Erbeinsetzung eines Altenheimträgers durch Heimbewohner

Mai 7, 2020

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 28. Juni 1991 – BReg 1 a Z 3/90
Erbeinsetzung eines Altenheimträgers durch Heimbewohner: Verbot der Vorteilsannahme; Kenntnis der Erbeinsetzung
1. Ist im Testament eines Heimbewohners der Träger des Altenheims als Erbe eingesetzt, so ist die letztwillige Verfügung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Vorteilsannahme nur dann nichtig, wenn die Erbeinsetzung bekannt war. Eine Verpflichtung, die Erbschaft auszuschlagen, besteht aufgrund des Heimgesetzes nicht.

Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluß des Landgerichts Passau vom 19. September 1988 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Passau zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die ledige und kinderlose Erblasserin ist 1985 im Alter von 72 Jahren in einem Krankenhaus verstorben. Sie lebte zuletzt in einem von der Beteiligten zu 1, einem Frauenorden, betriebenen Altenheim, in dem sie früher als Hausgehilfin tätig war. Der Beteiligte zu 2 ist ein Bruder der Erblasserin. Ein weiterer Bruder ist 1981, eine Schwester 1986 verstorben. Ob eine weitere Schwester der Erblasserin ebenfalls verstorben ist und Kinder hinterlassen hat, ist nicht ermittelt. Der aus Sparguthaben bestehende Reinnachlaß beläuft sich auf rund 28.735 DM.
Das Nachlaßgericht eröffnete am 30.11.1985 eine mit „Mein Testament“ überschriebene handschriftliche letztwillige Verfügung vom 5.5.1985, die mit dem Namen der Erblasserin unterzeichnet ist und wie folgt lautet:
Ich … vererbe nach meinem Tode alle meine Sachen: wie Wäsche, Mobiliar und das noch vorhandene Geld einschließlich Sparbuch den … (= Bet. zu 1).
DM 300- sollen auf Hg Messen verwendet werden.
Die gesetzliche Vertreterin der Beteiligten zu 1 erklärte, daß die Erbschaft angenommen werde. Auf ihren Antrag bewilligte das Nachlaßgericht am 6.2.1986 einen Erbschein, demzufolge die Erblasserin von der Beteiligten zu 1 aufgrund Testaments vom 5.5.1985 allein beerbt worden sei. Eine Ausfertigung wurde an die Beteiligte zu 1 hinausgegeben. Mit Schriftsatz vom 26.3.1986 beantragte der Beteiligte zu 2, den Erbschein einzuziehen und ihm einen Alleinerbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen. Zur Begründung trug er vor, daß die Erblasserin bei Errichtung des Testaments nicht mehr testierfähig gewesen sei. Außerdem sei das Testament nicht von ihr geschrieben worden. Diese Anträge wies das Nachlaßgericht am 21.7.1987 zurück und ordnete an, daß der Beteiligte zu 2 die der Beteiligten zu 1 entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten habe. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Landgericht am 19.9.1988 zurück. Die der Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Auslagen wurden dem Beteiligten zu 2 auferlegt. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wurde auf 28.735 DM festgesetzt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 vom 8.1.1990. Er beantragt, den Beschluß des Landgerichts aufzuheben, den erteilten Erbschein einzuziehen und ihm einen Alleinerbschein zu erteilen. Die Beteiligte zu 1 beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
II.
Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Eine Einziehung des Erbscheins komme nicht in Betracht, denn die durchgeführten Ermittlungen hätten keine Erkenntnisse ergeben, welche die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit des Erbscheins vom 6.2.1986 erschüttern würden. Es bestehe aufgrund des vom Nachlaßgericht eingeholten Schriftgutachtens in Verbindung mit den Zeugenaussagen kein Zweifel daran, daß die Erblasserin das Testament vom 5.5.1985 eigenhändig geschrieben und unterschrieben habe. Die Ermittlungen hätten auch keinen Beweis dafür erbracht, daß die Erblasserin bei Errichtung des Testaments testierunfähig gewesen sei. Sie sei zwar aufgrund einer Infektionskrankheit seit dem Kindesalter schwer hör- und sprachgeschädigt. Dennoch sei sie nach den übereinstimmenden Aussagen der vernommenen Schwestern des Altenheims und den Angaben ihres Hausarztes geistig normal gewesen. Sowohl die Schwestern als auch der Arzt hätten seit Jahren Kontakt mit der Erblasserin gehabt, so daß sie deren Geisteszustand beurteilen könnten. Auch die Stationsärztin des Krankenhauses habe noch im Oktober 1985 den Eindruck gehabt, die Erblasserin sei geschäftsfähig. Soweit eine Zeugin bekundet habe, ein von der Erblasserin im Dezember 1984 geschriebener Brief sei verworren gewesen, begründe dies keine Zweifel an der Testierfähigkeit. Davon sei auch der als Sachverständiger gehörte Landgerichtsarzt ausgegangen, der zudem aus den Aussagen der Zeugen keine Schlüsse auf eine Testierunfähigkeit gezogen habe. Schließlich habe sich auch die Behauptung des Beteiligten zu 2 nicht bestätigt, die Erblasserin habe vor Errichtung des Testaments einen Schlaganfall erlitten, der eine Behandlung mit dem Medikament Colfarit erforderlich gemacht habe. Die als Zeuginnen vernommenen Schwestern hätten keine Symptome eines Schlaganfalls bemerkt, obwohl ihnen diese bekannt seien. Die Erblasserin sei Juni 1985 gestürzt, wodurch ihre Gehfähigkeit beeinträchtigt worden sei. Wegen einer in der Folgezeit aufgetretenen Venenthrombose habe sie mit Colfarit behandelt werden müssen. Weder der Hausarzt der Erblasserin noch der Chefarzt des Krankenhauses hätten Feststellungen getroffen, die auf einen Schlaganfall hinweisen könnten. Soweit im Krankenblatt angeführt sei, die Erblasserin sei vor wenigen Monaten wegen eines Schlaganfalls mit vorübergehender Lähmung ambulant behandelt worden, beruhe diese Eintragung nach der Aussage des Chefarztes auf „Fremdangaben“, die vermutlich von den die Erblasserin besuchenden Schwestern stammten. Diese hätte aber glaubhaft angegeben, derartige Äußerungen nicht gemacht zu haben. Es habe für das Beschwerdegericht deshalb keine Veranlassung bestanden, den Chefarzt zum Beweis dafür zu vernehmen, daß die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments einen Schlaganfall gehabt habe. Zudem führe nach der Auskunft des Landgerichtsarztes ein Schlaganfall nicht ohne weiteres zur Testierunfähigkeit.
2. Die Beschwerdeentscheidung enthält insoweit keinen Rechtsfehler (§ 27 FGG, § 550 ZPO), als das Landgericht dargelegt hat, daß das Testament vom 5.5.1985 von der Erblasserin geschrieben wurde und daß diese im Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht testierunfähig war.
a) Das Landgericht hat aufgrund eines Schriftgutachtens und mehrerer Zeugenaussagen die Überzeugung gewonnen, daß die Erblasserin das Testament vom 5.5.1985 eigenhändig geschrieben und unterschrieben habe, so daß dieses der Formvorschrift des § 2247 Abs. 1 BGB genüge. Die Beweiswürdigung des Landgerichts läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Weitere Ausführungen hierzu sind nicht geboten, weil der Beteiligte zu 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde insoweit keine Rügen erhoben hat.
b) Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Annahme des Landgerichts, das Testament sei nicht wegen Testierunfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt seiner Errichtung unwirksam (§ 2229 Abs. 4 BGB).
aa) Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit gegeben sind, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet (ständige Rechtsprechung, vgl. BayObLGZ 1989, 327/329 m.w.Nachw.). An die hierzu vom Gericht der Tatsacheninstanz getroffenen Feststellungen ist das Gericht der weiteren Beschwerde gebunden (§ 27 FGG, § 561 ZPO). Die ihnen zugrundeliegende Tatsachenwürdigung kann daher im Rechtsbeschwerdeverfahren nur dahin überprüft werden, ob das Beschwerdegericht den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffs alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen die Denkgesetze oder gegen feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat und ob es die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BayObLG aaO und FamRZ 1988, 1099/1100, jeweils m.w.Nachw.).
bb) Die vom Rechtsbeschwerdeführer gerügten Verfahrensverstöße liegen nicht vor.
(1) Eine Vernehmung des Chefarztes des Krankenhauses war im Rahmen der dem Gericht obliegenden Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) nicht geboten. Das Landgericht durfte davon ausgehen, daß der Zeuge keine eigenen Kenntnisse über einen Schlaganfall der Erblasserin vor Errichtung des Testaments habe.
(2) Für das Landgericht bestand auch kein Anlaß, weitere Ermittlungen durchzuführen. Daß eine Ärztin des Krankenhauses berichten könne, die als Zeuginnen vernommenen Schwestern hätten ihr von einem Schlaganfall der Erblasserin berichtet, hat der Beteiligte zu 2 erst im Verfahren der weiteren Beschwerde vorgebracht. Auch die Behauptung, der Chefarzt des Krankenhauses habe einer weiteren Zeugin gegenüber von einem Schlaganfall der Erblasserin gesprochen, wurde erstmals in der Begründung der weiteren Beschwerde aufgestellt. Von einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht des Landgerichts durch eine unterlassene Vernehmung dieser Zeuginnen kann daher nicht die Rede sein. Eine Vernehmung durch das Gericht der weiteren Beschwerde ist ebensowenig zulässig wie die Beiziehung der Krankenunterlagen. Grundlage der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist gemäß § 27 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO der vom Beschwerdegericht festgestellte Sachverhalt (vgl. Keidel/Kuntze FGG 12. Aufl. § 27 Rn. 42), so daß neue Tatsachen und Beweise in dieser Instanz weder durch die Beteiligten noch durch das Gericht eingeführt werden können (Keidel/Kuntze aaO Rn. 43).
(3) Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen obliegt dem Gericht der Tatsacheninstanz; sie kann vom Gericht der weiteren Beschwerde nicht nachgeprüft werden (vgl. BayObLG FamRZ 1977, 263/265; Keidel/Kuntze aaO Rn. 47 m.w.Nachw.). Es ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht den vernommenen Schwestern geglaubt hat, sie hätten keine Kenntnis von einem Schlaganfall der Erblasserin.
cc) Wenn sich somit das Landgericht aufgrund der Beweisaufnahme in beiden Tatsacheninstanzen von einer Testierunfähigkeit der Erblasserin nicht überzeugen konnte, so hat es damit dem Grundsatz Rechnung getragen, daß ein Erblasser so lange als testierfähig angesehen werden muß, als nicht die Testierunfähigkeit zur vollen Gewißheit nachgewiesen ist (vgl. BayObLG FamRZ 1990, 318/320 m.w.Nachw.). Zutreffend weist das Landgericht im übrigen auch darauf hin, daß die Feststellungslast für eine Testierunfähigkeit derjenige trägt, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments beruft (ständige Rechtsprechung, vgl. BayObLG FamRZ 1990, 801/803 m.w.Nachw.).
3. Von einem Rechtsfehler ist die Beschwerdeentscheidung indessen aus anderen Gründen beeinflußt. Das Landgericht hat nicht geprüft, welche rechtlichen Folgerungen hinsichtlich der Wirksamkeit des Testaments sich daraus ergeben können, daß die Trägerin des Altenheims als Erbin eingesetzt wurde, in dem die Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung lebte. Ungeachtet des Umstands, daß es sich hierbei um eine von Amts wegen zu beurteilende Rechtsfrage handelt und der sich aus dem Vorbringen der Beteiligten ergebende Sachverhalt eine Auseinandersetzung mit dieser nahelegte, hatte der Beteiligte zu 2 hierauf in seinem Schriftsatz vom 29.9.1988 hingewiesen, der vor Erlaß der Beschwerdeentscheidung durch deren Hinausgabe an die Verfahrensbeteiligten (vgl. BayObLGZ 1989, 116/122 f. m.w.Nachw.; Keidel/Reichert § 18 Rn. 3) am 3.10.1988 eingegangen war und daher entgegen der in der Verfügung vom 21.10.1988 geäußerten Meinung des stellvertretenden Vorsitzenden der Beschwerdekammer zur Vermeidung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) hätte berücksichtigt werden müssen (BayObLG aaO S. 123 m.w.Nachw.).
a) Das Landgericht hat nicht in Erwägung gezogen, daß die letztwillige Verfügung der Erblasserin (§ 2064 BGB) wegen eines Verstoßes gegen § 14 des Gesetzes über Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige (Heimgesetz – HeimG) vom 7.8.1974 (BGBl I S. 1873) nichtig sein kann (§ 134 BGB). Hierin liegt eine Gesetzesverletzung im Sinn von § 27 FGG, § 550 ZPO, weil eine Norm nicht berücksichtigt oder übersehen wurde, der das zu beurteilende Rechtsverhältnis untersteht oder unterstehen kann (vgl. BayObLG FamRZ 1982, 634/635; Keidel/Kuntze Rn. 24, Jansen FGG 2. Aufl. Rn. 18, jeweils zu § 27).
aa) Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 HeimG in der bis 31.7.1990 geltenden Fassung (vgl. Art. 1 Nr. 14, Art. 5 Satz 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Heimgesetzes v. 23.4.1990, BGBl I S. 758) ist es dem Träger eines Altenheims (§ 1 Abs. 1 HeimG a. F.) untersagt, sich über das für die Unterbringung, Beköstigung und Pflege des Bewohners vereinbarte Entgelt hinaus Vermögensvorteile versprechen oder gewähren zu lassen, soweit es sich nicht um geringwertige Aufmerksamkeiten handelt und sofern nicht die zuständige Behörde, nämlich das Landratsamt (vgl. § 1 Abs. 1 der bayerischen Verordnung über Zuständigkeiten nach dem Heimgesetz – ZustVHeimG – i.d.F. v. 30.11.1982, GVBl S. 986), eine Ausnahme zuläßt. Es handelt sich bei dieser Vorschrift um ein dem Schutz des Heimbewohners dienendes Verbotsgesetz (vgl. BVerwG NJW 1990, 2268; BGHZ 110, 235/240 zu § 14 Abs. 2 HeimG a. F., der dem Heimpersonal die Annahme von Vermögensvorteilen untersagt; Gitter/Schmitt Heimgesetz Anm. IV 4, Gössling/ Knopp Heimgesetz 2. Aufl. Rn. 16, jeweils zu § 14). Ein hiergegen verstoßendes Rechtsgeschäft ist gemäß § 134 BGB nichtig, obwohl es sich um ein einseitiges Verbot handelt, das sich nur gegen den Heimträger (und gemäß § 14 Abs. 2 HeimG a. F. gegen das Heimpersonal) richtet, weil das Verbotsgesetz gerade dem Schutz des Heimbewohners dient (vgl. BGHZ 88, 240/243; 89, 369/373; 110, 235/240). Die Vorschrift soll nach dem Zweck des Heimgesetzes (vgl. § 2 Abs. 1 HeimG a. F.) verhindern, daß unterschiedliche Vermögensverhältnisse der Bewohner mit unterschiedlicher Behandlung und Beachtung sowie sonstiger Bevorzugung oder Benachteiligung verknüpft werden (vgl. BT-Drucks. 7/180 S. 12); Heimbewohner sollen von dem Zwang befreit sein, für die Aufnahme in ein Heim und die ordnungsgemäße Betreuung zusätzlich zu dem Entgelt weitere Vermögensvorteile zu gewähren, um Benachteiligungen zu entgehen (BT-Drucks. aaO). Dieser Schutz ist notwendig wegen der vielfältigen Möglichkeiten, die Heimträger und Heimpersonal haben, um auf die Lebenssituation des Heimbewohners Einfluß zu nehmen (BGHZ 110, 235/239 m.w.Nachw.).
bb) Die Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Testaments sind im Erbrecht nicht abschließend geregelt, so daß auch die Bestimmungen des Allgemeinen Teils des Bürgerlichen Gesetzbuchs anwendbar sind und demzufolge testamentarische Verfügungen auch wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig sein können (MünchKomm/Leipold BGB 2. Aufl. Rn. 2 vor § 2064; Staudinger/ Otte BGB 12. Aufl. Vorbem. zu §§ 2064-2086 Rn. 22). Somit gilt die Vorschrift des § 14 HeimG nicht nur für Verträge (vgl. zu § 14 Abs. 2 HeimG a. F. BGHZ 110, 235 ff.; zum Erbvertrag BayObLGSt 1986, 44/45; zur Schenkung BVerwGE 78, 357/363), sondern grundsätzlich auch für einseitige Rechtsgeschäfte wie die letztwillige Verfügung durch Testament (vgl. BVerwG NJW 1990, 2268; KG Beschluß v. 29.10.1979 AR (B) 103/79 – 2 Ws (B) 121/79; OVG Berlin Urteil v. 28.3.1989 4 B 7.89; Soergel/Stein BGB 11. Aufl. § 1923 Rn. 9; Gössling/Knopp § 14 Rn. 13; vgl. auch Kunz/Ruf/Wiedemann Heimgesetz 5. Aufl. Rn. 12 und Gitter/Schmitt Anm. IV 1, jeweils zu § 14; Ruf/Hütten BayVBl 1978, 37/41; Korbmacher Grundfragen des öffentlichen Heimrechts Diss. Berlin 1989 S. 142). Allerdings bedarf der sowohl in § 14 Abs. 1 als auch in § 14 Abs. 2 HeimG a. F. verwendete Begriff „sich gewähren lassen“ der Auslegung.
(1) Das Verbot des § 14 Abs. 1 HeimG a. F. berührt zum einen die allgemeine Handlungsfreiheit und die Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) des Heimträgers und des Heimbewohners in ihrer Eigenschaft als Beteiligte der Zuwendung und zum anderen den unter der Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG stehenden Grundsatz der Testierfreiheit (vgl. BVerfGE 58, 377/378 und 67, 329/341; BGH NJW 1989, 2054 und BGHZ 111, 36/39). Gegen diese Vorschrift bestehen zwar keine verfassungsrechtlichen Bedenken (a.A. wohl Bischoff DÖV 1978, 201/203 f. und Korbmacher aaO S. 183), weil die Testierfreiheit nicht unbeschränkt gilt (BGHZ 111, 36/39) und die Handlungsfreiheit nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet ist, zu denen auch die Verbotsnorm des § 14 Abs. 1 HeimG a. F. gehört, weil sie im Rahmen ihres Schutzzwecks sozialstaatlich (vgl. Art. 20 Abs. 1 GG) gerechtfertigt ist (vgl. BVerwGE 78, 357/362 und BVerwG NJW 1990, 2268; BayVGH Urteil v. 24.5.1985 Nr. 9 B 81 A. 2249; Gitter/Schmitt § 14 Anm. III 2). Diese verfassungsrechtlichen Bezüge verlangen aber eine enge Auslegung der Vorschrift und zwar insbesondere dann, wenn sie auf einseitige letztwillige Verfügungen Anwendung finden soll.
(2) Die Vorschrift des § 14 HeimG erfaßt nicht jede einseitige letztwillige Verfügung schlechthin (Korbmacher aaO S. 142) im Sinn eines „globalen Erbschaftsverbots“ (vgl. Gitter/Schmitt aaO Anm. IV 1 a. E.). Ein „sich gewähren lassen“ liegt vielmehr nur dann vor, wenn eine „Annahmeerklärung“ des Empfängers der Zuwendung hinzukommt (vgl. KG Beschluß v. 29.10.1979 S. 5) und sich deshalb das Eintreten eines Vermögensvorteils auf ein Einvernehmen zwischen dem Testierenden und dem Bedachten gründet (KG aaO; vgl. auch BAGE 45, 325/329; OVG Berlin Urteil v. 28.3.1989 S. 11; Kunz/Ruf/Wiedemann Rn. 4, Dahlem/Giese/Igl/Klie Heimgesetz Rn. 12, jeweils zu § 14; Klie Altenpflege 1985, 10; Stach NJW 1988, 943/945; Korbmacher aaO S. 144). In diesem Sinn wird der Begriff „sich gewähren lassen“ auch in der Vorschrift des § 138 Abs. 2 BGB verstanden, an den sich der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 14 HeimG angelehnt hat (vgl. BT-Drucks. 7/180 S. 15). An einem solchen Einverständnis oder Einvernehmen fehlt es aber, wenn der Heimträger von einem Heimbewohner bedacht wird, ohne daß er zu Lebzeiten des Testierenden hiervon Kenntnis erlangt hat (vgl. KG aaO S. 7; Gitter/Schmitt § 14 Anm. V 2; Korbmacher aaO; offen gelassen vom OVG Berlin S. 12 u. vom BVerwG in NJW 1990, 2268).
(3) Der Senat schließt sich der fast einhellig (a.A. offenbar Soergel/Stein u. Ruf/Hütten, jeweils aaO) vertretenen Auffassung an, eine einseitige letztwillige Verfügung sei dann nicht wegen eines Verstoßes gegen § 14 HeimG nichtig, wenn der Heimträger oder im Fall des Abs. 2 a. F. das Heimpersonal zu Lebzeiten des Testierenden nicht gewußt hat, daß sie als Erben oder Vermächtnisnehmer bedacht worden sind. Eine solche Auslegung des § 14 HeimG wird sowohl dem Zweck der Vorschrift als auch den berechtigten Belangen von Heimträger, Heimpersonal und Heimbewohner gerecht. Der Heimbewohner wird durch eine von ihm ohne Einvernehmen mit dem Bedachten verfügte Erbeinsetzung nicht beeinträchtigt, denn seine Verfügungsfreiheit bleibt nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich unberührt (KG aaO S. 8; Kunz/Ruf/Wiedemann aaO Rn. 12). Anders wäre es oft dann, wenn der Heimträger von einem Testament zu seinen Gunsten Kenntnis hat, weil sich dann der Heimbewohner gehindert fühlen könnte, später anderweitig zu verfügen. Ist von einer Erbeinsetzung des Heimträgers oder auch des Heimpersonals zu Lebzeiten des Testierenden nichts bekannt, so können auch andere Heimbewohner nicht befürchten, im Verhältnis zu diesem benachteiligt zu werden (vgl. BayVGH Urteil v. 24.5.1985 S. 6 f.). Andererseits gibt die Kenntnis der Erbeinsetzung zu Lebzeiten des Testierenden dem Heimträger die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 HeimG a. F.), die nachträglich nicht erteilt werden darf (BVerwGE 78, 357/359).
b) Auf der dargelegten Gesetzesverletzung beruht die Beschwerdeentscheidung. Die Möglichkeit, daß sie anders ausgefallen wäre, kann im Fall eines materiell-rechtlichen Mangels nicht ausgeschlossen werden, wenn die Sache noch nicht entscheidungsreif ist, weil sie vom materiell-rechtlichen Standpunkt des Rechtsbeschwerdegerichts aus der weiteren tatsächlichen Aufklärung bedarf (vgl. Jansen § 27 Rn. 28). Das ist hier der Fall. Den Aussagen der bisher vernommenen Zeuginnen kann nicht entnommen werden, daß dem Heimträger schon zu Lebzeiten der Erblasserin bekannt war, er sei als Erbe eingesetzt. Maßgebend wäre hierfür die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters (§ 166 Abs. 1 BGB; vgl. Palandt/Heinrichs BGB 50. Aufl. § 166 Rn. 2). Eine Kenntnis der im Altenheim tätigen Schwestern würde hierfür nicht ausreichen. Ob eine der Beteiligten zu 1 zurechenbare Kenntnis vorlag, wird vom Landgericht geklärt werden müssen. Entgegen der Meinung des Beteiligten zu 2 reicht es nicht aus, daß die gesetzliche Vertreterin der Beteiligten zu 1 die Annahme der Erbschaft erklärt hat (§ 1943 BGB). Die Annahmeerklärung bewirkt den Verlust des Ausschlagungsrechts (MünchKomm/Leipold § 1943 Rn. 8) und beendet den Zeitraum, in dem der Erbe berechtigt ist, den mit dem Tod des Erblassers eintretenden Übergang der Erbschaft auf ihn (§ 1922 Abs. 1 BGB) durch Ausschlagung mit Rückwirkung auf den Erbfall zu beseitigen (MünchKomm/Leipold aaO Rn. 1). Allein aus der Erbschaftsannahme ein „sich gewähren lassen“ zu entnehmen mit der Folge einer Pflicht, die Erbschaft auszuschlagen, ginge über den Schutzzweck der Verbotsnorm des § 14 HeimG hinaus (vgl. KG aaO S. 8). Eine solche besteht jedenfalls aufgrund des § 14 HeimG nicht (vgl. Kunz/Ruf/Wiedemann Rn. 12, Gitter/Schmitt Anm. V 2, Dahlem/Giese/Igl/Klie Rn. 12, jeweils zu § 14; Korbmacher aaO S. 145). Da die Annahme der Erbschaft nicht Voraussetzung des Erbschaftserwerbs ist (vgl. MünchKomm/Leipold § 1942 Rn. 2), läßt sich das Problem letztwilliger Verfügungen zugunsten Bediensteter von Altenpflegeeinrichtungen oder von Krankenhäusern und dergleichen nicht dadurch lösen, daß man beamten- oder tarifrechtlichen Vorschriften (vgl. § 43 BRRG, Art. 79 BayBG, § 70 BBG, § 10 BAT) ein gesetzliches Verbot der Annahme entnimmt (MünchKomm/Leipold § 1943 Rn. 11; a. A. Stach NJW 1988, 943/944). Nichts anderes kann für § 14 HeimG gelten.
4. Da sich die Beschwerdeentscheidung auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 27 FGG, § 563 ZPO), muß sie aufgehoben werden. Die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen, da weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sind, die das Rechtsbeschwerdegericht nicht treffen darf.
5. Einer Kostenentscheidung und einer Festsetzung des Geschäftswerts bedarf es nicht.
III.
Für das weitere Verfahren ist folgendes zu bemerken:
1. Neben der Klärung der Frage, ob der Beteiligten zu 1 das Testament der Erblasserin bereits zu deren Lebzeiten bekannt war, wird zu prüfen sein, ob die Zuwendung des Nachlasses in Höhe von rund 28.000 DM einen Vermögensvorteil darstellt, der über das vereinbarte Entgelt hinausgeht (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 HeimG a. F.). Die Beteiligte zu 1 hat mit Schriftsatz vom 25.4.1986 vorgetragen, der Erblasserin sei die „Hauspension“ von monatlich 1.825 DM auf 1.100 DM „ermäßigt“ worden.
2. Sollte das Beschwerdegericht zu dem Ergebnis kommen, das Testament der Erblasserin sei wegen eines Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 HeimG a. F. nichtig, so würde die Einziehung des Erbscheins durch das Nachlaßgericht angeordnet werden müssen. Hingegen könnte dem Antrag des Beteiligten zu 2, ihm einen Alleinerbschein zu erteilen, nicht stattgegeben werden. Im Zeitpunkt des Erbfalls lebte nach seinen eigenen Angaben eine erst 1986 verstorbene Schwester der Erblasserin. Selbst wenn diese vom Beteiligten zu 2 allein beerbt worden sein sollte, müßte sie im Erbschein aufgeführt werden, weil diesen das Erbrecht zur Zeit des Erbfalls bezeugt (vgl. Palandt/Edenhofer § 2353 Rn. 209). Möglicherweise sind noch andere gesetzliche Erben der Erblasserin vorhanden. Nach einer bei den Akten befindlichen Erklärung vom 24.4.1986 soll eine weitere Schwester der Erblasserin in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik „vermutlich“ verstorben sein und drei Kinder hinterlassen haben.

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