Auslegung eines Erbvertrages zwischen Ehegatten

Mai 8, 2020

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 06. Januar 1994 – 5 W 119/93 – 70
Auslegung eines Erbvertrages zwischen Ehegatten
1. Ist in einem Erbvertrag, der eine Pflichtteilsverwirkungsklausel und eine Wiederverheiratungsklausel enthält, eine ausdrückliche Erbfolgeregelung für den Zeitpunkt des Todes des Längstlebenden nicht enthalten, so können gemeinsame Kinder der Vertragsschließenden gleichwohl als Erben des Längstlebenden bestimmt sein, wenn sich ein diesbezüglicher übereinstimmender Wille der Vertragsschließenden im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages feststellen läßt (Abweichung OLG Saarbrücken, 1992-03-10, 7 U 164/91, NJW-RR 1992, 841).
2. Hat der Erblasser seine Verfügung nicht ausdrücklich als „vertragsgemäß“ bezeichnet, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob und inwieweit eine gegenseitige Bindung oder freie Widerruflichkeit der Bestimmung beabsichtigt war. Die Zuwendung an gemeinsame Kinder der Vertragsschließenden ist dabei in der Regel als bindend gewollt anzusehen, weil in der Regel auch davon ausgegangen werden kann, daß der Erblasser oder der andere Vertragsschließende bei der Einsetzung von gemeinsamen Kindern ein Interesse an der Bindung gehabt haben.

Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1) hat die durch die weitere Beschwerde verursachten Kosten des Beteiligten zu 2) zu tragen.
Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 180.184,79 DM festgesetzt.
Gründe
A.
Die Beteiligten sind die Kinder des am 13.7.1990 verstorbenen Erblassers und seiner am 16.6.1981 vorverstorbener Ehefrau V M geb. R.
Mit seiner vorverstorbenen Ehefrau hat der Erblasser am 21.6.1965 vor Notar G in S einen Erbvertrag mit folgenden Anordnungen geschlossen:
„1. Wir setzen uns gegenseitig zu Erben ein.
2. Sollte ein Abkömmling seinen Pflichtteil aus dem Nachlaß des Erstversterbenden verlangen, so soll er auch aus dem Nachlaß des Letztversterbenden nur seinen Pflichtteil erhalten.
3. Falls der Überlebende sich wieder verheiratet, muß er unseren Abkömmlingen, die den Pflichtteil nicht verlangt haben, den Wert ihres gesetzlichen Erbteils nach dem Verstorbenen auszahlen, in bar oder Natur.“
Der Erbvertrag ist nach der verstorbenen Ehefrau am 19.10.1991 vollständig eröffnet worden.
Unter dem Datum vom 11.2.1990 hat der Erblasser ein am 19.7.1990 eröffnetes handschriftliches Testament errichtet, dessen verfügender Teil wie folgt lautet:
„Hiermit schließe ich meinen Sohn Wolfgang, da er mich mehrfach tätlich angegriffen hat, zugunsten meiner Tochter Elisabeth von der gesetzlichen Erbfolge aus.
Mein Sohn Wolfgang soll lediglich den Pflichtteil erhalten.“
Die Beteiligte zu 1) hat am 19.7.1990 beim Amtsgericht in Saarlouis zur Niederschrift des Rechtspflegers beantragt, ihr einen Erbschein des Inhalts zu erteilen, daß sie Alleinerbin des Erblassers ist. Sie hat die Auffassung vertreten, die Erbfolge nach dem Erblasser bestimme sich nach dem Testament vom 11.2.1990, an dessen Errichtung der Erblasser nicht durch den Erbvertrag vom 21.6.1965 gehindert gewesen sei; durch den Erbvertrag sei nur die Erbfolge nach dem zuerst versterbenden Elternteil geregelt worden; durch den Erbvertrag seien die Beteiligten nicht zu Erben des Längstlebenden eingesetzt worden; eine derartige Regelung sei von den Eltern, insbesondere von dem Erblasser auch nicht gewollt gewesen; der längstlebende Elternteil habe nicht in seiner Testierfreiheit beschränkt werden sollen.
Der Beteiligte zu 2) ist mit Schriftsatz vom 25.7.1990 diesem Antrag entgegengetreten. Mit Schriftsatz vom 24.8.1990 hat er beantragt, einen gemeinschaftlichen Erbschein des Inhalts, daß der Erblasser von ihm und der Beteiligten zu 1) zu je 1/2 beerbt worden ist, zu erteilen. Er hat vorgetragen: Das Testament vom 11.2.1990 sei unwirksam. Es entspreche nicht den Tatsachen, daß er den Erblasser, wie in dem Testament angegeben, tätlich angegriffen habe. Bei Errichtung des Testaments sei der Erblasser testierunfähig gewesen. An der Errichtung des Testaments sei der Erblasser auch infolge des Erbvertrages vom 21.6.1965 gehindert gewesen. Durch diesen sei mit bindender Wirkung die Erbfolge nach dem zuerst versterbenden und nach dem längstlebenden Elternteil geregelt worden. Als Erben des Längstlebenden seien die Beteiligten zu gleichen Teilen eingesetzt worden. Dies ergebe sich aus der in dem Erbvertrag enthaltenen Pflichtteilverwirkungsklausel und der Wiederverheiratungsklausel. Die Einsetzung der Beteiligten zu gleichen Teilen mit bindender Wirkung für den Längstlebenden habe bei der Errichtung des Erbvertrages auch dem Willen der Eltern entsprochen.
Das Amtsgericht – Nachlaßgericht – Saarlouis hat nach Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung gemäß seinen Sitzungsniederschriften vom 16.5.1991, vom 4.7.1991 und vom 2.8.1991 und gemäß der schriftlichen Aussage des Arztes Dr. Ma vom 5.7.1991 und durch Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. Lu vom 20.8.1991 nebst einer ergänzenden Stellungnahme vom 15.1.1992 gemäß Beschluß vom 18.7.1992 einen Vorbescheid erlassen. Es hat für den Fall, daß gegen den Beschluß nicht Beschwerde eingelegt wird, die Erteilung eines Erbscheins des Inhalts angekündigt, daß der Erblasser von der Beteiligten zu 1) allein beerbt worden ist. In dem Beschluß ist im wesentlichen ausgeführt:
Der Erblasser habe den Beteiligten zu 2) durch das Testament vom 11.2.1990 wirksam von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments sei der Erblasser nicht testierunfähig gewesen und der Erblasser sei an der Errichtung des Testaments auch nicht durch den Erbvertrag vom 21.6.1965 gehindert gewesen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die in dem Erbvertrag enthaltene Pflichtteilsklausel so zu verstehen sei, daß die Abkömmlinge, die nach dem Tode des Erstversterbenden nicht den Pflichtteil verlangen, Erbe des Längstlebenden sein sollen. Eine derartige Auslegung des Erbvertrages sei zwar möglich. Durch die Beweisaufnahme habe das Gericht indessen nicht die hinreichende Gewißheit erlangt, daß der Erblasser und die vorverstorbene Ehefrau bei Abschluß des Erbvertrages eine Erbeinsetzung der Beteiligten zu gleichen Teilen mit Bindungswirkung gewollt hätten.
Gegen den Beschluß des Amtsgerichts hat der Beteiligte zu 2) Beschwerde eingelegt. Unter Aufrechterhaltung seines in erster Instanz vertretenen Standpunktes hat er beantragt, das Amtsgericht – Nachlaßgericht – unter Aufhebung des Beschlusses vom 18.7.1992 anzuweisen, den von ihm beantragten Erbschein zu erteilen. Das Landgericht Saarbrücken, dem die Sache vom Amtsgericht, das der Beschwerde nicht abgeholfen hat, vorgelegt worden ist, hat gemäß seiner Sitzungsniederschrift vom 20.1.1993 Beweis durch Zeugenvernehmung erhoben. In der Sitzungsniederschrift heißt es im Anschluß an die Protokollierung der letzten Zeugenaussage, daß der weitere Verlauf des Verfahrens mit den Beteiligten erörtert worden ist und daß diesen nahegelegt worden ist, über eine Einigung nachzudenken. Danach hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 1.2.1993 einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, dem der Beteiligte zu 2) unter Unterbreitung eines eigenen Vorschlags mit Schriftsatz vom 10.2.1993 entgegengetreten ist. Daraufhin hat die Beteiligte zu 1) dem Landgericht mit bei diesem am 3.3.1993 eingegangenem Schreiben mitgeteilt, daß sie mit dem angeregten Gütetermin einverstanden sei und daß sie um Mitteilung bitte, falls das Gericht keinen Gütetermin beabsichtige, weil sie dann die Sache einem anderen Rechtsanwalt übergeben werde. Danach hat das Landgericht, ohne den Beteiligten eine weitere Mitteilung zu machen, durch den Beschluß vom 5.3.1993 den Beschluß des Amtsgerichts vom 18.7.1992 aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, auf den Antrag des Beteiligten zu 2) einen Erbschein des Inhalts zu erteilen, daß die Beteiligten zu 1) und 2) je zur Hälfte den Erblasser beerben. In dem Beschluß, auf den wegen seiner Einzelheiten Bezug genommen wird, ist im wesentlichen ausgeführt:
Die Kammer sei nicht der Auffassung, daß schon allein aus der Pflichtteilsverwirkungs- und der Wiederverheiratungsklausel ohne weiteres der zwingende Schluß zu ziehen sei, daß von den Vertragsschließenden eine Schlußerbeneinsetzung der Beteiligten als vertragsgemäß gewollt vereinbart worden sei. Eine derartige Anordnung könne sich aus dem Erbvertrag jedoch im Wege der Auslegung ergeben. Hinter der Pflichtteilsverwirkungsklausel und der Wiederverheiratungsklausel könne der Wille der Vertragsschließenden verborgen sein, die Beteiligten als Erben des Längstlebenden einzusetzen. Eine derartige Auslegung sei möglich. Ein notariell beurkundeter Erbvertrag sei nämlich, auch wenn bei ihm eine gewisse Vermutung dafür spreche, daß der objektive Erklärungsinhalt mit dem Erblasserwillen übereinstimme, wie eine privatschriftlich niedergelegte Erklärung der Auslegung zugänglich, wobei die für die Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments entwickelten Grundsätze anwendbar seien. Bestimmend für die Auslegung sei der wirkliche Wille der Erbvertragsparteien, zu dessen Erforschung alle Erkenntnismittel, auch außerhalb der beurkundeten Erklärung liegende Umstände und die allgemeine Lebenserfahrung, heranzuziehen seien. Zu berücksichtigen sei auch das, was, ohne besonders ausgesprochen zu sein, die Voraussetzung des Ausgesprochenen bilde. Eine Vereinbarung könne stillschweigend erfolgt sein, weil der diesbezügliche Wille sich hinter andern Bestimmungen verstecke. Nicht selten erscheine den Vertragsschließenden das Bedeutsamste so selbstverständlich, daß sie eine ausdrückliche Erklärung nicht für erforderlich hielten. Die auf den wahren Willen des Erblassers gerichtete Auslegung finde nur darin eine Grenze, daß dessen Wille irgendwie, wenn auch nur andeutungsweise, unvollkommen oder versteckt Ausdruck gefunden habe. Hiervon ausgehend sei die Kammer nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, daß bei beiden Vertragsschließenden der übereinstimmende Wille vorhanden gewesen sei, ihre beiden Kinder zu gleichen Teilen zu Schlußerben einzusetzen, woraus zugleich folge, daß der Erblasser an diesen Vertrag gebunden sei und später nicht einseitig anders habe verfügen können.
Gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts wendet sich die Beteiligte zu 1) mit der weiteren Beschwerde. Im wesentlichen macht sie geltend:
Das Landgericht habe die Grenzen, die dem Gericht bei der Auslegung eines Erbvertrages gezogen seien, überschritten. Es mache einen wesentlichen Unterschied, ob eine letztwillige Verfügung in einem Testament oder in einem notariell beurkundeten Erbvertrag getroffen sei. Da eine Schlußerbeneinsetzung in dem Erbvertrag vom 21.6.1965 nicht ausdrücklich enthalten sei, müsse zwingend davon ausgegangen werden, daß eine solche nicht gewollt gewesen sei. Der Erbvertrag sei vollständig und bedürfe keiner Auslegung. Welche Bindungen gewollt gewesen seien, drücke der Erbvertrag unmißverständlich aus. Dafür, daß eine weitergehende Bindung gewollt gewesen sei, gebe es in dem Erbvertrag keine Anhaltspunkte.
Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung werde auch nicht von dessen Beweiswürdigung getragen. Das Landgericht habe feststehende Erfahrungssätze nicht beachtet. Es gebe keine allgemeine Lebenserfahrung dahingehend, daß das, was die Vertragsschließenden Dritten gegenüber erklären, auch der inneren Willensbildung bei Vertragsabschluß entsprochen habe. Durch den Erbvertrag sei es in das Ermessen des Längstlebenden gestellt gewesen, was er mit dem Familienvermögen anfange und wen er zu seinem Erben berufe. Von dieser ihm uneingeschränkt verbliebenen Möglichkeit habe der Erblasser durch die Errichtung des Testaments vom 11.2.1990 Gebrauch gemacht. Bis dahin seien im übrigen die beiden Beteiligten als gesetzliche Erben in Betracht gekommen. Demgemäß habe es bis dahin durchaus im Einklang mit der tatsächlichen Rechtslage gestanden, wenn erklärt worden sei, daß beide Abkömmlinge Erben sein würden.
Gerügt werde auch die Verletzung rechtlichen Gehörs. Das Landgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es entschieden habe, ohne ihr ausreichend Gelegenheit zu geben, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, wozu zunächst wegen des Versuchs einer gütlichen Einigung kein Anlaß bestanden habe. Auch sei sie davon ausgegangen, daß das Landgericht, wenn es keinen Gütetermin ansetze, einen weiteren Beweisaufnahmetermin zur Vernehmung der zu dem Termin am 20.1.1993 geladenen, aber nicht erschienenen Zeugen bestimmen werde. Sie habe beabsichtigt gehabt, zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, was sie dem Landgericht durch ihr Schreiben vom 8.3.1993 zudem deutlich gemacht habe. Sie habe sich mit der Glaubwürdigkeit der vom Beteiligten zu 2) benannten Zeugen eingehend auseinandersetzen und die nochmalige Vernehmung der Zeugin Fernandez beantragen wollen; dieser Zeugin seien trotz fast täglicher Besuche bei der Mutter der Beteiligten bis zum Jahre 1971 die Zeugen Fr und Kl nicht bekannt gewesen. Auch habe sie darauf hinweisen wollen, daß die Zeugin Birgit … Kontakte zur Drogenszene gehabt habe, daß der Zeuge Günter … wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz vorbestraft sei und daß der Zeuge Kurt … wegen Unzucht mit Minderjährigen eine Freiheitsstrafe verbüßt habe. Diese Umstände hätten die Einschätzung der Aussagen der Zeugen als glaubhaft in Frage stellen können.
B.
I.
Die weitere Beschwerde, deren Zurückweisung der Beteiligte zu 2) beantragt, ist zulässig. Sie ist an sich statthaft (§ 27 FGG), sie ist formgerecht eingelegt (§§ 21, 29 Abs. 4 FGG), und die Beteiligte zu 1) ist auch beschwerdeberechtigt (§§ 20, 29 Abs. 4 FGG).
II.
1) Die weitere Beschwerde ist nicht begründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht im Sinne von § 27 Abs. 1 FGG nicht auf einer Verletzung des Gesetzes. Es kann nicht festgestellt werden, daß das Landgericht im Sinne des gem. § 27 Abs. 1 S. 2 FGG entsprechend anwendbaren § 550 ZPO eine Rechtsnorm nicht bzw. nicht richtig angewendet hat.
2) Das Landgericht ist in dem angefochtenen Beschluß durch Auslegung des Erbvertrags vom 21.6.1965 zu dem Ergebnis gelangt, daß dieser eine Einsetzung der beiden Beteiligten als Schlußerben nach dem Längstlebenden, also nach dem zuletzt verstorbenen Erblasser enthält. An diese Auslegung ist das Oberlandesgericht als Rechtsbeschwerdegericht gebunden, wenn sie möglich ist, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht und dem klaren Sinn und Wortlaut der Erklärung nicht widerspricht; außerdem ist erforderlich, daß der maßgebende Sachverhalt ausreichend erforscht ist, daß alle wesentlichen Umstände berücksichtigt sind und daß nicht gegen sonstige Verfahrensvorschriften verstoßen worden ist (KG NJW RR 1987/451; BayObLG 1960/216, 221; Keidel/Kuntze, 13. Aufl., § 27 FGG Rdnr. 47, 48). Bei seiner Beurteilung ist das erkennende Oberlandesgericht auf die Überprüfung beschränkt, ob die Voraussetzungen für eine Bindung vorliegen.
3) Das Landgericht hat nicht dadurch das Gesetz verletzt, daß es die Auslegung, für die es sich entschieden hat, für möglich gehalten hat. Das Landgericht hat nicht, wie die Beteiligte zu 1) meint, die Grenzen zulässiger Auslegung überschritten.
a) Gemäß Nr. 1 des Erbvertrages vom 21.6.1965 haben die Vertragsschließenden sich gegenseitig zu Erben eingesetzt. Eine ausdrückliche auf den Zeitpunkt des Todes des Längstlebenden bezogene Erbfolgeregelung ist in dem Erbvertrag nicht getroffen. Er enthält weder eine auf diesen Zeitpunkt bezogene weitere Regelung betreffend den Nachlaß des Erstversterbenden noch eine ausdrückliche Regelung der Erbfolge nach dem Längstlebenden. Darüber hinaus kann auch, wie das Landgericht zu recht angenommen hat, eine Erbeinsetzung der Beteiligten nicht ohne weiteres in der Pflichtteilsverwirkungsklausel und der Wiederverheiratungsklausel des Erbvertrags gesehen werden.
b) Mit der Pflichtteilsverwirkungsklausel kann der Zweck verfolgt werden, sicherzustellen, daß nicht einzelne Abkömmlinge – nämlich diejenigen, die beim Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangen – bei der Verteilung des elterlichen Gesamtnachlasses bevorteilt werden (Lübbert, NJW 1988/2706, 2709). Läge diese Zielsetzung der Vereinbarung der Pflichtteilsverwirkungsklausel vorliegend zugrunde, so würde dies allerdings bedeuten, daß sich aus ihr zwingend ergäbe, daß die Abkömmlinge auch Erben nach dem Längstlebenden sind. Von dieser Zielsetzung kann ohne weiteres jedoch nicht ausgegangen werden, weil – alleiniger – Zweck der Verwirkungsklausel auch sein kann, den überlebenden Ehegatten davor zu schützen, daß er nach dem Tode des Erstversterbenden den persönlichen und wirtschaftlichen Belastungen ausgesetzt wird, die mit der Geltendmachung des Pflichtteils durch einen Abkömmling verbunden sind (Lübbert, NJW 1988/2706, 2708; Palandt, 53. Aufl., § 2269 BGB Rdn. 13). Diese letztere Zweckbestimmung der Verwirkungsklausel setzt nicht notwendig eine gleichzeitige Einsetzung der Abkömmlinge als Schlußerben des Längstlebenden voraus. Geschieht dies und wird damit für die Pflichtteilsberechtigten eine gesicherte Erbenstellung nach dem Tode des Längstlebenden begründet, so kann dies die Ausübung des Pflichtteilsrechts zusätzlich hemmen und dadurch die Stellung des Längstlebenden verbessern. Dies muß jedoch nicht der Sinn der Klausel sein. Sie ist sinnvoll auch ohne eine solche Zielrichtung. In diesem Falle bedeutet sie lediglich eine Enterbung, nämlich den Ausschluß vom gesetzlichen Erbrecht des § 1924 BGB (vgl. Lübbert, NJW 1988/2706, 2708), was schon für sich betrachtet von der Erhebung des Pflichtteilsanspruchs gegenüber dem überlebenden Elternteil abschrecken kann.
c) Der Zweck der Wiederverheiratungsklausel besteht vorwiegend darin, die Vermögenssubstanz für die gemeinsamen Abkömmlinge zu erhalten und den neuen Ehegatten des Längstlebenden und dessen Stamm davon auszuschließen (Palandt, § 2269 BGB Rdn. 16). Die diesbezüglichen Klauseln beruhen regelmäßig auf dem Wunsch der Ehegatten, den gemeinsamen Kindern den gesetzlichen Erbteil ungeschmälert zu erhalten und sicherzustellen, daß die Kinder mit dem neuen Ehegatten des Längstlebenden unbeschadet von dessen Pflichtteilsrecht gemäß § 2303 Abs. 2 BGB nicht teilen müssen (Dippel, AcP 177/349, 351), wobei die Regelung im Zusammenhang mit dem Anliegen steht, den überlebenden Ehegatten so zu stellen, daß er nach dem Tode des Erstversterbenden im Genuß des beiderseitigen gesamten Vermögens bleibt und nicht auf die gute Gesinnung der gemeinsamen Kinder angewiesen ist (Dippel, AcP 177/349, 352). Läge diese Zweckbestimmung, was naheliegt, dem Erbvertrag vom 21.6.1965 zugrunde, so würde sie, weil sie anders nicht Vertragsinhalt hätte werden können, von beiden Vertragsschließenden verfolgt. Dies spräche dann auch in erheblichem Maße dafür, daß beide Vertragsschließenden wollten, daß die Beteiligten als ihre gemeinsamen Kinder auch nach dem Tode des Längstlebenden in den Genuß des gesamten beiderseitigen Vermögens kommen sollen, also nach dem Tode des Längstlebenden Erben werden sollen. Zwingend ist diese Annahme, obwohl viel für sie spricht, aber nicht. Denkbar ist auch, daß die Vertragsschließenden sich damit begnügt haben, den Abkömmlingen für den Fall der Wiederverheiratung des Längstlebenden wertmäßig das zuzuwenden, was sie erhalten hätten, wenn der Längstlebende nicht zum Alleinerben des Erstversterbenden eingesetzt worden wäre.
4) Wenn somit in dem Erbvertrag eine ausdrückliche Erbfolgeregelung für den Zeitpunkt des Todes des Längstlebenden nicht enthalten ist und wenn sich des weiteren eine solche auch nicht ohne weiteres aus der Pflichtteilsverwirkungsklausel und der Wiederverheiratungsklausel des Erbvertrages ergibt, so können die Beteiligten als gemeinsame Kinder der Vertragsschließenden in dem Erbvertrag doch als Erben des Längstlebenden bestimmt sein, sofern sich ein diesbezüglicher Wille der in dem Vertrag abgegebenen Erklärungen durch Auslegung, die sich nach den sich aus den §§ 133, 157 BGB ergebenden Grundsätzen zu richten hat (Palandt, § 2084 BGB Rdn. 2 und Überblick vor § 2274 BGB Rdn. 4), ermitteln läßt. Maßgebend ist der erklärte übereinstimmende Wille beider Vertragsschließenden im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (BGH FamRZ 1983/380; Palandt, § 2084 BGB Rdn. 5 .i.V.m. Überblick vor § 2274 BGB Rdn. 8).
a) Zur Erforschung des wirklichen Willens der Vertragsschließenden sind alle zugänglichen Erkenntnismittel auszuschöpfen; auch außerhalb der Vertragsurkunde liegende Umstände und die allgemeine Lebenserfahrung sind heranzuziehen (BGHZ 86/41, 47 = NJW 1983/672; BayObLG 1959/199, 204; BayObLG 1960/216,219). Es sind alle zugänglichen Umstände vor und nach Errichtung der Verfügung, die im Zusammenhang mit den in ihr enthaltenen Erklärungen stehen, heranzuziehen; es sind das gesamte Verhalten der Vertragsschließenden sowie alle ihre Äußerungen und Handlungen zu berücksichtigen (BGHZ 80/246; BayObLG 1982/159); der Gesamtinhalt der Erklärungen einschließlich aller Nebenumstände ist als Ganzes zu würdigen (Palandt, § 2084 BGB Rdn. 5). Maßgebend sind nicht die einzelnen Worte und Wendungen, die die Vertragsschließenden benutzt haben (BayObLG 1959/199, 204; BayObLG 1960/216, 219), sondern der wirkliche Wille der Vertragsschließenden, woraus folgt, daß diesem auch im Falle eines „klaren und eindeutigen“ Wortlaut der Vorrang zukommt und daß der Auslegung deshalb durch den Wortlaut auch keine Grenzen gesetzt sind (BGHZ 86/41, 47 = NJW 1983/672; KG NJW RR 1987/451). Zwar muß der Wille des bzw. der Verfügenden, wenn er wirksam geworden sein soll, wegen der Formgebundenheit der Verfügungen von Todes wegen in der Verfügungsurkunde irgendwie, wenn auch nur andeutungsweise, unvollkommen oder versteckt Ausdruck gefunden haben (BGHZ 80/242 = NJW 1981/1737; BGHZ 86/41, 47 = NJW 1983/672). Durch diese die Formgültigkeit der Erklärung (§ 125 BGB) betreffende Voraussetzung wird jedoch nicht schon die Ermittlung des Inhalts der Erklärung begrenzt. Die Frage nach der Einhaltung der vorgeschriebenen Form kann sich erst stellen, wenn der Inhalt der Erklärung durch Auslegung ermittelt ist. Dann ist nämlich zu entscheiden, ob der ermittelte Wille auch formgültig erklärt ist und eine ausreichende Stütze in der Verfügung gefunden hat (BGHZ 86/41, 47 = NJW 1983/672).
b) Haben Eheleute mit gemeinsamen Abkömmlingen sich in einem Erbvertrag gegenseitig als Erben eingesetzt und haben sie nicht ausdrücklich bestimmt, daß der Nachlaß nach dem Tode des Längstlebenden an die Abkömmlinge fallen soll, so bedarf es einer eingehenden Prüfung, ob nicht doch ein derartiger Wille vorhanden war und Ausdruck gefunden hat. Dabei ist zu berücksichtigen, daß nicht besonders Ausgesprochenes, das Voraussetzung von Ausgesprochenem ist, gewollt gewesen sein kann. Zu berücksichtigen ist weiter, daß bezüglich eines wesentlichen Punktes stillschweigend eine Verfügung insofern getroffen sein kann, als der Wille der Vertragschließenden sich hinter anderen Bestimmungen versteckt und lediglich aus dem übrigen Verfügungsinhalt zu entnehmen ist. Nicht selten erscheint einem Erblasser das Bedeutsamste so selbstverständlich, daß er es neben anderen Anordnungen nicht ausdrücklich niederlegen zu müssen glaubt (BayObLG 1959/199, 204; BayObLG 1960/216, 219). Hieraus folgt, daß hinter der Anordnung der Enterbung für den Fall der Geltendmachung des Pflichtteils – insbesondere auch unter Berücksichtigung der Wiederverheiratungsklausel – eine Erbeinsetzung der Beteiligten für den Fall, daß sie den Pflichtteil nicht verlangen, verborgen sein kann. Dem Ausschluß der den Pflichtteil fordernden Kinder von der Beerbung des längstlebenden Ehegatten muß nicht der Wille zugrunde liegen, daß für die Kinder, auch wenn sie den Pflichtteil nicht verlangen, nur eine vom freien Willen des längstlebenden Ehegatten abhängige Möglichkeit besteht, dessen Erbe zu werden. Es kann im Gegenteil auch Wille der vertragsschließenden Eheleute gewesen sein, den gemeinschaftlichen Kindern, wenn sie sich der von den Eltern beim Tode des Erstversterbenden gewollten Regelung fügen, eine erbrechtliche Stellung einzuräumen. Daß beim Vorhandensein eines solchen Willens eine Erbenstellung der Abkömmlinge nicht ausdrücklich bestimmt worden ist, kann darauf beruhen, daß die vertragsschließenden Eheleute eine solche als selbstverständlich angesehen haben (BayObLG 1959/199, 204; BayObLG 1960/216, 219; RGRK/Johannsen, 12. Aufl., § 2269 BGB Rdn. 5; Münchener Kommentar/Musielak, 2. Aufl., § 2269 BGB Rdn. 12).
c) Die Auslegung des Landgerichts ist auch bei einem Erbvertrag möglich. Haben Ehegatten sich mit Pflichtteilsverwirkungsklausel und Wiederverheiratungsklausel gegenseitig zu Erben eingesetzt und enthält die Verfügung keine Bestimmung darüber, wer Erbe des Längstlebenden sein soll, so muß dies auch bei einem Erbvertrag nicht bedeuten, daß dem Überlebenden das Recht erhalten bleiben sollte, entweder durch Unterlassung einer eigenen Bestimmung, wer sein Erbe sein soll, die gesetzliche Erbfolge eintreten zu lassen oder seine Erben nach Gutdünken durch eine eigene letztwillige Verfügung zu bestimmen. Dieser vom 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts vertretenen Auffassung (vgl. NJW RR 1992/841) vermag der erkennende Senat sich nicht anzuschließen. Erbverträge, die gemäß § 2276 BGB zwingend zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden müssen, sind wie andere Verfügungen auslegungsfähig; für sie gilt dasselbe wie allgemein für ein gemäß § 2232 BGB zur Niederschrift eines Notars errichtetes Testament (vgl. Palandt, Überblick vor § 2274 BGB Rdn. 8 und § 2084 BGB Rdn. 3). Es ist also nicht der Wortlaut der Verfügung, sondern der wirkliche Wille der Verfügenden maßgebend; selbst in Fällen „klaren und eindeutigen“ Wortlauts hat dieser Vorrang, und dementsprechend sind der Auslegung durch diesen auch bei Mitwirkung eines Notars keine Grenzen gesetzt (so jeweils für notarielle Testamente: BGHZ 86/41, 47 = NJW 1983, 672; KG NJW RR 1987/451 = FamRZ 1987/413). Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 17 BeurkG bzw. der entsprechenden früheren Regelung, die in dem durch das Beurkundungsgesetz vom 28.8.1969 – BGBl. I S. 1513 – aufgehobenen § 26 BNotO enthalten war und die zur Zeit der Errichtung des Erbvertrags vom 21.6.1965 gegolten hat. Daß der Notar bei einer Beurkundung den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben soll, bedeutet nicht, daß davon ausgegangen werden muß, daß dies auch so geschehen ist und daß nicht davon ausgegangen werden kann, daß ein Notar, wenn Eheleute sich durch einen Erbvertrag gegenseitig als Erben einsetzen wollen, bei dem vorbereitenden Gespräch die Frage unterläßt, ob gleichzeitig auch die Erben des Längstlebenden bestimmt werden sollen. Des weiteren kann nicht angenommen werden, daß der wirkliche Wille der Vertragsschließenden bei entsprechender Befragung auch tatsächlich ermittelt wird. Schließlich ist nicht die Annahme zwingend, daß ein Notar, wenn Eheleute auch die Erben des Längstlebenden bestimmen wollen, eine Standardformel – wie etwa die auf Seite 6/7 des Beschlusses des Amtsgerichts vom 18.7.1992 mitgeteilte – verwendet. Der Auffassung, daß bei Einsetzung der gemeinsamen Abkömmlinge als Erben des Längstlebenden die Nichtverwendung einer derartigen Standardklausel so jeder Lebenserfahrung widerspreche, daß sie überhaupt nicht in Betracht gezogen werden könne (so OLG Saarbrücken NJW RR 1992/841), kann der erkennende Senat sich nicht anschließen. Zwar mag, wenn ein Notar eine Erklärung beurkundet hat, eine gewisse Vermutung dafür sprechen, daß der objektive Erklärungsinhalt und der Erblasserwille übereinstimmen (Köln Rpfleger 1982/424; Palandt, § 2084 BGB Rdn. 3). Eine echte diesbezügliche Tatsachenvermutung, die im übrigen aber auch den Gegenbeweis, daß es sich konkret anders verhalten hat, zuließe (vgl. Baumbach-Lauterbach, 52. Aufl., § 292 ZPO Rdn. 3), erscheint jedoch nicht gerechtfertigt. Sachgemäß erscheint lediglich, wie das Amtsgericht dies in seinem Beschluß vom 18.7.1992 angenommen hat (vgl. dort Seite 7), bei notarieller Mitwirkung an den Nachweis eines nicht ausdrücklich formulierten Willens höhere Anforderungen zu stellen. Nicht haltbar ist jedoch die Annahme, daß eine Erbeinsetzung der Abkömmlinge, weil sie nicht ausdrücklich erklärt ist, bei einem Erbvertrag von vornherein auszuscheiden habe.
d) Möglich ist auch die Auslegung, daß die Beteiligten als Schlußerben eingesetzt sind. Wollen Eheleute erbrechtlich sicherstellen, daß nach dem Tode des Erstversterbenden das gesamte Vermögen zunächst dem Überlebenden verbleiben und erst nach dessen Ableben auf die Kinder übergehen soll, so kann jeder der Ehegatten den andern als seinen Vorerben und die Kinder als seine Nacherben und zugleich als Ersatzerben für den Fall des eigenen Überlebens einsetzen (Palandt, § 2269 BGB Rdn. 2). Erreicht werden kann dieses Ziel auch, wenn die Ehegatten sich gegenseitig zu (Voll-) Erben einsetzen und bestimmen, daß die Kinder Schlußerben sind, daß nach dem Tode des Überlebenden der beiderseitige Nachlaß also an die Kinder des Längstlebenden fällt (Palandt, § 2269 BGB Rdn. 3). Diese Schlußerbeneinsetzung ist als gewollt anzusehen, wenn beide Ehegatten das beiderseitige Vermögen als Einheit ansehen und eine verschiedene Rechtsstellung des Überlebenden zu den beiden ursprünglichen Vermögensmassen und die Trennung der Massen beim Tode des Längstlebenden haben ausschließen wollen (RGZ 113/240; BayObLG 1966/61, 147; KG DNotZ 1955/411). Ist ein diesbezüglicher gemeinsamer Wille der Eheleute nicht eindeutig zu ermitteln, so kommt die gemäß § 2280 BGB auch für den Erbvertrag geltende Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB zur Anwendung, nach der im Zweifel davon auszugehen ist, daß der Dritte für den gesamten Nachlaß als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt ist.
Der Frage, von welcher dieser Möglichkeiten der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau Gebrauch gemacht haben, kommt im übrigen aber keine entscheidende Bedeutung zu, weil es nur um die Erbfolge nach dem Erblasser geht und weil die Beteiligten dessen Erben auch dann sind, wenn dieser nach seiner vorverstorbenen Ehefrau nur Vorerbe war.
5) Die nach alledem mögliche, nicht notwendig zwingende (BayObLG 1958/248, 250; Keidel/Kuntze § 27 FGG Rdn. 48), mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang stehende, dem Wortlaut der Erklärungen nicht widersprechende Auslegung, die in diesem zudem die für die Formgültigkeit erforderliche Stütze findet (BGHZ 80/242 = NJW 1981/1737; BGHZ 86/41, 47 = NJW 1983/672), konnte vom Landgericht auch konkret seiner Entscheidung zugrundegelegt werden. Auf der Grundlage der Aussagen einer Reihe von Zeugen ist das Landgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß der Erblasser und dessen vorverstorbene Ehefrau sich wiederholt in dem Sinne geäußert haben, daß beide Kinder ihre Erben sein würden und daß dies in einem Erbvertrag festgelegt sei. Das Landgericht hat dann weiter angenommen, daß diese Äußerungen den Willen der Erbvertragsparteien belegen, die Beteiligten zu Schlußerben einzusetzen. Auch mit dieser Tatsachenwürdigung wurde nicht gegen das Gesetz verstoßen. Die vom Landgericht als feststehend angesehenen Äußerungen könnten zwar ihrem Wortlaut nach auch dahingehend verstanden werden, daß der Erblasser und dessen vorverstorbene Ehefrau lediglich zum Ausdruck gebracht haben, die Beteiligten seien ihre gesetzlichen Erben, dies sei durch den Erbvertrag nicht geändert und sie seien – wenn nicht noch eine andere Verfügung getroffen wird – letztlich auch Erben. Verstanden werden können die Äußerungen aber auch so, daß der Erblasser und dessen vorverstorbene Ehefrau bei Abschluß des Erbvertrages den Willen hatten, die Kinder als Erben einzusetzen und daß sie dementsprechend durch Erbvertrag verfügt haben. Auch diese letztere vom Landgericht vorgenommene Würdigung ist – wenn auch nicht zwingend – möglich, und sie verstößt nicht gegen Denkgesetze und feststehende (zwingende) Erfahrungssätze (BGHZ 12/22, 25; Keidel/Kuntze, § 27 FGG Rdn. 42). Das Landgericht hat bei seiner Auslegung auch nicht, wie die Beteiligte zu 1) meint, feststehende Erfahrungssätze nicht beachtet. Solche sind nicht ersichtlich.
Das Landgericht hat den Sachverhalt im übrigen ausreichend erforscht. Die naheliegenden Beweismittel sind ausgeschöpft (BayObLG 1950/51; BayObLG 1950/690, 695; BayObLG 1953/120; OLG Frankfurt NJW 1953/507; KG NJW 1961/2066; Keidel/Amelung, § 12 FGG Rdn. 186). Von der nochmaligen Vernehmung der in erster Instanz vernommenen Zeugen Edith …, Marguerite … und Kurt … konnte das Landgericht absehen. Es ist nicht zu beanstanden, daß es nach Durchführung einer eigenen umfangreichen Beweisaufnahme zu der Auffassung gelangt ist, daß eine erneute Vernehmung der 3 Zeugen in der Berufungsinstanz für die Aufklärung der Vorstellungen der Erbvertragsparteien keine weitergehenden Erkenntnisse erwarten läßt. Ein Fehler bei dieser Beurteilung, die vom Landgericht nach pflichtgemäßem Ermessen vorzunehmen war (Keidel/Amelung, § 12 FGG Rdn. 85 und 175 und § 15 FGG Rdn. 6), ist nicht zu erkennen. Schließlich hat das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, und diese sind von ihm auch ohne Rechtsverletzung ermittelt worden. Insbesondere ist nicht der durch Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör, der uneingeschränkt auch für die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt (BVerfG 19/49, 51; BVerfG 21/139, 144 ff; Keidel/Amelung, § 12 FGG Rdn. 104 ff), verletzt worden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör hat es nicht erfordert, der Beteiligten zu 1) nach der Zeugenvernehmung des Landgerichts am 20.1.1993 und nach dem Schriftsatz des Beteiligten zu 2) vom 10.2.1993 Gelegenheit zu geben, zu der Beweisaufnahme schriftlich Stellung zu nehmen. Richtig ist, daß der Anspruch auf rechtliches Gehör auch das Recht zur Stellungnahme zu dem vom Gericht ermittelten Tatsachenstoff umfaßt und daß für eine etwa erforderliche schriftliche Stellungnahme eine ausreichende Frist zu gewähren ist (Bumiller/Winkler, 5. Aufl., § 12 FGG Anm. 11 b). Gegen diese Grundsätze hat das Landgericht jedoch nicht verstoßen. Hatten die Beteiligten – wie vorliegend – die Möglichkeit, von der die Beteiligte zu 1) wie auch der Beteiligte zu 2) im übrigen Gebrauch gemacht haben, an der Beweisaufnahme teilzunehmen, so ist ihnen rechtliches Gehör gewährt (Keidel/Amelung, § 12 FGG Rdn. 117), und es besteht keine Notwendigkeit, ihnen zusätzlich Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme einzuräumen. Gründe, die es erfordert hätten, hiervon abweichend der Beteiligten zu 1) zusätzlich Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme zu geben, lagen nicht vor. Zwar hat es sich um eine umfangreiche Beweisaufnahme des Landgerichts gehandelt; die klärungsbedürftigen Fragen waren jedoch einfacher Art, und zudem hat es sich weitgehend um eine Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme des Amtsgerichts gehandelt. Die Beteiligte zu 1) konnte auch, weil drei der zu dem Beweisaufnahmetermin des Landgerichts am 20.1.1993 geladenen Zeugen nicht erschienen waren, nicht der Annahme sein, daß die Beweisaufnahme noch nicht beendet ist, daß die drei nicht erschienenen Zeugen in einem weiteren Termin vernommen werden und daß deshalb in dem Termin selbst eine Stellungnahme zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch nicht notwendig war. Ein neuer Termin zur Vernehmung der drei Zeugen wurde am Ende des Termins vom 20.1.1993 nicht bestimmt; die Sitzungsniederschrift über diesen enthält auch keinen Hinweis auf eine Äußerung des Gerichts, daß die drei Zeugen noch vernommen werden sollen und daß die Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen ist. Unabhängig davon hatten die Beteiligten ausreichend Zeit und Gelegenheit zu der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Die Beweisaufnahme hat am 20.1.1993 stattgefunden; die Niederschrift über sie wurde den Beteiligten am 1.2.1993 übersandt; entschieden hat das Landgericht alsdann durch den Beschluß vom 5.3.1993. Die Zeit bis dahin konnte die Beteiligte zu 1) nutzen und hätte sie auch nutzen müssen, wenn sie zu der Beweisaufnahme hätte Stellung nehmen wollen. Der Eintritt in ein Vergleichsgespräch war kein Grund, von einer Stellungnahme zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme vorerst Abstand zu nehmen. Im übrigen wäre es Sache der Beteiligten zu 1) gewesen, wenn sie wegen des Vergleichsgesprächs eine Stellungnahme zu der Beweisaufnahme zurückstellen wollte, dies dem Gericht mitzuteilen. Ein derartiger Hinweis ist weder in dem ihren Vergleichsvorschlag enthaltenden Schriftsatz vom 1.2.1991 enthalten noch in ihrem Schreiben vom 1.3.1993. Die in diesem Schreiben enthaltene Bitte, es ihr mitzuteilen, wenn das Gericht keinen Gütetermin beabsichtige, und der damit verbundene Hinweis, sie werde in diesem Falle die Sache einem anderen Rechtsanwalt übergeben, waren nicht dahin zu verstehen, noch eine Stellungnahme zu der durchgeführten Beweisaufnahme abgeben zu wollen; sie waren einfach so aufzufassen, daß sie sich, wenn kein Gütetermin stattfindet, bei Fortführung des Verfahrens von einem anderen Rechtsanwalt vertreten lassen wird. Deswegen mußte das Landgericht seine Entscheidung jedoch nicht zurückstellen. Es war insbesondere nicht verpflichtet, der Beteiligten zu 1) Gelegenheit zu geben, sozusagen mit einem neuen Verfahrensbevollmächtigten neu in das Verfahren einzutreten.
6) Von einer Verletzung des Gesetzes kann auch nicht ausgegangen werden, weil das Landgericht angenommen hat, daß der Erblasser an den Erbvertrag vom 21.6.1965 gebunden war und nicht einseitig anders hat verfügen können.
a) Der Erbvertrag beschränkt, soweit in ihm vertragsmäßige Verfügungen getroffen sind (§ 2278 Abs. 1 BGB), den Erblasser in seiner Testierfreiheit. Diese aus dem Vertrag folgende Bindung bewirkt gemäß § 2289 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 BGB, daß spätere, dem Erbvertrag nachfolgende Verfügungen von Todes wegen – unbeschadet der Vorschrift des § 2297 BGB – unwirksam sind, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würden. Das Landgericht ist, wie sich aus den Ausführungen im 2. und 3. Absatz der Seite 5, im letzten Absatz der Seite 6 und im ersten Absatz der Seite 9 des Beschlusses vom 5.3.1993 ergibt, obwohl es dies nicht ausdrücklich ausgesprochen hat, davon ausgegangen, daß der Erblasser und dessen vorverstorbene Ehefrau, indem sie die gemeinsamen Abkömmlinge als Erben des Längstlebenden eingesetzt haben, vertragsmäßige Verfügungen i.S. v. § 2278 Abs. 1 BGB getroffen haben. Dies ist nicht zu beanstanden. Hat der Erblasser seine Verfügungen nicht ausdrücklich als „vertragsmäßig“ bezeichnet, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob und inwieweit eine gegenseitige Bindung oder freie Widerruflichkeit der Bestimmung beabsichtigt war (BGH NJW 1958/498; BGH DRiZ 1966/398 und 1971/26; Staudinger-Kanzleiter, 12. Aufl., § 2278 BGB Rdn. 7; Palandt, § 2278 BGB Rdn. 2). Die Zuwendung an einen Dritten ist dabei in der Regel als bindend gewollt anzusehen, wenn es sich bei dem Dritten um eine den Vertragsparteien nahestehende oder mit diesen verwandte Person handelt; dies gilt insbesondere, wenn der Erblasser oder der andere Vertragspartner ein Interesse an der Bindung gehabt haben (BGH NJW 1961/120 = FamRZ 1961/76; BGH DRiZ 1966/398; BGH DNotZ 1970/356; Staudinger/Kanzleiter, § 2278 BGB Rdn. 10; Palandt, § 2278 BGB Rdn. 2). Hiervon wiederum kann in der Regel ausgegangen werden, wenn Kinder der Vertragsschließenden eingesetzt worden sind (BayObLG in FamRZ 2489/1353; Palandt § 2278 BGB Rdn. 4). Dann kann in der Regel angenommen werden, daß für sie eine gesicherte, vom Wohlwollen und Gutdünken des längstlebenden Elternteils unabhängige erbrechtliche Stellung begründet werden soll und daß von vornherein jede Gefährdung dieser Stellung der Kinder ausgeschlossen werden soll. Ist die Erbeinsetzung, wie vorliegend, im Zusammenhang mit einer Pflichtteilsklausel erfolgt, so ist zudem zu bedenken, daß bei nicht vertragsmäßiger Zuwendung nicht einmal der Pflichtteilsanspruch der Kinder am Nachlaß des Erstversterbenden wegen der für diesen maßgebenden kurzen Verjährungsfrist von nur 3 Jahren (§ 2332 BGB) gesichert ist, wenn die Kinder sich entsprechend den Vorstellungen der Eltern verhalten, den Pflichtteil also nicht geltend machen und wenn der Längstlebende nach Ablauf der für den Pflichtteilsanspruch nach dem Erstversterbenden maßgebenden Verjährungsfrist eine abändernde Verfügung trifft. Bei nicht vertragsgemäßer Zuwendung kann unter dieser Voraussetzung ein Kind nach Abänderung seiner Erbeinsetzung durch den Längstlebenden den Pflichtteilsanspruch bzgl. des Nachlasses des Erstversterbenden nicht mehr durchsetzen. Daß eine solche Gefährdung der Kinder in Kauf genommen wurde, erscheint jedenfalls dann, wenn zudem eine Wiederverheiratungsklausel vereinbart ist, als ausgeschlossen. Nach alledem konnte das Landgericht bei den in dem Erbvertrag konkret getroffenen Anordnungen und der durchgeführten Beweisaufnahme ohne Rechtsverstoß zu der Feststellung gelangen, daß die Beteiligten, weil dies beim Abschluß des Erbvertrages so gewollt war, durch diesen bindend als Erben des Längstlebenden eingesetzt worden sind.
b) Aus alledem folgt, daß der Erblasser an der Errichtung des Testaments vom 11.2.1990 wegen der vertraglichen Bindung gehindert war und daß demgemäß das Testament unwirksam ist. Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 2297 BGB. Von einem wirksamen Rücktritt des Erblassers von dem Erbvertrag durch Testament wegen Verfehlungen des Beteiligten zu 2), die den Erblasser zur Entziehung des Pflichtteils berechtigt hätten (§§ 2297, 2294, 2333 BGB), kann nicht ausgegangen werden. Die Voraussetzungen für einen derartigen Rücktritt sind vom Landgericht nicht festgestellt worden. Daß dies gesetzwidrig unterblieben ist, daß also derartige Feststellungen nicht getroffen worden sind, obwohl dafür ein Bedürfnis bestand, hat die Beteiligte zu 1) nicht geltend gemacht, und davon kann auch unter Berücksichtigung des Wortlauts des Testaments nicht ausgegangen werden.
Die Erbfolge nach dem Erblasser bestimmt sich nach alledem nach dem Erbvertrag vom 21.6.1965. Durch diesen sind die beiden Beteiligten zu gleichen Anteilen als Erben eingesetzt.
III.
Es war somit zu erkennen wie geschehen. Mit den außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2) war gem. § 13 a Abs. 1 S. 2 KostO die Beteiligte zu 1) zu belasten.
Der Geschäftswert wurde gem. den §§ 131 Abs. 2, 30 KostO unter Berücksichtigung von § 107 Abs. 2 KostO festgesetzt. Bei der Festsetzung waren als Wert des Nachlasses die Hälfte des bei der Versteigerung des Anwesens Sa, Ka Straße … erzielten Erlöses von 595.000,– DM, also 297.500,– DM, das vorhandene Barvermögen des Erblassers von 378.239,17 DM und der Hausrat im Wert von 50.000,– DM in Ansatz zu bringen. Von dem sich daraus ergebenden Betrag von 725.739,17 DM wurden angenommene Beerdigungskosten von 5.000,– DM in Abzug gebracht. Als Geschäftswert wurde alsdann von dem verbleibenden Betrag von 720.739,17 DM, weil Streit nur über das Erbrecht des Beteiligten zu 2) besteht und weil diesem als Pflichtteilsberechtigtem ohnehin ein Anspruch in Höhe der Hälfte des Wertes seines gesetzlichen Erbteils zusteht (§ 2303 BGB), ein Anteil von 1/4 angenommen.

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