Hausverbot an staatlicher Schule

April 26, 2020

VG Kassel 3. Kammer
3 L 120/20.KS

Hausverbot an staatlicher Schule

Dient ein Hausverbot dazu, Störungen des Schulbetriebs zu vermeiden, ist allein die Schulleiterin/der Schulleiter für den Erlass des Hausverbots zuständig. Seine Zuständigkeit verdrängt das Hausrecht des Schulträgers.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage 3 K 3152/19.KS des Antragstellers gegen den Bescheid vom 12.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landrats des Schwalm-Eder-Kreises vom 06.12.2019 wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist der Vater des schulpflichtigen Kindes …. A., welches die Klasse 2A der X-Schule in A-Stadt besucht. Nach mehrfachen konfliktreichen Gesprächen des Antragstellers mit Lehrerinnen seiner Tochter und nach verschiedenen Vorfällen, die von den Lehrerinnen als grenzüberschreitend und bedrohlich empfunden wurden, erteilte der Landrat des Schwalm-Eder-Kreises mit Schreiben vom 12.09.2019 gegenüber dem Antragsteller ein zeitlich unbefristetes Hausverbot „speziell für das Gelände der X-Schule A-Stadt“ sowie für sämtliche weiteren Liegenschaften des Schwalm-Eder-Kreises. Das Hausverbot sei dadurch begründet, dass der Antragsteller sich regelmäßig und insbesondere am 10.09.2019 in grenzüberschreitender und bedrohlicher Weise gegenüber Lehrkräften der Schule verhalten habe. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt das Schreiben nicht. Der Antragsteller legte hiergegen durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 17.09.2019 Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2019 wies der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers vom 17.09.2019 gegen das Hausverbot vom 12.09.2019 zurück und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung des Hausverbots an. Eine Behörde müsse zwar mit schwierigen Besuchern zurechtkommen. Werde jedoch der Dienstablauf nachhaltig gestört, könne auch eine Behörde ein Hausverbot aussprechen. Der Widerspruchsführer sei wiederholt in grenzüberschreitender unangemessener und bedrohlicher Art gegenüber dem Lehrpersonal der X-Schule aufgetreten. Dies ergebe sich aus einer Aufstellung von verschiedenen Vorkommnissen, die sich in der Zeit zwischen dem August und dem September 2019 ereignet hätten. Das Fehlverhalten des Antragstellers habe letztlich in einem Vorkommnis am 10.09.2019 gegipfelt. Nach einem Elternabend, bei dem er wiederum durch unangemessenes Verhalten aufgefallen sei, habe er die Klassenlehrerin Frau Y. nach dem Verlassen der Schule auf ihrem Heimweg mit seinem PKW verfolgt und sei in bedrohlicher und gefährlicher Weise im Bereich der Autobahnzufahrt der A 49 in Richtung Kassel auf ihren PKW aufgefahren. Die Lehrerin habe anschließend Angstzustände gehabt und um ihr Leben gefürchtet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung beruhe auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Sie liege im öffentlichen Interesse. Zur Begründung werde einerseits auf die eidesstattlichen Versicherungen von zwei Lehrkräften Bezug genommen. Der Antragsteller sei wiederholt bedrohlich und aggressiv gegenüber der Klassenlehrerin aufgetreten. Wiederholt hätten Gespräche ergebnislos abgebrochen werden müssen, da er sich darauf beschränke, das Lehrpersonal anzuschreien, zu verängstigten und Drohungen auszusprechen. Die besondere Schutzbedürftigkeit des Lehrpersonals vor seinem grenzüberschreitenden Verhalten dulde keinen Aufschub der Wirkung des Hausverbotes.

Mit am 18.12.2019 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten hat der Antragsteller gegen das Hausverbot vom 12.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2019 Klage erhoben (Az.: 3 K 3152/19.KS).

Mit am 23.01.2020 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Antrag begehrt der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Zur Begründung führte er im Wesentlich aus, das Hausverbot erweise sich als formell rechtswidrig. Der Antragsteller sei nicht hinreichend gemäß § 28 Abs. 1 HVwVfG angehört worden. Auch fehle es an der Zuständigkeit des Antragsgegners für die Erteilung des Hausverbots. Dies obliege dem Schulleiter gemäß § 80 Abs. 1 S. 3 HSchG. Auch erweise sich das Hausverbot als unverhältnismäßig, da es sich auf sämtliche Liegenschaften des Landkreises erstrecke.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 18.12.2019 (Az. 3 K 3152/19.KS) gegen den Bescheid vom 12.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Antragsgegners vom 06.12.2019 wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung bezieht er sich auf seine Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Behördenakte Bezug genommen. Weiterhin wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 3 L 2662/19.KS und 3 K 3152/19.KS Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er hat auch in der Sache Erfolg, da sich der angegriffene Verwaltungsakt, nämlich das Hausverbot vom 12.09.2019 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 06.12.2019 bei summarischer Prüfung als rechtswidrig erweisen.

Das angegriffene Hausverbot in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist formell rechtswidrig, soweit es sich auf das Gelände der X-Schule in D-Stadt erstreckt. Das angegriffene Hausverbot vom 12.09.2019 enthält insoweit die ausdrückliche Formulierung, das Hausverbot ergehe “speziell für die X-Schule A-Stadt“. Wie die Kammer, ohne dass es in dem früheren Verfahren 3 L 2662/19.KS entscheidungserheblich darauf angekommen wäre, schon in dem Beschluss vom 02.12.2019 ausgeführt hat, enthalten die für ein Hausverbot der vorliegenden Art an Schulen in Hessen maßgeblichen Normen, nämlich die §§ 88 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, 90 Abs. 1 Satz 3 HSchulG i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 der Dienstordnung für Lehrkräfte, Schulleiterinnen und Schulleiter und sozialpädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 04.11.2011 (ABl. S. 870) sowohl eine abschließende Zuständigkeitsregelung als auch eine Befugnisnorm (vgl. zum Hausverbot im Hochschulbereich Bay. VGH, Beschluss vom 23.06.2002 – 7 CE 03.1294 -, juris-Rdnr.14). Diese Vorschriften sehen, soweit die Ausübung des Hausrechts aus Gründen der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Schule erfolgt, eine abschließende und ausschließliche Befugnis des Schulleiters und nicht des Schulträgers vor.

So nimmt gemäß § 87 Abs. 1 S. 3 HSchG die Schulleitung nach Maßgabe des hessischen Schulgesetzes und der Dienstordnung die Aufgaben wahr, die für eine ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Schule erforderlich sind. § 88 Abs. 1 S. 3 HSchG nimmt wiederum die Dienstordnung in Bezug, die in § 20 Abs. 2 S. 1 eine ausdrückliche Zuweisung der Befugnisse des Hausrechtsinhabers an die Schulleitung enthält. § 88 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 HSchG regelt ausdrücklich, dass der Schulleitung insbesondere die Sorge für die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Schule obliegt. Letztlich ist aus § 90 Abs. 1 S. 2 HSchG eine klare Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Schulleitung und Schulträger zu entnehmen. Der Vorschrift vorangestellt ist die amtliche Überschrift “Schulleitung und Schulträger“ und der weitere Regelungsgehalt dieser Vorschrift zeigt, dass sie eine verbindliche Abgrenzung der verschiedenen Zuständigkeiten zwischen Schulleitung und dem Schulträger bzw. eine abschließende Zuweisung von Zuständigkeiten an die Schulleitung beinhaltet. § 90 Abs. 1 S. 3 HSchG sieht vor, dass die Schulleiterin oder der Schulleiter die vom Schulträger zugewiesenen Haushaltsmittel bewirtschaftet und auf dem Grundstück der Schule das Hausrecht ausübt. Die Vorschrift verdrängt das Hausrecht des Schulträgers als Eigentümer oder Besitzer des Schulgeländes, welches nur dann unberührt bleibt, soweit es sich auf nicht zu den schulischen Aufgaben gehörende Veranstaltungen auf dem Schulgelände bezieht (vgl. VG Aachen, Urteil vom 25.04.2008 – 9 K 1428/06 -, juris-Rdnr. 23). Daher ist im vorliegenden Verfahren eine Zuständigkeit des Antragsgegners für das aus Gründen der Aufrechterhaltung der Schulordnung ergangene Hausverbot, soweit sich dieses auf die X-Schule bezieht, nicht gegeben, obschon der Antragsgegner der zuständige Schulträger ist. Die Erteilung des Hausverbotes bleibt nach der oben dargestellten Rechtslage ausschließlich dem Leiter der X-Schule vorbehalten.

Soweit in der angegriffenen Verfügung vom 12.09.2019 auch ein zeitlich unbefristetes und unbeschränktes Hausverbot für sämtliche weiteren Liegenschaften des Schwalm-Eder-Kreises erteilt worden ist, ist dieses materiell rechtswidrig. Das Hausrecht über ein Dienstgebäude dient unmittelbar der Wahrung und Erhaltung des Hausfriedens als Voraussetzung für einen geordneten Dienstbetrieb. Es hat primär präventiven Charakter. Zweck eines Hausverbotes ist es nicht, geschehene Vorfälle zu “bestrafen“, sondern zu verhindern, dass sich störende, den Dienstbetrieb beeinträchtigende Vorfälle in gleicher Weise wiederholen (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 23.06.2003 – 7 CE 03.1294 -, juris-Rdnr.17). Voraussetzung für den Erlass eines Hausverbotes ist es danach, dass eine relevante Störung für den Dienstbetrieb der betroffenen Behörde eingetreten ist und dass es aufgrund des Verhaltens der betreffenden Person zu befürchten ist, dass sich solche Vorkommnisse wiederholen. Was den Dienstbetrieb der “sämtlichen weiteren Liegenschaften“ des Antragsgegners betrifft, sind jedoch in dem Hausverbot vom 12.09.2019 wie auch in dem dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 06.12.2019 keinerlei Verfehlungen des Antragstellers oder sonstige Vorkommnisse aufgeführt, die bezüglich dieser Liegenschaften eine Störung des Dienstbetriebes hervorgerufen haben und die die Erwartung begründen könnten, dass es dort bei einem erneuten Erscheinen seiner Person zu weiteren Störungen kommen könnte. Die insbesondere im Widerspruchsbescheid dargelegten Vorkommnisse, insbesondere das Verhalten nach dem Elternabend vom 10.09.2019 betreffen ausschließlich Verhalten des Antragstellers in der X-Schule und es ist nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich, dass der Antragsteller generell im Umgang mit Behörden das im Widerspruchsbescheid aufgezeigte Verhalten, welches das Schulverhältnis seiner Tochter betraf, an den Tag legen würde. Diese Vorkommnisse können daher nur dazu dienen ein Hausverbot (des Schulleiters bzw. der Schulleiterin) für diese Schule zu rechtfertigen, sie sind jedoch nicht geeignet, ein Hausverbot für anderweitige Liegenschaften des Landkreises zu begründen, die keiner Störung durch den Antragsteller ausgesetzt gewesen sind.

Da der Antragsgegner unterlegen ist, hat er gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Bei der Festsetzung des Streitwertes hat die Kammer, wie in Eilverfahren üblich, den Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG um die Hälfte reduziert.

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