genauen Wortlauts und weiteren Inhalts der Urkunde wird auf Blatt 100 ff. d. A. Bezug genommen. Am 10.11.2010 hat der Notarvertreter unter Vorlage weiterer Urkunden unter anderem die Löschung der Nacherbenvermerke beantragt. Durch die angefochtene Zwischenverfügung, auf deren genauen Wortlaut und Inhalt ebenfalls verwiesen wird, hat die Rechtspflegerin beim Grundbuchamt darauf hingewiesen, dass der beantragten Eintragung Hindernisse entgegenstehen würden, zu deren formgerechter Behebung gemäß § 18 GBO sie eine Frist bestimmt und hierzu ausgeführt hat: „Es ist beantragt, den Nacherbenvermerk auf allen beschwerten Grundstücken zu löschen. Hierzu bedürfte es außer der Zustimmung aller Nacherben auch der Zustimmung der Ersatznacherben. Da diese zur Zeit noch unbekannt sind, wäre die Bestellung eines Pflegers sowie die Genehmigung dessen Erklärungen durch das Familiengericht erforderlich. Sofern der Nacherbenvermerk derzeit nur auf dem veräußerten Grundstück lfd. Nr. 7 gelöscht werden soll, wird um formgerechte Antragsrücknahme (Unterschrift und Siegel) gebeten.“ Darüber hinaus hat die Rechtspflegerin zum Vollzug der Eigentumsumschreibung die Genehmigung nach § 2 GrdStVG angefordert. Gegen diese Zwischenverfügung hat der Notariatsverwalter durch Schriftsatz vom 30.11.2010 Beschwerde eingelegt, auf dessen Begründung Bezug genommen wird. Der Notariatsverwalter hat darin klargestellt, dass er sich nicht gegen die Anforderung der Genehmigung nach § 2 GrdStVG wende. Er hat zwischenzeitlich auch eine Genehmigung vorgelegt. Die Rechtspflegerin beim Grundbuchamt hat ausweislich des Beschlusses vom 06.12.2010 der von ihr als Erinnerung bezeichneten Beschwerde des Notars vom 30.11.2010 gegen die Zwischenverfügung vom 15.11.2010 nicht abgeholfen. Sie hat das Rechtsmittel dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beschwerde, über die nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG in Verbindung mit § 72 GBO das Oberlandesgericht zu entscheiden hat, ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Zwischenverfügung, die sich – soweit hier verfahrensgegenständlich – ausschließlich zur beantragten Löschung der Nacherbenvermerke verhält, ist bereits aus formalen Gründen aufzuheben.
Zur Löschung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch ist nach weit überwiegender Auffassung, der der Senat folgt, entweder die Bewilligung des Nacherben sowie etwa vorhandener Ersatznacherben oder Unrichtigkeitsnachweis erforderlich. Ein Nacherbenvermerk kann also nur dann gelöscht werden, wenn entweder die eingetragenen Nacherben und ggf. Ersatznacherben die Löschung bewilligt haben oder die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist, §§ 19, 22 Abs. 1 GBO (vgl. Demharter, GBO, 27. Aufl., § 51 Rz. 37; Schöner/Stöber, GBO, 14. Aufl., Rz. 3510; Bauer/von Oefele/Schaub, GBO, 2. Aufl., § 51 Rz. 115; Meikel/Böhringer, GBO, 10. Aufl., § 51 Rz. 162 ff.; BayObLG Rpfleger 1988, 525; NJW-RR 2005, 956; Senat FGPrax 2010, 175; vgl. auch Palandt/Edenhofer, BGB, 69. Aufl., § 2100 Rz. 16). Davon geht das Grundbuchamt ausweislich des Nichtabhilfebeschlusses vom 06.12.2010 zu Recht aus.
Ausweislich der angefochtenen Zwischenverfügung und des Nichtabhilfebeschlusses vom 06.12.2010 hält das Grundbuchamt zur Wahrung der Löschungsanträge hier die Zustimmung der noch unbekannten Ersatznacherben, die Bestellung eines Pflegers sowie die Genehmigung dessen Erklärungen durch das Familiengericht für erforderlich. Im Nichtabhilfebeschlusses vom 06.12.2010 wird ausdrücklich auf den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs abgestellt. Die Vorlage von (weiteren) Bewilligungen von Nacherben bzw. Ersatznacherben bzw. eines hierfür eingesetzten Pflegers könnte auch nicht im Wege der Zwischenverfügung verlangt werden. Im Rahmen des § 18 GBO kann den Beteiligten nämlich nicht aufgegeben werden, die zu einer Eintragung bzw. Löschung erforderliche Eintragungsbewilligung des unmittelbar Betroffenen überhaupt erst abzugeben. Dies folgt daraus, dass es nicht Inhalt einer Zwischenverfügung sein kann, auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts hinzuwirken, das erst die Grundlage einer einzutragenden Rechtsänderung sein soll (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Beschluss vom 07.07.2010, 20 W 349/2009; Demharter, a.a.O., § 18 Rz. 8 ff., 12, 32; Zeiser in BeckOK GBO, Stand 01.10.2010, § 18 Rz. 17; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 09.07.2010, 2 W 94/10, zitiert nach juris; vgl. auch Brandenburgisches Oberlandesgericht FGPrax 2003, 54, und Senat, Beschluss vom 07.12.2010, 20 W 362/08).
Nach den obigen Ausführungen wäre mithin eine Löschung der Nacherbenvermerke darüber hinaus möglich, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen worden wäre, § 22 Abs. 1 GBO. Wie gesagt stellt das Grundbuchamt im Nichtabhilfebeschluss vom 06.12.2010 ausdrücklich hierauf ab. Das Grundbuchamt hätte aber auch gestützt auf diese Erwägung insoweit eine Zwischenverfügung nicht erlassen dürfen, wenn es die Auffassung vertritt, dass die sachlichen Voraussetzungen einer Grundbuchberichtigung nicht vorliegen. Einem Berichtigungsantrag kann nämlich dann nicht stattgegeben werden, wenn sich aus der Eintragungsbewilligung oder aus den mit ihr vorgelegten Urkunden und sonstigen Umständen ergibt, dass das Grundbuchamt durch die der Bewilligung entsprechende Eintragung unrichtig würde. In diesem Fall ist ein gestellter Eintragungs-/Löschungsantrag vielmehr zurückzuweisen. Eine Zwischenverfügung ist insoweit nicht zulässig. Dies entspricht weitgehend einhelliger Rechtsauffassung (vgl. BayObLG DNotZ 1981, 573; Kuntze/Ertl/Herrmann, GBO, 6. Aufl., § 18 Rz. 28; Bauer/von Oefele/Wilke, a.a.O., § 18 Rz. 15; Demharter, a.a.O., § 18 Rz. 11).
Nichts anderes ergibt sich vorliegend aus § 16 Abs. 2 GBO – wollte man einen solchen Fall hier annehmen – im Hinblick darauf, dass mehrere Anträge gestellt wurden. Im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 GBO kann das Grundbuchamt über die Anträge nur einheitlich entscheiden. Ist nur ein Antrag vollzugsreif und steht dem anderen ein mit Rückwirkung behebbares Hindernis entgegen, bleibt der vollzugsreife Antrag unerledigt und kann im Übrigen eine Zwischenverfügung ergehen (vgl. Bauer/von Oefele/Wilke, a.a.O., § 16 Rz. 25 m. w. N.). Ein solcher Fall eines mit Rückwirkung behebbaren Hindernisses ist nach den obigen Ausführungen vom Grundbuchamt hier in der beanstandeten Zwischenverfügung gerade nicht aufgezeigt worden. Leidet aber ein Antrag an einem nicht behebbaren Hindernis, ist es zwar anerkannt, dass bei einer Verknüpfung mehrerer Anträge im Sinne des § 16 Abs. 2 GBO eine Zwischenverfügung dahin lauten kann, den mangelhaften Antrag zurückzunehmen oder den Vorbehalt fallen zu lassen, weil das der Antragseinheit entgegenstehende Eintragungshindernis beseitigt werden kann, indem der beanstandete Einzelantrag zurückgenommen und so die Verknüpfung dieses Antrags mit dem rechtlichen Schicksal der übrigen Anträge aufgehoben wird (BGH Rpfleger 1978, 365; BayObLG Rpfleger 1979, 210; OLG Hamm NJW-RR 2000, 1611, und OLGZ 1975, 150; vgl. auch Meikel/Böttcher, a.a.O., § 18 Rz. 17). Eine solche Zwischenverfügung liegt hier aber ebenfalls nicht vor. Aus der Zwischenverfügung ergibt sich nicht, dass die Wahrung bestimmter oder aller Anträge vom Grundbuchamt von der Rücknahme eines Teils der Anträge abhängig gemacht werden soll. Vielmehr wird die Wahrung der Löschungsanträge – wie dargelegt im Wege der Zwischenverfügung unzulässig – von der Behebung des oben beschriebenen Hindernisses abhängig gemacht und für den Fall, dass „derzeit“ lediglich eine teilweise Löschung – nämlich nur zu dem Grundstück lfd. Nr. 7 – erfolgen solle, um Antragsrücknahme (wohl der Löschungsanträge im übrigen) gebeten. Dies lässt sich nicht im obigen Sinne auslegen. Eine Zwischenverfügung hat aber grundsätzlich die Angabe sämtlicher Hindernisse zu enthalten, die der Eintragung entgegenstehen und die Bezeichnung sämtlicher Mittel oder Wege zur Beseitigung der Hindernisse, die klar aufgezeigt werden müssen, und schließlich die Setzung einer Frist zur Beseitigung der aufgezeigten Hindernisse. Vor diesem Hintergrund ist die Zwischenverfügung nach den oben dargelegten Kriterien nicht so abgefasst, dass sie den Beteiligten eine sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte ermöglicht (vgl. zu diesem Erfordernis: Senat, Beschluss vom 17.06.2010, 20 W 185/10, m. w. N.; Rpfleger 1994, 204).
Ist die gleichwohl ergangene Zwischenverfügung unzulässig, so ist sie durch das Beschwerdegericht in jedem Fall aufzuheben. Die Entscheidung über die Löschungs-/Eintragungsanträge hat dagegen das Grundbuchamt zu treffen, da Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur die Zwischenverfügung und nicht diese Anträge sind (vgl. die Nachweise bei Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht a.a.O.). Die Entscheidung über die Anträge ist mithin beim Senat nicht angefallen. Es ist nicht Aufgabe des Senats als Beschwerdegericht, vor der noch zu erfolgenden Entscheidung des Grundbuchamts über dessen in der formal unzulässigen Zwischenverfügung vorgebrachte inhaltliche Bedenken zu entscheiden (Senat, Beschluss vom 07.12.2010, 20 W 505/10).
Ist die Beschwerde mithin erfolgreich, bedarf es weder einer Kostenentscheidung noch Ausführungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde.

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