Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 21.04.2016 – 17 Sa 106/16

Juni 16, 2020

Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 21.04.2016 – 17 Sa 106/16

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13.01.2016 – 4 Ca 1719/15 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 24.06.2015 nicht zum 30.09.2015 aufgelöst worden ist.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Endzeugnis zu erteilen, das sich auf Art, Dauer sowie Verhalten und Leistung während des Arbeitsverhältnisses erstreckt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz trägt die Klägerin zu 60 %, der Beklagte zu 40 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt jede Partei zu 50 %.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung des Beklagten beendet ist.

Die 1983 geborene, verheiratete, gegenüber zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Klägerin war seit dem 01.03.2005 als zahnmedinzinische Angestellte im Tätigkeitsbereich der Prophylaxe/Recall/Betreuung Schulen/Kindergarten bei dem Beklagten tätig, der eine Zahnarztpraxis führt.

Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 25.05.2011 (Bl. 7 – 19 d.A.) zugrunde. Die Klägerin erzielte bei einer Teilzeitbeschäftigung von zuletzt 24 Wochenstunden ein monatliches Gehalt von 1.320,83 € brutto.

Die Parteien streiten darüber, wie viele Mitarbeiter ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten bei dem Beklagten tätig sein.

Mit Schreiben vom 25.03.2015 kündigte der Beklagte das zu der Mitarbeiterin S-C bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.06.2015. Am 25.02.2016 schloss er mit ihr in dem Rechtsstreit 15 Sa 1671/15 – Landesarbeitsgericht Hamm – einen gerichtlichen Vergleich, nach dem das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 30.06.2015 beendet ist.

Der Beklagte beschäftigte im Juni 2015 die Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen T, T1, I, E und L mit 40 Wochenstunden sowie die Mitarbeiterin Q mit 35 Wochenstunden und die Mitarbeiterin M mit 30 Wochenstunden. Weiterhin war bei ihm I1 mit 10 Wochenstunden tätig. Hinzu kamen zwei Auszubildende.

Mit Schreiben vom 08.06.2015 (Bl. 22 d. A.) legte der Beklagte den Arbeitsumfang der Klägerin mit 18 Wochenstunden zu veränderten Einsatzzeiten fest. In einem Gespräch am 16.06.2015 lehnte sie die Reduzierung ihrer Arbeitszeit ab.

Mit Schreiben vom 22.06.2015 (Bl. 23 d. A.) erteilte ihr der Beklagte eine Abmahnung mit der Begründung, sie habe am 18.06.2015 ohne Abmeldung und Genehmigung ihrer Arbeitszeit statt um 18.00 Uhr um 14.44 Uhr beendet. Sie war anschließend arbeitsunfähig krank.

Mit Schreiben vom 24.06.2015 (Bl. 21 d. A.) kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt, nach seiner Berechnung zum 30.09.2015.

Mit Schreiben vom 25.06.2015 (Bl. 118 d. A.) kündigte er das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiterin E zum 30.09.2015. Am 02.02.2016 einigte er sich mit ihr in dem vor dem Arbeitsgericht Bielefeld unter dem Az. 1 Ca 1688/15 geführten Verfahren auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2015 (Bl. 119 – 121 d. A.). Der Vergleich ist bestandskräftig.

Mit Schreiben ebenfalls vom 25.06.2015 (Bl. 126 d. A.) kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters L betriebsbedingt zum 30.09.2015 und bot ihm an, das Arbeitsverhältnis mit 20 Wochenstunden bei einem reduzierten Gehalt fortzusetzen (Bl. 125 d. A.). Mit Schreiben vom 06.07.2015 nahm Herr L das Änderungsangebot an.

Mit Schreiben vom 07.07.2015 (Bl. 122, 123 d. A.) teilte der Beklagte der BKK Pfalz mit, dass die mit 40 Wochenstunden beschäftigte Mitarbeiterin G wegen ihrer Schwangerschaft nicht mehr in der Assistenz eingesetzt, sondern nur noch mit acht Wochenstunden in der Rezeption tätig sein könne; im Übrigen sei sie von der Arbeitsleistung freigestellt.

Mit Schreiben vom 12.10.2015 (Bl. 123 d. A.) sprach er gegenüber der Mitarbeiterin Q eine Änderungskündigung zum 31.12.2015 mit dem Angebot aus, ihre Wochenarbeitszeit von 35 Stunden auf 25 Stunden zu reduzieren. Mit Schreiben vom 29.10.2015 (Bl. 124 d. A.) lehnte sie das Änderungsangebot ab und akzeptierte die Kündigung zum 31.12.2015.

Der Beklagte hat einen am 01.07.2015 mit der ehemaligen Auszubildenden E1 mit Wirkung zum 01.07.2015 abgeschlossenen Arbeitsvertrag (Bl. 127 – 138 d. A.) sowie einen mit Frau D am 23.10.2015 mit Wirkung zum 01.11.2015 abgeschlossenen Arbeitsvertrag (Bl. 170 – 181 d. A.) in Kopie vorgelegt.

Mit ihrer am 14.07.2015 bei dem Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung vom 24.06.2015. Gleichzeitig hat sie auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des Gehalts für Juni 2015 in Höhe von 1.320,23 € brutto und Erteilung eines Zwischenzeugnisses, hilfsweise für den Fall der Abweisung des Kündigungsschutzantrags auf Erteilung eines Endzeugnisses geklagt.

Sie hat die Auffassung vertreten, das Kündigungsschutzgesetz sei auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbar, und hat behauptet:

Neben den Beschäftigten T, T1, I, I1, G, E, Q, M und L, zählten auch die Mitarbeiterinnen S-C, C1 und E1.

Das Arbeitsverhältnis zu Frau S-C habe bei Kündigungszugang noch bestanden.

Frau C1 befinde sich in Elternzeit. Die Einstellung des Mitarbeiters L sei erst Monate nach Beginn der Elternzeit in Folge des Ausscheidens einer anderen Mitarbeiterin erfolgt. Zu berücksichtigen sei, dass Frau C1 in Teilzeit (Faktor 0,5) beschäftigt, während Herr L mit 40 Wochenstunden tätig sei.

Die Mitarbeiterin E1 sei nicht zum 01.07.2015 eingestellt worden. Ausweislich der Zeiterfassungsliste (Bl. 82 d. A.) sei sie im Juni 2015 umfangreich eingesetzt worden.

Im Übrigen verletze die Kündigung das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB.

Mit am 13.11.2015 bei dem Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin ihren auf Zahlung des Junigehaltes gerichteten Klageantrag zurückgenommen.

Im Kammertermin vom 13.01.2016 hat der Beklagte ihren Anspruch auf Erteilung eines wohlwollenden Zwischenzeugnisses anerkannt. Auf Antrag der Klägerin hat das Arbeitsgericht Bielefeld ein Teil-Anerkenntnisurteil (Bl. 87, 88 d. A.) erlassen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 24.06.2015 nicht zum 30.09.2015 aufgelöst worden ist, hilfsweise für den Fall, dass der Feststellungsantrag abgewiesen wird, 2. den Beklagten zu verurteilen, ihr ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie auf Verhalten und Leistung während des Arbeitsverhältnisses erstreckt.

Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er hat eingeräumt, dass die Kündigung nur mit einer Kündigungsfrist von vier Monaten zum Monatsende zum 31.10.2015 Wirkung entfaltet. Im Übrigen hat er vorgetragen:

Er habe Frau E1 – wie durch Vorlage der Kopie ihres Arbeitsvertrages nachgewiesen – erst zum 01.07.2015 eingestellt.

Mit Frau G habe er eine Teilzeitbeschäftigung von nur noch acht Stunden vereinbart.

Auch Herr L habe sich mit einer Arbeitszeitreduzierung auf 20 Wochenstunden einverstanden erklärt. Er sei am 02.12.2013 eingestellt worden. Die Mitarbeiterin C1 befinde sich seit dem 14.01.2014 bis zum 14.01.2017 in Elternzeit. Als Teilzeitbeschäftigte sei sie grundsätzlich mit einem Faktor von 0,5 zu berücksichtigen. Allerdings habe er Herrn L teilweise als Ersatz für Frau C1 eingestellt. Desweiteren habe er zusätzliche Aufgaben im Aufbau eines Labors übernommen. Daher seien Herr L und Frau C1 insgesamt nur mit dem Faktor 1 zu zählen.

Mit Schluss-Urteil vom 13.01.2016 hat das Arbeitsgericht Bielefeld festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 24.06.2015 aufgelöst ist.

Es hat ausgeführt:

Das Kündigungsschutzgesetz sei auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar.

Auch nach Vortrag des Beklagten seien die Arbeitnehmerin G und der Arbeitnehmer L mit jeweils 40 Wochenstunden eingestellt worden. Eine Reduzierung der Arbeitszeit dieser Beschäftigten habe er nicht schlüssig dargelegt.

Frau S-C sei mit 0,75 zu zählen, da sie in ihrem Kündigungsschutzverfahren erstinstanzlich obsiegt habe.

Auch Frau C1 habe mit 0,5 Berücksichtigung finden müssen. Nach § 21 Abs. 7 BEEG werde der sich in Elternzeit befindliche Arbeitnehmer lediglich dann nicht mitgezählt, wenn ein Vertreter eingestellt worden sei. Erforderlich sei jedoch nach der Systematik des § 21 BEEG, dass dieser befristet eingestellt werde. Der Mitarbeiter L habe jedoch mit dem Beklagten einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen.

Auch Frau E1 sei mit dem Faktor 1 zu zählen, da sie zumindest seit dem 01.07.2015 in Vollzeit beschäftigt werde.

Das Gericht habe im Ergebnis eine Beschäftigtenzahl von 11,25 Arbeitnehmern angenommen. Die Klägerin weise die nach § 1 Abs. 1 KSchG erforderliche Beschäftigungsdauer auf.

Kündigungsgründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG habe der Beklagte nicht vorgetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Schluss-Urteils wird auf Bl. 92 – 100 d. A. verwiesen.

Gegen das ihm am 21.01.2016 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 26.01.2016 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese am 04.03.2016 eingehend begründet.

Er rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und trägt vor:

Im Juni 2015 habe er entschieden, das Personal zu reduzieren.

Zum Zeitpunkt der Kündigung der Klägerin habe er maximal neun Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen beschäftigt. Durch die Personalmaßnahmen sei die Mitarbeiterzahl auf Dauer auf sechs Beschäftigte reduziert worden.

Wegen der Berechnung des Beklagten im Einzelnen wird auf seinen Schriftsatz vom 03.03.2016 (Bl. 111 d. A.) verwiesen.

Aufgrund des Vergleiches sei Frau S-C nach betriebsbedingter Kündigung mit dem 30.06.2015 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.

Auch Frau E sei aufgrund eines bestandskräftigen Vergleiches ausgeschieden, und zwar zum 30.09.2015.

Die Arbeitszeit der Beschäftigten G sei mit Wirkung zum 07.07.2015 auf acht Stunden reduziert worden.

Frau Q sei aufgrund der Kündigung vom 12.10.2015 am 31.12.2015 ausgeschieden.

Herr L habe der Arbeitszeitreduzierung zugestimmt.

Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts sei Frau C1 nicht mit einem Faktor von 0,5 zu zählen. Es sei unschädlich, dass Herr L als Ersatzkraft unbefristet eingestellt worden sei. Nach Sinn und Zweck des § 21 Abs.7 BEEG beschränke sich das Verbot der Doppelzählung nicht auf die befristete Einstellung einer Vertretung.

Die Beschäftigung Frau E1s sei von der Klägerin nicht durch Vorlage der Zeiterfassungsliste belegt. Sie habe die im Praxiscomputer gespeicherte Auflistung der Sollstunden der einzelnen Beschäftigten ausgedruckt. Die Sollstunden Frau E1s hätten sich auf das Ausbildungsverhältnis bezogen. Sie habe im Juni 2015 lediglich an den letzten drei oder vier Arbeitstagen ein Praktikum in der Praxis verrichtet.

Er habe das Maßregelungsverbot nicht mit Ausspruch der Kündigung verletzt. Er habe sie nicht im Hinblick auf die abgemahnte Pflichtverletzung ausgesprochen, sondern wegen der beschlossenen Reduzierung der Arbeitskräfte.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld, Az. 4 Ca1719/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt ergänzend aus:

Über die Homepage des Beklagten habe sie bzw. ihr Prozessbevollmächtigter bei Vorbereitung der Berufungserwiderung Kenntnis von der Beschäftigung Frau Ds in der Praxis erhalten. Sie gehe davon aus, dass diese schon im Juni 2015 eingestellt worden sei und sich ihre Beschäftigung mit ihrer – der Klägerin – Freistellung überschnitten habe. Der Beklagte habe diese Mitarbeiterin im Juni bar bezahlt und nicht zur Sozialversicherung angemeldet.

Ausweislich der Veröffentlichungen der Bundesagentur für Arbeit über Stellenangebote suche der Beklagte weiterhin eine zahnmedizinische Fachangestellte bzw. einen Angestellten (Bl. 158, 159 d. A.). Daraus folge, dass er sein Personal nicht dauerhaft habe reduzieren wollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 b, c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13.01.2016 ist teilweise begründet.

I.

Der zulässige Kündigungsschutzantrag der Klägerin ist nur zum Teil begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat nicht zum 30.09.2015, jedoch zum 31.10.2015 sein Ende gefunden.

1. Die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 24.06.2015 ist nicht auf ihre soziale Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 KSchG zu prüfen, da die Vorschrift gemäß § 23 Abs. 1 KSchG nicht auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist.

Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gilt § 1 KSchG nicht für Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zur ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, wenn das Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2003 begonnen hat.

a. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist zum 01.03.2005 begründet worden.

b. Der Beklagte beschäftigt nicht mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

Für die Berechnung der Arbeitnehmerzahl bedarf es ausgehend vom Kündigungszeitpunkt eines Rückblicks auf die bisherige personelle Situation und einer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung (BAG 08.10.2009 – 2 AZR 654/08 – Rdnr. 14, DB 2010, 230). Maßgeblich ist die Beschäftigungslage, die allgemein für den Betrieb kennzeichnend ist. Der bloße Entschluss des Arbeitgebers, seinen Betrieb künftig auf Dauer mit nicht mehr als zehn Arbeitnehmern fortzusetzen, führt nicht an sich zur Unterschreitung des Schwellenwertes. Entscheidend ist, ob ein Personalabbau auf einer unternehmerischen Entscheidung beruht, aus der sich ergibt, wie viele Arbeitnehmer voraussichtlich insgesamt entlassen werden. Eine einheitliche Planungsentscheidung kann auch stufenweise durchgeführt werden (BAG 08.10.2009 a.a.O. Rdnr. 15). Dabei sind die gekündigten Arbeitnehmer selbst dann zu berücksichtigen, wenn die unternehmerische Entscheidung vorsieht, ihre Arbeitsplätze nicht neu zu besetzen, wenn er demnach den Betrieb einschränken will (BAG 22.01.2004 – 2 AZR 237/03 – Rdnr. 14, NJW 2004, 1818).

Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der in § 23 Abs. 1 KSchG geregelten betrieblichen Geltungsvoraussetzungen des KSchG (BAG 23.10.2008 – 2 AZR 131/07 – Rdnr. 29, EZA § 23 KSchG Nr. 33). An die Erfüllung der Darlegungslast sind jedoch keine zu hohen Anforderungen zu stellen, wie schon das erstinstanzliche Gericht ausgeführt hat. Der Arbeitgeber kann aufgrund seiner Sachnähe ohne Weiteres Angaben zum Umfang und zu der Struktur seiner Mitarbeiterschaft machen. Deshalb genügt der Arbeitnehmer regelmäßig seiner Darlegungslast, wenn er entsprechend seinen Kenntnismöglichkeiten die für eine entsprechende Arbeitnehmerzahl erforderlichen Tatsachen und ihm bekannte äußere Umstände schlüssig darlegt. Der Arbeitsgeber muss dann gemäß § 138 Abs. 2 BGB erklären, welche rechtserheblichen Umstände gegen die Darlegungen des Arbeitnehmers sprechen (BAG 23.10.2008 a.a.O. Rdnr. 30).

aa. Für die Ermittlung der Beschäftigtenzahl ist mit Blick auf die Vergangenheit und die Zukunft auf die Beschäftigtenzahl im Juni 2015 abzustellen.

Wie sich aus dem Vortrag der Parteien ergibt und von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde, hat er in diesem Monat die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Arbeitskräfteanteil in seiner Praxis durch Vereinbarungen über Arbeitszeitreduzierungen, durch Änderungs- und Beendigungskündigungen zu verringern. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen hat er im Juni 2015 die Arbeitsverhältnisse der Klägerin und der Kollegin E gekündigt und dem Mitarbeiter L eine Änderungskündigung erklärt. Gegenüber der Mitarbeiterin Q wurde am 12.10.2015 eine Änderungskündigung zur Arbeitszeitreduzierung erklärt.

Gegen die Absicht des Beklagten, seinen Personalbestand dauerhaft zu reduzieren, spricht auch nicht der Blick auf die zukünftige Entwicklung. Die Klägerin hat selbst auf die Angaben des Beklagten bezüglich seines Praxisteams in seiner Homepage 2016 verwiesen. Sie hat ihr die Beschäftigung der Mitarbeiterin D entnommen. Die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten T (1), T1 (1), I (1), G (1), M (1), L (maximal 1) und I1 (0,5) bestehen nach dem Parteivorbringen fort. Hinzugekommen sind die Beschäftigten E1 und D, die jeweils mit dem Faktor 1 zu zählen sind. Es ergibt sich eine Beschäftigtenzahl von 8,5. Der Schwellenwert von zehn Arbeitnehmern ist nicht überschritten.

bb. Im Juni 2015 waren unstreitig folgende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit folgenden Anteilen i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG beschäftigt:

Im Zwischenergebnis sind unstreitig sieben Mitarbeiter zu berücksichtigen.

cc. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Mitarbeiterin G ebenfalls mit dem Faktor 1 zu zählen. Unstreitig ist sie mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Die Reduzierung der Arbeitszeit ab dem 07.07.2015 beruhte ausweislich der vorgelegten Unterlagen auf einem Beschäftigungsverbot im Hinblick auf ihre Schwangerschaft, wie sich aus dem Schreiben des Beklagten an die BKK Pfalz vom 07.07.2015 ergibt.

Das Zwischenergebnis erhöht sich auf acht Beschäftigte.

dd. Die Kammer unterstellt zugunsten der Klägerin, dass die Mitarbeiterin E1 nicht zum 01.07.2015, sondern schon im Juni 2015 eingestellt und von dem Beklagten beschäftigt wurde, so dass neun Beschäftigte zu berücksichtigen sind.

ee. Die ehemalige Arbeitnehmerin S-C ist bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl nicht zu berücksichtigen. Sie ist aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung des Beklagten vom 26.03.2015 mit dem 30.06.2015 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Die Arbeitnehmerin und der Beklagte haben sich entsprechend am 25.02.2016 in dem Rechtsstreit 15 Sa 1671/15 vor dem Landesarbeitsgericht Hamm verglichen. Die Einstellung einer Ersatzkraft ist auch von der Klägerin nicht behauptet worden.

ff. Zu den im Juni 2015 Beschäftigten gehört nicht die Mitarbeiterin D. Ausweislich des von dem Beklagten vorgelegten Arbeitsvertrags ist sie zum 01.11.2015 eingestellt worden. Soweit die Klägerin auf § 1 Abs. 5 des Arbeitsvertrags hinweist, wonach Frau D die Arbeitsstelle spätestens am 01.11.2015 antreten sollte, ergibt sich daraus kein Anhaltspunkt für eine Beschäftigung bereits im Juni 2015. Die jedenfalls bis zum 18.06.2015 tatsächlich im Betrieb tätige Klägerin hat trotz der umfangreichen erstinstanzlichen Erörterungen zu der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes mit keinem Wort auf die Beschäftigung Frau Ds hingewiesen. Erst in der Berufungsinstanz hat sie vorgetragen, auch diese sei „mitzuzählen“.

Ihr diesbezüglicher Vortrag ist widersprüchlich. Aus der Einlassung ihres Prozessbevollmächtigten folgt, dass dieser erst bei der Vorbereitung der Berufungserwiderung durch Blick auf die Homepage des Beklagten festgestellt hat, dass zu dem Praxisteam des Beklagten jedenfalls nach dem Internetauftritt in 2016 auch die zahnmedizinische Fachangestellte D gehört. Nach seinen Angaben hat er die Klägerin auf seine Feststellungen aufmerksam gemacht. Gleichzeitig hat er darauf hingewiesen, dass diese davon ausgehe, der Eintritt Frau Ds in den Betrieb habe sich mit ihrer – der Klägerin – Freistellung überschnitten. Er hat damit offenkundig erklären wollen, warum die Klägerin erstinstanzlich nicht zu dieser Arbeitnehmerin vorgetragen hat.

Der Vortrag ist jedoch nicht schlüssig, weil sie persönlich befragt behauptet hat, der Beklagte habe Frau D im Juni 2015 „schwarz“ beschäftigt, sie nicht zur Sozialversicherung angemeldet und bar entlohnt. Damit hat sie sehr detaillierte Kenntnisse für sich in Anspruch genommen.

gg. Entgegen ihrer Auffassung sind die Beschäftigen L und C1 insgesamt nur mit dem Faktor 1 zu berücksichtigen, obwohl die Arbeitnehmerin C1 unstreitig mit einer Wochenstundenzahl von nicht mehr als 20 Stunden und der Arbeitnehmer L mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt wurden.

(1) Nach Vortrag des Beklagten wurde der Mitarbeiter L mit einer halben Stelle als Vertretungskraft für die sich in Elternzeit befindliche Mitarbeiterin C1 eingestellt. Er hat behauptet, Herr L sei zum 02.12.2013 eingestellt worden, während Frau C1 ab dem 14.01.2014 Elternzeit in Anspruch genommen hat. Sie muss die Elternzeit demnach gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 BEEG schon Ende November 2013 beantragt haben und hat sich nach dem zeitlichen Ablauf bei Einstellung des Mitarbeiters L bereits in Mutterschutz befunden. Der enge zeitliche Zusammenhang spricht dafür, dass Herr L neben zusätzlichen Aufgaben im Labor auch die Aufgaben der teilzeitbeschäftigten Mitarbeiterin C1 übernommen hat. Die Klägerin ist diesem Vortrag lediglich mit der Behauptung entgegengetreten, Herr L sei Monate nach Inanspruchnahme der Elternzeit für eine andere, durch Eigenkündigung ausgeschiedene Arbeitnehmerin eingestellt worden. Auch unter Berücksichtigung ihrer Schwierigkeiten, die genauen zeitlichen Abläufe darzustellen, hatte sie zumindest Kenntnis, welche Kollegin zu welchem ungefähren Zeitpunkt ausgeschieden ist. Sie konnte aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Kollegen L über eine geraume Zeit auch Einblick in seinen Aufgabenbereich gewinnen und hätte wenigstens bestätigen oder in Abrede stellen können, dass er teilweise im Labor, teilweise mit Aufgaben beschäftigt war, die zuvor von der Kollegin C1 erfüllt wurden.

(2) Der Mitarbeiter L wurde jedoch nicht befristet zur Vertretung eingestellt. Gleichwohl ist Frau C1 gemäß § 21 Abs. 7 BEEG bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl im Rahmen des § 23 Abs. 1 KSchG nicht mitzuzählen.

Nach § 21 Abs. 7 BEEG werden, wenn im Rahmen arbeitsrechtlicher Gesetze auf die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen abgestellt wird, bei der Ermittlung dieser Zahl Beschäftigte nicht mitgezählt, die sich in Elternzeit befinden, solange für sie aufgrund von Abs. 1 ein Vertreter oder eine Vertreterin eingestellt ist.

Ob die Vorschrift einen allgemeinen Rechtsgedanken des Inhalts enthält, dass bei der Ermittlung der sogenannten Regelarbeitnehmerzahl nur der Arbeitnehmer, der (endgültig oder vorrübergehend) aus dem Betrieb ausscheidet, oder die für ihn eingestellte Ersatzkraft mitgezählt wird (so LAG Hamm 03.04.1997 – 4 Sa 693/96, AP Nr. 15 zu § 23 KSchG 1969; Bruns, BB 2008, 386, 387; a.A. APS – Backhaus, 4. Aufl., § 21 BEEG Rdnr. 42) kann dahinstehen.

Durch § 21 Abs. 7 BEEG soll sichergestellt sein, dass bei der Ermittlung der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer nur der/die Elternzeitberechtigte oder die für ihn/sie eingestellte Ersatzkraft mitgezählt wird und gewährleistet ist, dass bei einer regelmäßigen Beschäftigtenzahl von fünf bzw. zehn Arbeitnehmern, von denen eine Person in Elternzeit ist und für die zusätzliche eine Ersatzkraft eingestellt wurde, die Kleinbetriebsklausel weitergilt (BAG 31.01.1991 – 2 AZR 356/90 – Rdnr. 20, NZA 1991, 562 [BAG 31.01.1991 – 2 AZR 356/90] ). Der Arbeitgeber soll nicht deshalb von der Einstellung einer Ersatzkraft absehen, weil die Erhöhung der Arbeitnehmerzahl zu der Anwendung weiterer Arbeitnehmerschutzvorschriften im Betrieb führen könnte (LAG Düsseldorf 06.07.2000 – 12 TaBV 35/00 – Rdnr. 22, NZA-RR 2001, 308). In der Literatur und Rechtsprechung ist streitig, ob die Verrechnungsregelung in § 21 Abs. 7 BEEG nur dann anwendbar ist, wenn die Vertretungskraft befristet eingestellt ist.

Zur Begründung der Auffassung, der Vertreter müsse befristet beschäftigt werden, wird auf die Systematik des § 21 BEEG hingewiesen. § 21 Abs. 7 BEEG verweist in Satz 1 auf die Einstellung eines Vertreters „aufgrund von Abs. 1“. In § 21 Abs. 1 BEEG ist jedoch ein Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses zur Vertretung eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin geregelt, der/die sich in Elternzeit befindet. Die Absätze 2 – 6 der Norm betreffen ebenfalls das befristete Arbeitsverhältnis der Vertretungskraft. Daraus wird der Schluss gezogen, § 21 Abs. 7 BEEG verbiete die Doppelzählung nur bei Befristung des Vertretungsarbeitsvertrags (Erfk/Müller-Glöge, 16. Aufl., § 21 BEEG Rdnr. 11, Bruns a.a.O. S. 387; LAG Rheinland-Pfalz 05.02.2004 – 6 Sa 1226/03 – Rdnr. 34 für den Fall der formunwirksamen Befristungsvereinbarung; offen gelassen LAG Hamm 18.03.1998 – 3 TaBV 42/98 – Rdnr. 31).

Die Gegenmeinung lässt es ausreichen, dass die Vertreterstellung belegbar ist, und wendet das Verbot der Doppelzählung auch im Fall der unbefristeten Beschäftigung der Vertretungskraft an (LAG Nürnberg 16.02.2016 – 7 Sa 225/15 – Rdnr. 54; Revision 2 AZR 225/16; LAG Düsseldorf 26.07.2000, a.a.O., Rdnr. 21, 22; APS/Backhaus, a.a.O., § 21 BEEG Rdnr. 44; KR/Lipke, 11. Aufl., § 21 BEEG Rdnr. 77).

Das Gericht schließt sich letzterer Auffassung an. Auch wenn der Wortlaut des § 21 Abs. 7 BEEG auf den Sachgrund der Befristung in § 21 Abs. 1 BEEG Bezug nimmt, sind bei der Auslegung der Norm auch Sinn und Zweck zu berücksichtigen. Für den Betrieb kennzeichnend ist gerade im Rahmen des § 23 Abs. 1 KSchG nur die Beschäftigung entweder der Stammkraft oder der Vertretungskraft. Es soll durch § 21 Abs. 7 BEEG – wie bereits dargestellt – vermieden werden, dass auf einen Betrieb Vorschriften nur deshalb zur Anwendung gelangen, weil für eine sich in Elternzeit befindliche Kraft eine Vertretung eingestellt wurde (BAG 15.03.2006 – 7 ABR 39/05 – Rdnr. 14, Ez AÜG BetrVG Nr. 93; LAG Nürnberg 16.02.2016, a.a.O., Rdnr. 56 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien).

Die Stellung als Ersatzkraft kann sich zwar in der Befristung des Vertrages dokumentieren. Sie ist aber bei entsprechender Zuordnung auch nicht ausgeschlossen, wenn der Arbeitsvertrag als Grundlage der Beschäftigung unbefristet abgeschlossen wird. Wie das LAG Nürnberg zutreffend ausgeführt hat, gewinnt die Arbeitsvertragsgestaltung der Ersatzkraft erst dann Bedeutung, wenn die vertretene Stammkraft in den Betrieb zurückkehrt. Erst dann muss sich der Arbeitgeber entscheiden, ob er das Arbeitsverhältnis mit der Ersatzkrafft fortführen oder beenden will (LAG Nürnberg 16.02.2016, a.a.O., Rdnr. 56). Sieht er von der Flexibilisierung des Beschäftigungsverhältnisses durch eine Sachgrundbefristung i.S.d. § 21 Abs. 1 BEEG ab, muss er entweder das Arbeitsverhältnis mit dem Vertreter kündigen oder aber es erhöht sich die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer im Moment der Rückkehr der vertretenen Kraft aus der Elternzeit. Überschreitet die Zahl der Mitarbeiter dann den Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG, genießen beide Arbeitnehmer, der Vertreter und die zurückkehrende Kraft, den Schutz des § 1 Abs. 2, 3 KSchG im Falle einer betriebsbedingten Kündigung. Gegen diese ist der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin, der/die sich in Elternzeit befindet, während der Elternzeit gemäß § 18 Abs. 3 BEEG geschützt.

Wird der Schwellenwert nach § 23 Abs. 1 KSchG auch bei Rückkehr der sich in Elternzeit befundenen Kraft nicht überschritten, verändert sich ihre rechtliche Ausgangssituation im Falle einer Kündigung nicht durch die unbefristete Beschäftigung der Vertretungskraft. Mit und ohne ihre Beschäftigung besteht lediglich der Schutz nach § 18 Abs. 1 BEEG (LAG Nürnberg 16.02.2016, a.a.O., Rdnr. 58).

Die im Zwischenergebnis festgestellte Zahl der Arbeitnehmer erhöht sich demnach nicht um den Faktor 1,5, sondern lediglich um den Faktor 1. Der Schwellenwert von zehn Arbeitnehmern ist nicht überschritten.

2. Die Kündigung ist nicht wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot gemäß §§ 612 a, 134 BGB nichtig.

Nach § 612 a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht bei einer Maßnahme benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

a. Die Klägerin hat in zulässiger Weise ihre Rechte wahrgenommen, indem sie die Aufforderung des Beklagten, ab sofort nicht nur zu anderen Arbeitszeiten, sondern in einem reduzierten Umfang von nur noch 18 Wochenstunden zu arbeiten, zurückgewiesen hat und infolge Krankheit ab dem 18.06.2015 an ihre Arbeitsleistung gehindert war.

b. Es ist jedoch nicht feststellbar, dass ihre Rechtsausübung kausal für die Kündigungsentscheidung des Beklagten war.

Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, d. h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nicht aus, das die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet (BAG 14.03.2007 – 5 AZR 420/06 – Rdnr. 34, NZA 2007, 862 [BAG 14.03.2007 – 5 AZR 420/06] ). Allerdings ist eine Absicht des Arbeitgebers nicht erforderlich. Eine dem Maßregelungsverbot widersprechende Maßnahme kann auch vorliegen, wenn an sich ein Sachverhalt gegeben ist, der die Maßnahme gerechtfertigt hätte, der aber nicht das Motiv des Arbeitgebers gebildet hat (APS/Linck, a.a.O. § 612 a BGB Rdnr. 12).

Den Arbeitnehmer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er wegen seiner Rechtsausübung vom Arbeitgeber benachteiligt worden ist (BAG 02.04.1987 – 2 AZR 227/86 – Rdnr. 27, NZA 1988, Rdnr. 18). Bei der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sind die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zu beachten (APS/Linck a. a. O. § 612 a BGB Rdnr. 22 a). Für den Arbeitnehmer kann der Beweis des ersten Anscheins sprechen. Ein Anscheinsbeweis ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Rechtsausübung und Maßnahme des Arbeitgebers besteht und mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Maßnahme des Arbeitgebers als Reaktion auf die Ausübung eines Rechts durch den Arbeitnehmer erfolgt ist. Diese tatsächliche Vermutung muss der Arbeitgeber durch substantiierten Sachvortrag widerlegen und nachweisen, dass er die Maßnahme aus sachgerechten Gründen vorgenommen hat (LAG Niedersachen 12.09.2005 – 5 Sa 396/05 – Rdnr. 55, NZA-RR 2006, 346 [LAG Niedersachsen 12.09.2005 – 5 Sa 396/05] ).

Hier mag angesichts des zeitlichen Zusammenhangs der Rechtsausübung und der Arbeitsunfähigkeit eine tatsächliche Vermutung anzunehmen sein. Jedoch hat der Beklagte hinreichend dargelegt, dass die Rechtsausübung der Klägerin nicht ausschlaggebendes Motiv für die Kündigung war. Er hat lediglich seine unternehmerische Entscheidung zur Reduzierung der Personalstärke nach Scheitern der Vertragsverhandlungen mit der Klägerin umgesetzt. Nicht nur ihr, sondern auch Kolleginnen und Kollegen sind im Juni 2015 auf Reduzierung der Arbeitszeit gerichtete Angebote unterbreitet worden. Der Beklagte hat nicht nur das Arbeitsverhältnis der Klägerin gekündigt, sondern auch weitere Arbeitsverhältnisse. Gegenüber dem Mitarbeiter L ist am 25.06.2015 eine Änderungskündigung zum 30.09.2015 ausgesprochen worden. Das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiterin E wurde mit Schreiben ebenfalls vom 25.06.2015 gekündigt. Auch ihr gegenüber hat der Beklagte eine Beendigungskündigung ausgesprochen.

Die der Klägerin zuvor erteilte Abmahnung vom 22.06.2015 lässt allein nicht den Schluss auf ein Benachteiligungsmotiv des Beklagten zu. Sie hat die Abmahnung zwar als ungerechtfertigt bezeichnet, aber die Behauptung des Beklagten, sie habe ihre Arbeitszeit am 17.06.2015 unentschuldigt nicht eingehalten, nicht durch entsprechenden Sachvortrag bestritten.

3. Die Kündigung ist auch nicht mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam. Der Beklagte hat die ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Termin verbunden mit dem Hinweis ausgesprochen, dass nach seiner Berechnung der 30.09.2015 der Beendigungstermin ist.

Eine Kündigung muss als empfangsbedürftige Willenserklärung so bestimmt sein, dass der Kündigungsempfänger erkennen kann, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aus Sicht des Kündigenden enden soll. Im Fall der ordentlichen Kündigung genügt regelmäßig die Angabe der Kündigungsfrist oder des Kündigungstermins (BAG 20.01.2016 – 6 AZR 782/14 – Rdnr. 15, NJW 2016, 1117 [BAG 20.01.2016 – 6 AZR 782/14] ; 15.12.2005 – 2 AZR 148/05 – Rdnr. 24, BAGE 116,336).

Eine Kündigung zum nächstzulässigen Termin ist möglich, wenn dem Empfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder sie für ihn bestimmbar ist. Eine solche Kündigung ist typischerweise dahin zu verstehen, dass der Kündigende die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Termin erreichen will, der sich bei Anwendung der gesetzlichen, tariflichen oder einzelvertraglichen Kündigungsfrist ergibt. Der von dem Erklärenden gewollte Beendigungstermin ist damit objektiv eindeutig bestimmbar. Das ist jedenfalls dann ausreichend, wenn für den Empfänger die zutreffende Kündigungsfrist leicht feststellbar ist und nicht umfassende tatsächliche Ermittlungen oder die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen erfordert (BAG 20.01.2016 a.a.O. Rdnr. 16).

Der Beklagte hat mit seiner Angabe, er habe den 30.09.2015 berechnet, lediglich eine Wissenserklärung abgegeben. Die Kündigung „zum nächstmöglichen Termin“ lässt sich gemäß §§ 133, 157 BGB dahin auslegen, dass er in jedem Fall die zutreffende Kündigungsfrist wählen wollte. Diese war für die Klägerin ohne weitere Anstrengung zu ermitteln. In § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags haben die Parteien zwar eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende gewählt, gleichzeitig aber bestimmt, dass jede gesetzliche Verlängerung der Kündigungsfrist für beide Parteien gilt. Damit haben sie auf § 622 Abs. 2 BGB Bezug genommen. § 622 Abs. 2 Nr. 4 BGB lässt sich unschwer entnehmen, dass die gesetzliche Kündigungsfrist bei der Beschäftigungsdauer der Klägerin vier Monate zum Monatsende beträgt. Entsprechend hat der Beklagte erstinstanzlich unwidersprochen eingeräumt, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis erst zum 31.10.2015 beendet.

II.

Der auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses gerichtete Hilfsantrag der Klägerin ist zur Entscheidung angefallen.

Er ist zulässig und begründet, da der Beklagte gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 GewO verpflichtet ist, der Klägerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis zu erteilen, das nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO auf Verlangen nicht nur Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit, § 109 Abs. 1 Satz 2 GewO, sondern auch zu Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis enthalten muss.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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