OVG Saarlouis Beschluß vom 21.2.2020, 2 E 340/19

Mai 30, 2020

OVG Saarlouis Beschluß vom 21.2.2020, 2 E 340/19

Zwangseinweisung: Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit; Beweiswirkung eines elektronisch zurückgesandten Empfangsbekenntnisses

Leitsätze

Das elektronisch zurückgesandte Empfangsbekenntnis erbringt nach Maßgabe der §§ 371 a Abs. 1, 416 ZPO als privates elektronisches Dokument ebenso wie ein auf dem Postweg zurückgesandtes Empfangsbekenntnis Beweis sowohl für die Entgegennahme des in ihm bezeichneten Schriftstücks als auch für den Zeitpunkt von dessen Empfang.

Der Gegenbeweis, dass das in einem elektronisch zurückgesandten Empfangsbekenntnis ausgewiesene Zustellungsdatum unrichtig ist, ist – ebenso wie bei einem auf dem Postweg zurückgesandten Empfangsbekenntnis – möglich. Er setzt voraus, dass die Beweiswirkung des Empfangsbekenntnisses zur Überzeugung des Gerichts vollständig entkräftet wird (vgl. bereits Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 27. September 2019 – 1 D 155/19 –).

Sämtliche im Zusammenhang mit Zwangseinweisungssituationen stehende Sachverhalte einschließlich der Überprüfung von Einzelmaßnahmen sind der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 5. November 2019 – 3 K 1182/19 – wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, ihm eine Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung zu beschaffen. Mit Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 22.5.2019 wurde die Unterbringung des Klägers in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens zum 21.5.2021 auf Antrag seiner Betreuerin genehmigt. Die Unterbringung sei dringend notwendig, weil die Gefahr bestehe, dass der Kläger sich tötet oder sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt. Insoweit wurde auf das Gutachten vom 15.4.2019 des Dr. med. …, Arzt für Psychiatrie, verwiesen, wonach der Kläger an einer leichten Intelligenzminderung mit schweren bis schwersten Verhaltensstörungen, die insbesondere eine hochgradig gestörte Impulskontrolle und eine Affektregulationsstörung beinhalten, leidet.

Zur Begründung der am 3.9.2019 beim Verwaltungsgericht erhobenen Klage wurde geltend gemacht, seit Erlass des Unterbringungsbeschlusses durch das Amtsgericht A-Stadt bemühe sich die Betreuerin des Klägers vergeblich, einen geeigneten Heimplatz für diesen zu finden. Um eine Gefährdung des Klägers zu vermeiden, werde dieser vorläufig in der … Klinik … untergebracht, obgleich hierfür eine medizinische Indikation nicht gegeben sei und ein dringend erforderlicher Behandlungsplatz dadurch blockiert werde. Sämtliche legislatorischen und justiziellen Maßnahmen würden ins Leere laufen, wenn das Saarland die sozialrechtlichen Ansprüche, die der Kläger aufgrund der gerichtlichen Entscheidung des Amtsgerichts habe, ignoriere.

Der Kläger hat beantragt,

unter Bewilligung von Prozesskostenhilfe den Beklagten zu verpflichten, ihm einen Platz zur geschlossenen Unterbringung in einer geschützten Einrichtung mit therapeutischem Ansatz nachzuweisen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die Klage aus verschiedenen Gründen für unzulässig.

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 5.11.2019 – 3 K 1182/19 – hat das Verwaltungsgericht nach Anhörung der Beteiligten den Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO für unzulässig erachtet und den Rechtsstreit an das Amtsgericht A-Stadt verwiesen. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Betreuer in Umsetzung des betreuungsgerichtlichen Beschlusses die Unterbringung des Klägers zu veranlassen versuche, könne das Betreuungsgericht angerufen werden. Auf die Beratung und Unterstützung des Betreuungsgerichts habe der Betreuer ein subjektiv-öffentliches Recht. Die Beratung und Unterstützung beziehe sich auf sämtliche Angelegenheiten der Sorge. Diese zivilrechtlichen Normen dienten gerade der Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips. Für einen derartigen Anspruch sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten, konkret zum Amtsgericht – Betreuungsgericht – gegeben.

Am 5.11.2019 hat die Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts die elektronische Übermittlung dieser Entscheidung unter Beifügung eines EGVP-Empfangs-bekenntnisses veranlasst. Das elektronisch zurückübermittelte Empfangsbekenntnis der Prozessbevollmächtigten des Klägers weist als Zustellungsdatum den 5.11.2019 aus.

Am 20.11.2019 ist die Beschwerde des Klägers gegen den Verweisungsbeschluss bei dem Verwaltungsgericht eingegangen. Auf entsprechenden Hinweis der Berichterstatterin hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 18.2.2020 vorgetragen, aus den jeweiligen Stempelabdrucken ihrer Kanzlei auf dem (jeweils in Kopie vorgelegten) Begleitschreiben des Verwaltungsgerichts und der Seite 1 des angegriffenen Beschlusses ergebe sich das Eingangsdatum 6.11.2019.

II.

Die Beschwerde ist verfristet und daher als unzulässig zu verwerfen.

Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers in Anwendung der §§ 56 Abs. 2 VwGO, 174 Abs. 3 und Abs. 4 Sätze 2 bis 4, 130 a Abs. 3 2. Alt, Abs. 4 Nr. 2 ZPO über dessen besonderes elektronisches Anwaltspostfach elektronisch zugestellt worden und die Prozessbevollmächtigte hat das Empfangsbekenntnis elektronisch zurückgesandt. Das elektronisch zurückgesandte Empfangsbekenntnis erbringt nach Maßgabe der §§ 371 a Abs. 1, 416 ZPO als privates elektronisches Dokument ebenso wie ein auf dem Postweg zurückgesandtes Empfangsbekenntnis Beweis sowohl für die Entgegennahme des in ihm bezeichneten Schriftstücks, hier des Verweisungsbeschlusses vom 5.11.2019, als auch für den Zeitpunkt von dessen Empfang. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat durch die Rückübermittlung des mit dem Zustellungsdatum 5.11.2019 versehenen Empfangsbekenntnisses bescheinigt, dass sie unter diesem Datum Kenntnis vom Zugang des Beschlusses erlangt hat. Damit ist nach § 174 Abs. 4 ZPO der Nachweis der Zustellung unter diesem Datum geführt und demzufolge ist die erst am Mittwoch, dem 20.11.2019 bei dem Verwaltungsgericht eingereichte Beschwerde nach Ablauf der an dieses Zustellungsdatum anknüpfenden zweiwöchigen Beschwerdefrist (vgl. § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eingelegt worden. Für die Wirksamkeit der Zustellung per Empfangsbekenntnis an einen Rechtsanwalt ist entscheidend, dass dieser selbst Kenntnis vom Zugang des zuzustellenden Schriftstücks genommen hat. Dabei erbringt – wie bereits ausgeführt – das ausgefüllte Empfangsbekenntnis grundsätzlich den vollen Beweis dafür, dass der Prozessbevollmächtigte an dem von ihm angegebenen Tag tatsächlich Kenntnis vom Zugang des Schriftstücks erlangt hat.(vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Beschluss vom 27.9. 2019 – 1 D 155/19 – unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 27.7.2015 – 9 B 33/15 -, juris) Der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist es nicht gelungen, die Beweiswirkung des ausgewiesenen Zustelldatums zu entkräften, denn sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie nicht in der Lage gewesen ist, den Zugang des ihr elektronisch übermittelten Beschlusses am ausgewiesenen Zustellungstag zur Kenntnis zu nehmen. Der bloße Hinweis auf das auf den 6.11.2019 lautende Datum des Eingangsstempels ihrer Kanzlei genügt zur Entkräftung der Beweiswirkung nicht. Bei der von einem Prozessbevollmächtigten zu erwartenden Sorgfalt wäre die Prozessbevollmächtigte des Klägers vor der Rücksendung des Empfangsbekenntnisses gehalten gewesen, die Richtigkeit des Datums zu überprüfen und dieses ggfls. zu korrigieren. Die Beschwerde ist daher unzulässig.

Abgesehen davon hätte die Beschwerde aber auch in der Sache keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit zutreffend an das Amtsgericht A-Stadt verwiesen, weil der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht eröffnet ist. Es handelt sich vorliegend um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit, für die die ordentlichen Gerichte zuständig sind.

Das Beschwerdevorbringen überzeugt nicht. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers konkretisiert ihren Antrag dahingehend, den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin in einer nach § 10 des Unterbringungsgesetzes (UBG) geeigneten Einrichtung unterzubringen und verweist darauf, dass es sich hierbei um eine Norm des öffentlichen Rechts handele. Ausgehend von dem gesetzgeberischen Zweck sei es erforderlich, im Saarland selbst ausreichende Plätze in geeigneten Einrichtungen vorzuhalten. Die Beklagte verstoße nicht nur gegen ihre eigenen gesetzlichen Vorgaben in den §§ 2 u. 3 des UBG, sondern verletze den Kläger auch in seinem Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG.

Daraus kann der Kläger den Verwaltungsrechtsweg nicht herleiten. Er verkennt die eindeutige gesetzliche Zuweisung der hier in Rede stehenden Angelegenheit an die Zivilgerichte. Nach § 23a Abs.1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 GVG sind die Amtsgerichte zuständig für Betreuungssachen und Unterbringungssachen sowie betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen. Unterbringungssachen sind nach § 312 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) Verfahren, die die Genehmigung oder Anordnung der in § 312 Nr. 1 bis 4 FamFG genannten Maßnahmen betreffen. Dazu zählt u.a. nach § 312 Nr. 4 FamFG die freiheitsentziehende Unterbringung nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker. Daraus folgt eine eindeutige Zuordnung des Rechtsstreits an das Betreuungsgericht als dem Gericht, das die Unterbringung des Klägers in einer geschlossenen Einrichtung genehmigt hat (vgl. § 23c GVG). An der zivilrechtlichen Natur des vorliegenden Rechtsstreits ändert sich nichts durch den Hinweis des Klägers auf § 10 UBG. Nach dessen Abs. 1 erfolgt die Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern oder einer psychiatrischen Abteilung von Krankenhäusern und des Universitätsklinikums des Saarlandes. § 7 UBG verweist hinsichtlich der vorläufigen und endgültigen Unterbringung durch das Gericht, ärztlicher Zwangsmaßnahmen sowie für das gerichtliche Verfahren auf die Vorschriften der §§ 312 bis 339 FamFG. Die genannten Bestimmungen nehmen ausdrücklich Bezug auf die Vorschriften des FamFG für Unterbringungssachen und damit auf die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Sämtliche im Zusammenhang mit Zwangseinweisungssituationen stehenden Sachverhalte einschließlich der Überprüfung von Einzelmaßnahmen sind daher der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen. Der Kläger kann den Verwaltungsrechtsweg auch nicht unter Hinweis auf seinen Anspruch auf Achtung seiner Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG und das Sozialstaatsprinzip herleiten. Insoweit hat das Verwaltungsgericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die genannten zivilrechtlichen Normen gerade eine Ausprägung dieser Grundrechte darstellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 17a Abs. 4 Satz 4 GVG).

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