OLG Hamm, Beschluss vom 16. Juni 2017 – 15 W 474/16

Juni 23, 2020

OLG Hamm, Beschluss vom 16. Juni 2017 – 15 W 474/16
Antrag auf Zuschreibung eines Kraftfahrzeugstellplatzes zu einer Wohnung im Wohnungsgrundbuch: Gestreckte Begründung von Sondernutzungsrechten durch aufschiebend bedingte Zuordnung; Ausscheiden des teilenden Eigentümers aus der Wohnungseigentümergemeinschaft nach der Zuordnungserklärung
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Das Amtsgericht – Grundbuchamt – Arnsberg wird angewiesen, in dem oben genannten Wohnungseigentumsblatt des Grundbuches von O das Sondernutzungsrecht an dem Stellplatz Nr. 48 einzutragen.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 2) teilte ihr Grundstück mit notarieller Urkunde vom 4. Mai 2001 (UR-Nr. 213/2001 des Notars T) in Wohnungs- und Teileigentum auf. Die Teilungserklärung enthält in § 2 Nr. 7 Regelungen über die Ausgestaltung und Zuweisung von Sondernutzungsrechten. Insbesondere behielt sich die Beteiligte zu 2) darin das Recht vor, durch notariell beurkundete oder beglaubigte Erklärung Kfz-Stellplätze einzelnen Wohnungs-/Teileigentumseinheiten zur alleinigen Nutzung zuzuordnen und die Zuordnung im Grundbuch zu bewirken. Die jeweils anderen Sondereigentümer sind unter der aufschiebenden Bedingung, dass der zur jeweiligen Sondernutzung eines Stellplatzes allein berechtigte Sondereigentümer in dieser Form bestimmt wird, von der Nutzung der Stellplätze ausgeschlossen und haben die unentgeltliche Sondernutzung zu dulden.
Aufgrund notariellen Vertrages vom 21. Oktober 2005 (UR-Nr. 523/2005 des Notars T) erwarb der Beteiligte zu 1) die in Grundbuch O Blatt … eingetragene Eigentumswohnung Nr. 23. In § 1 Nr. 1 dieser Urkunde machte die Beteiligte zu 2) von ihrer Ermächtigung Gebrauch und wies den Stellplatz Nr. 48 als Sondernutzungsrecht dieser Wohnung zu. Zugleich bewilligte sie in dieser Urkunde die Eintragung des Sondernutzungsrechts im Grundbuch.
Die Umschreibung des Miteigentumsanteils der Wohnung auf den Beteiligten zu 1) erfolgte auf Antrag des Urkundsnotars vom 15. Dezember 2005. Einen Antrag auf Zuordnung des Stellplatzes Nr. 48 als Sondernutzungsrecht der Wohnung Nr. 23 stellte der Notar zu diesem Zeitpunkt nicht.
Die Beteiligte zu 2) ist mittlerweile aus der Wohnungseigentumsgemeinschaft ausgeschieden.
Mit Antrag vom 1. Juli 2016 hat der Urkundsnotar die Zuschreibung des Stellplatzes Nr. 48 als Sondernutzungsrecht zur Wohnung 23 beantragt.
Mit Zwischenverfügung vom 4. Juli 2016 hat das Grundbuchamt darauf hingewiesen, dass dem Antrag so nicht stattgegeben werden könne, nachdem die Beteiligte zu 2) nicht mehr aufteilende Eigentümerin sei. Nunmehr sei die Zuordnung des Sondernutzungsrechts durch sämtliche Wohnungseigentümer – mit Ausnahme des begünstigten Beteiligten zu 1 – sowie an den Miteigentumsanteilen dinglich Berechtigten in der Form des § 29 GBO zu bewilligen. Zur Vorlage der Bewilligung hat das Grundbuchamt eine Frist von 2 Monaten gesetzt. Nach Ablauf der Frist hat das Grundbuchamt den Antrag mit Beschluss vom 7. November 2016 zurückgewiesen.
Der gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde der Beteiligten vom 5. Dezember 2016 hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 6. Dezember 2016 nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß § 71 Abs. 1 GBO zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt in Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Anweisung an das Grundbuchamt, die beantragte Eintragung des Sondernutzungsrechts an dem Stellplatz 48 vorzunehmen.
Das von dem Grundbuchrechtspfleger angenommene Eintragungshindernis besteht nicht. Die Zuschreibung des Sondernutzungsrechts an dem Stellplatz Nr. 48 erfordert im gegebenen Fall keine Eintragungsbewilligungen der übrigen Wohnungseigentümer sowie der dinglich Berechtigten. Nachdem die Beteiligte zu 2) von der ihr in der Teilungserklärung eingeräumten Ermächtigung zur Zuordnung des Sondernutzungsrechts Gebrauch gemacht hat und das Sondernutzungsrecht in dem Übertragungsvertrag vom 21. Oktober 2005 dem im oben genannten Grundbuchblatt verzeichneten Wohnungseigentum zugeordnet hat, sind die übrigen Miteigentümer von ihrem Mitgebrauchsrecht ausgeschlossen. Ihre Bewilligung nach § 19 GBO ist daher nicht erforderlich.
Zuweisungsvorbehalte betreffend Sondernutzungsrechte an bestimmtem Gemeinschaftsflächen, insbesondere Kellerräumen oder Stellplätzen, sind grundsätzlich rechtlich möglich (vgl. im Überblick zu den einzelnen Gestaltungen Kümmel in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, Wohnungseigentumsgesetz, 9. Auflage 2010, § 13 WEG, Rdnr. 31). Im vorliegenden Fall wurde eine Gestaltung gewählt, nach der unter der aufschiebenden Bedingung der Zuweisung eines Sondernutzungsrechts an einen bestimmten Wohnungseigentümer die anderen Wohnungs- und Teileigentümer vom Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums hinsichtlich der Gegenstände des Sondernutzungsrechts ausgeschlossen sind. Auch eine solche Gestaltung wird überwiegend für zulässig erachtet (BayObLGZ 1985, 378; OLG Stuttgart, MittBayNot 2013, 306 – 308; Justiz 2002, 408; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Auflage, Rdnr. 2913 a mit weiteren Nachweisen in Fußnote 175; Bauer/von Oefele Grundbuchordnung, 3. Auflage, AT V 146). Die in der Teilungserklärung nebst Nachtrag getroffenen Regelungen wirken über § 10 Abs. 3 WEG auch gegenüber Sonderrechtsnachfolgern anderer Wohnungs- und Teileigentümer (vgl. BayObLGZ 1985, 378). Eine Eintragungsbewilligung der übrigen Eigentümer und der dinglich Berechtigten ist nicht nötig, auch wenn die Zuweisung des Gebrauchs erst nach der Eintragung der Gemeinschaftsordnung erfolgt (Schöner/Stöber, a.a.O., Rdnr. 2913a). Denn der Ausschluss aller nicht begünstigten Wohnungseigentümer vom Mitgebrauch wird in der hier gewählten Gestaltung bereits durch die Teilungserklärung seinem ganzen Inhalt nach begründet (BayObLGZ 1985, 378; OLG Stuttgart, MittBayNot 2013, 306 – 308). Durch die bloße Zuordnung des Gebrauchsrechts an den Eigentümer einer bestimmten Wohnung wird daher ein Gebrauchsrecht anderer Wohnungseigentümer nicht mehr beschränkt. Ihre Bewilligung ist daher entbehrlich.
Für den gegebenen Fall ist auf der Grundlage dieser Grundsätze festzustellen, dass in grundbuchmäßiger Form des § 29 GBO nachgewiesen ist, dass die Bedingung eingetreten ist, von der an die übrigen Wohnungseigentümer gemäß § 2 Ziffer 7 letzter Satz der Teilungserklärung vom 4. Mai 2001 von ihrem Mitgebrauchsrecht ausgeschlossen sind. Denn die Beteiligte zu 2) hat in dem Übertragungsvertrag vom 21. Oktober 2005 von der ihr in der Teilungserklärung eingeräumten Ermächtigung Gebrauch gemacht und – in der vorgeschriebenen Form der notariell beurkundeten Erklärung – das Sondernutzungsrecht an dem Stellplatz Nr. 48 dem im oben genannten Grundbuchblatt verzeichneten Wohnungseigentum zugeordnet.
Entgegen der Auffassung des Grundbuchpflegers ist dabei unerheblich, dass die Beteiligte zu 2) mittlerweile und bei Eingang des Eintragungsantrages vom 1. Juli 2016 beim Grundbuchamt nicht mehr Miteigentümerin und Mitglied der Wohnungseigentumsgemeinschaft ist.
Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur soll bei der vorliegend gewählten Gestaltungsmöglichkeit der sog. „gestreckten Begründung von Sondernutzungsrechten durch aufschiebend bedingte Zuordnung“ – anders als im Falle der gestreckten Begründung von Sondernutzungsrechten bei anfänglichem Ausschluss aller Eigentümer (vgl. BGH NJW 2012, 676 f) – die Zuweisungsbefugnis unabhängig von der Stellung als teilender Eigentümer bestehen; sie soll in diesem Fall vom teilenden Eigentümer auch noch nach seinem Ausscheiden aus der Gemeinschaft vorgenommen werden können (vgl. OLG Frankfurt MittBayNot 2017, 48 – 51 sowie 252 – 257; OLG Stuttgart MittBayNot 2013, 306 – 308; LG München MittBayNot 2004, 366 f; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Aufl., § 13 Rdnr. 39; Häublein MittBayNot 2012, 382, 383; Schneider ZWE 2012, 171, 172). Dies wird damit begründet, dass bei der gegebenen Gestaltung der teilende Eigentümer gerade nicht persönlich sondernutzungsberechtigt sei, sondern nur zuweisungsberechtigt. Diese Befugnis bleibe – sofern nichts anderes vereinbart ist – auch nach dem Ausscheiden aus der Gemeinschaft bestehen. Auch im vorliegenden Fall belegt die Ausgestaltung der Ermächtigung, dass der teilenden Eigentümerin nur eine Zuweisungsbefugnis in diesem Sinne erteilt werden sollte. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass der Beteiligten zu 2) in der Teilungserklärung vorbehalten worden ist, die Zuweisungsbefugnis auch auf einen Dritten zu übertragen. Daraus ist erkennbar, dass die Befugnis unabhängig von einem persönlichen Sondernutzungsrecht bestehen sollte.
Ob der Senat sich dem im Einzelnen anschließt und eine Zuordnungsbefugnis der Beteiligten zu 2) auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus der Wohnungseigentümergemeinschaft bejaht, muss vorliegend nicht entschieden werden. Denn es ist festzustellen, dass die Beteiligte zu 2) ihre Zuweisungsbefugnis schon mit ihrer Erklärung in dem notariellen Übertragungsvertrag vom 21. Oktober 2005 noch zu einer Zeit wirksam ausgeübt hat, als sie selbst noch Mitglied der Gemeinschaft war. Damit trat die aufschiebende Bedingung, von der an die übrigen Wohnungseigentümer von ihrem Mitgebrauchsrecht ausgeschlossen sind, ein. Dass der Urkundsnotar für den Beteiligten zu 1) den Antrag auf Eintragung des Sondernutzungsrechts als Inhalt des Sondereigentums erst nach Ausscheiden der teilenden Eigentümerin aus der Gemeinschaft gestellt hat, ist daher ohne Belang.
Wegen des Erfolgs der Beschwerde ist eine Entscheidung über die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens entbehrlich, § 25 Abs. 1 GNotKG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 GBO liegen nicht vor

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.