Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 12.03.2018 – 14 Ta 668/17

Juni 14, 2020

Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 12.03.2018 – 14 Ta 668/17

Bewilligt ein Arbeitsgericht „Prozesskostenhilfe in vollem Umfang“, ist davon der Abschluss eines Mehrvergleichs mit umfasst, wenn die Bewilligung hierfür zuvor ausdrücklich oder konkludent beantragt wurde.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 27. September 2017 (3 Ca 1228/17) wird als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Der Kläger beantragte für seine Befristungskontrollklage vom 18. August 2017 mit der Klageschrift zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Schriftsatz vom 22. September 2017 beantragte er darüber hinaus die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Mehrvergleichs. Durch die hier angefochtene Entscheidung vom 27. September 2017 bewilligte das Arbeitsgericht „Prozesskostenhilfe in vollem Umfang“. Der Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 2. Oktober 2017 zugestellt.

Mit dem am 19. Oktober 2017 eingegangenen Schriftsatz vom 18. Oktober 2017 erhob der Kläger sofortige Beschwerde und beantragte, den Prozesskostenhilfebeschluss abzuändern und dem Kläger Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich zu bewilligen. Mit Schreiben vom 2. November 2017 teilte das Arbeitsgericht mit, dass Prozesskostenhilfe in vollem Umfang und damit auch im Hinblick auf einen Mehrvergleich bewilligt worden sei. Der Kläger hielt unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (30. April 2014 – 10 AZB 13/14 – Rdnr. 21) an seinem Rechtsmittel fest, denn die Tatsache, dass das Gericht dem Kläger auch Prozesskostenhilfe für den Abschluss des Mehrvergleichs bewilligt habe, sei aus dem Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss nicht klar erkennbar. Das Arbeitsgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab.

II. Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO erhobene sofortige Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Es fehlt die notwendige Beschwer. Dem Bewilligungsantrag des Klägers vom 18. August 2017 mit seiner Ergänzung vom 22. September 2017 ist in vollem Umfang entsprochen worden.

1. Das Beschwerdegericht teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass eine Prozesskostenhilfebewilligung „in vollem Umfang“ einen im Verfahren abgeschlossenen Mehrvergleich umfasst, wenn diese zuvor beantragt wurde.

a) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO einen Antrag voraus; eine Bewilligung ohne Antrag scheidet im stark formalisierten Prozesskostenhilfeverfahren aus. Dies schließt aber weder eine konkludente Antragstellung noch – wie bei jeder Prozesshandlung – eine Auslegung des Antrags aus (vgl. BAG 30. April 2014 – 10 AZB 13/14 – Rn. 13; LAG Hamm 10. Februar 2014 – 14 Ta 310/13 – Rn. 7; 10. Februar 2014 – 14 Ta 529/13 – Rn. 7). Stellt eine Partei einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung für eine bestimmte Instanz, so bezieht sich dieser regelmäßig nur auf die bereits rechtshängigen Streitgegenstände oder die Streitgegenstände, die gleichzeitig mit der Antragstellung anhängig gemacht werden (vgl. BAG a. a. O. – Rn. 15). Trifft das Gericht in einem solchen Fall eine Entscheidung über die Prozesskostenhilfe, soll sich die Bewilligung auf diese Streitgegenstände beschränken, soweit es nicht ausdrücklich etwas anderes ausspricht. Kommt es nach der Bewilligung zu einer Klageerweiterung oder soll Prozesskostenhilfe auch für einen Mehrvergleich bewilligt werden, soll es eines neuen Antrags bedürfen (so BAG a. a. O.; offen gelassen von LAG Hamm a. a. O. jeweils Rn. 14; für den konkludenten Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts nach bereits erfolgter Prozesskostenhilfebewilligung vgl. LAG Hamm 15. Dezember 2014 – 14 Ta 510/14 – Rn. 6 ff.).

b) Anders ist – von Ausnahmefällen abgesehen – die Situation hinsichtlich späterer Klageerweiterungen, wenn über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum Zeitpunkt der Klageerweiterung noch nicht entschieden ist, oder bei einem vor der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zwischen den Parteien abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich, der bisher nicht rechtshängige Gegenstände erfasst. Der Wille der antragstellenden bedürftigen Partei wird in einem solchen Fall regelmäßig darauf gerichtet sein, auch für solche Klageerweiterungen oder den vereinbarten Mehrvergleich Prozesskostenhilfe bewilligt zu bekommen, weil sich an ihrer Bedürftigkeit nichts verändert hat (vgl. BAG a. a. O. – Rn. 16 f.; LAG Hamm – 10. Februar 2014 – 14 Ta 310/13 – Rn. 12 ff.)

Dies gilt für einen erst beabsichtigten Mehrvergleich auch dann, wenn das Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe „in vollem Umfang“ bewilligt, nachdem der Gegner der bedürftigen Partei den im Wege des § 278 Abs. 6 ZPO beabsichtigten Abschluss eines Vergleichs, der streitwerterhöhende Regelungen enthält, angezeigt hat. Nach seinem objektiv erkennbaren Inhalt erfasst ein solcher Bewilligungsbeschluss den Mehrvergleich, weil ihm der dafür erforderliche Antrag bereits – konkludent – zugrunde liegt. Aufgrund der Bewilligung konnte die bedürftige Partei davon ausgehen, dass ihr für den von der Gegenseite bereits dem Gericht angezeigten abzuschließenden Vergleich Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist und es eines erneuten Antrags vor der Bestätigung des Vergleichsvorschlages nach § 278 Abs. 6 ZPO nicht mehr bedarf (vgl. LAG Hamm 10. Februar 2014 – 14 Ta 529/13 – Rn. 16 f.).

c) Im vorliegenden Fall hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 22. September 2017 ausdrücklich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines von ihm vorgeschlagenen und von der Gegenseite noch zu bestätigenden Mehrvergleichs beantragt. Durch die daraufhin „in vollem Umfang“ bewilligte Prozesskostenhilfe ist auch diesem Antrag zugunsten des Klägers stattgegeben worden. Für ein anderes Verständnis des Bewilligungsumfanges fehlt es an Anhaltspunkten. Ob der Vergleich tatsächlich einen Mehrwert enthält, ist im Rahmen der Streitwertfestsetzung zu entscheiden (zu den Voraussetzungen vgl. Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit – überarbeitete Fassung 9. Februar 2018 – Nr. 25). Entsprechendes gilt für die dem beigeordneten Rechtsanwalt für seine Tätigkeit aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung (vgl. dazu zuletzt BGH 17. Januar 2018 – XII ZB 248/16), welche dem Vergütungsfestsetzungsverfahren vorbehalten bleibt, wenn wie vorliegend die Beiordnung im Umfang der Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt.

aa) Zwar vertritt das LAG Rheinland-Pfalz (21. Januar 2016 – 6 Ta 254/15) zu dem Fall eines „konkludenten“, d. h. nicht ausdrücklich gestellten Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich die Ansicht, dass die arbeitsgerichtlich „in vollem Umfang“ erfolgte Bewilligung (a. a. O. – Rn. 3) diesen Antrag nicht beschieden haben (a. a. O. – Rn. 18) soll. Eine nähere Begründung dafür ist der Entscheidung nicht zu entnehmen.

bb) Sie folgt nicht aus der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, dass zur Vermeidung von Unklarheiten im Vergütungsfestsetzungsverfahren der Umfang der Beiordnung aus dem Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss erkennbar sein muss und zwar entweder aus dem Tenor oder den Gründen des Bewilligungsentscheidung (vgl. BAG 30. April 2014 – 10 AZB 13/14 – Rn. 21). Durch eine Bewilligung „in vollem Umfang“ wird selbst im Hinblick auf § 48 Abs. 5 RVG ausdrücklich sowohl die Bewilligung als auch die Beiordnung eines Bevollmächtigten auf einen Mehrvergleich erstreckt und ein entsprechender Bewilligungsantrag vollständig beschieden. Das gilt selbst dann, wenn wie hier weder im Tenor noch in den Beschlussgründen das Wort „Mehrvergleich“ enthalten ist. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts gibt vielmehr mit der im Tenor enthaltenen Formulierung „in vollem Umfang“ ausdrücklich zu erkennen, dass dem Bewilligungsantrag vollständig zugunsten der antragstellenden Partei entsprochen wird. Das gilt unabhängig davon, ob – wie vorliegend – ein ausdrücklicher Bewilligungsantrag gestellt wird oder lediglich ein konkludenter Antrag vorliegt, bei dem sich die beantragte Erstreckung für den Mehrvergleich daraus ergibt, dass über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum Zeitpunkt des Abschlusses des gerichtlichen Vergleichs, der bisher nicht rechtshängige Ansprüche erfasst, noch nicht entschieden ist. Die Aufnahme des Begriffs „Mehrvergleich“ mag den Umfang der Bewilligung eindeutiger bestimmen und daher wünschenswert sein. Das ändert aber nichts daran, dass dieser Mehrvergleich in der Formulierung „in vollem Umfang“ ausdrücklich im Tenor enthalten ist.

2. Soweit das Arbeitsgericht in seiner Mitteilung an die Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 2. November 2017 darauf hingewiesen hat, dass für eine Ergänzung nach § 321 ZPO die Zweiwochenfrist des § 321 Abs. 2 ZPO bereits abgelaufen war, ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass ein Fall der Ergänzung nicht vorliegt. Das Arbeitsgericht hatte über den Bewilligungsantrag des Klägers vollständig entschieden.

3. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht

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