Übergabevertrag und Erbverzicht

Mai 13, 2020

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 10. Februar 1981 – BReg 1 Z 125/80
Übergabevertrag und Erbverzicht
Ein Vertrag, durch den Eltern ihr landwirtschaftliches Anwesen unter Vereinbarung eines Leibgedinges einem Abkömmling übergeben, wohingegen dieser sich mit allen Ansprüchen gegen den künftigen Nachlaß seiner Eltern für abgefunden erklärt, ausdrücklich aber nur auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet, enthält nicht notwendig einen Erbverzicht.
vorgehend LG Memmingen, 2. September 1980, 4 T 963/80

Tenor
I. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Memmingen vom 2.September 1980 wird mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, daß unter Abänderung seiner Nr. II der Geschäftswert für das Erstbeschwerdeverfahren 1 097 DM ( eintausendundsiebenundneunzig Deutsche Mark) beträgt.
II. Der Beteiligte zu 1) hat die Kosten zu erstatten, die den Beteiligten zu 3) und 4) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstanden sind.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 1097 DM ( eintausendundsiebenundneunzig Deutsche Mark) festgesetzt.
Gründe
I.
1. Am 22.3.1980 verstarb in … ihrem – neben … – letzten Wohnsitz, im Alter von 78 Jahren die Hausfrau … geb. … Ihrer Ehe mit dem am 7.4.1974 vorverstorbenen Landwirt …, den sie auf Grund Ehe- und Erbvertrags vom 5.1.1927 allein beerbt hatte, entstammen die Kinder … (Beteiligter zu 1), … geb. … (Beteiligte zu 2) und … (verstorben am 26.9.1964), der die beiden Töchter … und … (Beteiligte zu 3 und 4) hinterließ.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 4.3.1960 – URNr. … des Notars … in … – hatten die Eheleute … und … ihr landwirtschaftliches Anwesen Hs. Nr…. in … an ihren Sohn … übergeben. Die Nr. VIII des Vertrages enthält nachstehende Bestimmung:
„Der Übernehmer erkennt an, daß er durch die Übergabe mit allen seinen Ansprüchen gegen den Hof aus Mitarbeit und mit allen seinen Ansprüchen gegen den künftigen Nachlaß seiner Eltern abgefunden ist, so daß ihm keine Ansprüche mehr zustehen. Er verzichtet hiermit mit Rücksicht auf diese Übergabe auf seine gesetzlichen Pflichtteilansprüche gegenüber dem künftigen Nachlaß seiner Eltern.“
Außerdem heißt es in Nr. III B u.a.:
„Der Übernehmer hat zwei Geschwister nämlich:
1. … in …
2. … in …
Die Geschwister erhalten anläßlich dieser Übergabe nichts zugewiesen. Sie wurden mit ihren Elterngutansprüchen bereits abgefunden.“
Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus einem Sparguthaben in Höhe von 6584,22 DM.
2. In der Nachlaßverhandlung vor dem Amtsgericht – Nachlaßgericht – Memmingen vom 12.5.1980 erklärten die anwesenden Beteiligten zu 2) bis 4), die Erblasserin habe keine Verfügung von Todes wegen getroffen, es sei gesetzliche Erbfolge in der Weise eingetreten, daß die Erblasserin von den Beteiligten zu 1) und 2) zu je 1/3 und von den Beteiligten zu 3) und 4) zu je 1/6 beerbt worden sei. Sie beantragten die Erteilung eines Erbscheins dieses Inhalts zu Händen der Beteiligten zu 2). …, so meinten sie, habe in dem Übergabevertrag zwar auf seine Pflichtteilsansprüche, nicht aber auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Dieser Auffassung trat der Beteiligte zu 1) entgegen. Er beantragte seinerseits am 14./16.5.1980 einen Erbschein, der ihn und die Beteiligte zu 2) als Miterben zu je 1/2 ausweise, weil sein Bruder für sich und seine Abkömmlinge auf das gesetzliche Erbrecht verzichtet habe. Seinem Antrag schloß sich – in Abweichung von ihrem ursprünglichen Erbscheinsantrag – auch die Beteiligte zu 2) an. Die Beteiligten zu 3) und 4) beriefen sich in einem Schreiben vom 27.5.1980 (Bl. 11 d.A.) darauf, daß ihr Vater in dem Übergabevertrag vom 4.3.1960, dessen Auslegung sie dem Gericht überließen, erhebliche Verpflichtungen übernommen habe, die auch nach seinem Tode fast 16 Jahre lang erfüllt worden seien.
Mit Beschluß vom 3.6.1980 wies das Amtsgericht – Nachlaßgericht – Memmingen (Rechtspflegerin) die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 1) und 2) zurück. Der Übergabevertrag, so führte es aus, enthalte einen Verzicht des Sohnes … nur auf den Pflichtteilsanspruch, nicht dagegen auch auf das gesetzliche Erbrecht. Der Satz 1 in Nr. VIII des Vertrages bedeute, daß … gegen den Willen der Eltern nichts mehr nach ihrem Tode zu beanspruchen habe. Die Annahme freiwilliger Zuwendungen – als solche sei die Hinnahme der gesetzlichen Erbfolge zu werten – sei nicht untersagt worden. Wäre neben dem Pflichtteilsverzicht auch ein Erbverzicht gewollt gewesen, hätte der in derartigen Vorgängen erfahrene Notar einen solchen in die Urkunde aufgenommen. Gelegentliche Äußerungen der Erblasserin, ihr Sohn … sei „abgefunden“, änderten an der Beurteilung der Erbrechtslage nichts, denn maßgebend sei der sich aus dem Vertrag im Zeitpunkt seiner Beurkundung ergebende Wille der Parteien.
Gegen diesen Beschluß legte der Beteiligte zu 1) Erinnerung ein; die Rechtspflegerin half ihr nicht ab; der Richter legte die Erinnerung dem Landgericht Memmingen als Beschwerde zur Entscheidung vor. Mit Beschluß vom 2.9.1980 wies das Landgericht die Beschwerde als unbegründet zurück (Nr. I) und setzte den Geschäftswert auf 500 DM fest (Nr. II). Hiergegen richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz vom 20./21.11.1980 eingelegte weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1), mit der er seinen Erbscheinsantrag vom 14./16.5.1980 weiter verfolgt. Während die Beteiligte zu 2) das Rechtsmittel unterstützt, verweisen die Beteiligten zu 3) und 4) auf ihre bisherigen Ausführungen im Erbscheinsverfahren.
3. Nach Erlaß der Entscheidung des Landgerichts hat das Nachlaßgericht am 11.9.1980 einen Erbschein verfügt, der bezeugt, daß die Erblasserin von den Beteiligten zu 1) und 2) zu je 1/3 und von den Beteiligten zu 3) und 4) zu je 1/6 beerbt worden ist; es übersandte am 30.9.1980 eine Ausfertigung an die Beteiligte zu 2) und Abschriften an die übrigen Beteiligten.
Dem Senat lagen – ebenso wie den Vorinstanzen – die Akten des Amtsgerichts Memmingen VI 431/74 betreffend den Nachlaß des Ehemanns der Erblasserin sowie eine beglaubigte Abschrift des Übergabevertrages vom 4.3.1960 – URNr. … des Notars … – vor.
II.
1. Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 FGG) und formgerecht eingelegt (§ 29 Abs.1 Sätze 1 und 2 FGG). Sie konnte allerdings nur mit dem Ziel der Einziehung des erteilten und der Erteilung des beantragten Erbscheins eingelegt werden (BayObLGZ 1952, 291/293; 1954, 71/74; Senatsbeschluß vom 1.3.1979 – BReg. 1 Z 121/78 –). Die Beschwerdeberechtigung des Rechtsbeschwerdeführers ergibt sich gemäß §§ 20, 29 Abs.4 FGG allein schon aus der Zurückweisung der Erstbeschwerde (BGHZ 31, 92/95; BayObLGZ 1979, 427/429).
Das sonach zulässige Rechtsmittel erweist sich jedoch als unbegründet.
2. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung unter Bezugnahme auf den Beschluß des Amtsgerichts vom 3.6.1980 im wesentlichen ausgeführt:
Der Übergabevertrag vom 4.3.1960 enthalte unter Nr. III B noch folgende Erklärungen:
„… Der Übernehmer hat zwei Geschwister … Die Geschwister erhalten anläßlich dieser Übergabe nichts zugewiesen. Sie wurden mit ihren Elterngutsansprüchen bereits abgefunden …“.
Im ersten Satz der Nr. VIII des bezeichneten Vertrages werde ein Verzicht auf bestehende Ansprüche des Übernehmers gegen seine Eltern ausgesprochen. Der nachfolgende, von einem mit der Abfassung von Hofübergabeverträgen vertrauten Notars protokollierte Satz enthalte eindeutig nur einen Pflichtteilsverzicht. Eines Erbverzichts habe es nicht bedurft. In dem Ehe- und Erbvertrag vom 5.1.1927 hätten sich die Übergeber gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und ihren künftigen Kindern für den ersten Sterbefall ein Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils zugewandt. Der überlebende Elternteil sei hinsichtlich letztwilliger Verfügungen nicht beschränkt worden.
3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der im Verfahren der weiteren Beschwerde allein möglichen Nachprüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) im Ergebnis stand.
a) Die Zulässigkeit der Erstbeschwerde hat die Beschwerdekammer, was vom Rechtsbeschwerdegericht selbständig nachzuprüfen ist (BayObLGZ 1979, 142/150), zutreffend bejaht und dabei, wenn auch ohne nähere Begründung, die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 1) ohne Rechtsirrtum angenommen. Gegen die Ablehnung seines Erbscheinsantrages durch das Nachlaßgericht ist der Beteiligte zu 1) als Antragsteller beschwerdeberechtigt (§ 20 Abs.1 und 2 FGG; Keidel/Kuntze/Winkler FGG 11.Aufl. § 84 RdNr.10; Jansen FGG 2.Aufl. § 20 RdNr.53, § 84 RdNr.15).
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b) Daß das Landgericht zustimmend auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses des Nachlaßgerichts verweist, ist nicht zu beanstanden, denn diese entsprechen den an die Begründungspflicht des Beschwerdegerichts (§ 25 FGG) zu stellenden Anforderungen (BayObLG JurBüro 1969, 676; Senatsbeschluß vom 4.1.1980 – BReg. 1 Z 79/79 –; Keidel/Kuntze/Winkler RdNr.11, Jansen RdNr.17, je zu § 25 FGG).
c) Die Ablehnung des Erbscheinsantrags durch die Vorinstanzen ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach § 2359 BGB ist ein Erbschein nur zu erteilen, wenn das Nachlaßgericht die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Dabei entscheidet das Gericht – und das in den durch das Rechtsmittel gezogenen Grenzen vollständig an die Stelle des Nachlaßgerichts tretende Beschwerdegericht (BayObLGZ 1966, 435/440 m. Nachw.; 1976, 67/72) – über die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Erbrechts nach freier Überzeugung (Palandt BGB 40.Aufl. § 2359 Anm.1).
aa) Der angefochtene Beschluß geht ohne Rechtsfehler davon aus, daß …, der Vater der Beteiligten zu 3) und 4), in den mit seinen Eltern geschlossenen Übergabevertrag vom 4.3.1960 nicht auf sein gesetzliches Erbrecht, sondern lediglich auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet hat.
(1) Der Erbverzicht (§ 2346 Abs.1 Satz 1 BGB) ist ein erbrechtlicher Vertrag, der nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung einen Verzicht des Verwandten (oder Ehegatten) des Erblassers auf sein gesetzliches Erbrecht enthält. Dieser Verzicht ist ein abstraktes, unmittelbar den Verlust des Erbrechts bewirkendes Rechtsgeschäft (BGHZ 37, 319/327; Staudinger BGB 10./11.Aufl. RdNr.17, BGB-RGRK 12.Aufl. RdNr.1, je zu § 2346; Palandt Überbl v § 2346 BGB Anm.1; Kipp/Coing Erbrecht 13.Bearbeitung § 82 II; Brand/Kleeff Nachlaßsachen 2.Aufl. S. 240; Bartolomeyczik/Schlüter Erbrecht 11.Aufl. § 5 II 2) und als solches vom Grundgeschäft zu unterscheiden, das gegebenenfalls ein mit dem Erbverzicht verbundener Abfindungsvertrag oder Hofübergabevertrag sein kann (Staudinger § 2348 BGB RdNr.11; Firsching Nachlaßrecht 5.Aufl. S. 108). Denn regelmäßig ist die Abfindungsvereinbarung nicht der Rechtsgrund für die Leistung des Erbverzichts; sie ist vielmehr das Grundgeschäft für die Leistung der Abfindungsbeträge (Degenhart Rpfleger 1969, 145/146). Der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht ergreift ohne weiteres auch den Pflichtteil (§ 2303 Abs.1 Satz 2, § 2346 Abs.1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB) als die Werthälfte jenes Erbrechts (Staudinger Vorbem § 2346 BGB RdNr.55; BGB-RGRK § 2346 RdNr.16; Lange/Kuchinke Lehrbuch des Erbrechts 2.Aufl. § 7 II 2 b; Bartholomeyczik/Schlüter § 5 II 3 a); er kann aber auch – als beschränkter Erbverzicht – unter Vorbehalt des Pflichtteilsrechts (Palandt § 2346 BGB Anm.2) erklärt werden oder kann das Pflichtteilsrecht allein betreffen (§ 2346 Abs.2 BGB). Bei bloßem Verzicht auf den Pflichtteil bleibt das gesetzliche Erbrecht als solches unberührt (Staudinger RdNr.33, BGB-RGRK RdNr.18, Palandt Anm.3, je zu § 2346 BGB).
(2) Ob und in welchem Umfang ein Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht von seiten des Verwandten wirksam erklärt worden ist, hat das Nachlaßgericht im Erbscheinsverfahren von Amts wegen (§ 12 FGG) zu prüfen (Staudinger Vorbem § 2346 BGB RdNr.101; Palandt § 2348 BGB Anm.1). Es hat über diese Vorfrage, von der die Erledigung der Angelegenheit (Entscheidung über den Erbscheinsantrag) abhängt, – inzidenter – mitzubefinden (vgl. BayObLGZ 1964, 32/34 f. und 385/387; KG NJW 1960, 633/634; KG WPM 1969, 707/708; Keidel/Kuntze/Winkler RdNr.32 Jansen RdNr.14, Bassenge/Herbst FGG/RpflG 2.Aufl. Anm. II 3, je zu § 12 FGG) und dazu – soweit erforderlich – nach Feststellung des Erklärungstatbestandes die Verzichtserklärung nach den für Rechtsgeschäfte unter Lebenden geltenden Vorschriften der §§ 133, 157, 242 BGB auszulegen (Staudinger Vorbem. § 2346 BGB RdNr.21).
Für eine Auslegung ist nur dann Raum, wenn der Wortlaut der Verzichtserklärung nicht absolut eindeutig ist (RGZ 158, 119/124; BGHZ 32, 60/63; BayObLGZ 1966, 242/244; 1979, 12/15 = Rpfleger 1979, 134/135; Palandt § 133 BGB Anm.3). Die Frage der Auslegungsfähigkeit einer Erklärung ist dabei eine vom Gericht der weiteren Beschwerde selbständig nachzuprüfende und zu entscheidende Rechtsfrage (BGH FamRZ 1971, 641/642; BayObLG aaO; vgl. Thomas/Putzo ZPO 11.Aufl. § 550 Anm.2 a cc). Die Auslegungsbedürftigkeit der in der Nr. VIII des Übergabevertrages vom 3.4.1960 enthaltenen Erklärungen des „Übernehmers“ war hier schon mit Rücksicht auf die unterschiedliche Ausdrucksweise in den einzelnen Sätzen gegeben.
Die Auslegung selbst ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Seine Auslegung bindet das Rechtsbeschwerdegericht, sofern sie nach den Denkgesetzen und der Erfahrung möglich ist, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln im Einklang steht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (BGH LM § 133 (D) Nr.4; BGH WPM 1980, 247). Die Schlußfolgerungen des Tatrichters müssen hierbei nicht zwingend sein; es genügt und ist mit der weiteren Beschwerde nicht mit Erfolg angreifbar, wenn der vom Tatrichter gezogene Schluß möglich ist, mag selbst ein anderer Schluß näher oder zumindest ebenso nahe gelegen haben (BGH FamRZ 1972, 561/563; BayObLGZ 1976, 67/75 f.; 1979, 215/222; Keidel/Kuntze/Winkler RdNrn.47, 48, Jansen RdNrn.19, 20, je zu § 27 FGG).
Für die Auslegung der in der Nr. VIII des Übergabevertrages vom 3.4.1960 enthaltene Willenserklärungen ist zunächst § 133 BGB maßgebend; d.h. es ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften; es ist also zu ermitteln, was als Inhalt jeder einzelnen Erklärung anzusehen ist. Hierzu muß der gesamte Inhalt der Erklärungen einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher, die außerhalb der Vertragsurkunde liegen, als Ganzes gewürdigt werden; auch die allgemeine Lebenserfahrung ist zu berücksichtigen (RGZ 142, 171/174; BGH LM § 133 (B) BGB Nr.1; BayObLGZ 1976, 67/75; BayObLG Rpfleger 1980, 471).
(3) Das Landgericht hat seine Entscheidung zwar nur knapp begründet; der Inhalt der Gründe gibt jedoch im Zusammenhang mit den in Bezug genommenen Ausführungen im Beschluß des Nachlaßgerichts vom 3.6.1980 entsprechend der Vorschrift des § 25 FGG über die wesentlichen Punkte der leitenden Erwägungen hinreichend Aufschluß (Senatsbeschluß vom 22.10.1979 – BReg. 1 Z 63/79 –; KG JW 1931, 1495/1496). Die Auslegung des Satzes 1 in der Nr. VIII des Übergabevertrages durch die Beschwerdekammer, daß er keinen Verzicht des … auf das gesetzliche Erbrecht nach seinen Eltern enthalte, ist möglich.
Für diese Annahme konnte schon der Umstand sprechen, daß im nachfolgenden Satz: „Er (der Übernehmer) verzichtet … auf seine gesetzlichen Pflichtteilsansprüche gegenüber dem künftigen Nachlaß der Eltern“, der Verzicht lediglich auf das Pflichtteilsrecht ausdrücklich, eindeutig und gesondert erklärt wurde. Der Aufnahme dieses Satzes hätte es nicht bedurft, wenn bereits mit dem vorausgegangenen Satz ein Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht ausgesprochen sein sollte, da ein solcher sich ohnehin auch auf das Pflichtteilsrecht erstreckt hätte (BGB-RGRK § 2346 RdNr. 16; Bartholomeyczik/Schlüter, Lange/Kuchinke, je aaO; Haegele Rpfleger 1968, 247/249). Aus dem Wortlaut des Satzes 1 mußten die Tatrichter nicht zwingend auf einen Erbverzicht schließen. Dieser ist nicht zu vermuten, sondern muß deutlich erkennbar ausgesprochen werden (RGZ 115, 385/391; 118, 63/66), es sei denn, daß sich der Verzichtswille aus dem ganzen Vertragsinhalt und den Umständen mit Zuverlässigkeit ergibt (Soergel/Siebert BGB 10.Aufl. § 2346 RdNr.2; Brand/Kleeff aaO). Ein ausdrücklicher Verzicht des … auf sein gesetzliches Erbrecht nach seinen Eltern ist im Übergabevertrag nicht erklärt. Wenn das Landgericht – nach dem Zusammenhang der Gründe – die Bedeutung des Eingangssatzes in dem hier maßgeblichen Abschnitt des Vertrages dahin auslegte, daß durch ihn klargestellt wurde, bestehende Ansprüche des Übernehmers seien durch die Hofübergabe abgegolten und … habe deswegen auch nach dem Tode seiner Eltern nichts zu beanspruchen, dann kann diese Auffassung rechtlich nicht beanstandet werden. Ein Vertrag, durch den Eltern ihr landwirtschaftliches Anwesen einem Kinde übertragen, wogegen dieses sich wegen seines künftigen Erbrechts für abgefunden erklärt (hier: „… mit allen seinen Ansprüchen gegen den künftigen Nachlaß seiner Eltern abgefunden ist, …“), ist nicht ohne weiteres als Erbverzicht anzusehen, der dazu führen müßte, daß das Kind bei späterem Vermögenserwerb der Übertragenden leer ausgeht (BGB-RGRK § 2346 RdNr.9). Diesen Erwägungen liegt der Gedanke zugrunde, daß bei Übergabeverträgen die Beteiligten im allgemeinen keinen Erbverzicht im Auge haben. Vielmehr wird nach ihrem Zweck regelmäßig nur zum Ausdruck gebracht, daß vom Stande des gegenwärtigen Vermögens der Übergeber aus die durch die Übergabe dem Abkömmling zugewendeten Vorteile dessen künftig zu erwartendem Erbteil entsprechen und daß der Abkömmling deshalb zugunsten der künftigen Miterben hinsichtlich dieses gegenwärtigen Vermögens der Übergeber als abgefunden zu gelten habe (RG LZ 1932, 102/103 = HRR 1932 Nr.628). Bei dem hier vorliegenden Übergabevertrag, mit dem die Erblasserin und ihr Ehemann praktisch ihr ganzes Vermögen vorab an eines ihrer Kinder als künftigen Erben übertragen haben, kam es den Übergebern ersichtlich nur darauf an, ihre eigene Versorgung bis zum Lebensende sicher zu stellen; dies geht aus den in der Nr. III des Vertrages sehr genau beschriebenen Vereinbarungen über „Leibgeding“ und „Zehrpfennig“ – ausdrücklich als Gegenleistung für die Übergabe bezeichnet – zweifelsfrei hervor. Unter diesem Gesichtspunkt besteht kein zwingender Grund zur Annahme, es sei den Eltern auch noch an einem Erbverzicht – etwa als zusätzliche Gegenleistung – gelegen gewesen (vgl. Speckmann NJW 1970, 117/121). Auch waren die Beteiligten zu 1) und 2) als Geschwister des Übernehmers mit ihren Elterngutsansprüchen (vgl. Nr. III B des Übergabevertrages) bereits abgefunden. Als Anzeichen für einen umfassenden Erbverzicht brauchten die Vorinstanzen auch nicht etwaige Äußerungen der Erblasserin bzw. ihres Ehemannes nach der Hofübergabe anzusehen, ihr Sohn … und seine Erben seien durch die Übergabe ein für allemal „weggemacht“, d.h. abgefunden. Zwar kann das spätere Verhalten der Parteien für die Auslegung von Bedeutung sein (BGH WPM 1971, 1513/1515; Palandt § 133 BGB Anm.4 a); die genannten Bemerkungen der Eltern waren aber nicht geeignet, den Erbverzichtswillen ihres Sohnes aus dem Inhalt der hier maßgebenden Vertragserklärungen mit Zuverlässigkeit zu entnehmen. Diese sind – was der Rechtsbeschwerdeführer selbst betont – von einem erfahrenen Notar so beurkundet worden, wie sie ihm als übereinstimmender Vertragswille unterbreitet wurden.
(4) Nach allem begegnen die Ausführungen des Landgerichts keinen rechtlichen Bedenken, daß die Nr. VIII des Übergabevertrages vom 4.3.1960 lediglich einen Verzicht auf das Pflichtteilsrecht (§ 2346 Abs.2 BGB) enthält.
bb) Mit Recht haben die Vorinstanzen dem Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) nicht entsprochen. Die Beschränkung des Verzichts auf das Pflichtteilsrecht hat zur Folge, daß einerseits … – bzw. seinem Stamm (§ 1924 Abs.3 BGB) – bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge der volle gesetzliche Erbteil erhalten blieb, daß andererseits aber der Erblasserin die rechtliche Möglichkeit eröffnet war, über den gesetzlichen Erbteil ihres Sohnes in vollem Umfang letztwillig zu verfügen (Staudinger RdNr.33, BGB-RGRK RdNr.18, Palandt Anm.3, je § 2346 BGB). Die Erblasserin hat von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht. Sie hat letztwillig nicht verfügt. Somit kam trotz des Pflichtteilsverzichts der Stamm von … als gesetzlicher Erbe voll zum Zuge (Haegele Rpfleger 1968, 247/249); es trat die gesetzliche Erbfolge gemäß § 1924 Abs.1, 3 und 4 BGB ein, wonach die Beteiligten zu 1) und 2) zu je 1/3 und die Beteiligten zu 3) und 4) zu je 1/6 als Erben berufen sind.
d) Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde vermögen den Bestand der landgerichtlichen Entscheidung nicht zu gefährden:
aa) Die Rüge, das Landgericht habe den Grundsatz der Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt, weil es den Abschnitt Nr. III B des Übergabevertrages berücksichtigt habe, ohne den Beschwerdeführer zuvor mitzuteilen, daß dieser Vertragsteil für die Entscheidung von Bedeutung sein könnte, geht fehl.
Nach dem auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit als geltendes Verfahrensrecht (BVerfGE 10, 177/182) zu beachtenden (BayObLGZ 1980, 23/25; Keidel/Kuntze/Winkler RdNr.70 a, Jansen RdNr.104, je zu § 12 FGG) und in Art.103 Abs.1 GG, Art.91 Abs.1 BayVerf verankerten Grundsatz des rechtlichen Gehörs hat jeder am Verfahren Beteiligte Anspruch darauf, alle Tatsachen zu erfahren, die im Fortschreiten der Behandlung der Angelegenheit zu Tage treten und die das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legen will (Keidel/Kuntze/Winkler § 12 FGG RdNr.73). Daß der Vertrag vom 4.3.1960 Entscheidungsgrundlage war, konnte der Beteiligte zu 1) den Beschluß des Nachlaßgerichts vom 3.6.1980 entnehmen. Die Unkenntnis des Vertragsinhalts behauptet er nicht. Sein Schreiben vom 14.5.1980 (Bl. 8 d.A.) spricht zumindest dafür, daß er über seinen Inhalt informiert war. Andernfalls hätte er von sich aus die ihm gegebenen prozessualen Möglichkeiten, z.B. Akteneinsicht oder Erteilung einer Abschrift (§ 34 Abs.1 FGG; vgl. BayObLGZ 1956, 114/116), ausnützen und sich diese Kenntnis verschaffen müssen (BayVerfGHE 16, 1 = Rpfleger 1963, 76/77; Keidel/Kuntze/Winkler § 12 FGG RdNr.73 c).
bb) Das Schreiben der Beteiligten zu 3) und 4) vom 27.5.1980 (Bl. 11 d.A.) brauchte das Landgericht schon deswegen nicht daraufhin zu prüfen, ob es als Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht zugunsten eines anderen (§ 2350 Abs.1 BGB) – wie es der Rechtsbeschwerdeführer wohl verstehen will – oder etwa als Ausschlagung der Erbschaft (§ 1945 Abs.1 BGB) aufzufassen ist, weil es in beiden Fällen an der gesetzlich vorgeschriebenen Form fehlt.
cc) Soweit die Rechtsbeschwerde den Sachverhalt anders gewürdigt wissen will – und dahin gehen ihre übrigen Ausführungen –, versucht sie in unzulässiger Weise ihre eigene Tatsachen- und Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Beschwerdegerichts zu setzen. Damit kann sie aber im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Erfolg haben (BGH FamRZ 1972, 561/563; BayObLG FamRZ 1976, 101/104).
e) Der vom Nachlaßgericht am 30.9.1980 erteilte Erbschein ist richtig. Da die weitere Beschwerde – mit dem Ziel seiner Einziehung – sich als unbegründet erweist, ist sie zurückzuweisen.
4. Bedenken begegnet jedoch die Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts, die nachzuprüfen und gegebenenfalls zu ändern der Senat befugt ist (§ 31 Abs.1 Satz 2 und 3 KostO; BayObLGZ 1963, 84/90; Senatsbeschluß vom 27.1.1981 – BReg. 1 Z 88/80 –; Hartmann Kostengesetze 20.Aufl. § 31 KostO Anm.1 B).
Bei der nach § 31 Abs.1 Satz 1 KostO vorzunehmenden Geschäftswertfestsetzung muß davon ausgegangen werden, daß sich diese gemäß § 131 Abs.2 KostO nach § 30 KostO, nicht dagegen unmittelbar nach den für den ersten Rechtszug maßgebenden (§§ 18 ff. KostO) oder besonderen Wertvorschriften (z.B. § 107 Abs.2 KostO) zu richten hat (BayObLGZ 1967, 418/432). Diese sind hier lediglich als Anhaltspunkte für die freie Schätzung nach § 30 Abs.1 KostO i.V.m. § 131 Abs.2 KostO heranzuziehen (vgl. BayObLG Rpfleger 1975, 109; JurBüro 1978, 1372/1373; Senatsbeschluß vom 18.11.1980 – BReg. 1 Z 77/79 –). In einem die Erteilung eines Erbscheins betreffenden Verfahren dient als Anhaltspunkt der reine Nachlaßwert des § 107 Abs.2 KostO. Daneben kommt es bei der Anwendung des § 30 Abs.1 KostO aber auch auf die Bedeutung der Beschwerde für die Beteiligten und das mit dem Rechtsmittel verfolgte wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers sowie die sonstigen Umstände des Einzelfalls maßgeblich an (BayObLGZ 1967, 418/432; OLG Frankfurt JurBüro 1969, 1221; Korintenberg/Ackermann/Lappe KostO 9.Aufl. § 107 RdNr.19).
Das Interesse des Beschwerdeführers konnte sich nach Sachlage nur auf 1/6 des Nachlaßwertes beziehen. Der Beschwerdeführer wäre ohne eine Erbbeteiligung des Stammes …, dessen Anteil 1/3 beträgt (§ 1924 Abs.1, 3 und 4 BGB), neben der Beteiligten zu 2) zu 1/2 = 3/6 als gesetzlicher Erbe berufen. Sein Erbteil hätte sich in diesem Falle um den Hälfteanteil des Stammes … (1/6) vermehrt. Ausgehend von einem reinen Nachlaßwert von rd. 6 584 DM beträgt 1/6 hiervon rd. 1 097 DM. Unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände erscheint ein Geschäftswert für das Erstbeschwerdeverfahren in Höhe dieses Betrags als angemessen. Dementsprechend war die Nr. II des landgerichtlichen Beschlusses abzuändern.
5. Gemäß § 13 a Abs.1 Satz 2 FGG hat der Beteiligte zu 1) die Kosten zu erstatten, die den Beteiligten zu 3) und 4) im Rechtsbeschwerdeverfahren erwachsen sind. Zur Anordnung einer Kostenerstattung gegenüber der Beteiligten zu 2) bestand kein Anlaß, da sie dem Rechtsbeschwerdeführer nicht im entgegengesetzten Sinne gegenüberstand (Keidel/Kuntze/Winkler RdNr.6, Jansen RdNr.7, je zu § 13 a FGG).
6. Ebenso wie für das Erstbeschwerdeverfahren war der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf 1 097 DM festzusetzen.

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