LAG Hamm, Urteil vom 08.03.2018 – 8 Sa 1350/17

Juni 14, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 08.03.2018 – 8 Sa 1350/17

1. Die Erhebung der Restitutionsklage bei einem nach § 584 Abs. 1 ZPO unzuständigen Gericht wahrt die Klagefrist des § 586 Abs. 1 ZPO nicht, wenn eine Verweisung oder Abgabe an das zuständige Gericht unterbleibt.

2. Eine Einstellung des Strafverfahrens durch das Gericht nach § 153 Abs. 2 StPO erfüllt die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 581 Abs. 1 Alt. 2 ZPO nicht, wenn dabei die Möglichkeit der Begehung eines Aussagedelikts lediglich unterstellt wird.

3. Ist der Einwand einer im Randgeschehen unrichtigen Aussage im Ausgangsprozess bereits vorgebracht worden und hat das Gericht die Aussage im Kerngeschehen trotzdem für glaubhaft und die Auskunftsperson gleichwohl für glaubwürdig gehalten, kann die darauf gestützte Restitutionsklage aufgrund ihrer Hilfsnatur nach § 582 ZPO unzulässig sein.
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 13.04.2017 – 4 Ca 4157/16 – aufgehoben.

Die Restitutionsklage des Klägers gegen das Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. November 2013 – 8 Sa 1157/13 -, zuvor Arbeitsgericht Dortmund – 4 Ca 824/13 -, wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten – nunmehr im Rahmen einer Restitutionsklage – weiter über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Der 1952 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 1. April 2011 bei der Beklagten gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 5.368,00 € als Isoliermeister beschäftigt. Er ist schwerbehinderter Mensch, ein Grad der Behinderung von 50 ist festgestellt.

Unter dem 29. August 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Integrationsamts aus verhaltensbedingten Gründen außerordentlich. Mit Urteil vom 13. Dezember 2012 – 4 Ca 4077/12 – stellte die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Dortmund auf Antrag des Klägers die Rechtsunwirksamkeit dieser Kündigung fest. Sie führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Kündigung nach der Zustimmung nicht unverzüglich ausgesprochen worden sei (§ 91 Abs. 5 SGB IX a. F.). Das dagegen zum Landesarbeitsgericht Hamm eingelegte Rechtsmittel der Berufung (8 Sa 1795/12) nahm die Beklagte am 7. März 2013 zurück.

Neben dem genannten Kündigungsschutzprozess stritten die Parteien auf dem ordentlichen Rechtsweg über Ansprüche wegen vom Kläger an die Beklagte vermieteter Maschinen und Gerätschaften.

Zudem führten sie im Jahr 2012 beim Arbeitsgericht Dortmund zwei weitere Rechtsstreitigkeiten (4 Ca 5323/12 und 4 Ca 2472/12), deren Gegenstand Vergütungsforderungen des Klägers aus streitiger Mehrarbeit sowie Verzugslohnansprüche im Zusammenhang mit der Kündigung vom 29. August 2012 waren. In dem Verfahren 4 Ca 5323/12 erweiterte der Kläger die Klage mit Schriftsatz vom 14. Januar 2013 wegen seiner Verzugslohnansprüche für Januar 2013 um 5.368,00 € brutto abzüglich erhaltener Sozialleistungen in Höhe von 2.026,47 € netto (ALG I, Tagesbetrag 65,37 €). Im Verfahren 4 Ca 2474/12 machte die Beklagte mit am 20. Februar 2013 bei Gericht eingegangener Feststellungs-Widerklage geltend, dass das Arbeitsverhältnis durch eine weitere außerordentliche Kündigung vom 3. Januar 2013, dem Kläger – was streitig blieb – zugestellt am 24. Januar 2013, nunmehr aufgelöst worden sei. Diese Kündigung habe man versehentlich auf den 3. Januar 2012 datiert. Ihr war zeitlich ein weiterer Antrag auf Zustimmung beim Integrationsamt aus Dezember 2012 vorausgegangen. Insoweit hatte das Integrationsamt mit Bescheid vom 2. Januar 2013 feststellt, dass die beantragte Zustimmung wegen des Ablaufs der Zwei-Wochen-Frist gem. § 91 Abs. 3 SGB IX a. F. als erteilt gelte.

Mit Beschluss vom 21. Februar 2013 trennte das Arbeitsgericht die Klageerweiterung vom 14. Januar 2013 und die Feststellungs-Widerklage jeweils aus den anderweitigen Verfahren ab und ordnete die gemeinsame Verhandlung und Entscheidung über diese Streitgegenstände im neu eingetragenen Verfahren 4 Ca 824/13 an. Mit gesonderter Kündigungsschutzklage vom 27. Februar 2013 wandte sich der Kläger gegen die von der Beklagten behauptete erneute Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Eine auf den 3. Januar 2012 bzw. 2013 datierende Kündigung habe er zu keinem Zeitpunkt erhalten. Das zunächst gesondert unter dem Aktenzeichen 4 Ca 898/13 geführte Kündigungsschutzverfahren hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 28. Februar 2013 mit dem Verfahren 4 Ca 824/13 verbunden, dessen Aktenzeichen fortan führte. Im Hinblick auf den nunmehr anhängig gewordenen Kündigungsschutzantrag nahm die Beklagte ihre Feststellungs-Widerklage zurück.

Hinsichtlich der Kündigung vom 3. Januar 2013 hat die Beklagte behauptet, das von ihrem damaligen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt N Q, auf Kanzleipapier verfasste und eigenhändig unterzeichnete Kündigungsschreiben dem Kläger noch 3. Januar 2013 per Einschreiben/Rückschein übermittelt zu haben.

Der Kläger habe das Einschreiben jedoch nicht abgeholt. Selbiges sei daher nach Ablauf der Lagerfrist zurückgekommen. Daraufhin habe Rechtsanwalt Q anlässlich eines Gerichtstermins in I das Schreiben mitgenommen und persönlich am 24. Januar 2013 am klägerischen Wohnhaus in J in den dortigen Briefschlitz der Haustür eingeworfen. Zu Dokumentations- und Beweiszwecken habe der Zeuge Q anschließend ein Foto des Haustürbereichs angefertigt. Zum behaupteten Einwurf des Kündigungsschreibens am 24. Januar 2013 heißt es im Schriftsatz der Beklagten vom 13. März 2013: „Dabei konnte der Kollege Q sogar sehen, wie der Brief auf der anderen Seite in den Flur gefallen ist“.

Hinsichtlich der Haustür des klägerischen Wohnhauses war und ist unstreitig, dass sich der Briefschlitz in mittlerer Höhe im linken, festgestellten Teil der Tür befindet. Oberhalb und unterhalb des Schlitzes sind kleine Fenster mit getönten Glas eingearbeitet. Auf der Rückseite der Tür ist kein Sammelbehälter angebracht. Durchgeworfene Poststücke fallen auf den Boden im Eingangsflur des Haues.

Im Kammertermin vom 11. April 2013 hat das Arbeitsgericht zur Frage der Übermittlung des Kündigungsschreibens den Zeugen Q und gegenbeweislich die Zeugin F vernommen. Diese hatte nach Angaben des Klägers wegen seiner damaligen mehrtägigen Ortsabwesenheit das Haus gehütet und sei wegen der Annahme von Anwalts- oder Arbeitgeberschreiben besonders instruiert gewesen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 11. April 2013 Bezug genommen.

Mit am selben Tag verkündeten Urteil wies das Arbeitsgericht den auf die Kündigung vom 3. Januar 2013 bezogenen Kündigungsschutzantrag nebst Antrag auf nachträgliche Klagezulassung und einen begleitenden allgemeinen Feststellungsantrag ab. Ein hilfsweise für den Fall des Obsiegens gestellter Beschäftigungsantrag fiel danach nicht zur Entscheidung an. Wegen der Verzugslohnansprüche für Januar 2013 sprach es dem Kläger für die Zeit bis zum 24. Januar 2013 einen Teilbetrag in Höhe von 4.155,68 € brutto abzüglich 1.568,88 € netto zu nebst Zinsen zu, während der weitergehende Zahlungsantrag ebenfalls der Abweisung unterlag. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass dem Kläger am 24. Januar 2013 eine außerordentliche Kündigung zugegangen sei, die er nicht innerhalb der Frist nach §§ 4, 7 KSchG angegriffen habe. Gründe für eine nachträgliche Klagezulassung bestünden nicht. Die Kündigung gelte daher als rechtswirksam. Der Zeuge Q habe insbesondere glaubhaft bekundet, dass er das in einem weißen Umschlag befindliche Kündigungsschreiben selbst vollständig in den Briefschlitz eingeworfen und dessen Durchfallen auf den Boden des Flures gesehen habe.

Gegen dieses ihm am 18. April 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. Mai 2013 zunächst in vollem Umfang Berufung eingelegt (8 Sa 1157/13), diese aber wegen des allgemeinen Feststellungsantrags später nicht weiter verfolgt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung trat die Berufungskammer am 21. November 2013 erneut in die Beweisaufnahme ein. Der Zeuge Q bekundete hier wiederum, dass er den von ihm eingeworfenen Brief durch die im Bereich des Briefschlitzes angebrachten gelblichen Dekor-Scheiben in den Eingangsflur habe fallen sehen. Dessen Auftreffen auf dem Boden des Flures sei für ihn zudem hörbar gewesen. Der im Termin anwesende Kläger wandte insoweit ausdrücklich ein, dass die dortigen Scheiben eher bräunlich gefärbt und von außen undurchsichtig seien, worauf sich der Zeuge ergänzend einließ. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Einzelnen wird ergänzend auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Mit am Schluss der Sitzung verkündetem Urteil wies die Berufungskammer das Rechtsmittel zurück. Zur Begründung ist im zweitinstanzlichen Urteil unter anderem ausgeführt, dass auch nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme mit dem Arbeitsgericht vom Zugang der Kündigung am 24. Januar 2013 ausgegangen werde. Entscheidend sei insoweit, dass der Brief – wie vom Zeugen glaubhaft bekundet – von ihm selbst vollständig durch den Briefschlitz geworfen und hörbar auf dem Boden des Eingangsflures gefallen sei. Der Frage der Durchsicht durch die Dekorscheiben könne hingegen keine fallentscheidende Bedeutung beigemessen werden. Die vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 19. März 2014 – 9 AZN 65/14 – als unzulässig verworfen.

Im Nachgang zum Berufungsverfahren erstattete der Kläger gegen den Zeugen Q Strafanzeige wegen uneidlicher Falschaussage. Der Zeuge könne das Durchfallen von Poststücken einschließlich eines weiß einkuvertierten Kündigungsschreibens durch die Dekorscheiben am Briefschlitz der Haustür gar nicht gesehen haben, da diese Scheiben unter Berücksichtigung der Lichtverhältnisse am fraglichen Tag praktisch undurchsichtig seien. Sein zum Landesarbeitsgericht eingelegtes Rechtsmittel sei wegen dieser Falschaussage zu Unrecht zurückgewiesen worden. Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat das dort gegen den Zeugen Q geführte Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 4. April 2014 eingestellt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers hat die Generalstaatsanwaltschaft Hamm mit Bescheid vom 12. Juni 2014 zurückgewiesen. In dem daraufhin vom Kläger betriebenen Klageerzwingungsverfahren hat das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss vom 5. Januar 2016 – III-1 Ws 100/15 – die Erhebung der öffentlichen Klage angeordnet. Es bestehe insoweit dringender Tatverdacht gegen den Zeugen, als ein vom ersuchten Richter des Amtsgerichts Peine am Wohnhaus des Klägers durchgeführter Ortstermin im Rahmen der angeordneten Inaugenscheinnahme ergeben habe, dass hinter der Haustür am Boden liegende Post – anders als ein im dortigen Nahbereich befindlicher Treppenabsatz – weder durch die nahezu undurchsichtigen Dekorscheiben noch durch den Briefschlitz sichtbar sei. Eine fehlerhafte Darstellung von sog. Randtatsachen lasse unter dem Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeit der Auskunftsperson Rückschlüsse auf die den Wahrheitsgehalt der Aussage zu.

Nach Klageerhebung durch die Staatsanwaltschaft stellte das Amtsgericht Hamm das Strafverfahren gegen den Zeugen Q mit Beschluss vom 6. Oktober 2016 – 53 Ds-060 Js63/14-125/16 – nach § 153 Abs. 2 StPO ein, weil das Verschulden als gering anzusehen wäre und ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht bestehe. Einen dagegen vom Kläger eingelegten Rechtsbehelf wies das Amtsgericht als unstatthaft zurück.

Mit seiner am 20. Oktober 2016 beim Arbeitsgericht Dortmund anhängig gemachten Restitutionsklage verfolgt der Kläger sein Bestandsschutzbegehren weiter. Gestützt auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamm im Klageerzwingungsverfahren hat er geltend gemacht, dass nach dem Ergebnis des Ortstermins von einer relevanten Falschaussage des Zeugen Q auszugehen sei, womit ein Restitutionsgrund vorliege.

Der Kläger hat beantragt, die Urteile des Arbeitsgerichts Dortmund 4 Ca 824/13 vom 11. April 2013 und 4 Ca 889/13 in Verbindung mit dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. November 2013 – 8 Sa 1157/13 – aufzuheben und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten beendet worden ist.

2. Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.

3. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und / oder 2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Isoliermeister weiterzubeschäftigen.

4. Die Klage nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich im Wesentlichen darauf bezogen, dass bei Einstellung eines Strafverfahrens wegen uneidlicher Falschaussage durch das Strafgericht nach § 153 Abs. 2 StPO die Unschuldsvermutung weiterhin gelte, weshalb eine Durchberechnung der Rechtskraft im Wege der Restitutionsklage unter dem Gesichtspunkt der Falschaussage gerade nicht erreicht werden könne. Im Übrigen habe der Zeuge nicht falsch ausgesagt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13. April 2017 – 4 Ca 4157/16 – abgewiesen. Die Restitutionsklage sei unzulässig. Weder liege eine rechtskräftige Verteilung des Zeugen Q vor, noch sei die Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als aus Mangel an Beweisen unmöglich. Mit der Verfahrenseinstellung nach § 153 Abs. 2 StPO habe das Strafgericht keine Feststellungen zum Vorliegen einer Falschaussage getroffen, sondern die Tat- und Schuldfrage gerade offen gelassen. Da somit diese besonderen Voraussetzungen einer zulässigen Restitutionsklage nicht vorlägen, komme es auf die weitere Frage der fristgerechten Klageerhebung nicht an.

Nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils, am 19. Juni 2017, verstarb der Zeuge Q.

Gegen das ihm am 8. Mai 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. Juni 2017 Berufung eingelegt, die er – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11. August 2017 – mit Schriftsatz vom 11. August 2017, der tagesgleich beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, unter Bezugnahme auf und Ergänzung des erstinstanzlichen Vorbringens begründet. Die Undurchführbarkeit des Strafverfahrens wegen einer Einstellung aus Opportunitätsgründen reiche für die Zulässigkeit der Restitutionsklage aus. Der Nachweis der strafbaren Handlung könne und müsse dann im Wiederaufnahmeverfahren geführt werden. Die Klagefrist sei eingehalten. Hinsichtlich des Fristbeginns sei der Zeitpunkt der Einstellungsentscheidung des Amtsgerichts bzw. der Zeitpunkt der eigenen Kenntniserlangung insoweit maßgeblich, weshalb die Notfrist des § 586 ZPO nicht vor dem 4. Oktober 2016 begonnen haben könne und mit Klageerhebung am 20. Oktober 2016 jedenfalls gewahrt sei. Auch sei der Restitutionsgrund nicht durch Geltendmachung im Ausgangsprozess verbraucht, denn dort sei das Vorliegen eines Aussagedelikts nicht thematisiert worden.

Der Kläger beantragt vorliegend noch,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 13. April 2017 – 4 Ca 4157/16 – abzuändern und das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. November 2013 – 8 Sa 1157/13 – , zuvor Arbeitsgericht Dortmund – 4 Ca 824/13 – teilweise aufzuheben und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die auf den 3. Januar 2012 datierte Kündigung der Beklagten weder außerordentlich fristlos noch mit ordentlicher Frist aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Restitutionsklage abzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Anlass zur Durchbrechung der Rechtskraft des Berufungsurteils bestehe vorliegend nicht. Die Klage sei unter mehreren Gesichtspunkten unzulässig. Insbesondere hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, die fehlende Durchsichtigkeit der fraglichen Haustürscheiben und damit eine etwaige Fehlerhaftigkeit der Aussage des Zeugen Q durch entsprechende Beweisantritte zum Gegenstand der Berufung im Ausgangsverfahren zu machen.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der im Ausgangsverfahren sowie der im Restitutionsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlage, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer war, und auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Gründe

I.

Die vom Kläger nunmehr beim nach § 79 S. 1 ArbGG i. V. m. § 584 Abs. 1 ZPO ausschließlich zuständigen Berufungsgericht erhobene Restitutionsklage ist unter mehrerer rechtlichen Gesichtspunkten – jeweils isoliert betrachtet – unzulässig.

1.

Soweit das Arbeitsgericht mit Urteil vom 13. April 2017 über den Restitutionsantrag des Klägers vom 20. Oktober 2016 entschieden und die Klage abgewiesen hat, ist das Urteil auf Antrag des durch diese für ihn ungünstige Entscheidung beschwerten Klägers aufzuheben. Das Arbeitsgericht war gem. § 79 S. 1 ArbGG i. V. m. § 584 Abs. 1 ZPO insoweit nicht zur Entscheidung befugt, da die Durchbrechung der Rechtskraft einer zweitinstanzlichen Entscheidung durch das Wiederaufnahmeverfahren nach §§ 578 ff ZPO nach den eingangs zitierten Normen ausdrücklich und ausschließlich dem Berufungsgericht zugewiesen ist, welches im Ausgangsverfahren im zweiten Rechtszug erkannt hat.

2.

Das vom Kläger zum Landesarbeitsgericht am 7. Juni 2017 mit Schriftsatz gleichen Datums eingelegte Rechtsmittel kann als Wiederaufnahmeklage nach §§ 578 ff ZPO betrachtet werden. Dieser bestimmende Schriftsatz enthält – neben der Parteibezeichnung – ausdrücklich den Hinweis, dass eine Wiederaufnahme des Verfahrens betrieben werden soll. Aus dem beigefügten und angefochtenen Urteil erster Instanz war ersichtlich, dass hierzu Restitutionsgründe i. S. d. § 580 ZPO geltend gemacht werden und deshalb – zumindest auch – die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. November 2013 – 8 Sa 1157/13 – der Aufhebung bzw. teilweisen Aufhebung unterliegen soll.

3.

Die Wiederaufnahme in Gestalt der Restitutionsklage ist vorliegend der statthafte Rechtsbehelf, da der Kläger Restitutionsgründe nach § 580 Nr. 3 u. 4 ZPO geltend macht und die Teilaufhebung eines rechtskräftigen Endurteils zweiter Instanz nebst neuer Sachentscheidung begehrt.

4.

Die Restitutionsklage ist jedoch verspätet erhoben worden und bereits deshalb unzulässig.

Nach § 79 S. 1 ArbGG i. V. m. § 586 Abs. 1 ZPO ist die Restitutionsklage vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben. Gem. § 586 Abs. 2 S. 1 ZPO beginnt die Frist mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Stellt man mit dem Kläger insoweit auf den 4. Oktober 2016, dem Tag der Einstellungsentscheidung des Amtsgerichts Hamm und zugunsten des Klägers nicht auf ein zeitlich davor liegendes Ereignis (etwa den Beschluss des OLG Hamm im Klageerzwingungsverfahren) ab, so ist die Klagefrist gleichwohl nicht gewahrt. Denn die Restitutionsklage ist beim Berufungsgericht erst am 7. Juni 2017 und damit deutlich nach Ablauf der Notfrist eingegangen. Der Klageerhebung beim Arbeitsgericht Dortmund am 20. Oktober 2016 kommt vorliegend keine fristwahrende Wirkung zu.

a. Die Klageerhebung bei einem unzuständigen Gericht wahrt die Klagefrist des § 586 Abs. 1 ZPO regelmäßig dann, wenn das Verfahren durch Verweisungsbeschluss oder ggf. formlose Abgabe durch das unzuständige Gericht bei dem nach § 584 Abs. 1 ZPO zuständigen Gericht anhängig wird (BAG, Urteil vom 20. August 2002 – 3 AZR 133/02 – AP Nr. 2 zu § 586 ZPO m. w. N.). Der Zweck prozessualer Fristen, die schnelle Klärung streitiger Rechtsfragen, wird durch die geringe Verzögerung, die mit einer Verweisung verbunden ist, regelmäßig nicht gefährdet (BGH, Urteil vom 21. September 1961 – III ZR 120/60 – juris). Bleiben im Falle der Verweisung an ein Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit die Wirkungen der Rechtshängigkeit nach § 17b Abs. 1 S. 2 GVG bestehen, so muss dies für den Fall der Verweisung oder Abgabe innerhalb derselben Gerichtsbarkeit jedenfalls gelten (BGH, aaO).

b. Eine Verweisung oder Abgabe mit danach fristwahrender Wirkung ist hier jedoch nicht erfolgt. Die Restitutionsklage vom 20. Oktober 2016 ist bei dem unzuständigen Arbeitsgericht vielmehr bis zum Abschluss der Instanz durch Prozessurteil vom 13. April 2017 anhängig geblieben. Die bei Verweisung nach §§ 281 Abs. 1, 261 ZPO nach dem Grundsatz der Verfahrenseinheit anzunehmende fristwahrende Wirkung der Klageerhebung (dazu: Zöller/Greger, 32. Auflage 2018, § 281 ZPO Rn 15a m. w. N) konnte deshalb hier nicht eintreten. Eine Anhängigkeit bei dem nach § 584 Abs. 1 ZPO ausschließlich zuständigem Landesarbeitsgericht wurde vorliegend erst durch die Einreichung der Rechtsmittelschrift und damit erst durch eine weitere, auf gesonderter Willensbetätigung beruhender Prozesshandlung begründet. Das Risiko der zunächst unerkannt gebliebenen Anrufung eines unzuständigen Gerichts trägt, jedenfalls bei Vertretungszwang (§ 11 Abs. 4 ArbGG), die das Verfahren betreibende Partei. Der nach § 586 Abs. 1 ZPO verfolgte Gesetzeszweck, die betreibende Partei gerade im Ausnahmefall eines auf Durchbrechung der Rechtskraft gerichteten Rechtsbehelfs zwecks Herstellung von Rechtsicherheit zu einer schnellen Anrufung des – im Gesetz zudem eindeutig bestimmten – zuständigen Gerichts anzuhalten, wäre konterkariert, wollte man dem der Klageerhebung vor einem unzuständigen Gericht auch in diesen Fällen gleichwohl fristwahrende Wirkung beimessen.

c. Geht man zugunsten des Klägers davon aus, dass mit der Einreichung der Rechtsmittelschrift beim Landesarbeitsgericht stillschweigend ein Wiedereinsetzungsantrag gem. § 233 S. 1 ZPO verbunden war, so hat dieser der Zurückweisung zu unterliegen. Eine Wiedereinsetzung kommt hier nach § 233 S. 1 ZPO nur dann in Betracht, wenn die Notfrist des § 586 Abs. 1 ZPO ohne Verschulden versäumt worden ist. Gem. § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich. Nach dem insoweit strengen Sorgfaltsmaßstab, der bei Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie sonstigen ständig in der Rechtsberatung tätigen Personen anzulegen ist, muss eine Fristversäumung dann als verschuldet betrachtet werden, wenn diese für einen sorgfältig und pflichtbewusst handelnden Prozessbevollmächtigen abwendbar gewesen wäre (Zöller/Greger, 32. Auflage 2018, § 233 Rn 13 m. w. N.). Die Abwendbarkeit ist insoweit vorliegend deshalb gegeben, weil die Klagefrist und das ausschließlich zuständige Gericht im Kontext des Wiederaufnahmeverfahrens nach §§ 578 ff ZPO leicht auffindbar, ausdrücklich und in sich verständlich abschließend geregelt sind.

5.

Die Restitutionsklage vom 7. Juni 2017 ist auch deshalb unzulässig, weil ein zulässiger Restitutionsgrund nicht geltend gemacht werden kann.

a. Soweit sich der im Ausgangsverfahren zweifach vernommene, inzwischen verstorbene Zeuge Q durch falsche Angaben zur Zustellung der Kündigung einer uneidlichen Falschaussage schuldig gemacht hat, kommen vorliegend – wie vom Kläger geltend gemacht – die Restitutionsgründe nach § 580 Nr. 3 ZPO und, wegen seiner damaligen Tätigkeit als Prozessbevollmächtigter der Beklagten, nach § 580 Nr. 4 ZPO in Betracht. Jedoch ist die Restitutionsklage in diesen Fällen nach § 581 Abs. 1 ZPO nur dann zulässig, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als aus Mangel an Beweisen nicht (mehr) erfolgen kann.

Die Norm verdeutlicht, dass für eine zulässige Restitutionsklage die bloße Behauptung einer strafbaren Handlung nicht ausreicht, sondern im Regelfall eine rechtskräftige Verurteilung wegen der Straftat vorauszusetzen ist. § 581 Abs. 1 ZPO lässt dabei die Regelung der Restitutionsgründe nach § 580 Nr. 1 bis 5 ZPO als solche unberührt, stellt für diese Fälle aber ein zusätzliches Zulässigkeitserfordernis auf (BGH, Urteil vom 22. September 1982 – IVb ZR 576/80 – NJW 1983, S. 230/231). Restitutionsgrund bleibt auch danach jedoch die Begehung der Straftat, nicht die deshalb ausgesprochene Verurteilung (BGH, aaO).

Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen einer Restitutionsklage wegen behaupteter Falschaussage mit §§ 580, 581 Abs. 1 ZPO bewusst an enge, normativ beschriebene Voraussetzungen geknüpft (BAG, Urteil vom 16. Mai 2002 – 2 AZR 730/00 – NZA 2003, S. 217 ff). Mit der bloßen Behauptung einer Falschaussage lässt sich eine Durchbrechung der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen danach nicht erreichen (BAG, aaO).

b. Eine rechtskräftige Verurteilung des Zeugen Q wegen einer im Verfahren 8 Sa 1157/13 begangenen Falschaussage liegt nicht vor. Ob bei einer Einstellung eines relevanten Strafverfahrens aus Opportunitätsgründen grundsätzlich oder nur in bestimmten Fällen eine Undurchführbarkeit i. S. d. § 581 Abs. 1 Alt. 2 ZPO angenommen und der Nachweis der Straftat von der Partei im Wiederaufnahmeverfahren geführt werden kann, wird in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich gesehen (vgl. Zöller/Greger, 32. Auflage 2018, § 581 ZPO Rn 7/8 m. w. N.). Insoweit ist die erkennende Berufungskammer mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz vom 19. Mai 1978 – 2 U 430/77 (MDR 1979, S. 410) der Auffassung, dass eine Restitutionsklage jedenfalls bei Einstellung des Verfahrens nach Anklageerhebung auf der Grundlage des § 153 Abs. 2 StPO durch das Strafgericht wegen Geringfügigkeit dann nicht zulässig ist, wenn dabei die Unrichtigkeit der fraglichen Aussage nur als möglich unterstellt worden ist.

Eine solche Einstellung, die nicht wenigstens von der Wahrscheinlichkeit eines schuldhaften Verhaltens ausgeht, kann einer rechtskräftigen Verurteilung als Voraussetzung der zulässigen Restitutionsklage nicht gleichgestellt werden. Dafür spricht zunächst der Wortlaut des § 581 Abs. 1 ZPO. Dieser verlangt ausdrücklich, dass ein Strafverfahren nicht eingeleitet oder durchgeführt werden kann. Der Einstellung durch das Strafgericht nach § 153 Abs. 2 S. 1 StPO gehen aber die Einleitung des Strafverfahrens durch Anklageerhebung und die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens – mit dem Ergebnis der Einstellung – denknotwendig voraus. Bleiben dabei – wie hier ausdrücklich nach dem Beschluss des Amtsgerichts Hamm – die Begehung und die Vorwerfbarkeit einer Straftat erkennbar offen, folgt aus dem gleichwohl durchgeführten und abgeschlossenen Strafverfahren für das Vorliegen einer Straftat keinerlei Erkenntnisgewinn. Denn die Einstellung des Strafverfahrens in Anwendung des § 153 StPO setzt – anders als nach § 153a StPO – keine höhere Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung voraus, als den für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens erforderlichen Grad des Tatverdachts (OLG Köln, Urteil vom 21. Dezember 1990 – 19 U 104/90 – OLGZ 1991, S. 352 ff). Deshalb stellt sich das gleichwohl als Restitutionsgrund angeführte Vorliegen einer Straftat in Gestalt eines Aussagedelikts weiterhin als bloße Behauptung dar, welche die Durchführung eines auf Durchbrechung der Rechtskraft eines Endurteils Wiederaufnahmeverfahrens nach der Wertung des § 581 Abs. 1 Alt. 1 ZPO gerade nicht rechtfertigt. Anderseits liegt dann auch kein Fall des § 581 Abs. 1 Alt. 2 ZPO vor, da ein Strafverfahren eingeleitet und durchgeführt ist, wenn auch nicht mit dem Restitutionskläger angestrebten Ergebnis.

6.

Die Klage ist letztlich – nochmals isoliert betrachtet – auch deshalb unzulässig, weil der Kläger die hier fraglichen Gesichtspunkte bereits im zum Aktenzeichen 8 Sa 1157/13 geführten Berufungsverfahren erfolglos geltend gemacht hat bzw. geltend machen konnte.

a. § 582 ZPO bringt den Hilfscharakter der Restitutionsklage – dem Wortlaut der Norm nach in Gestalt einer weiteren Zulässigkeitsvoraussetzung – nochmals und unter einem weiteren Gesichtspunkt zum Ausdruck. Zur Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenen Verfahrens soll es danach nur kommen, wenn der fragliche Grund auch bei sorgfältiger Prozessführung nicht schon im Ausgangsverfahren hätte geltend gemacht werden können (Zöller/Greger, 32. Auflage 2018, § 584 ZPO, Rn 1 m. w. N.). Hieran fehlt es, wenn der Restitutionsgrund der die Wiederaufnahme betreibenden Partei schon während des Ausgangsverfahrens bekannt gewesen ist und dieser dort mit Aussicht auf Erfolg hätte eingewandt werden können (Zöller, Rn 4). Dem steht die erfolglose Geltendmachung des Grundes im Vorprozess denknotwendig gleich.

b. Ausweislich der vom Arbeitsgericht Dortmund im Verfahren 4 Ca 824/13 über die Beweisaufnahme vom 11. April 2013 gefertigten Sitzungsniederschrift hat der Zeuge Q schon im Rahmen seiner erstinstanzlichen Vernehmung bekundet, das Kündigungsschreiben bei persönlicher Zustellung am 24. Januar 2013 im Moment des Zubodenfallens gesehen zu haben, was im Übrigen dem schriftsätzlichen Vorbringen der Beklagten entsprach.

Dem Kläger, der die örtlichen Bedingungen im Bereich seiner Wohnhaustür bekannt sein mussten und – worauf noch einzugehen ist – auch bekannt waren, wäre es durchaus möglich und zumutbar gewesen, im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens 8 Sa 1157/13 insoweit Einwände gegen den objektiven Wahrheitsgehalt der fraglichen Aussage zu erheben und darüber die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Frage zu stellen bzw. Beweisanträge in das Verfahren einzubringen. In der Rechtsmittelschrift ist dieses zunächst unterblieben. Nach dem Protokoll der über die weitere, im Rahmen des Berufungsverfahrens 8 Sa 1157/13 durchgeführten Beweisaufnahme hielt der Kläger dort dem Zeugen Q, der die fraglichen Angaben erster Instanz nochmals bestätigt hatte, dann aber ausdrücklich vor, dass „die betreffende Scheibe von außen undurchsichtig sei“, was er durch die Einführung von zwei durch die Kammer in Augenschein genommene, sodann den Gerichtsakten zugeführte Lichtbilder noch untermauerte.

Damit steht für die Berufungskammer zum einen fest, dass der Kläger bereits zum damaligen Zeitpunkt genaue Kenntnis von den Sichtverhältnissen im Haustürbereich hatte, diesen Gesichtspunkt also in das Beweisverfahren einführen konnte und auch eingeführt hat. Zum anderen ist dokumentiert, dass die behauptete objektive Fehlerhaftigkeit der Aussage des Zeugen Q schon damals im Raume stand und vom Kläger – wenngleich erfolglos – auch eingewandt worden ist. Soweit dies aus heutiger Sicht des Klägers nicht mit dem entsprechenden Nachdruck und / oder in ausreichend geeignete Weise erfolgt sein sollte, ist zum Ausgleich oder zur Reparatur diesbezüglicher Versäumnisse die Restitutionsklage nach § 582 ZPO gerade nicht eröffnet.

Den Gesichtspunkt der objektiven Fehlerhaftigkeit der Angaben des Zeugen Q insoweit hat die Berufungskammer – in damals anderer Besetzung – zudem ausweislich der zum Urteil vom 21. November 2013 niedergelegten Entscheidungsgründe, ausdrücklich in Betracht gezogen. Hierzu hat sich auf Seite 6 unten des Urteils ausgeführt, dass es für die Überzeugungsbildung der Kammer „letztlich ohne Belang ist, ob der Zeuge das Herunterfallen von durchgeschobener Werbung und Kündigungsschreiben durch den Briefschlitz selbst oder die darüber befindliche Glasscheibe beobachtet hat“. Entscheidend sei vielmehr, dass „das Kündigungsschreiben nicht im Briefschlitz stecken blieb, sondern – gemeinsam mit der durchgestoßenen Werbung – hinter dem Briefschlitz innen im Hausflur hörbar zu Boden fiel“, was der Zeuge ebenfalls bekundet hatte. Der Frage der Durchsichtigkeit der Dekorscheibe sei danach „keine fallentscheidende Bedeutung“ beizumessen (Seite 7 oben). Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat die Kammer sodann die Glaubwürdigkeit des Zeugen Q gewürdigt und ausgeführt, es bestünden „keine ernstlichen Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Falschaussage“ (Seite 9). Es werde auch „kein ausreichender Anhaltspunkt für ein Motiv zur Falschaussage gesehen“.

Für die nunmehr erkennende Kammer steht danach fest, dass der Gesichtspunkt der möglichen Falschaussage des Zeugen Q bereits – auf Veranlassung des Klägers – Gegenstand des Ausgangsverfahrens war und dort erfolglos eingewandt worden ist. Für eine zulässige Restitutionsklage besteht folglich nach Maßgabe des § 582 ZPO kein Raum mehr. Der Kläger mag insoweit nochmals vergegenwärtigen, was die damalige Berufungskammer im Urteil vom 21. November 2013 abschließend ausgeführt hat. Sinngemäß: Unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung muss es als realistisch angesehen werden, dass das Kündigungsschreiben zwar in den Hausflur eingeworfen worden, dann aber beim Sortieren der Post zwischen den Werbeblättern unbemerkt geblieben ist (Seite 10 oben). Die für den Kläger verständlicherweise bleibend unbefriedigende Situation jetzt nochmals und mit der Hoffnung auf höheren Erkenntnisgewinn zu beleuchten, darf, kann und muss die Restitutionsklage hier nicht leisten. Selbiges wäre angesichts des zwischenzeitlichen Versterbens des Zeugen Q – wenngleich als Frage der Begründetheit hier nicht entscheidungserheblich – auch kaum mehr möglich.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die mit der Anrufung des unzuständigen Gerichts verbundenen Kosten hat der Kläger nach dem Rechtsgedanken der § 281 Abs. 3 ZPO, § 17b Abs. 2 GVG ebenfalls zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Insbesondere beruht die Entscheidung nicht auf einer Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung.

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