VG Frankfurt 5. Kammer 5 L 3267/19.F

April 26, 2020

VG Frankfurt 5. Kammer
5 L 3267/19.F

Reine E-Learning- oder Selbststudiums-Kurse ohne praktischen Übungsteil erfüllen nicht die Voraussetzungen zum Nachweis einer Sachkunde nach § 2 Abs. 10 InfHygV HE

Verfahrensgang ausblendenVerfahrensgang
vorgehend VG Frankfurt am Main, 27. Februar 2020, 5 L 3267/19.F, Beschluss
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Randnummer1

Die Antragstellerin wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen die Informationstätigkeit des Antragsgegners und begehrt die Unterlassung bestimmter Aussagen.

Randnummer2

Die Antragstellerin führt als unabhängige Berufsakademie Weiterbildungen für Mitarbeiter in Einrichtungen des Gesundheitswesens durch, darunter auch solche nach der Hessischen Infektionshygieneverordnung (InfHygV HE).

Randnummer3

Nach § 1 der Hessischen Infektionshygieneverordnung unterliegen dieser Personen, die beruflich oder gewerbsmäßig Tätigkeiten mit Ausnahmen solcher im Rahmen der ärztlichen Heilkunde am Menschen ausüben, bei denen durch Blut sowie Sekrete und Exkrete Krankheitserreger übertragen werden können; sie findet auch auf invasiv tätige Heilpraktiker – also solche, die Haut- oder Schleimhautverletzende Tätigkeiten durchführen – Anwendung.

Randnummer4

Im Rahmen ihrer Tätigkeit bietet die Antragstellerin Kurse nach § 2 Abs. 10 Satz 1 Nr. 1 InfHygV HE über den Sachkundenachweis Hygiene 1 (8-Stunden-Kurs) und § 2 Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 InfHygV HE über den Sachkundenachweis Hygiene 2 (40-Stunden-Kurs mit Inhalten zur Aufbereitung) an, die sie als reine Online-Schulungen ohne Präsenzunterricht anbietet und durchführt.

Randnummer5

Mit E-Mail vom 17. August 2018 trat die Antragstellerin an den Antragsgegner heran, da dieser gegenüber Heilpraktikern geäußert habe, dass die Sachkundekurse der Antragstellerin nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprächen und bat diesbezüglich um Aufklärung. In der Folge kam es zum Austausch mehrerer E-Mails zwischen den Beteiligten unter Einbeziehung des Regierungspräsidiums Darmstadt und des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration.

Randnummer6

Mit Schreiben vom 27. November 2018 wandte sich das Regierungspräsidium Darmstadt an die Antragstellerin hinsichtlich der Anforderungen an die Durchführung der Sachkundekurse unter Bezugnahme auf den Ausführungserlass vom 26. Juni 2018 zur Infektionshygieneverordnung des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration und führte darin u.a. aus, dass Zertifikate über die Teilnahme an reinen E-Learning-Kursen oder Selbststudienkursen wegen mangelnder praktischer Übungen und Erfolgskontrolle nicht als Sachkundenachweise anzuerkennen seien.

Randnummer7

Im Juni 2019 legte ein invasiv tätiger Heilpraktiker dem Antragsgegner eine Teilnahmebestätigung des seitens der Antragstellerin angebotenen Sachkundekurses vor.

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Mit anwaltlichem Schreiben vom 27. August 2019 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner auf, ihr verbindlich zu bestätigen, dass nicht mehr behauptet werde, dass die Antragstellerin derzeit keine zugelassene Institution sei sowie Dritten gegenüber keine Empfehlungen gegen eine Teilnahme an den Sachkundekurse der Antragstellerin abzugeben.

Randnummer9

Mit Schreiben vom 6. September 2019 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass sein Gesundheitsamt keine Empfehlungen für bestimmte Sachkundekurse ausspreche, auf Rückfrage jedoch mitteile, dass reine Online-Kurse ohne Präsenzanteil nicht als Nachweis für die Sachkunde akzeptiert würden, da sich aus dem Mustercurriculum des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration ergebe, dass ein besonders großer Anteil für praktische Übungen vorgesehen sei. Die Antragstellerin könne ihre Online-Kurse uneingeschränkt weiter anbieten, eine Teilnahme daran würde jedoch nicht als Sachkundenachweis anerkannt.

Randnummer10

Mit Schreiben vom 26. September 2019 – bei Gericht eingegangen am 2. Oktober 2019 – hat die Antragstellerin um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

Randnummer11

Zur Begründung stützt sie sich im Wesentlichen darauf, dass die Hessische Infektionshygieneverordnung keine rechtlich bindende Regelung zu den Unterrichtsinhalten oder zu der Art und Weise der Vermittlung der Sachkunde enthalte. Weder sei eine Präsenzpflicht vorgesehen noch sei das Einüben der erworbenen Sachkunde Pflichtinhalt der Schulung oder habe eine praktische Erfolgskontrolle zu erfolgen. Auch das auf der Homepage des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration veröffentlichte Mustercurriculum nach der Hessischen Infektionshygieneverordnung (abrufbar unter: https://soziales.hessen.de/sites/default/files/media/hsm/mustercurriculum_nach_der_hessischen_infektionshygieneverordnung.pdf; zuletzt aufgerufen am: 26. Februar 2020) weise lediglich die konkret zu vermittelnden Inhalte aus, ohne die Art und Weise der Vermittlung der Sachkunde zu bestimmen.

Randnummer12

Durch die Mitteilung des Antragsgegners, dass auch zukünftig Interessenten der Sachkundekurse der Antragstellerin auf eine fehlende Anerkennung als Sachkundenachweis hingewiesen würden, greife dieser erheblich in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein und führe zu einem massiven Wettbewerbsnachteil. Die Hessische Infektionshygieneverordnung entbehre darüber hinaus einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, da sie nicht an eine in § 16 oder § 17 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) beschriebene konkrete Gefahr anknüpfe, sondern in abstrakt-genereller Weise die Tätigkeiten bestimmter Berufsgruppen am Menschen regele, die Verletzungen an der Haut und Schleimhaut vorsähen oder mit sich bringen könnten. Es könne bezogen auf die Antragstellerin auch nicht auf den „Leitfaden für den ÖGD in Hessen zur Überprüfung von Ausbildungsstätten, welche die notwendige Sachkunde nach der Infektionshygieneverordnung Hessen vermitteln“ des Regierungspräsidiums Darmstadt zurückgegriffen werden, da es sich bei dieser um keine Einrichtung nach § 36 Abs. 2 IfSG handle, sodass keine Überwachungsbefugnis durch die Gesundheitsämter bestehe.

Randnummer13

Die Antragstellerin beantragt,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufzugeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € zu unterlassen, gegenüber Dritten darauf hinzuweisen, dass Online-Kurse der Akademie A ohne Präsenzteil nicht als Nachweis der Sachkunde i.S.d. § 2 Abs. 10 InfHygV HE akzeptiert werden.

Randnummer14

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Randnummer15

Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass dem Antrag bereits das Rechtschutzbedürfnis fehle, da dieser zu keiner Besserstellung der Antragstellerin führe. Die begehrte Unterlassung würde zudem ein widersprüchliches Verhalten des Antragsgegners begründen, da das Gesundheitsamt auf Rückfragen nicht darauf hinweisen dürfe, dass die Kurse der Antragstellerin die Voraussetzungen des Sachkundenachweises nicht erfüllten, wohingegen eine entsprechend vorgelegte Teilnahmebescheinigung nicht anerkannt werden würde und somit als Sachkundenachweis ablehnend zu entscheiden wäre, woraus eine Verletzung der Aufklärungspflicht resultieren könnte. Entsprechende Hinweise zu den Online-Kursen der Antragstellerin seien seitens des Antragsgegners bislang nicht erfolgt. Nur in einem Fall sei der Hinweis gegeben worden, dass Kurse, denen ein Praxisteil fehle, nicht als Sachkundenachweis anerkannt werden könnten. Die seitens der Antragstellerin angebotenen Online-Kurse erfüllten nicht die Voraussetzungen zum Nachweis der Sachkunde auf dem Gebiet der Hygiene, da das Mustercurriculum nicht nur theoretische, sondern auch praktische Übungen und Überprüfungen unter den Ziffern 3 und 7 vorsehe, sodass die Online- Kurse bestimmte geforderte praktische Fähigkeiten nicht belegten. Da die Antragstellerin eine unbefristete Anordnung begehre, läge darin auch eine Vorwegnahme der Hauptsache. § 17 Abs. 4 Satz 1 IfSG regle die Abwehr abstrakter Gefahren und sei damit Ermächtigungsgrundlage für die Hessische Infektionshygieneverordnung.

Randnummer16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den der Behördenakten.

II.

Randnummer17

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Randnummer18

Vorliegend kann dahinstehen, ob der Antrag bereits wegen Zweifeln an der Statthaftigkeit des Antrags und hinsichtlich des (qualifizierten) Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, da er jedenfalls nicht begründet ist.

Randnummer19

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um – vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen – wesentliche Nachteile abzuwenden oder um drohende Gefahren zu verhindern oder wenn sie aus anderen Gründen erforderlich ist. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind die Antragsteller verpflichtet, sowohl einen Anordnungsanspruch, d.h. einen rechtlichen Anspruch auf den Erhalt der begehrten Verwaltungsentscheidung, als auch einen Anordnungsgrund, also einen Grund für die Notwendigkeit einer Entscheidung im Eilverfahren unter Umgehung des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens, gegenüber dem Gericht zumindest glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 123 Abs. 3 VwGO).

Randnummer20

Ob eine Regelungsanordnung nötig erscheint, beurteilt sich grundsätzlich nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Danach kommt eine Regelungsanordnung nur in Betracht, wenn nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der Prüfung des Anordnungsanspruchs ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten und auch ein Zuwarten auf die Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar wäre. Eine umfassendere rechtliche Prüfung des im Hauptsacheverfahren in Rede stehenden materiellen Anspruchs bereits im Eilverfahren kann aber von Verfassungs wegen geboten sein, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt sowie eine endgültige Verletzung der Rechte eines Beteiligten droht und insoweit auch Grundrechtspositionen von Gewicht betroffen sind (BVerfG, Beschluss vom 28. September 2009 – 1 BvR 1702/09 –, NVwZ-RR 2009, 945).

Randnummer21

Die Antragstellerin hat weder einen Anordnungsanspruch (1.) noch einen Anordnungsgrund (2.) glaubhaft gemacht, zudem liegt eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache vor (3.).

Randnummer22

1. Vorliegend bestehen bereits durchgreifende Zweifel hinsichtlich des Bestehens eines Anordnungsanspruchs.

Randnummer23

Als Grundlage eines Unterlassungsbegehrens kommt nur der allgemeine öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch in Betracht, der als eigenständiges Institut des öffentlichen Rechts anzuerkennen bzw. aus den Grundrechten, hier namentlich aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, gegebenenfalls in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), abzuleiten ist. Der Unterlassungsanspruch richtet sich auf die Abwehr fortwirkender hoheitlicher Rechtsbeeinträchtigungen und setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen erfolgt ist, dieser Eingriff andauert oder die konkrete Gefahr seiner Wiederholung besteht.

Randnummer24

In der bestehenden Wirtschaftsordnung schützt Art. 12 GG aber nicht vor der Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen am Markt, die für das wettbewerbliche Verhalten der Marktteilnehmer von Bedeutung sein können, selbst wenn die Inhalte sich auf einzelne Wettbewerbspositionen nachteilig auswirken. Grundlage der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs ist ein möglichst hohes Maß an Informationen der Marktteilnehmer über marktrelevante Faktoren (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91 –, juris Rn. 41 – 42).

Randnummer25

Dabei orientiert sich die Rechtmäßigkeit amtlicher Äußerungen an den allgemeinen Grundsätzen für ein rechtsstaatliches Verhalten, insbesondere am Sachlichkeitsgebot, Willkürverbot und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Aus dem Willkürverbot ist abzuleiten, dass Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen dürfen, also bei verständiger Beurteilung auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen müssen, und zudem den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten dürfen. Rechtliche Wertungen sind auf ihre Vertretbarkeit hin zu überprüfen. Verbleiben Unsicherheiten, ist der Staat an der Informationsverbreitung dann nicht gehindert, wenn es im öffentlichen Interesse liegt, dass die Marktteilnehmer über ein bestehendes Risiko aufgeklärt werden (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91 –; BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2010 – 7 B 54.10 –; BVerwG, Urteil vom 18. April 1985 – 3 C 34.84 –; OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2012 – 13 B 127/12 –; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2005 – 15 B 1099/05 –, jeweils nach juris).

Randnummer26

Hieran gemessen hat die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch auf Unterlassen entsprechender Äußerungen oder Hinweise des Antragsgegners gegenüber Dritten, dass ihre Online-Kurse ohne Präsenzteil nicht als Nachweis der Sachkunde i.S.d. § 2 Abs. 10 InfHygV HE akzeptiert würden. Zwar können amtliche Informationen irreversible Folgen haben, weil daran bei Fehlinformationen auch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen nichts ändern können, da die faktischen Wirkungen von Informationen regelmäßig nicht mehr eingefangen und umfassend beseitigt werden können (vgl. VGH BW, Beschluss vom 21. Mai 2019 – 9 S 584/19 –, juris Rn. 6 m.w.N. zur Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße).

Randnummer27

Jedoch geht das Gericht zunächst mangels substantiierter Ausführungen der Antragstellerin dem Antragsgegner folgend davon aus, dass dieser wie im Schreiben an die Antragstellerin vom 6. September 2019 ausgeführt, keine Empfehlungen für bestimmte Sachkundekurse abgegeben, sondern darauf hingewiesen hat, dass reine Online-Kurse ohne Präsenzteil nicht als Nachweis der Sachkunde akzeptiert würden. Daraus ergibt sich keine konkrete oder gezielte Benachteiligung der Antragstellerin gegenüber anderen Anbietern der Sachkundekurse, sondern der Antragsgegner verweist allgemein auf die rechtlichen Voraussetzungen einer Anerkennung der Sachkundekurse nach § 2 Abs. 10 InfHyGV HE i.V.m. mit den Vorgaben des Mustercurriculums.

Randnummer28

Sofern die Antragstellerin § 17 Abs. 4 Satz 1 IfSG als ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Hessischen Infektionshygieneverordnung ausschließt, vermag das Gericht ihr nicht zu folgen, da sowohl § 16 Abs. 1 IfSG als auch § 17 Abs. 1 IfSG nicht das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraussetzen. Dies ergibt sich bereits aus dem jeweiligen Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 IfSG und § 17 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Dort wird an eine abstrakte Gefährdung angeknüpft. Hinsichtlich der dort normierten tatsächlichen Anknüpfungspunkte ermächtigt nämlich bereits die bloße Annahme ihres Vorliegens die Behörde, Maßnahmen zur Abwendung der hierdurch drohenden Gefahren zu treffen. Nur am Rande sei darauf verwiesen, dass auch andere Bundesländer die Verordnungskompetenz genutzt und auf Grundlage des § 17 Abs. 4 Satz 1 IfSG Hygiene-Verordnungen erlassen haben (siehe beispielsweise Verordnung zur Verhütung übertragbarer Krankheiten vom 16. April 2014 des Saarlandes sowie die Bayerische Verordnung zur Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen vom 1. Dezember 2010). Soweit sich die Antragstellerin gegen das Erfordernis praktischer Übungsanteile in den Sachkundekursen wendet, bestehen nach der im vorliegenden Verwaltungsstreitverfahren gebotenen summarischen Prüfung diesbezüglich keine Bedenken. Es ist nicht ersichtlich, dass die seitens des Antragsgegners in zwei Einzelfällen erteilte Information zur fehlenden Anerkennung reiner Online-Kurse falsch wäre. Denn nach dem Mustercurriculum nach der Hessischen Infektionshygieneverordnung sind eindeutig praktische Übungsteile vorgesehen. So ist unter 7. die „Praktische Umsetzung infektionshygienischer Maßnahmen“ im Sachkundekurs 2 mit acht Stunden und im Sachkundekurs 2 mit einer Stunde vorgesehen. Unter 3. schreibt das Mustercurriculum die „Händedesinfektion und Hautdesinfektion – praktische Durchführung“ vor. Die Notwendigkeit der praktischen Ein- und Ausübung theoretisch vermittelter Inhalte erscheint dem Gericht dabei – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – durchaus nachvollziehbar und sinnvoll. Dies gilt auch hinsichtlich vermeintlich „unbedeutender“ Tätigkeiten wie der Hygiene des Händewaschens, denn dabei dürfte allgemein bekannt sein, dass hier Mängel in der praktischen Umsetzung der Hygiene durchaus weitläufig vorkommen – wie beispielsweise die alljährliche Grippesaison oder auch die vielfach vorhandenen, mit Bildern versehenen Dokumentationen in Sanitärräumen in Kliniken und Arztpraxen belegen.

Randnummer29

2. Darüber hinaus hat die Antragstellerin auch die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung – und damit einen Anordnungsgrund – nicht glaubhaft gemacht. Denn es ist nicht ansatzweise ersichtlich, aus welchem Grund eine gerichtliche Entscheidung nunmehr besonders eilbedürftig ist, nachdem die Antragstellerin sich bereits vor über einem Jahr an den Antragsgegner gewandt hat und sich zu diesem Zeitpunkt schon gegen entsprechende Äußerungen des Antragsgegners aussprach. Der Antragsgegner hatte die Antragstellerin bereits im Jahr 2018 mehrfach darauf hingewiesen, dass die ihrerseits angebotenen Online-Kurse die Voraussetzungen zum Nachweis einer Sachkunde nach § 10 InfHygV HE nicht erfüllen würden. Der Antragstellerin war spätestens mit Anschreiben des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 27. November 2018 auch die Erlasslage bekannt und damit, dass die Teilnahme an reinen E-Learning- oder Selbststudiums-Kursen ohne praktischen Übungsteil nicht als Nachweis der Sachkunde nach § 2 Abs. 10 InfHygV HE anerkannt werden könnten. Die Antragstellerin hat in Folge gleichwohl weder ihre Kursinhalte bzw. das Lernkonzept angepasst noch sich gegen die aus ihrer Sicht rechtswidrige Hessische Infektionshygieneverordnung gewandt bzw. diesbezüglich um Rechtsschutz ersucht. Vielmehr hat sie in einer E-Mail vom 20. September 2018 dem Antragsgegner mitgeteilt, dass sie ihre „Sachkundekurse weiterhin als ausschließlich Online-Kurse ohne Präsenzstunden – die wir im Kontext mit der Durchführungsverordnung zur Infektionshygieneverordnung für eine Alibiveranstaltung halten“ weiterführen werde. Auf ihrer Internetpräsenz veröffentlichte sie zudem am 3. Dezember 2018 eine „Stellungnahme zur […] abzurufen unter: https://[…], zuletzt abgerufen am 26. Februar 2020) und stellte darin ihre Ansicht der Rechtslage dar, ohne die ihrerseits aufgeworfene Kritik – die seitdem unverändert fortbesteht – einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen. Die Antragstellerin hat sich damit in Kenntnis der seitens des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration, des Regierungspräsidiums Darmstadt und des Antragsgegners vertretenen Rechtsauffassung – gegen die das Gericht keine Bedenken hegt – dafür entschieden, an ihrem Konzept festzuhalten. Gründe, aus denen eine Anpassung des Lehrkonzepts – insbesondere die Einbindung praktischer Übungen – der Antragstellerin nicht möglich sein sollen, hat diese weder gegenüber dem Antragsgegner noch dem Gericht benannt. Dabei ergibt sich aus dem Internetauftritt der Antragstellerin, dass diese andere Kurse mit Präsenztagen veranstaltet. Ferner ist weder vorgetragen noch ersichtlich, aus welchem Grund die Antragstellerin nicht bereits zuvor um Rechtsschutz nachgesucht hat bzw. welche veränderten Umstände eine Entscheidung nun derart eilbedürftig machen, dass ein Abwarten auf ein gegebenenfalls einzuleitendes Hauptsacheverfahren nicht mehr zumutbar erscheint.

Randnummer30

Dabei ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ihr durch ein Abwarten einer Hauptsacheentscheidung schwere und unzumutbare Nachteile erwachsen. Denn die Antragstellerin hat jedenfalls nicht in der gebotenen Weise substantiiert dargelegt, dass ihr ohne den Erlass der von ihr begehrten einstweiligen Anordnung ein schwerer und unzumutbarer (wirtschaftlicher) Schaden, beispielsweise durch den Verlust potentieller Kunden, entsteht.

Randnummer31

Vielmehr beruft sich die Antragstellerin pauschal darauf, dass der Antragsgegner in mehreren Fällen von der Teilnahme an ihren Online-Kursen abgeraten habe, wodurch es zu einem massiven Wettbewerbsnachteil für die Antragstellerin komme und unterstellt dabei, dass sich Mitarbeiter von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sowie der sonstige in § 2 Abs. 10 InfHygV HE beschriebene Personenkreis auf die Hinweise des Antragsgegners verlassen und einen anderen Kursanbieter aufsuchen werde. Eine ernsthafte Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin ist mit dieser nicht näher substantiierten Behauptung weder nachvollziehbar dargelegt noch hinreichend glaubhaft gemacht worden. Einen entsprechenden Nachweis hat sie nicht erbracht. Hingegen wurde ausweislich der Behördenakte dem Antragsgegner einmalig und erst Ende Juni 2019 von einem Teilnehmer des streitigen Kursangebotes der Antragstellerin eine Teilnahmebescheinigung zur Anerkennung als Sachkundenachweis vorgelegt. Vor diesem Zeitpunkt gab es lediglich im August 2018 – mithin war zwischenzeitlich fast ein Jahr vergangen – eine entsprechende Anfrage eines Heilpraktikers an das Gesundheitsamt des Antragsgegners betreffend einer etwaigen Teilnahme. Inwieweit daraus tatsächliche wesentliche Nachteile der Antragstellerin resultieren, hat die Antragstellerin weder substantiiert dargelegt noch glaubhaft gemacht. Insbesondere ist nicht vorgetragen, dass sie mangelnde Teilnahmezahlen zu verzeichnen oder finanzielle Einbußen bezogen auf das streitige Fortbildungsangebot erlitten hat.

Randnummer32

3. Zuletzt zielt das Begehren der Antragstellerin nicht auf eine rein vorläufige Regelung. Bei der beantragten Anordnung handelt es sich nicht um eine bis zur Entscheidung der Hauptsache gedachte Regelung eines vorläufigen Zustands im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, die es dem Antragsgegner vorläufig untersagt, seine der Antragstellerin vermeintlich abträgliche Rechtsauffassung weiter zu äußern. Die Antragstellerin hat auch auf ausdrücklichen Hinweis der Antragsgegnerin ihren Antrag nicht auf eine zeitliche Beschränkung umgestellt.

Randnummer33

Eine Ausnahme zu dem grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache ist nicht ersichtlich. Die Antragstellerin vermag weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen, sodass nach derzeitiger Sach- und Rechtslage keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung dann nicht, wenn die begehrte Entscheidung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 1999 – 2 BvR 2131/95 – juris; Kopp / Schenke, Kommentar zur VwGO, 24. Auflage 2018, § 123, Rn. 14 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Eine die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmende einstweilige Anordnung kann daher ausnahmsweise getroffen werden, wenn der Antragsteller eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rechtzeitig erwirken kann und sein Begehren schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten bei Anlegung eines strengen Maßstabes erkennbar Erfolg haben muss (BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999, Az.: 2 VR 1/99 – juris). Dabei kann eine Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz des jeweiligen Antragstellers eine solche Ausnahme zum Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache begründen. Wie bereits dargestellt hat die Antragstellerin derartige schwerwiegende und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile jedoch nicht glaubhaft gemacht. Auch ist keine hohe Obsiegenswahrscheinlichkeit in einem gegebenenfalls noch einzuleitenden Hauptsacheverfahren derzeit erkennbar.

Randnummer34

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen, da sie unterlegen ist.

Randnummer35

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i. V. m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkataloges 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei eine Reduzierung des Streitwertes wegen der intendierten Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht kommt. Da die Antragstellerin trotz Aufforderung des Gerichts nicht dargelegt hat, worauf sich der angegebene Streitwert in Höhe von 20.000 Euro gründet, war der Auffangstreitwert festzusetzen.

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