Beförderungsverbot gemäß § 21 HBG

April 26, 2020

Hessischer Verwaltungsgerichtshof 1. Senat
1 B 1751/19

Beförderungsverbot gemäß § 21 HBG

1. Die in § 21 HBG normierten laufbahnrechtlichen Beförderungsverbote sind nicht integraler Bestandteil der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmenden Bestenauslese im Sinne negativer Eignungsvoraussetzungen, deren Vorliegen im Zeitpunkt der zu treffenden Auswahlentscheidung bereits die Auswahl des betroffenen Bewerbers verbietet (Aufgabe der im Beschluss vom 11. Juli 2019 – 1 B 2402/18 – vertretenen Rechtsmeinung).

2. Ein Beurteilungsbeitrag kann auch von einer sachkundigen Auskunftsperson erstellt werden, die demselben Statusamt wie der zu Beurteilende angehört, wenn der Beurteiler diesem potentiellen Konkurrenzverhältnis im Rahmen der eigenen Überzeugungsbildung hinreichend Rechnung trägt.

Verfahrensgang ausblendenVerfahrensgang
vorgehend VG Gießen, 19. Juli 2019, 5 L 977/19.GI, Urteil
Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 19. Juli 2019 – 5 L 977/19.GI – wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 21.026,37 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin steht als Schulamtsdirektorin (Besoldungsgruppe A 15) im Dienst des Antragsgegners. Sie wendet sich gegen die bevorstehende Beförderung des Beigeladenen (im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung Besoldungsgruppe A 15 Z, mittlerweile A 16) zum Leiter des Staatlichen Schulamts für den Landkreis Gießen und den Vogelsbergkreis (Besoldungsgruppe A 16 Z).

Am 4. September 2018 schrieb der Antragsgegner zur Ausschreibungsnummer 35441 die Stelle des Leiters/der Leiterin des Staatlichen Schulamtes für den Landkreis Gießen und den Vogelsbergkreis (Besoldungsgruppe A 16 Z HBesG) aus, auf die sich die Antragstellerin und der Beigeladene bewarben. Dem Auswahlverfahren vorangegangen war ein früheres Stellenausschreibungsverfahren für dieselbe Stelle, in der die Antragstellerin zunächst unterlegen war, was nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 24. Oktober 2017 – 5 L 5183/17 – aber auf einer fehlerhaften Auswahl beruhte: Die dienstliche Beurteilung der Antragstellerin sei nicht verwertbar gewesen, da sie im Vergleich zur vorhergehenden dienstlichen (Bestätigungs-) Beurteilung um zwei Notenpunkte und eine Notenstufe schlechter ausgefallen sei, ohne dass dies gesondert begründet worden sei.

Der Antragsgegner brach in der Folge das damalige Stellenbesetzungsverfahren ab und schrieb die Stelle erneut aus. Ab dem 5. März 2018 wurde vorübergehend ein neuer Leiter des Staatlichen Schulamtes für den Landkreis Gießen und den Vogelsbergkreis bestimmt, der gleichzeitig ein weiteres Schulamt leitet. Er entband die Antragstellerin ab dem 21. März 2018 von der Abwesenheitsvertretung, wogegen die Antragstellerin Widerspruch einlegte.

Der Leiter des Staatlichen Schulamtes erstellte am 9. November eine neue dienstliche Beurteilung für die Antragstellerin (Zeitraum 27. August 2016 bis 30. September 2018, Bl. 49 ff. d.GA). Sie erhielt 11 Notenpunkte in der Bewertungsstufe 6. Die dienstliche Beurteilung enthielt unter „Ergänzende Bemerkungen“ bzw. „Gesamturteil“ eine gesonderte Begründung für die – gegenüber dem vorangegangenen Zeitraum – schlechtere Note (näher Bl. 55 d.GA).

Die dienstliche Beurteilung für den Beigeladenen (Zeitraum vom 12. April 2015 bis 30. September 2018, 12 Notenpunkte, Bl. 100 ff. d.GA) erstellte als Erstbeurteiler der Abteilungsleiter als Vorgesetzter im Kultusministerium, als Zweitbeurteiler der Staatssekretär. Der Beigeladene war bis zum 6. Mai 2018 Schulleiter einer Gesamtschule, bis 1. November 2018 Regierungsdirektor (Besoldungsgruppe A 15 Z HBesG). Seit diesem Zeitpunkt ist er im Kultusministerium als Ministerialrat mit Besoldungsgruppe A 16 HBesG beschäftigt.

lm vom Staatssekretär am 15. Februar 2019 gebilligten Auswahlbericht heißt es, dem Beigeladenen sei im Ergebnis der Vorrang vor der Antragstellerin einzuräumen, da dieser in seiner aktuellen dienstlichen Beurteilung mit 12 von 13 Notenpunkten gegenüber der Antragstellerin mit 11 von 13 Notenpunkten besser beurteilt worden sei. Zudem habe er die dienstliche Beurteilung für seine Tätigkeit im Statusamt der Besoldungsgruppe A 15 Z HBesG erhalten.

Mit Schreiben vom 21. Februar 2019 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass die Stelle mit dem Beigeladenen besetzt werden solle. Hiergegen hat die Antragstellerin am 1. März 2019 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist.

Am 4. März 2019 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Gießen um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Mit Beschluss vom 19. Juli 2019 hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsgegner habe die verschiedenen Statusämter in seiner Auswahlentscheidung gewürdigt. Der Vorsprung des Beigeladenen ergebe sich durch die bessere Note und die besseren Einzelbewertungen, noch verstärkt durch sein höheres Statusamt. Die aktuellen dienstlichen Beurteilungen von Antragstellerin und Beigeladenem seien trotz der unterschiedlichen Zeitspanne von 25 und 41 Monaten vergleichbar, weil sie beide am 30. September 2018 endeten. Die inzidente Überprüfung der dienstlichen Beurteilung der Antragstellerin führe nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer nachträglichen Verbesserung. Für die Eignung, einen Beurteilungsbeitrag zu leisten, sei es unschädlich, wenn der als Auskunftsperson dienende Beamte demselben Statusamt angehöre; Konkurrent im aktuellen Auswahlverfahren sei dieser erst nach Erstellung der Beurteilung geworden. Vor dem Hintergrund des Beurteilungsspielraums des Beurteilers sei seine Gewichtung und Gesamteinschätzung nicht zu beanstanden. Eine gesonderte Begründung für die schlechtere Benotung der Antragstellerin sei nunmehr erfolgt und in Gesprächen der Antragstellerin plausibel gemacht. Die Ausführungen in der dienstlichen Beurteilung zur Kommunikation der Antragstellerin mit Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie zu deren Information, zur Anwendung von Rechtsvorschriften durch die Antragstellerin, zur Termingerechtigkeit deren Arbeit und zum Einhalten von Fristen durch diese seien nachvollziehbar.

Gegen diesen – ihr am 22. Juli 2019 zugestellten – Beschluss hat die Antragstellerin am 5. August 2019 Beschwerde eingelegt, die sie am 22. August 2019 begründet hat.

Zur Begründung trägt sie vor, es fehle an einer plausiblen Rechtfertigung dafür, dass sich das Gesamtergebnis ihrer dienstlichen Beurteilung von 13 Punkten auf 11 Punkte verschlechtert habe. Beurteiler, Antragsgegner und Verwaltungsgericht hätten sich konkret mit den vorherigen dienstlichen Beurteilungen auseinandersetzen und angeben müssen, in welchen Bereichen sie in ihrer Leistung stark abgefallen sei. Die dienstliche Beurteilung vom 9. November 2018 enthalte einen unzulässigen Beurteilungsbeitrag eines Konkurrenten derselben Besoldungsgruppe aus einer vom Verwaltungsgericht Gießen aufgehobenen früheren dienstlichen Beurteilung. Wegen des Widerspruchs gegen die Beurteilung habe ebenfalls keine Verwertung stattfinden dürfen, da dieser jedenfalls analog § 80 Abs. 1 VwGO einen Suspensiveffekt entfalte. Die dienstlichen Beurteilungen seien nicht vergleichbar. Vielmehr führe ein „Ausblenden“ der differierenden 16 Monate zu einer Benachteiligung bei ihr, weil sie für diesen zurückliegenden Zeitraum besser beurteilt worden sei. Der Beigeladene hätte wegen des Beförderungsverbots nach § 21 Abs. 1 Satz 3 HBG nicht ausgewählt werden dürfen. Auswahlverfahren und -vermerk seien in erstaunlich kurzer Zeit durchgeführt und erstellt worden.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Gießen vom 19. Juli 2019 – 5 L 977/19.GI – dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, bis zum Abschluss eines neu durchzuführenden Auswahlverfahrens zur Besetzung der ausgeschriebenen Stelle einer Leiterin/eines Leiters des Staatlichen Schulamtes für den Landkreis Gießen und den Vogelsbergkreis den Beigeladenen der Antragstellerin vorzuziehen und ihn zum Leiter des Staatlichen Schulamtes für den Landkreis Gießen und den Vogelsbergkreis zu ernennen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor, der Beurteiler habe als Leiter zweier staatlicher Schulämter die Leistungen der Antragstellerin besonders maßstabsgerecht einordnen können. Die streitgegenständliche Stellenbesetzung sei mit der größtmöglichen Priorität betrieben worden, da es sich um ein Spitzenleitungsamt in der Schulverwaltung handele. Zudem sei eine Auswahlentscheidung nach Aktenlage möglich gewesen. Eines Überprüfungsverfahrens bzw. Vorstellungsgesprächs habe es nicht mehr bedurft, was zur Beschleunigung beigetragen habe.

Das im Beschwerdeverfahren erstmalig vorgetragene Argument eines einer Auswahl des Beigeladenen entgegenstehenden Beförderungsverbots gehe fehl, zumal das Verbot auch die Antragstellerin selbst treffe. Die Rechtsauffassung im Beschluss des Hess. VGH vom 11. Juli 2019 – 1 B 2402/18 – juris, wonach das Verbot der Sprungbeförderung und die in § 21 Abs. 1 HBG normierten Wartefristen eine Auswahl ausschließende negative Eignungsvoraussetzungen seien, sei nicht überzeugend. Danach wäre es dem Dienstherrn prinzipiell verwehrt, einen besser geeigneten, aber statusniedrigeren Bewerber im Rahmen eines Leistungsvergleichs auszuwählen. Auf das Betreiben des in § 21 Abs. 2 HBG als Ausnahmefall normierten Verfahrens als denkbares Korrektiv bestehe kein Anspruch, zumal die auswählende Behörde auf das Ergebnis dieser Entscheidung keinen Einfluss habe.

Der Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.

Der Direktor des Landespersonalamts hat im Benehmen mit der Landespersonalkommission in der Sitzung vom 3. Dezember 2019 gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HBG für den Beigeladenen eine Ausnahme vom Beförderungsverbot zugelassen (näher Bl. 224 ff., insbesondere Bl. 226 d.GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens und Akteninhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

Das Beschwerdevorbringen, das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Prüfungsumfang des Senats bestimmt, rechtfertigt keine Abänderung der angegriffenen Entscheidung. Die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts, wonach ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht ist, ist auch im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen nicht zu beanstanden.

1. Das für den Beigeladenen (derzeit) bestehende Beförderungsverbot nach § 21 Abs. 1 HBG bewirkt nicht die Fehlerhaftigkeit der zu seinen Gunsten getroffenen Auswahlentscheidung.

Das Beschwerdegericht revidiert seine Auffassung in dem im Eilverfahren getroffenen Beschluss vom 11. Juli 2019 – 1 B 2402/18 -, wonach das Vorliegen eines Beförderungsverbots nach § 21 Abs. 1 HBG in der Person eines Bewerbers im Zeitpunkt einer nach Art. 33 Abs. 2 GG zu treffenden Auswahlentscheidung dessen Auswahl für die zu vergebende Stelle ausschließt.

Die in § 21 Abs. 1 HBG normierten laufbahnrechtlichen Beförderungsverbote flankieren die Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG. Die laufbahnrechtlichen Beförderungsverbote sind indes nicht integraler Bestandteil der Bestenauslese im Sinne negativer Eignungsvoraussetzungen, deren Vorliegen im Zeitpunkt der zu treffenden Auswahlentscheidung bereits die Auswahl des betroffenen Bewerbers verbietet.

Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 HBG darf der Beamte nicht befördert werden

1. während der Probezeit und im gehobenen und im höheren Dienst vor Ablauf eines Jahres nach Beendigung der Probezeit,

2. im mittleren Dienst vor Ablauf eines Jahres, im gehobenen und im höheren Dienst vor Ablauf von zwei Jahren seit der letzten Beförderung, es sei denn, das bisherige Amt musste nicht regelmäßig durchlaufen werden.

Nach § 21 Abs. 1 Satz 3 HBG darf ein Amt, das regelmäßig zu durchlaufen ist, nicht übersprungen werden.

§ 21 Abs. 1 Satz 1 und 3 HBG untersagt seinem Wortlaut nach (erst) die Beförderung, d. h. die Verleihung eines Amtes mit höherem Grundgehalt bei gleichzeitiger Änderung der Amtsbezeichnung oder die Übertragung eines Amtes mit höherem Grundgehalt ohne Änderung der Amtsbezeichnung, vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG, § 2 Abs. 5 der Hessischen Laufbahnverordnung – HLVO -.

Die im Wortlaut des § 21 Abs. 1 HBG angelegte Beschränkung auf statusrechtliche Übertragungen eines höher bewerteten Amtes entspricht dem Zweck der dem Lauf-bahnrecht zugehörigen Regelung: Ein beruflicher Aufstieg soll innerhalb der jeweiligen Laufbahn grundsätzlich nur stufig erfolgen, so dass der Beamte in der jeweils erreichten Position ein Mindestmaß beruflicher Erfahrung sammelt, bevor ein weiterer Aufstieg zulässig ist. Eine positive Auswahlentscheidung zu Gunsten eines Bewerbers, der im Zeitpunkt dieser Entscheidung (noch) einem Beförderungsverbot nach § 21 Abs. 1 HBG unterliegt, beeinträchtigt diesen laufbahnrechtlichen Zweck nicht. Vielmehr wird dem Bewerber lediglich die Möglichkeit eröffnet, die laufbahnrechtliche Voraussetzung des § 21 Abs. 1 Satz 2 HBG für eine Beförderung zu erfüllen. Nach § 21 Abs. 1 Satz 2 HBG setzen Beförderungen, die mit einer höherwertigen Funktion verbunden sind, eine mindestens dreimonatige Erprobungszeit voraus.

Das Nebeneinander und damit einhergehend die Separierung von Qualifikations-beurteilungen nach Art. 33 Abs. 2 GG und laufbahnrechtlichem Beförderungsverbot zeigt sich schließlich in Folgendem: Selbst eine unter Verstoß gegen das laufbahn-rechtliche Beförderungsverbot erfolgte Ernennung ist im Wege der nachträglichen Zulassung einer Ausnahme durch die Direktorin oder den Direktor des Landespersonalamts nach § 21 Abs. 2 HBG heilbar (Argument aus § 12 Abs. 1 Nr. 4 BeamtStG), für die Rechtmäßigkeit der Qualifikationsbeurteilung nach Art. 33 Abs. 2 GG bleibt demgegenüber stets allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung maßgeblich.

Vorsorglich weist das Beschwerdegericht in diesem Zusammenhang auf Folgendes hin: Ein sog. einaktiges Verfahren, bei dem der Dienstherr die Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens und die Vergabe des entsprechenden Beförderungsamtes in der Weise miteinander verknüpft, dass er der Dienstpostenvergabe im Falle der Bewährung des ausgewählten Bewerbers ohne weitere Auswahlentscheidung die Beförderung nachfolgen lässt, ist nur zulässig, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Auswahlentscheidung über die Vergabe des Dienstpostens und der Beförderung gewahrt bleibt. Denn die Auswahlentscheidung muss auf aktuellen dienstlichen Beurteilungen beruhen, und etwaige später hinzutretende Bewerber können nicht ohne hinreichende Rechtfertigung vom Auswahlverfahren über das Beförderungsamt ausgeschlossen bleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 A 5/18 -, juris Rn. 31; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. September 2019 – 4 S 2000/19 -, juris). Eine Verwaltungspraxis, wonach ein ausgewählter Bewerber jahrelang auf dem höherwertigen Dienstposten verbleibt – durch Zeitablauf aus einem laufbahnrechtlichen Beförderungsverbot herauswächst – und sodann ohne weitere Auswahlentscheidung befördert wird, ist hiernach rechtswidrig (vgl. Anm. Stuttmann, NVwZ 2019, 972; von der Weiden, jurisPR-BVerwG 11/2019 Anm. 4).

2. Im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der zugunsten des Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidung nimmt das Beschwerdegericht gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zunächst auf die inhaltlich zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gießen Bezug, die auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens Geltung beanspruchen.

Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach dem Grundsatz der Bestenauslese zu besetzen. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Bezugspunkt der Auswahlentscheidung ist dabei in erster Linie das (angestrebte) Statusamt und nicht der jeweils zu vergebende Dienstposten (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Senatsbeschluss vom 21. November 2017 – 1 B 1522/17 -, juris, Rn. 20 m.w.N.).

Bei mehreren Bewerbern ist – gegebenenfalls nach Prüfung, ob sie die zwingenden Merkmale eines vom Dienstherrn in zulässiger Weise geschaffenen Anforderungsprofils erfüllen – ein Qualifikationsvergleich vorzunehmen. Ausgangspunkt dieses für die Auswahlentscheidung vorzunehmenden Vergleichs sind in erster Linie die aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Bewerber. Beurteilungsmaßstab bei dienstlichen Beurteilungen sind dabei die Anforderungen des (ausgeübten oder angestrebten) statusrechtlichen Amtes, nicht hingegen die Anforderungen der (aktuellen oder beabsichtigten) konkreten dienstlichen Verwendung des Beamten (Amt im konkret-funktionellen Sinn, Dienstposten). Besteht auf der Grundlage der Gesamturteile der aktuellen dienstlichen Beurteilungen ein (annähernder) Gleichstand der Bewerber (sog. qualifikatorisches Patt, vgl. Senatsbeschluss vom 16. Januar 2019 – 1 B 229/18 – juris Rn. 21), hat eine umfassende inhaltliche Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen anhand der in ihnen enthaltenen statusamtsbezogenen Einzelbewertungen zu erfolgen (sog. Ausschöpfung/Ausschärfung). Ergibt der Leistungs- und Eignungsvergleich nach den Gesamturteilen der aktuellen dienstlichen Beurteilungen sowie nach Ausschöpfung der in ihnen enthaltenen Einzelbewertungen eine im Wesentlichen gleiche Eignung der Bewerber, liegt es – vorbehaltlich normativer Regelungen wie § 33 Abs. 1 Satz 2 BLV – im Ermessen des Dienstherrn, welche weiteren leistungsbezogenen Erkenntnisquellen er zur Bestenauslese im Auswahlverfahren heranzieht. Als leistungsbezogene Erkenntnisquellen kommen frühere dienstliche Beurteilungen unter dem Blickwinkel der Kontinuität und der (prognostischen) Entwicklung des Leistungsbildes der Bewerber, aber etwa auch auf konkrete Anforderungen des zu besetzenden Dienstpostens bezogene strukturelle Auswahlgespräche in Betracht. Erst wenn sowohl nach den aktuellen dienstlichen Beurteilungen als auch nach der im jeweiligen Einzelfall auf Grund einer Ermessensentscheidung erfolgten Heranziehung bestimmter leistungsbezogener Erkenntnisquellen ein qualifikatorisches Patt verbleibt, darf der Dienstherr bei der Auswahlentscheidung auf nicht leistungsbezogene Hilfskriterien zurückgreifen (vgl. zu Vorstehendem: Senatsbeschlüsse vom 14. Juni 2018 – 1 B 2345/17 – juris Rn. 38 ff., vom 16. Januar 2019 – 1 B 229/18 – juris Rn. 19 ff. und vom 30. April 2019 – 1 B 1675/18 – juris Rn. 19 ff.).

Nach diesem Maßstab ist die Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen im Verhältnis zur Antragstellerin nicht fehlerhaft. Allein die bessere Beurteilung in der Gesamtnote (12 von 13 Notenpunkten im höheren Statusamt A 15 Z beim Beigeladenen gegenüber 11 von 13 Notenpunkten im Statusamt A 15 bei der Antragstellerin) berechtigte den Antragsgegner, sich für den Beigeladenen zu entscheiden. Beziehen sich Beurteilungen miteinander konkurrierender Bewerber auf unterschiedliche Statusämter, so ist selbst bei einer formal gleichen Bewertung die Beurteilung des Bewerbers im höheren Statusamt regelmäßig – wenn auch nicht schematisch – besser als diejenige des Bewerbers im niedrigeren Statusamt. An den Inhaber eines höheren statusrechtlichen Amtes werden nämlich prinzipiell höhere Anforderungen gestellt als an den Inhaber eines niedrigeren statusrechtlichen Amtes. Dies hat seinen Grund darin, dass mit einem höheren Amt regelmäßig gesteigerte Anforderungen und ein größeres Maß an Verantwortung verbunden sind vgl. (Senatsbeschluss vom 12. Februar 2019 – 1 B 213/19 – juris Rn. 14). Hier fehlt es in der Beschwerde bereits an einer plausiblen Begründung, aus welchen Erwägungen heraus die Beteiligten „im Wesentlichen“ gleich sein sollen.

Im Hinblick auf den Leistungsunterschied nach der Gesamtnote und das damit fehlende qualifikatorische Patt scheiden eine umfassende inhaltliche Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen anhand der in ihnen enthaltenen statusamtsbezogenen Einzelbewertungen ebenso wie die Heranziehung ergänzender Erkenntnisquellen zur Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber und erst recht ein Abstellen auf Hilfskriterien aus.

Die dienstlichen Beurteilungen sind auch taugliche Grundlage dieser Auswahlentscheidung. Der Beurteiler musste die Beurteilung der Antragstellerin nicht ausschließlich aufgrund eigener Anschauung erstellen, sondern konnte sich sachkundiger Auskunftspersonen bedienen. Diese können auch demselben Statusamt wie der zu Beurteilende angehören, wenn der Beurteiler diesem potentiellen Konkurrenzverhältnis im Rahmen der eigenen Überzeugungsbildung hinreichend Rechnung trägt. Der Beurteiler hat sich zulässigerweise über eine sachkundige Auskunftsperson umfänglich informiert und sich dann ein eigenes und tragfähiges Bild von Eignung, Leistung und Befähigung der Antragstellerin gemacht. Das wird aus „III. Ergänzende Bemerkungen“ der dienstlichen Beurteilung der Antragstellerin deutlich. Dort heißt es wörtlich (Bl. 55 d. GA): „Der hier Beurteilende hat sich zuvor sorgfältig ein Bild davon gemacht, inwieweit die früheren Einschätzungen durch Herrn X auch mit Blick auf die vorherigen Beurteilungen durch Herrn Y und das Anlegen zutreffender Beurteilungsmaßstäbe, zutreffen oder von Voreingenommenheit geprägt gewesen sein könnten“.

Die Antragstellerin hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da ihre Beschwerde erfolglos geblieben ist. Es besteht keine Veranlassung, der unterliegenden Partei oder der Staatskasse aus Billigkeit die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da er keine Anträge gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 4 GKG und entspricht der erstinstanzlichen Festsetzung. Danach ist für Eilverfahren ¼ des Jahresbetrages der Bezüge maßgeblich, wenn – wie hier – durch die das Eilverfahren zu sichernde Klage allenfalls eine Neubescheidung erreicht werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 18. April 2017 – 1 B 2927/16 – juris; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, Anh. § 164 Rn. 10a).

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.