OLG München, Beschluss vom 22.07.2011 – 34 Wx 148/11

Juni 20, 2020

OLG München, Beschluss vom 22.07.2011 – 34 Wx 148/11

Tenor

I. Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Starnberg – Grundbuchamt – vom 1. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdewert beträgt 3.000 €.
Gründe

I.

Der Beteiligte ist Eigentümer von Grundbesitz. Zugunsten seines Grundstücks FlSt. …/24 ist an anderen Grundstücken – Flst. …/13 (alt) und Flst. …/14 (alt) – eine Grunddienstbarkeit (Bebauungsbeschränkung sowie Verbot der Verwendung für gewerbliche Zwecke, als Lagerplatz oder für andere Zwecke als Garten) eingetragen.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle änderte am 22.9.2009 aufgrund des Fortführungsnachweises (VN) 1471 vom 11.9.2009 die Eintragungen hinsichtlich der Flurstücke …/13 und …/14. Dabei wurde u. a. das Flurstück …/13 zerlegt. Beim Flurstück 218/13 (neu) wurde als Wirtschaftsart statt „Grünland“ nun „Gebäude- und Freifläche“ eingetragen, beim neu gebildeten Flurstück …/31 als Wirtschaftsart „Waldfläche“ und beim neu gebildeten Flurstück …/32 ebenso „Waldfläche“. Das aus Flurstück …/14 („Grünland“) neu gebildete Flurstück …/30 ist nun mit „Gebäude- und Freifläche“ bezeichnet.

Unter dem 1.10.2010 hat der Beteiligte gegen die „amtliche Umwidmung“ der Flurstücke Erinnerung eingelegt. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Mit Beschluss vom 1.12.2010 hat die Grundbuchrichterin die Erinnerung zurückgewiesen mit der Begründung, das Grundbuchamt habe zur Erhaltung der Übereinstimmung zwischen Grundbuch und Liegenschaftskataster die in den Fortführungsmitteilungen des Vermessungsamts enthaltenen Berichtigungen tatsächlicher Art grundsätzlich zu übernehmen, wobei es in der Regel an die einen Verwaltungsakt darstellenden Fortführungsnachweise gebunden sei. Da die eingetragenen Änderungen keine Auswirkungen auf die Rechte des Beteiligten aus der Grunddienstbarkeit hätten, die sich an den neu gebildeten Teilflächen fortsetze, bestehe keine Veranlassung, von diesem Grundsatz abzuweichen.

Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Beteiligten. Es wird damit begründet, dass eine in ihrem Umfang „noch nicht geklärte widerrechtliche Bebauung“ auf „Täuschung, Betrug und Urkundenfälschung“ beruhe. Dies gelte ebenso für die Bestandsangaben und den damit verfolgten Zweck, „den Betrug und die widerrechtliche Bebauung im Grundbuch zu sanktionieren und Boden für die vertragswidrige Immobilienspekulation zu bereiten“. Die Änderungen hätten Auswirkungen auf seine Rechte.

Das Grundbuchamt hat dem als Beschwerde behandelten Rechtsmittel nicht abgeholfen.

II.

1. Die Rechtsmittel ist als Grundbuchbeschwerde zulässig (§ 71 Abs. 1 GBO).

Für die Übernahme von Fortführungsmitteilungen zur Erhaltung der Übereinstimmung zwischen dem Grundbuch und dem amtlichen Verzeichnis nach § 2 Abs. 2 GBO (Liegenschaftskataster) ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig (§ 12c Abs. 2 Nr. 2 GBO). Seine Entscheidungen sind mit der Erinnerung anfechtbar. Über die Erinnerung entscheidet gemäß § 12c Abs. 4 GBO der Grundbuchrichter, also (§ 3 Nr. 1a RPflG) der Rechtspfleger (vgl. Senat vom 25.1.2011, 34 Wx 160/10 = FGPrax 2011, 68). Indes ist es unschädlich, wenn anstelle des Rechtspflegers der – unzuständige – Richter das Geschäft wahrnimmt (§ 8 Abs. 1 RPflG). Dies führt auch nicht zu einer Aufhebung in der Rechtsmittelinstanz (vgl. Bassenge/Roth FGG/RPflG 12. Aufl. § 8 RPflG Rn. 2 m.w.N.). Gegen die Entscheidung über die Erinnerung ist nach allgemeinen Grundsätzen die Beschwerde nach § 71 GBO zulässig, und zwar in diesem Fall trotz § 71 Abs. 2 GBO die unbeschränkte Beschwerde, weil es um die Richtigstellung rein tatsächlicher Angaben geht (Demharter GBO 27. Aufl. § 71 Rn. 38; siehe nachfolgend zu 2.). Da der Beteiligte als Eigentümer eines herrschenden Grundstücks ein Recht (Grunddienstbarkeit, § 1018 BGB) an den zerlegten und bezüglich ihrer Wirtschaftsart neu bezeichneten Grundstücken inne hat, das durch den Vollzug des VN 1471 seinem Vortrag zufolge beeinträchtigt sein soll, ist dieser auch beschwerdeberechtigt.

2. Die Beschwerde kann aber in der Sache keinen Erfolg haben.

9Die Eintragungen in Spalte 3c des Bestandsverzeichnisses (Wirtschaftsart und Lage) im Grundbuch beruhen auf dem Veränderungsnachweis des Vermessungsamtes vom 11.9.2009. Was einzutragen ist, ergibt sich aus § 6 Abs. 3a Nr. 4 GBV (dazu Meikel/-Böttcher GBO 10. Aufl. § 6 GBV Rn. 24; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 14. Aufl. Rn. 575). Das Grundbuchamt ist an den Veränderungsnachweis, weil dieser ein Verwaltungsakt ist, grundsätzlich gebunden und hat ihn ohne weiteres zu vollziehen (vgl. BayObLG Rpfleger 1982, 19; OLG Oldenburg Rpfleger 1992, 387). Allerdings obliegt ihm hierbei auch die Prüfung, ob der Vollzug zu Rechtsänderungen führt und es deswegen noch der Erfüllung weiterer Voraussetzungen bedarf (vgl. BayObLG aaO.). Rechtsänderungen sind mit der neuen Bezeichnung der Wirtschaftsart jedoch nicht verbunden.

10Die Rechtsvermutung des § 891 BGB und der öffentliche Glaube des Grundbuchs nach § 892 BGB erstrecken sich nicht auf die rein tatsächlichen Angaben des Bestandsverzeichnisses, also auch nicht auf die Angaben über die Wirtschaftsart (vgl. BayObLGZ 1987, 410/412; OLG Oldenburg Rpfleger 1992, 387; Demharter § 2 Rn. 26). Diese Angaben stellen Beschreibungen eines tatsächlichen Zustands dar und sagen nichts über die Rechtmäßigkeit etwa einer bestimmten Nutzung aus. Anderes mag für Größenangaben des Grundstücks gelten. Dazu wird die Meinung vertreten, dass diese, auch wenn sie nicht am öffentlichen Glauben des Grundbuches teilnehmen, doch eine in einem öffentlichen Register niedergelegte Beschreibung des Grundstücks darstellen, aus denen im Geschäftsverkehr wesentliche Schlüsse gezogen werden können (vgl. OLG Oldenburg aaO.). Solche unrichtigen tatsächlichen Angaben sind dann von Amts wegen zu berichtigen (vgl. BayObLGZ 1969, 284/288; Demharter § 22 Rn. 23). Jedoch ist das Grundbuchamt grundsätzlich nicht zu Ermittlungen befugt und dazu auch nicht in der Lage. Es kann insbesondere nicht die tatsächliche Nutzung, die im Übrigen Veränderungen unterliegt, überprüfen. Hieran haben auch weder ein Beteiligter noch Dritte ein Interesse. So können zwar etwa aus den Größenangaben für den Rechtsverkehr wesentliche Schlüsse gezogen werden; denn der Rechtsverkehr ist hinsichtlich dieser Angaben gerade auf die Verlautbarungen im Liegenschaftskataster, wie im Grundbuch angewiesen. Dies gilt aber nicht für die Bezeichnung der Wirtschaftsart, die jederzeit und einfach in der Natur überprüft werden kann.

Durch die Eintragungen im Bestandsverzeichnis werden bestehende Rechte, wie etwa eine Dienstbarkeit in Gestalt einer Bebauungs- und Benutzungsbeschränkung, in ihrem Inhalt nicht berührt. Dem Beteiligten bleibt es unbenommen, diese im Falle ihrer Verletzung gerichtlich durchzusetzen.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Der Beschwerdewert ergibt sich aus § 131 Abs. 4 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.

4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

Die Entscheidung ist unanfechtbar.

III.

Die vom Beteiligten gewünschte Weiterleitung von Anzeigen gehört nicht zu den Aufgaben des Oberlandesgerichts im Rahmen der Entscheidung über Grundbuchbeschwerden.

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