Fehlerhaftes „Ausschärfen“ anhand der Einzelmerkmale einer dienstlichen Beurteilung

April 26, 2020

VG Kassel 1. Kammer
1 L 1882/19.KS

Fehlerhaftes „Ausschärfen“ anhand der Einzelmerkmale einer dienstlichen Beurteilung

Tenor

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Stelle einer Konrektorin bzw. eines Konrektors als ständige Vertreterin bzw. Vertreter der Leiterin oder des Leiters an der X-Schule in Z-Stadt vorläufig bis zur Durchführung eines erneuten Auswahlverfahrens mit dem Beigeladenen zu besetzen und diesen entsprechend zu befördern, bis der Auswahlbescheid des Antragsgegners vom 10. Juli 2019 bestandskräftig geworden ist.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt, jedoch trägt der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Streitwert wird auf 17.306,91‬‬ EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Beförderungsentscheidung des Antragsgegners, bei der der Beigeladene ausgewählt wurde.

Die Antragstellerin steht seit dem Jahr 2000 in Diensten des Antragsgegners. Seit dem 1. Juli 2012 ist sie an der X-Schule in Z-Stadt als Lehrerin tätig. Zum 1. April 2013 wurde sie dort zur Konrektorin (Besoldungsgruppe A 14 HBesG) ernannt. Seit dem 1. Februar 2019 ist sie kommissarisch auf der Stelle einer Konrektorin als ständige Vertreterin des Schulleiters tätig.

Mit Datum vom 28. September 2018 schrieb der Antragsgegner die Stelle einer Konrektorin/eines Konrektors als ständige Vertreterin/als ständiger Vertreter der Leiterin/des Leiters einer Realschule mit mehr als 360 Schülerinnen und Schüler an dem Realschulzweig, der Förderstufe und der Aufbaustufe an der X-Schule in Z-Stadt aus. Die Stelle ist mit der Besoldungsstufe A14 AZ HBesG bewertet.

In dem Anforderungsprofil wurden zwingend vorausgesetzt die erste und zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Haupt- und Realschulen, mehrjährige Unterrichtserfahrungen an einer Realschule, Haupt- und Realschule bzw. an den ansprechenden Zweigen schulformenbezogener Gesamtschulen sowie Erfahrungen in der Wahrnehmung von schulischen Leitungsaufgaben. Das Anforderungsprofil enthält ferner sechs fachliche und berufliche Kompetenzen, die von Seiten des Antragsgegners als besonders relevant angesehen wurden sowie vier personale Kompetenzen, die besonders erwünscht seien und weitgehend vorliegen sollten.

Auf diese Ausschreibung bewarben sich insgesamt 3 Lehrkräfte; neben der Antragstellerin der Beigeladene, der seinen Dienst derzeit als Konrektor (Besoldungsgruppe A14) als ständiger Vertreter der Leiterin der Y-Schule in Z-Stadt versieht, sowie eine Frau E., die ebenfalls als Konrektorin tätig ist, jedoch lediglich in der Besoldungsgruppe A13 AZ.

Für alle drei Bewerber wurden dienstliche Beurteilungen erstellt.

Die dienstliche Beurteilung der Antragstellerin umfasst den Beurteilungszeitraum vom 12. Dezember 2015 bis zum 12. Dezember 2018. Sie endet mit der Gesamtnote VI. („Die Anforderungen werden erheblich übertroffen“, 12 Punkte). In den Einzelmerkmalen erhielt die Antragstellerin von dem Erstbeurteiler überwiegend 12 Punkte, in einzelnen Merkmalen auch 10,11 oder 13 Punkte. Das Gesamturteil wurde wie folgt begründet:

„Frau A. plant einen schülerorientierten Unterricht auf der Grundlage der Kerncurricula, der in der Schule getroffenen Absprachen und Vereinbarungen und des Hess. Referenzrahmens Schulqualität. Ihr Unterricht knüpft an die Lebenswelt der SuS, hat einen hohen Anwendungsbezug und aktiviert die SuS zum selbstständigen Lernen.

Ihr Umgang mit SuS, Kolleginnen und Eltern ist immer wertschätzend, fair und freundlich. Sie ist es gewohnt im Team zu arbeiten und bereitet ihre Entscheidungen sorgfältig vor, auch indem sie die Beteiligten in den Meinungsbildungsprozess einbezieht.

Frau A. trifft reflektierte Entscheidungen und setzt diese konsequent um. Dabei verliert sie die Gesamtschulentwicklung nicht aus den Augen. Sie arbeitet ausgesprochen zuverlässig, zielorientiert und effizient.“

Der Zweitbeurteiler, Herr Schulamtsdirektor F., schloss sich dieser Beurteilung an.

Für den Beigeladenen wurde ebenfalls eine dienstliche Beurteilung erstellt, sie datiert auf den 4. Dezember 2018 (Datum der Eröffnung). Beurteilungszeitraum ist hier der 5. November 2015 bis zum 5. November 2018. Dem Beigeladenen wurde ebenfalls die Gesamtnote VI. („Die Anforderungen werden erheblich übertroffen“) zuerkannt, jedoch ein Gesamtpunkt weniger als der Antragstellerin, nämlich 11 Punkte.

Bei den Einzelmerkmalen findet sich bei dem Beigeladenen ebenfalls ein differenziertes Leistungsbild, wobei jedoch im Gegensatz zur Antragstellerin bei dem Beigeladenen im Wesentlichen 11 und nicht 12 Punkte vergeben wurden, 12 Punkte wurden für den Beigeladenen an keiner Stelle vergeben, dafür aber weitaus häufiger 10 Punkte.

Die dienstliche Beurteilung enthält eine sehr ausführliche Bemerkung zum Gesamturteil. Diese besteht aus der Wiederholung und Erörterung einzelner Beurteilungsmerkmale.

Auch hier war Herr Schulamtsdirektor F. als Zweitbeurteiler berufen, er schloss sich dem Erstbeurteiler an.

Auch für Frau E. wurde eine dienstliche Beurteilung erstellt. Frau E. erhielt ebenso wie der Beigeladene 11 Punkte. Ausweislich des Auswahlvermerks wurde sie jedoch im folgenden Auswahlverfahren nicht mehr berücksichtigt, da ihre Beurteilung aufgrund ihres niedrigeren Statusamtes nach Auffassung des Staatlichen Schulamts ein niedrigeres Gewicht, als die formal gleiche, aber auf ein höher eingestuftes Amt bezogenen Beurteilungen der beiden anderen Bewerber habe.

Es kam dann zu einer Auswahlentscheidung, die in einem ausführlichen Auswahlvermerk durch Herrn Schulamtsdirektor F. begründet wurde. Dabei kam der Antragsgegner in den meisten Einzelmerkmalen, die er dem Anforderungsprofil entnahm, zu einem Vorteil für den Beigeladenen. Dies geschah, obwohl die Antragstellerin auch bei den Einzelmerkmalen in den meisten Fällen eine höhere Punktzahl zugeteilt bekommen hatte.

Beispielhaft für dieses Vorgehen steht die Begründung bei der Merkmalgruppe „Erfahrungen in der schulischen Konzept- und Organisationsentwicklung, sowie im Bereich der Personalentwicklung“. Dort erhielt die Antragstellerin durchweg mindestens einen oder zwei Punkte mehr als der Beigeladene. Dennoch wurde hier dem Beigeladenen ein Vorteil zuerkannt (Bl. 9 des Auswahlvermerks), weil sich die Erfahrungen des Beigeladenen zum größten Teil auf systemische, schulübergreifende Projekte bezögen, die der Antragstellerin jedoch nur zum Teil auf solche systemischen Projekte.

Bei einer anderen Merkmalgruppe „Kenntnisse der Organisation und Verwaltung einer Realschule“, bei der die Antragstellerin bei einem Einzelmerkmal zwei Punkte mehr als der Beigeladene erhalten hatte und ansonsten ein Punktegleichstand festzustellen war, wurde dem Beigeladenen ein „eindeutiger Vorteil“ zuerkannt, weil die höhere Bepunktung der Antragstellerin nicht verbal begründet und belegt sei.

Bei der Merkmalgruppe „Motivations-, Dialog- und Kommunikationsfähigkeit“ erhielt die Antragstellerin jeweils einen Punkt mehr als der Beigeladene. Hier wird wörtlich ausgeführt:

„Die differenzierte Darstellung der Ausführungen in der Beurteilung des Kollegen C. erlauben klarere Rückschlüsse auf die Kompetenz des Kollegen bezüglich des Bereiches „Motivations-, Dialog- und Kommunikationsfähigkeit“. Auch die wiederum höher angelegten Punkte bei Frau A. lassen keine andere Wertung als zugunsten von Herrn C. zu.“

Mit diesen Begründungen kam dann das Staatliche Schulamt zu einem Vorsprung des Beigeladenen, für den bei 7 Einzelmerkmalen gegenüber 3 bei der Antragstellerin ein Vorsprung festgestellt worden war.

Mit Schreiben vom 10. Juli 2019 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass der Beigeladene für die ausgeschriebene Stelle ausgewählt worden sei. Es sei beabsichtigt, ihm die Stelle zu übertragen, frühestens nach Ablauf von 2 Wochen nach Zustellung dieses Schreibens. Das Schreiben enthält eine Begründung, in der u. a. auf § 8 HBG Bezug genommen wird. Ferner bezieht sich das Staatliche Schulamt auf den Auswahlvermerk.

Am 24. Juli 2019 hat die Antragstellerin den hier vorliegenden Eilantrag gestellt. Zeitgleich hat sie Widerspruch gegen das Schreiben vom 10. Juli 2019 eingelegt (Bl. 21 f. der Gerichtsakte).

Die Antragstellerin trägt vor, die Auswahlentscheidung leide unter formellen und materiellen Mängeln.

So sei ihre Beurteilung insgesamt und hinsichtlich sämtlicher Einzelmerkmale objektiv besser ausgefallen als bei dem Mitbewerber. Ohne rechtliche Grundlage sei dieses eindeutige Ergebnis unter Verwendung der Punktestufen (VII – I) wieder korrigiert worden. Es sei nicht so, dass die dienstlichen Beurteilungen der Antragstellerin und des Beigeladenen „auf der gleichen Bewertungsstufe“ stünden. Tatsächlich lägen sie verhältnismäßig weit auseinander. Dies gelte insbesondere für den Bereich der Befähigungsbeurteilung.

Offenbar habe die beabsichtigte Entscheidung des Antragsgegners damit zu tun, dass die verbale Begründung der Beurteilung bei dem Beigeladenen ausführlicher oder besser ausgefallen sei als bei der Antragstellerin. Das beklagte Schulamt wolle also der verbalisierten Bewertung größeres Gewicht geben als der Punktezahl. Dies sei nicht zulässig. Es sei insoweit festzustellen, dass der Erstbeurteilende als Mathematiklehrer der Antragstellerin möglicherweise den Zahlen eine größere Aussagekraft zubillige, als der Erstbeurteilende des Beigeladenen. Von daher möge es der individuellen Diktion geschuldet sein, dass die Begründung bei der Antragstellerin kürzer ausgefallen sei als bei dem Beigeladenen. Dass es nicht auf die Länge ankomme, bedürfe keiner weiteren Erläuterung. Es könne im Ergebnis nicht angehen, die verbalisierte Bewertung den Ausschlag geben zu lassen, denn das Bewertungssystem sei nun einmal ein Punktesystem. Dies folge auch aus den Beurteilungsrichtlinien, nämlich dort aus Ziffer 5.4. Hiernach sei zunächst jedes Einzelmerkmal in verbalisierter Form zu bewerten; im Anschluss daran habe jeweils eine Bewertung in Punkten zu erfolgen. Das Bewertungsergebnis sei also die Punktzahl. Die Verbalisierung führe zur Punktzahl hin und nicht umgekehrt.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sei es auch so, dass die beiden Beurteilungen, jeweils Anlassbeurteilungen, ohne weiteres miteinander vergleichbar seien. Die Beurteilungszeiträume seien nahezu deckungsgleich und aktuell. Es sei das gleiche Schema und die gleiche Skalierung verwendet worden. Eine Vergleichbarkeit bestehe hier in besonderem Maße, weil beide Bewerber von dem gleichen Aufsichtsbeamten als Zweitbeurteiler beurteilt worden seien, nämlich von Herrn F.. Dieser sei dann auch Verfasser des Auswahlvermerks. Damit erhielten die Ergebnisse beider Beurteilungen ein besonderes Gewicht. Unterschiedliche Beurteilungsstile der Beurteiler stellten die Vergleichbarkeit der Beurteilungen nicht in Frage, wie auch das VG Kassel in seinem Beschluss vom 29. Mai 2018 (1 L 55/18.KS) festgestellt habe.

Auch sei das Gesamturteil fehlerhaft gebildet worden. Es sei keine statusamtsbezogene Gesamtnotenbildung getroffen worden, wie dies von der Rechtsprechung des VG Kassel (Beschluss vom 11. November 2019 – 1 L 1289/19.KS -) gefordert werde. Unter diesem Mangel leide auch das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle. Bezugspunkt der Auswahlentscheidung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht die Funktionsbeschreibung des konkreten Dienstpostens, sondern das angestrebte Statusamt.

Die Antragstellerin beantragt,

dem Antragsgegner zu untersagen, die Stelle einer Konrektorin bzw. eines Konrektors als ständige Vertreterin bzw. Vertreter der Leiterin oder des Leiters an der X-Schule in Z-Stadt zu besetzen, bis in der Hauptsache entschieden ist.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehne.

Er trägt vor, die Auswahl des Beigeladenen sei rechtsfehlerfrei zustande gekommen. Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin sei nicht verletzt worden.

Es sei nicht so, dass die Antragstellerin besser beurteilt worden sei, als der ausgewählte Mitbewerber. Zwar sei richtig, dass das Staatliche Schulamt beim Vergleich der Einzelbeurteilungen der Antragstellerin des Mitbewerbers den Verbalaussagen ein größeres Gewicht beigemessen habe als den Punktzahlen. Dies sei jedoch rechtmäßig erfolgt, denn die dienstliche Beurteilung der Lehrkräfte erfolge nicht in einem reinen Punktesystem, sondern das Verfahren sei bewusst zweigleisig ausgestaltet worden. Sinn und Zweck der Vorgabe sei, dass der Punktebewertung eine verbalisierte Bewertung voranzustellen sei, um größtmögliche Transparenz und Vergleichbarkeit herzustellen. Nur die Verbalaussagen ermöglichten es zudem den Schulaufsichtsbehörden, die Stimmigkeit einer Punktebewertung festzustellen und damit die Einhaltung der allgemeingültigen Bewertungsmaßstäbe zu gewährleisten. Beim Vergleich, welcher von mehreren im Gesamturteil stufengleich beurteilten Bewerbern das spezifische Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle am besten erfülle, sei die ausschärfende Betrachtung der Verbalaussagen zu den profilrelevanten Einzelmerkmalen nicht nur zulässig, sondern im Sinne der besten Auslese geboten und letztlich ausschlaggebend.

Selbstverständlich sei bei der Auswertung berücksichtigt worden, dass frei formulierte Texte durch individuelle Faktoren beeinflusst würden. Dem Umstand, dass unterschiedliche Beurteiler tätig geworden seien, sei vorliegend zusätzlich dadurch Rechnung getragen worden, dass der Zweitbeurteiler vor Abgabe seiner Zweitbeurteilung mit dem Erstbeurteiler Rücksprache genommen habe. Der Schulleiter habe dabei erklärt, zu einer Ergänzung seiner Beurteilung keinen Anlass zu sehen.

Mit Beschluss vom 31. Juli 2019 hat das Gericht Herrn C. gem. § 65 Abs. 2 VwGO beigeladen. Der Beigeladene trägt vor, die Auswahlentscheidung sei zu Recht erfolgt. Da sich beide Bewerber auf im wesentlichen gleicher Stufe befänden, stehe es im Auswahlermessen des Antragsgegners, den aus seiner Sicht am besten geeigneten Kandidaten für die Stelle auszuwählen. Dies sei zu Recht dergestalt erfolgt, dass die für die zu besetzende Stelle besonders relevanten Einzelkompetenzen miteinander verglichen worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf – die Gerichtsakte, die Personalakten der Beteiligten sowie die Akte des Auswahlvorgangs.

II.

Der statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag ist begründet.

Er ist zur Sicherung der von der Antragstellerin geltend gemachten Rechte gemäß § 123 Abs. 1 VwGO statthaft. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung eines bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung).

Bei Streitigkeiten auf beamtenrechtlicher Grundlage, die auf die Verhinderung einer Ernennung oder Beförderung abzielen, ist der Anspruch eines übergangenen Bewerbers im Hauptsacheverfahren grundsätzlich – nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens – im Wege einer Verpflichtungsklage in Form der Bescheidungsklage zu verfolgen. Da in dieser prozessualen Situation die Ernennung eines Konkurrenten zu einer Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache führen kann, kann ein übergangener Bewerber vor Klageerhebung regelmäßig im Wege einer Sicherungsanordnung vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen, um den von ihm geltend gemachten Anspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung in einem beamtenrechtlichen Auswahlverfahren (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch) zu sichern. Allein auf diese Weise kann ein abgelehnter Bewerber verhindern, dass durch die Ernennung des ausgewählten Konkurrenten vollendete Tatsachen geschaffen werden und sich der Streit um die Beförderungsauswahl erledigt.

Voraussetzung für eine Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch vorliegen. Deren tatsächliche Voraussetzungen müssen nicht zur Überzeugung des Gerichts feststehen, aber hinreichend wahrscheinlich („glaubhaft“) sein (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Der Anordnungsgrund besteht, wenn eine vorläufige gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, weil ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren aus besonderen Gründen unzumutbar ist. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller in der Hauptsache bei summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg haben wird.

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es ist ihr nicht zuzumuten, auf das Hauptsacheverfahren verwiesen zu werden, weil eine zwischenzeitlich erfolgende Ernennung des ausgewählten Mitbewerbers auf die ausgeschriebene Stelle ihre Berücksichtigung endgültig verhindert. Denn aus Gründen der Ämterstabilität kann eine bereits erfolgte Ernennung durch das Gericht zumindest im Regelfall nicht aufgehoben werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Januar 2004 – 2 BvR 3/03 -, juris; Hess. VGH, Beschluss vom 23. August 2011 – 1 B 1248/11 -, n. v.; Kammerbeschluss vom 6. Dezember 2018 – 1 L 2421/18.KS -, juris). Die Ernennung des Beigeladenen war beschlossen, wie die Antragstellerin der Mitteilung über die Auswahl vom 10. Juli 2019 entnehmen musste. Daher musste die Antragstellerin die bevorstehende Ernennung des Beigeladenen befürchten.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Dieser Anspruch setzt voraus, dass die getroffene Auswahlentscheidung fehlerhaft ist und es jedenfalls möglich erscheint, dass der unterlegene Beförderungsbewerber bei einer rechtsfehlerfreien Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG ausgewählt werden würde (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 16. Januar 2019 – 1 B 229/18 -, juris).

Das durchgeführte Auswahlverfahren verletzt den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin.

Ein Beamter hat das Recht, sich um einen höherwertigen Dienstposten bzw. einen Beförderungsdienstposten zu bewerben und unter Beachtung des Leistungsgrundsatzes (Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG) rechtsfehlerfrei beschieden zu werden. Daraus resultiert ein Bewerbungsverfahrensanspruch, der eine faire und (chancen-)gleiche Behandlung seiner Bewerbung mit rechtsfehlerfreier Wahrnehmung der Beurteilungsermächtigung sowie die Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens einschließlich etwaiger Anhörungs- und Beteiligungsrechte umfasst (vgl. dazu grundlegend Hess. VGH, Beschluss vom 26. Oktober 1993, – 1 TG 1585/93 -, juris). Ein Rechtsanspruch auf Übertragung der streitgegenständlichen Stelle besteht allerdings nicht (VG München, Beschluss vom 7. Februar 2017 – M 5 E 16.4509 -, juris). Der Dienstherr muss seine Auswahlentscheidung aber auf Gesichtspunkte stützen, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2015 – 2 BvR 161/15 -, NVwZ 2016, 59) und so unter mehreren Bewerbern den am besten Geeigneten ausfindig machen. Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamtenstellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse des Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Wird dieser Anspruch verletzt, folgt daraus noch kein Anspruch auf Beförderung oder Vergabe des begehrten Dienstpostens, doch kann der unterlegene Bewerber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2016 – 2 BvR 2223/15 -, NVwZ 2016, 764).

Dem Grundsatz der Bestenauslese entspricht es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Dies sind regelmäßig die aktuellen dienstlichen Beurteilungen. Denn sie bilden den gegenwärtigen bzw. zeitnah zurückliegenden Stand ab und dienen so als beste Grundlage für die Prognose, welcher Konkurrent die Anforderungen der zu besetzenden Stelle voraussichtlich am besten erfüllen wird (vgl. VG München, Beschluss vom 7. Februar 2017 – M 5 E 16.4509 -, juris). Der letzten aktuellen dienstlichen Beurteilung kommt dabei wesentliche Bedeutung zu. Diese ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung vorrangige Grundlage für am Leistungsprinzip im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG orientierte Entscheidungen über die Verwendung und das dienstliche Fortkommen eines Beamten, soweit sich hieraus maßgebliche und zuverlässige Aussagen zu seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ableiten lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2016 – 2 BvR 2223/15 -, NVwZ 2016, 764).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die zugunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung rechtswidrig. Die Antragstellerin ist durch die Art und Weise des Auswahlverfahrens und die hierauf beruhende Auswahlentscheidung in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt.

Die Auswahlentscheidung ist bereits wegen eines Abwägungsdefizits rechtswidrig. Die eingeholten dienstlichen Beurteilungen wurden rechtsfehlerhaft bewertet und berücksichtigt.

Dabei ist es jedoch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner beide Bewerber hinsichtlich der Gesamtnote der dienstlichen Beurteilung als „im Wesentlichen gleich“ angesehen hat und dann die jeweiligen Einzelmerkmale der Beurteilungen für einen Leistungsvergleich ausgewertet hat.

Sofern Bewerber in ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen mit dem im wesentlichen gleichen Gesamturteil bewertet worden sind, ist für die Auswahlentscheidung (zunächst) auf weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Dienstherr bei gleichem Gesamturteil die aktuellen dienstlichen Beurteilungen umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013, – 2 VR 1/13 -, NVwZ 2014, 75, Rn. 46 ff.; Beschluss vom 19. Dezember 2014, – 2 VR 1.14 -, BeckRS 2015, 40645, Rn. 35 ff.; Hess. VGH, Beschluss vom 6. Mai 2015, – 1 B 2043/14 -, BeckRS 2015, 50677, Rn. 12).

Wann dienstliche Beurteilungen als „im Wesentlichen gleich“ anzusehen sind, hängt von dem Einzelfall und insbesondere von der einschlägigen Beurteilungsrichtlinie ab. Dabei wird ein Punkte- oder Notengleichstand nicht zu fordern sein, denn eine absolute Notengleichheit wird gerade nicht gefordert. Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des Hess. VGH (Beschluss vom 19. April 1995 – 1 TG 2801/94 –, juris), der bei einem Unterschied von einem Punkt bei einer 15-Punkte-Skala noch von einem im wesentlichen gleichen Gesamturteil ausgeht. Auch der Bay. VGH vertritt für eine 16-Punkte-Skala eine entsprechende Rechtsauffassung (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. Mai 2013, – 3 CE 12.2469 -, juris).

Demnach durfte der Beigeladene vorliegend von im wesentlichen gleichen Gesamtnoten ausgehen, da zwischen Antragstellerin (12 Punkte) und Beigeladenem (11 Punkte) nur eine Differenz von einem Notenpunkt lag.

Das damit erforderliche „Ausschöpfen“ (oder „Ausschärfen“) der dienstlichen Beurteilung, also der Vergleich anhand der Einzelmerkmale der dienstlichen Beurteilungen, ist jedoch rechtsfehlerhaft erfolgt. Der Antragsgegner hat einen Leistungsvorsprung für den Beigeladenen angenommen, der sich den Einzelmerkmalen nicht entnehmen lässt.

Unstreitig zwischen den Beteiligten ist, dass die Antragstellerin hinsichtlich der reinen Punktzahlen bei den meisten Einzelmerkmalen besser beurteilt wurde. Der Versuch des Antragsgegners, diesen numerischen Vorsprung durch eine Auswertung der verbalen Begründungen der Einzelmerkmale zu kompensieren bzw. sogar in das Gegenteil umzukehren, vermag nicht zu überzeugen.

Zutreffend hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf die Beurteilungsrichtlinien des Antragsgegners (Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Lehrkräfte des Landes Hessen im Geschäftsbereich des Hessischen Kultusministeriums vom 14. Juli 2015 – Abl. S. 374 ff) verwiesen, in denen erläutert wird, wie die Einzelmerkmale entwickelt werden sollen. Es heißt unter Ziffer 5.4 dort, dass zunächst jedes Einzelmerkmal in verbalisierter Form zu bewerten sei; im Anschluss daran habe jeweils eine Bewertung in Punkten zu erfolgen.

Zur Überzeugung der Kammer kann diese Formulierung nur so verstanden werden, dass ausgehend von der verbalisierten Begründung die Einzelnoten entwickelt werden müssen; die Verbalisierung erläutert demzufolge die Punktzahl und führt zu ihr hin. Würde man, wie dies der Antragsgegner getan hat, die Punktzahlen in den Hintergrund rücken und – wie dies vorliegend geschehen ist – die Auswahlentscheidung nahezu ausschließlich auf die verbalisierten Begründungen stützen, so wären die dienstlichen Beurteilungen nur noch eingeschränkt miteinander vergleichbar; dies entspräche jedoch nicht der Intention des Erlassgebers, der eine Bepunktung gerade vorgesehen hat.

Demnach hat ein Vergleich der Einzelmerkmale unter Geltung der Beurteilungsrichtlinien des Antragsgegners zunächst anhand der Punktzahl zu erfolgen; nur wenn dann immer noch eine Differenzierung nicht möglich ist, kann ergänzend auf die verbalen Erläuterungen zurückgegriffen werden. Die verbalen Ausführungen sind nämlich nicht mehr (aber auch nicht weniger) als Erläuterungen der jeweiligen Punktzahl. Dies jedoch ist in dem Auswahlvermerk durchgängig nicht beachtet worden.

Darüber hinaus ist die Begründung der Auswahlentscheidung bezüglich einzelner Merkmale aber auch deshalb fehlerhaft, weil sie auf die unterschiedlich abgefassten verbalen Begründungen abstellt und allein aus dem Umstand, dass bei der Antragstellerin teilweise ein knapperer und möglicherweise nicht so aussagekräftiger Text gewählt wurde wie bei dem Beigeladenen diesem einen Vorsprung zuerkennt. So wird bei der Merkmalgruppe „Kenntnisse der Organisation und Verwaltung einer Realschule“ ein Vorsprung des Beigeladenen im Wesentlichen damit begründet, dass die dienstliche Beurteilung der Antragstellerin nicht „verbal begründet und belegt“ sei. Wenn dies so wäre und aus diesem Grund die dienstlichen Beurteilungen nicht miteinander verglichen werden könnten, müsste auf der Ebene der dienstlichen Beurteilung zunächst ein Abgleich erfolgen und beide dienstlichen Beurteilungen auch hinsichtlich der Aussagekraft aneinander angepasst werden. Dies könnte auch auf der Ebene des Zweitbeurteilers erfolgen, der vorliegend bei beiden Bewerbern identisch ist und darüber hinaus auch den Auswahlvermerk verfasst hat. Es kann der Antragstellerin nicht zum Nachteil gereichen, dass ihre dienstliche Beurteilung kürzer abgefasst wurde als die des Beigeladenen.

Noch deutlicher wird dies bei der „Motivations-, Dialog- und Kommunikationsfähigkeit“, bei der dem Beigeladenen letztlich ein Vorsprung zuerkannt wurde, weil dessen Qualitäten „differenzierter dargestellt“ wurden. Auch angesichts eines anzuerkennenden Beurteilungsspielraums des Dienstherrn bei der Auswahl um Beförderungsstellen ist es zur Überzeugung der Kammer nicht angängig, entgegen der Punktezahl eine Auswahl mit einer Begründung zu treffen, die letztlich nicht die Qualitäten der Bewerber berücksichtigt, sondern die Güte und Aussagekraft ihrer dienstlichen Beurteilung.

Zusammenfassend ist die Auswahlentscheidung damit ermessensfehlerhaft, weil sie entgegen der Einzelmerkmale der dienstlichen Beurteilungen dem Beigeladenen einen Vorsprung zuerkannt hat, der auch unter Berücksichtigung des Auswahlermessens des Antragsgegners nicht festgestellt werden kann.

Die Auswahlentscheidung ist außerdem deshalb rechtswidrig, weil sie auf rechtswidrigen dienstlichen Beurteilungen der Antragstellerin und des Beigeladenen beruht.

Mängel einer dienstlichen Beurteilung können bewirken, dass auch die Auswahlentscheidung rechtswidrig ist (etwa Kammerbeschluss vom 30. Juni 2017 – 1 L 2007/17.KS -, nicht veröffentlicht); sie müssen es aber nicht (näher Kammerbeschluss vom 11. Januar 2016 – 1 L 2133/15.KS -, juris). Art. 33 Abs. 2 GG eröffnet mit den Begriffen „Eignung, Befähigung und fachliche Leistung“ und dem Prognosecharakter dienstlicher Beurteilungen einen Beurteilungsspielraum des Dienstherrn, der nur eingeschränkter Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte unterliegt. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle dienstlicher Beurteilungen beschränkt sich daher darauf, ob die Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, anzuwendende Begriffe oder den rechtlichen Rahmen – in dem sie sich frei bewegen kann – verkannt hat oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2016 – 2 BvR 2223/15 -, NVwZ 2016, 764).

Ausgehend hiervon ist die dienstliche Beurteilung der Antragstellerin gleich aus zwei Gründen rechtswidrig.

Zunächst ist dies der Fall, weil es an einer hinreichenden Begründung des Gesamturteils mangelt, worauf der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin zutreffend hingewiesen hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 – 2 C 27/14 –, BVerwGE 153, 48-63; Urteil vom 2. März 2017 – 2 C 51/16 –, BVerwGE 157, 366-386) bedarf das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung grundsätzlich einer gesonderten Begründung, um erkennbar zu machen, wie es aus den Einzelbegründungen hergeleitet wird. Eine Begründung ist, so das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 – 2 C 27/14 –, BVerwGE 153, 48-63), nur dann entbehrlich, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vergebene Note – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufdrängt. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 17. September 2015 diese Rechtsprechung zunächst für sog. „Ankreuzbeurteilungen“ entwickelt, jedoch in seinem nachfolgenden Urteil vom 2. März 2017 klargestellt, dass diese Begründungspflicht auch in anderen Fällen, also auch bei textlich ausformulierten dienstlichen Beurteilungen, gelten solle. Lediglich dann, wenn sich aus den textlichen Ausführungen der Einzelnoten sowohl das Gewicht ergebe, das den jeweiligen Einzelaussagen beigemessen werde, als auch hinreichend deutlich werde, wie das Gesamturteil aus ihnen hergeleitet wurde, sei keine gesonderte Begründung der Gesamtnote erforderlich. Das VG Kassel hat sich seitdem in mehreren Entscheidungen (vgl. z.B. VG Kassel, Beschluss vom 14. September 2018 – 1 L 1365/18.KS -; vom 6. Dezember 2018 – 1 L 2421/18.KS –, juris, vom 29. April 2019 – 1 L 166/19.KS -, juris und vom 11. November 2019 – 1 L 1289/19.KS -, juris) dieser Rechtsprechung angeschlossen.

Da sich aus den Einzelmerkmalen der dienstlichen Beurteilung der Antragstellerin und den hierzu erfolgten Ausführungen keine Gewichtung ergibt, war nach oben zitierter Rechtsprechung folglich eine gesonderte Begründung der Gesamtnote erforderlich. Eine solche ist jedoch nicht erfolgt. Die Ausführungen in dem hierfür verwandten Vordruck erschöpfen sich vielmehr in einer Wiederholung der Bewertung mehrerer Einzelmerkmale (Qualität des Unterrichts, Umgang mit Schülerinnen und Schülern, Entscheidungsfreude), ohne dass jedoch deutlich wird, welches Einzelmerkmal mit welcher Gewichtung in die Gesamtnote eingeflossen ist. Dies vermag eine Begründung nicht zu ersetzen und führt dazu, dass die Beurteilung rechtswidrig ist.

Sie ist auch noch aus einem weiteren Grund rechtswidrig: Ungeachtet des formellen Begründungsmangels ist das Gesamturteil auch nicht statusamtsbezogen entwickelt worden.

Maßgeblicher Zweck der dienstlichen Beurteilung und insbesondere des Gesamturteils ist es, Grundlage für einen späteren Leistungsvergleich in einem an Art. 33 Abs. 2 GG zu messenden Auswahlverfahren zu sein. Daraus folgt die Notwendigkeit, schon bei der dienstlichen Beurteilung einheitliche Maßstäbe einzuhalten. Diese müssen auf das jeweilige Statusamt des zu beurteilenden Beamten bezogen sein. Beurteilungen treffen eine Aussage, ob und in welchem Maße der Beamte den Anforderungen gewachsen ist, die mit den Aufgaben seines Amts und dessen Laufbahn verbunden sind. Sie tragen dem Umstand Rechnung, dass die Vergabe eines Statusamts nicht aufgrund der Anforderungen des Dienstpostens erfolgen soll, den der ausgewählte Bewerber nach der Vergabe des Statusamts oder vorher in einer Bewährungszeit wahrnehmen soll. Denn der ausgewählte Bewerber soll der am besten geeignete für jeden Dienstposten sein, der für einen Inhaber des höheren Statusamts amtsangemessen ist. Hieraus folgt zwingend, dass sich auch die Gewichtung der Einzelmerkmale bei der Ermittlung und folglich Begründung des Gesamturteils auf die Anforderungen des Statusamts beziehen muss. Ansonsten könnte das Gesamturteil seine zentrale Funktion, maßgebliches Kriterium im Rahmen eines Auswahlverfahrens zur Vergabe eines Beförderungsamtes zu sein, nicht erfüllen. Die erforderliche Gewichtung der Einzelmerkmale darf weder mit Bezug auf den konkret durch den Beamten innegehabten Dienstposten noch durch verschiedene Beurteiler unterschiedlich erfolgen. Vielmehr muss der Dienstherr dafür Sorge tragen, dass innerhalb des Geltungsbereichs einer Beurteilungsrichtlinie oder innerhalb einer Gruppe von Beamten, die im Geltungsbereich derselben Beurteilungsrichtlinie einer bestimmten Laufbahngruppe angehören, diese Gewichtung einheitlich vorgenommen wird. Welche Methode er zur Erreichung dieses Ziels verwendet, unterliegt seinem Organisationsermessen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erscheint etwa eine abstrakte Vorgabe des Dienstherrn, die erläutert, welchen Einzelmerkmalen er im Verhältnis zu den anderen Einzelmerkmalen welches Gewicht zumisst, als geeignet. Ob diese Vorgabe allein sprachliche Mittel verwendet oder mathematisch exakt Faktoren für die Einzelmerkmale festlegt, die ihr unterschiedliches Gewicht zum Ausdruck bringen, unterliegt wiederum dem Organisationsermessen des Dienstherrn (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 2018 – 2 A 10/17 -, BVerwGE 161, 240–255, zit. nach juris Rn. 44–45; ihm folgend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. November 2018 – OVG 4 S 37.18 –; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. Dezember 2018 – 2 K 17925/17 -; VG Kassel, Beschluss vom 29. April 2019 – 1 L 166/19.KS –, juris; Beschluss vom 11. November 2019 – 1 L 1289/19.KS -, juris).

Im Bereich der Beurteilungsrichtlinie HKM 2015 fehlt eine solche abstrakte Festlegung. Es existiert keine hessenweite Vorgabe für die jeweiligen Statusämter, mit welchem Gewicht welches Einzelmerkmal in die Gesamtnote einzugehen hat. Vielmehr geht die Richtlinie selber wohl von einer dienstpostenbezogenen und damit nicht statusamtsbezogenen Gesamtnotenbildung aus, denn in Ziff. 5.6 heißt es, dass die Gesamtnote „unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Umfangs … (des) Aufgabengebiets“ des zu Beurteilenden zu erfolgen hat. Damit soll die Gesamtnote ausdrücklich den jeweiligen Dienstposten und dessen Besonderheiten in den Blick nehmen, was jedoch mit dem Grundsatz der statusamtsbezogenen Gesamtnotenbildung nicht zu vereinbaren ist.

Darüber hinaus hat der Eilantrag aber auch deshalb Erfolg, weil auch die dienstliche Beurteilung des Beigeladenen rechtswidrig ist und daher nicht zum Gegenstand eines Auswahlverfahrens gemacht werden durfte.

Wegen der gegenseitigen Abhängigkeit der Beurteilungen ist im Konkurrentenstreitverfahren auch die Beurteilung des ausgewählten Konkurrenten zu überprüfen. Der Bewerbungsverfahrensanspruch kann auch dadurch verletzt sein, dass ein Mitbewerber rechtswidrig, nämlich zu gut oder jedenfalls mit einem nicht plausiblen Ergebnis, beurteilt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 – 2 C 16/09 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. April 2016 – 1 B 41/16 –; VG Frankfurt/Main, Beschluss vom 30. April 2013 – 9 L 4925/12.F -).

Vorliegend ist auch die dienstliche Beurteilung des Beigeladenen rechtswidrig, weil auch bei ihr das Gesamturteil nicht hinreichend begründet wurde. Auch hier war eine Begründung erforderlich, da bei den Einzelmerkmalen unterschiedliche Punkte vergeben wurden. Auch hier fehlt es einer Begründung insgesamt und es ist nicht erkennbar, dass die Gesamtnotenbildung statusamtsbezogen erfolgte.

Diese Mängel der beiden dienstlichen Beurteilungen führen vorliegend auch zum Obsiegen der Antragstellerin im Eilverfahren, denn es ist möglich, dass sich die Antragstellerin in einem korrekt verlaufenden Auswahlverfahren als die am besten geeignete Bewerberin durchsetzt.

Einwände gegen eine dienstliche Beurteilung können nur dann eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs begründen, wenn substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht wird, dass der Antragsteller bei rechtsfehlerfreier Beurteilung deutlich besser abschneiden würde als der Konkurrent. Dementsprechend können nur solche Fehler der Beurteilung zum Erfolg im einstweiligen Rechtsschutz verhelfen, die offen zu Tage treten und eine nachträgliche Verbesserung mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 – 1 B 228/14 -, juris Rn. 13; std. Kammerrechtsprechung, etwa VG Kassel, Beschluss vom 11. Januar 2016 – 1 L 2133/15.KS -, juris Rn. 29).

Die Aussichten der Antragstellerin, in einem weiteren – rechtmäßigen – Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, sind (mindestens) „offen“. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Aussichten des unterlegenen Bewerbers, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, so gestaltet sind, dass seine Auswahl möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 – 2 BvR 857/02 -, juris). Ist die getroffene Auswahlentscheidung fehlerhaft, kann die Verweigerung vorläufigen Rechtsschutzes in Fällen wie hier im Grundsatz nur dann in Betracht kommen, wenn es ausgeschlossen erscheint, dass der Antragsteller nach Beseitigung des Mangels den Vorzug vor den Mitbewerbern erhalten wird (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Juli 2010 – 1 B 58/10 -, juris). Die Chancen eines Antragstellers auf Auswahl in einem erneuten Auswahlverfahren können demnach auch dann noch offen sein, wenn mehr für die Auswahl des Konkurrenten spricht (BVerfG (K), Beschluss vom 25. November 2015 – 2 BvR 1461/15 -, juris Rn. 20).

Dies ist hier der Fall: Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Antragstellerin im Zuge einer erneuten Auswahlentscheidung aufgrund korrigierter dienstlicher Beurteilungen Berücksichtigung finden könnte. Insoweit ist es dem Gericht verwehrt, aus den Einzelmerkmalen der Beurteilungen selbst zu entscheiden, welcher der Bewerber die bessere Eignung aufweist. Dies ist allein Sache des Antragsgegners im Rahmen der neu zu treffenden Auswahlentscheidung. Welches Gesamturteil die Antragstellerin – und gegebenenfalls auch der Beigeladene – bei einer tragfähigen Begründung ihrer jeweiligen dienstlichen Beurteilung erhalten würden, ist offen

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Dem Beigeladenen werden keine Kosten auferlegt, weil er keinen Antrag gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 1 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 4 GKG. Danach ist in Verfahren, welche die Verleihung eines anderen Amtes betreffen, für den Streitwert die Hälfte des 12-fachen Betrages des Endgrundgehalts zuzüglich ruhegehaltfähiger Zulagen maßgeblich. Dieser Betrag ist nach der Rechtsprechung des Hess. VGH in Konkurrenteneilverfahren (Beschluss vom 20. Juni 2014 – 1 E 970/14 -, juris) auf ½ zu reduzieren, da durch die das Eilverfahren zu sichernde Klage im Hauptsacheverfahren allenfalls eine erneute Bescheidung erreicht werden kann.

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