OLG München, Urteil vom 09. August 2018 – 23 U 2936/17

Juni 27, 2020

OLG München, Urteil vom 09. August 2018 – 23 U 2936/17
Haftung des GmbH-Geschäftsführers: Darlegungs- und Beweislastverteilung für Pflichtverletzung und Schadensentstehung; Pflichtverletzung bei Abschluss eines Mietvertrags trotz Überschuldung; Handeln im Einverständnis mit den Gesellschaftern; Aufhebung der Ersatzpflicht; verschiedene Streitgegenstände
Tenor
I. Soweit sich die Berufung der Beklagten gegen Ziff. 1 des Urteils des Landgerichts München I vom 27.07.2017, Az. 31 O 21218/14, richtet, wird sie in Höhe von 2.173,40 € verworfen. Soweit sich die Berufung der Beklagten ferner gegen Ziff. 2 des Endurteils des Landgerichts München I vom 27.07.2017, Az. 31 O 21218/14, richtet, wird sie in Höhe von 2.330,02 € verworfen.
II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 27.07.2017, Az. 31 O 21218/14, in Ziffer 1. dahingehend abgeändert, dass das Versäumnisurteil des Landgerichts München I vom 05.02.2015, Az. 31 O 21218/14, berichtigt durch Beschluss vom 18.02.2015, insoweit aufrechterhalten bleibt, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 19.969,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.07.2014 zu bezahlen.
Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen.
III. Der Beklagten bleibt vorbehalten, nach Erstattung des Betrages von 2.972,30 € an die Insolvenzmasse ihre Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen befriedigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.
IV. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
V. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 18 % und die Beklagte 82 %. Die Kosten ihrer Säumnis in erster Instanz trägt die Beklagte.
VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
VII. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 45.711,65 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger macht als Insolvenzverwalter der Firma kfm K. f. m. GmbH gegen die Beklagte als deren frühere Geschäftsführerin Schadensersatz geltend wegen der Veranlassung von Zahlungen von den Geschäftskonten der Insolvenzschuldnerin.
Die Beklagte war vom 07.07.2009 bis zum 17.05.2012 Geschäftsführerin der Firma kfm k. f. m. GmbH. Der Schwerpunkt der geschäftlichen Tätigkeit war die Durchführung von Bauarbeiten an Gebäuden. Gesellschafter waren jedenfalls ab 07.07.2009 die Beklagte und ihr Ehemann je zur Hälfte. Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 16.05.2015, Az. 1506 IN 4348/13, wurde der Kläger zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma kfm k. f. m. GmbH bestellt.
In dem Zeitraum vom 03.09.2010 bis 05.04.2012 kam es auf Veranlassung der Beklagten zu den in dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils auf S. 2/3 sowie S. 4/6 im Einzelnen aufgeführten Überweisungen von Konten der Insolvenzschuldnerin, die überwiegend Mietzahlungen betreffen.
Der Kläger begehrte mit Schriftsatz vom 09.11.2014 die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Schadensersatzklage gegen die Beklagte in Höhe von 24.802,54 € im Hinblick auf die auf S. 2/3 des Tatbestands des erstinstanzlichen Urteils einzeln aufgeführten Überweisungen von Konten der Insolvenzschuldnerin im Zeitraum vom 03.09.2010 bis 05.04.2012. Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 09.01.2015 Klage.
Der Kläger hat in 1. Instanz zunächst beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.802,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 30.07.2014 zu bezahlen.
Das Landgericht hat die Beklagte mit Versäumnisurteil vom 05.02.2015, berichtigt im Rubrum durch Beschluss vom 18.02.2015, antragsgemäß verurteilt, gegen das die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.02.2015 Einspruch eingelegt hat. Mit Schriftsatz vom 28.12.2015 begehrte der Kläger die Zahlung weiterer 17.936,81 € hinsichtlich der auf S. 4/6 des Tatbestands des erstinstanzlichen Urteils einzeln aufgeführten Überweisungen von Konten der Insolvenzschuldnerin im Zeitraum vom 03.01.2011 bis 05.04.2012.
Der Kläger behauptet, die Beklagte sei nach § 43 Abs. 2 GmbHG zum Schadensersatz verpflichtet, da sie pflichtwidrig private Zahlungen zu Lasten der Gesellschaft vorgenommen habe. Es habe sich im Wesentlichen um Privatausgaben bzw. nicht betrieblich veranlasste Ausgaben gehandelt. Insbesondere habe die Beklagte die Miete für ihre Privatwohnung zusammen mit dem Mitgesellschafter in der F.-Str. 20 in M. und später in der S.straße 14a in M. von der Insolvenzschuldnerin zahlen lassen. Der Kläger trägt vor, dass es der Insolvenzschuldnerin ab 2009 nicht gelungen sei, Gewinne zu erwirtschaften; 2009 und 2010 habe es erhebliche Jahresfehlbeträge gegeben.
Der Kläger hat nach Klageerweiterung zuletzt beantragt,
1. das Versäumnisurteil vom 05.02.2015 aufrechtzuerhalten;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17.936,81 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet, dass es sich um unberechtigte Privatausgaben gehandelt habe, vielmehr habe es sich um betrieblich veranlasste Ausgaben gehandelt. Insbesondere bei den Mietzahlungen komme es auf die tatsächliche Nutzung der Mietsache und nicht auf die mietvertragliche Zulässigkeit an. In den jeweiligen Wohnungen sei ein Büro für die Insolvenzverwalterin nach Abschluss von einem Untermietvertrag betrieben worden. Im Übrigen habe die Beklagte keine Unterlagen der Gesellschaft. Ferner beruft sich die Beklagte auf Verjährung.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Die Insolvenzschuldnerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe aus § 43 Abs. 2, Abs. 1 GmbHG, den der Kläger als Insolvenzverwalter von der Beklagten fordern dürfe. Der Vortrag der Beklagten genüge nicht darzulegen, dass die streitgegenständlichen Zahlungen tatsächlich betrieblich veranlasst gewesen seien und aus welchem Grund die Gesellschaft für die bezahlten Kosten aufzukommen habe.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie intensiviert ihren erstinstanzlichen Vortrag und führt aus, dass die fraglichen Ausgaben betrieblich veranlasst und aus Sicht eines ordentlichen Geschäftsmannes auch gerechtfertigt gewesen seien. Auch ein Verstoß gegen Buchhaltungspflichten liege nicht vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts München I aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag dahingehend, dass das Handeln der Beklagten nicht der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers entspreche. Ferner ist er der Ansicht, dass die Haftung der Beklagten trotz des einvernehmlichen Handelns mit ihrem Mitgesellschafter nicht entfalle, da die Insolvenzschuldnerin bereits zum 31.12.2010 bilanziell und mangels stiller Reserven auch insolvenzrechtlich überschuldet sei. Die streitgegenständlichen Zahlungen würden sowohl den Tatbestand aus § 43 Abs. 2 GmbHG als auch der Erstattungsvorschrift des § 64 GmbHG erfüllen. Hilfsweise beruft sich der Kläger auf den Erstattungsanspruch aus § 64 GmbHG.
Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2018 (Bl. 200/202 d.A.) wird Bezug genommen. Der Senat hat aufgrund des Beschlusses vom 20.06.2018 (Bl. 224 f d.A.), mit Zustimmung der Parteien eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung beschlossen. Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist hinsichtlich eines Betrages von insgesamt 4.503,42 € unzulässig und soweit sie zulässig ist, nur in Höhe von 5.106,24 € begründet.
1. Die Berufung der Beklagten ist im Hinblick auf die Verurteilung in Ziff. 1 des angegriffenen Urteils zur Zahlung in Höhe von 2.173,40 € durch Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils des Landgerichts München I vom 05.02.2015, berichtigt durch Beschluss vom 18.02.2015 sowie im Hinblick auf die Verurteilung in Ziff. 2 des angegriffenen Urteils zur Zahlung in Höhe von 2.330,02 € unzulässig.
1.1. Die Berufung ist teilweise mangels Berufungsbegründung unzulässig, § 520 Abs. 1 ZPO und daher insoweit zu verwerfen.
1.1.1. Soweit sich die Berufung gegen Aufrechterhaltung der Verurteilung zur Zahlung in Höhe von 2.173,40 € durch das Versäumnisurteil des Landgerichts München I vom 05.02.2015, berichtigt durch Beschluss vom 18.02.2015, richtet, ist sie mangels Berufungsbegründung unzulässig, § 520 Abs. 1 ZPO.
Die Beklagte hat umfassend gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 27.07.2017 Berufung eingelegt, wie aus dem Schriftsatz vom 28.08.2017 (Bl. 165 d.A.) sowie der Berufungsbegründung vom 02.11.2017 (dort S. 1, Bl. 172 d.A.: „Das Urteil des LG München I vom 27.07.2017 wird vollumfänglich angegriffen.“) hervorgeht. Hinsichtlich der nachfolgend genannten einzelnen Zahlungen in Höhe von insgesamt 2.173,40 €, deren Verurteilung zur Zahlung Gegenstand des aufrecht erhaltenen Versäumnisurteils ist, ist jedoch innerhalb der maßgeblichen Frist (§ 520 Abs. 2 ZPO) keine Berufungsbegründung erfolgt. Der Betrag von 2.173,40 € setzt sich aus folgenden Einzelzahlungen von den Geschäftskonten der Insolvenzschuldnerin zusammen:
Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin bei der U.C. Bank (Kontonr. …160): Zahlung vom 19.10.2010 in Höhe von 1.200,00 € („B. ./. E. Vergleich“);
Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin bei der C.bank (Kontonr. …2000): Zahlungen vom 21.03.2011 in Höhe von 133,00 € („J. 7 H. L. Muenchen“), vom 18.05.2011 in Höhe von 295,00 € („T. Deutschland GmbH“), vom 07.11.2011 in Höhe von 257,90 € („G. F. House GmbH“), vom 19.03.2012 in Höhe von 163,00 € („J. 7 H. L. Muenchen“) und vom 19.03.2012 in Höhe von 124,50 € („Parfümerie W.“).
1.1.2. Ferner ist die Berufung mangels Berufungsbegründung insoweit unzulässig, § 520 Abs. 1 ZPO, als sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung in Höhe von 2.330,02 € durch das angegriffene Endurteil in Ziff. 2 richtet.
Wie bereits unter Ziff. 1.1.1 ausgeführt, hat die Beklagte gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 27.07.2017 umfassend Berufung eingelegt. Soweit das Landgericht die Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.330,02 € verurteilt hat, ist jedoch innerhalb der maßgeblichen Frist (§ 520 Abs. 2 ZPO) keine Berufungsbegründung erfolgt. Der Betrag von 2.330,02 € setzt sich aus folgenden Einzelzahlungen von dem Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin bei der U.C. Bank (Kontonr. …160) zusammen:
Monatliche Zahlungen im Zeitraum von 03.01.2011 bis 03.05.2012 (mit Ausnahme Juli 2011) von jeweils 90,00 €, d.h. in Höhe von insgesamt 1.440,00 € („Lastschrift Michael E./zugunsten Fritz L.“, „A.straße Garagenmiete“), vom 24.01.2011 in Höhe von 127,23 € („L. bank Berlin“), vom 31.01.2011 in Höhe von 58,50 € („Zentrale Bußgeldstelle für Michael E.“) und vom 27.07.2011 in Höhe von 704,29 € („A. Versicherung, Michael E.“).
2. Soweit die Berufung zulässig ist, hat sie in der Sache jedoch nur teilweise Erfolg, da die Klage in Höhe von 5.106,24 € unbegründet ist. Abgesehen von den o.g. Einzelzahlungen in Höhe von insgesamt 4.503,42 €, über die mangels zulässiger Berufung rechtskräftig entschieden wurde, ist die Klage in Höhe von 33.129,69 € daher überwiegend begründet. Diesbezüglich hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG in Höhe von 30.157,39 € sowie auf weitere Zahlung in Höhe von 2.972,30 € gemäß § 64 Satz 1 GmbHG.
2.1. Soweit noch im Rahmen der Berufung darüber zu entscheiden war, besitzt der Kläger gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG in Höhe von insgesamt 30.157,39 €. Mangels Pflichtverletzung besteht in Höhe von insgesamt 585,50 € (Zahlungen an Fitnessstudios) sowie mangels Nachweises eines Schadens in Höhe von 2.386,80 € (hälftige Mietzahlungen F.-M.-Str. 20 in M., von Januar bis März 2011) kein Schadensersatzanspruch gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG (diesbezüglich jedoch gemäß § 64 Satz 1 GmbHG, s. Ziff. 2.2). Ferner besteht kein Schadensersatzanspruch gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG in Höhe von insgesamt 5.106,24 €, betreffend Zahlungen im Jahr 2010 im zumindest stillschweigenden Einverständnis mit dem Mitgesellschafter E.
2.1.1. Die Beklagte war von 07.07.2009 bis 17.05.2012 und damit während des Zeitraums der streitgegenständlichen Zahlungen von 03.09.2010 bis zum 05.04.2012 Geschäftsführerin der Insolvenzschuldnerin. Eines Beschlusses gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG bedarf es bei Geltendmachung von Ansprüchen gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG im Insolvenzverfahren nicht (vgl. Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl, § 46 Rn. 60).
2.1.2. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter der Insolvenzschuldnerin bezüglich Zahlungen von insgesamt 32.544,19 € hinreichend dargetan, dass die Beklagte gegen ihre Sorgfaltspflichten als Geschäftsführerin gemäß § 43 Abs. 1, Abs. 2 GmbHG verstoßen hat und der Insolvenzschuldnerin dadurch – mit Ausnahme der hälftigen Mietkosten betreffend die Räume in der F.-M.-Str. 20 in M. – den geltend gemachten Schaden zugefügt hat. Die Beklagte hat demgegenüber nicht hinreichend dargelegt, dass sie ihren Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist. Dies gilt nicht hinsichtlich der Zahlung von Kosten an Fitnessstudios in Höhe von insgesamt 585,50 € in dem Zeitraum vom 04.01.2011 bis 26.09.2011 für den Mitgesellschafter E., der als freier Mitarbeiter tätig war, da diesbezüglich keine Pflichtverletzung gegeben ist.
Im Prozess gegen den Geschäftsführer muss die einen Anspruch nach § 43 Abs. 2 GmbHG verfolgende klagende Gesellschaft darlegen und beweisen, dass und inwieweit ihr durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers in seinem Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist, wobei ihr gegebenenfalls die Erleichterungen des § 287 ZPO zu Gute kommen. Hingegen hat der Geschäftsführer darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist oder ihn kein Verschulden trifft oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 18.06.2013 – II ZR 86/11 -, BGHZ 197, 304-316, Rn. 22 m. w. Nw., juris).
Diese Grundsätze der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast gelten entgegen der Ansicht der Beklagten auch für den vorliegenden Fall. Unstreitig liegen der Insolvenzschuldnerin keine weiteren Unterlagen vor. Die Beklagte hat lediglich behauptet, die Unterlagen an der Erwerber der Insolvenzschuldnerin herausgegeben zu haben.
2.1.2.1. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte hinsichtlich von Zahlungen in Höhe von 3.273,59 € nicht hinreichend dargelegt, dass es sich um betrieblich veranlasste Anschaffungen handelte.
2.1.2.1.1. Dies betrifft im Einzelnen folgende Überweisungen in Höhe von insgesamt 1.643,10 €:
Zahlung an die Fa. F. in Höhe von 1.000,00 € (vom 11.10.2010) zum Erwerb einer Brille für die Beklagte, die sie nach ihrem Vortrag nur an dem betrieblich genutzten PC-Arbeitsplatz getragen habe, ferner des Erwerbs einer Aktentasche der Marke Louis Vuitton in Höhe von 500,00 € (vom 19.11.2010), laut Vortrag zum Transport der Arbeitsunterlagen, sowie der Zahlung in Höhe von 143,10 € an K. Premium (vom 14.11.2011).
2.1.2.1.2. Ferner betrifft dies die folgenden Überweisungen in Höhe von insgesamt 1.630,49 €, die seitens der Beklagten von den Geschäftskonten der Insolvenzschuldnerin zugunsten des Mitgesellschafters E. erfolgt sind:
Zahlung am 27.09.2010 in Höhe von 500,00 € („Grand Hotel E. GmbH ./. Ei.“), am 19.07.2011 in Höhe von 19,00 € („Zebramobil, Michael E.“), am 28.07.2011 in Höhe von 732,00 € für eine Brille für den Mitgesellschafter („S. Optic B+C GmbH“), am 27.02.2012 in Höhe von 216,49 € („A. Berlin, Michael E.“) und am 19.03.2012 in Höhe von 163,00 € („TUI ./. E.“).
2.1.2.1.3. Hinsichtlich der unter Ziff. 2.1.2.1.1 und 2.1.2.1.2 aufgeführten Zahlungen handelt es sich vielmehr prima facie um Aufwendungen für private Zwecke, so dass diesbezüglich ein Sorgfaltspflichtverstoß, der zu einem entsprechenden Schaden in Form der Verminderung des Gesellschaftsvermögens führte, vorliegt. Demgegenüber hat die Beklagte nicht hinreichend einen Rechtsgrund für diese Zahlungen dargetan. Was die Zahlungen unter Ziff. 2.1.2.1.2 angeht, ergibt sich insbesondere aus dem „Freier-Mitarbeiter-Vertrag“ (Anlage B1) insoweit keine Zahlungsverpflichtung. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts insoweit Bezug genommen.
2.1.2.2. Hinsichtlich der geltend gemachten Zahlungen der Miete für die Wohnung in der F.-M.-Str. 20 in M. in dem Zeitraum von 04.10.2010 bis 11.03.2011 in Höhe von insgesamt 9.379,84 € inklusive der damit zusammenhängenden Zahlungen (Maklerprovision: 03.09.2010, 892,24 € „H. ./. E.“ Rechtsverfolgungskosten „LJK in Sachen J.“: 22.10.2010, 170,00 € sowie 08.11.2010, 34,00 €) hat der Kläger hinreichend eine mögliche Pflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG dargetan, indem er vorgetragen hat, dass die angemieteten Räume ausschließlich privat genutzt wurden.
Hinsichtlich dieser Räume war zunächst seitens der Beklagten und ihrem Ehemann unter dem 16.04.2009 als Privatpersonen ein „Mietvertrag für Mietverhältnisse über Wohnraum“ (Anlage K 10) geschlossen worden, der unter „§ 1 Mieträume“ bestimmt, dass die Wohnung bestehend aus 4,5 Zimmern und Nebenräumen zum Zwecke der Nutzung als Wohnung vermietet wird. Unter „§ 7 Benutzung der Mieträume“ ist in Ziff. 1 ausgeführt, dass der Mieter die Mieträume nur zu dem vertraglich bestimmten Zweck benutzen darf. Eine Erlaubnis zur Untervermietung enthält der Mietvertrag nicht. Die Beklagte hat als Geschäftsführerin der Insolvenzschuldnerin am 01.09.2009 mit ihrem Mitgesellschafter „als Hauptmieter“ entgegen dem Verwendungszweck des Hauptmietvertrages einen Untermietvertrag für gewerbliche Räume und Grundstücke (Anlage B1) hinsichtlich der gesamten, zuvor von ihr und ihrem Ehemann privat als Wohnung angemieteten Räume abgeschlossen.
Der Insolvenzschuldnerin entstand aufgrund dieser möglichen Pflichtverletzung der Beklagten auch ein Schaden. Der Schaden besteht jedoch lediglich in der Hälfte der Zahlungen. Im Hinblick auf diesbezügliche Zahlungen wurden für das Jahr 2010 ohnehin jeweils nur die Hälfte geltend gemacht, d.h. insgesamt 4.606,24 €, so dass dies die Schadenshöhe für das Jahr 2010 darstellt (jedoch entfällt diesbezüglich die Pflichtverletzung aufgrund einvernehmlichen Handelns mit dem Mitgesellschafter, s.u. Ziff. 2.1.3.2.4). Für das Jahr 2011 wurden die gesamten Mietzahlungen in Höhe von 4.773,60 € geltend gemacht, wobei aber lediglich die Hälfte in Höhe von 2.386,80 € einen ersatzfähigen Schaden für das Jahr 2011 darstellt. Aus dem – bestrittenen – Vortrag der Beklagten geht hervor, dass sie die Hälfte der angemieteten Räume betrieblich genutzt habe, so dass sich die Hälfte der für das Jahr 2011 geltend gemachten Mietzahlungen seitens der Insolvenzschuldnerin auf private Mieträume bezog, wodurch ihr ein adäquat kausaler Schaden entstanden ist. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Mietzahlungen in Höhe von 2.386,80 hat der darlegungs- und beweisbelastete Kläger jedoch keinen Beweis dafür angeboten, dass die angeblich betrieblich verwendeten Räume weder gebraucht noch betrieblich genutzt wurden, so dass er einen Schaden der Insolvenzschuldnerin diesbezüglich nicht hinreichend nachgewiesen hat.
2.1.2.3. Ebenso liegt hinsichtlich sämtlicher geltend gemachten Zahlungen betreffend die Wohnung in der S.str. 14a in M. aufgrund des zwischen dem Mitgesellschafter und der Insolvenzschuldnerin, vertreten durch die Beklagte, abgeschlossenen Untermietvertrages (Anlage B2) eine Pflichtverletzung der Beklagten gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG vor. Vorliegend werden die Mietzinszahlungen für die Wohnung in der S.str. 14a in M. im Zeitraum vom 03.03.2011 bis 05.04.2012 in Höhe von insgesamt 18.900,00 € sowie die Zahlung der Kaution in Höhe von 5.910,00 € am 17.02.2011 geltend gemacht.
Indem die Beklagte als Geschäftsführerin der Insolvenzschuldnerin mit ihrem Mitgesellschafter und Ehemann E. den „Untermietvertrag für gewerbliche Räume und Grundstücke“ unter dem 15.02.2011 (Anlage B2) betreffend den von der Beklagten und ihrem Ehemann genutzten Wohnraum in der S.str. 14a in M. abgeschlossen und erfüllt hat, hat sie gegen ihre Pflichten als Geschäftsführerin verstoßen. Zu diesem Zeitpunkt war die Insolvenzschuldnerin nämlich überschuldet (s.u., Ziff. 2.1.3.2.1).
Ein professioneller und hauptamtlicher Geschäftsführer hat u.a. die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens und die Bedeutung einer Maßnahme für das Unternehmen zu berücksichtigen. (Fleischer in: Münchener Kommentar, GmbHG, 2. Aufl., § 43 Rn. 48).
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein Pflichtverstoß der Beklagten vor, indem sie trotz Überschuldung neue Büroräume anmietete.
Der hierdurch adäquat kausal verursachte Schaden der Insolvenzschuldnerin beläuft sich auf insgesamt 24.810,00 €, der sich aus den Mietzinszahlungen für die Wohnung in der S.str. 14a in M. im Zeitraum vom 03.03.2011 bis 05.04.2012 in Höhe von insgesamt 18.900,00 € sowie der Zahlung der Kaution in Höhe von 5.910,00 € am 17.02.2011 zusammensetzt.
2.1.2.4. Demgegenüber ist hinsichtlich der Zahlung von Kosten an Fitnessstudios in Höhe von insgesamt 585,50 € für den Mitgesellschafter E. eine Pflichtverletzung durch den Kläger nicht hinreichend dargetan. Diesbezüglich wurden Zahlungen in Höhe von insgesamt 145,50 € in dem Zeitraum vom 04.01.2011 bis 01.04.2011 („Fitness F., Michael E.“) sowie eine Zahlung vom 26.09.2011 in Höhe von 440,00 € („K., Vertragspartner Michael E.“) geltend gemacht.
Diese waren dem Mitgesellschafter E. als freier Mitarbeiter in dem betreffenden Vertrag durch Ergänzung vom 01.10.2009 unter § 9 Ziff. 1 (Anlage B1) seitens der Insolvenzschuldnerin zugesagt worden. Da sich der Klägerin auf eine Überschuldung (erst) zum 31.12.2010 beruft, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte durch die Vereinbarung dieser Ergänzung gegen ihre Pflichten gegenüber der Insolvenzschuldnerin verstoßen hat.
2.1.3. Jedoch entfällt die jeweilige Pflichtverletzung der Beklagten bei Zahlungen aus dem Jahr 2010 in Höhe von 5.106,24 € aufgrund des einvernehmlichen Handelns der Beklagten und ihrem Ehemann als alleinigen Gesellschaftern der Insolvenzschuldnerin.
2.1.3.1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Wille einer GmbH im Verhältnis zu ihrem Geschäftsführer grundsätzlich durch denjenigen ihrer Gesellschafter repräsentiert; ein Handeln oder Unterlassen des Geschäftsführers im – auch stillschweigenden – Einverständnis mit sämtlichen Gesellschaftern stellt daher grundsätzlich keine (haftungsbegründende) Pflichtverletzung im Sinne von § 43 Abs. 2 GmbHG dar (BGH, Urteil vom 07.04.2003 – II ZR 193/02 -, Rn. 4, juris).
Bezüglich der unter Ziff. 2.1.2.2 und 2.1.2.3 dargestellten Zahlungen ist angesichts der vertraglichen Vereinbarungen in Form der Untermietverträge mit dem Mitgesellschafter sowie den unter Ziff. 2.1.2.1.2 angeführten Zahlungen, die diesem letztlich zu Gute kamen, von einem derartigen stillschweigenden Einverständnis der Beklagten und ihrem Ehemann als alleinigen Gesellschaftern auszugehen, das somit die Pflichtwidrigkeit des Handelns der Beklagten grundsätzlich entfallen lässt.
Dies gilt nicht für die Zahlungen unter Ziff. 2.1.2.1.1, hinsichtlich derer ein einvernehmliches Handeln weder vorgetragen wurde noch aus den Umständen ersichtlich ist.
2.1.3.2. Dieses stillschweigende Einverständnis lässt jedoch nur die Pflichtwidrigkeit für einvernehmliche Zahlungen im Jahr 2010 in Höhe von insgesamt 5.106,24 € entfallen. Da die ab Januar 2011 vorgenommenen Zahlungen zugleich die Haftungsnorm des § 64 Satz 1 GmbHG erfüllen, liegt ab diesem Zeitpunkt kein wirksames Einverständnis vor.
Der Kläger beruft sich darauf, dass die Insolvenzschuldnerin zum 31.12.2010 insolvenzrechtlich überschuldet gewesen sei und das Einverständnis nicht eingreife.
Die Ersatzpflicht des Geschäftsführers wird auch bei Vorliegen des Einverständnisses der Gesellschafter nicht aufgehoben, wenn Zahlungen dem § 30 GmbHG zuwider oder nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung der Überschuldung (§ 64 GmbHG) geleistet werden und der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist (BGH, Urteil vom 14.12.1959 – II ZR 187/57 -, BGHZ 31, 258-279, Rn. 47, BGH, Urteil vom 26. Oktober 2009 – II ZR 222/08 -, Rn. 10, juris; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 43 Rn. 65).
Der Kläger hat diese Voraussetzungen hinreichend dargetan.
2.1.3.2.1. Von einer insolvenzrechtlichen Überschuldung ab 31.12.2010 ist vorliegend auszugehen.
Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige (BGHZ 126, 181, 200) Insolvenzverwalter genügt seiner Darlegungslast hinsichtlich der Voraussetzungen einer Überschuldung, wenn er eine rechnerische Überschuldung der Gesellschaft substantiiert behauptet (Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl, § 64 Rn. 114). Diesbezüglich sind auch die insolvenzrechtlich bedeutsamen Abweichungen aufzuführen (BGH, Beschluss vom 05.11.2007 – II ZR 262/06 -, Rn. 2, juris).
Vorliegend ist angesichts der rechnerischen Überschuldung von einer insolvenzrechtlichen Überschuldung auszugehen. Der Kläger führte unter Bezugnahme auf den Jahresabschluss K3 mit Schriftsatz vom 30.03.2018 (Bl. 196 ff d.A.) aus, dass die Insolvenzschuldnerin bereits zum 31.12.2010 bilanziell und mangels stiller Reserven auch insolvenzrechtlich überschuldet gewesen sei. Dieser weist zum 31.12.2010 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 104.188,05 € auf. Unbestritten von der Beklagten legte der Kläger in dem vorgenannten Schriftsatz dar, dass keine insolvenzrechtlich bedeutsamen Abweichungen bestünden, insbesondere keine konkreten Anhaltspunkte für stille Reserven oder einen Geschäftswert der Schuldnerin. Die Beklagte hat in erster Instanz lediglich darauf verwiesen, dass der Jahresabschluss 2010 nicht festgestellt und von der Beklagten nicht unterschrieben worden sei. Auch wenn der Jahresabschluss 2010 weder festgestellt noch von der Beklagten unterschrieben wurde, hat der Kläger als Insolvenzverwalter durch die Vorlage der Anlage K3 hinreichende Anhaltspunkte für eine Überschuldung vorgetragen.
Dann trifft jedoch den Geschäftsführer insoweit eine sekundäre Behauptungslast zu den Liquiditätsverhältnissen (Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl, § 64 Rn. 115). Dieser sekundären Darlegungslast ist die Beklagte vorliegend nicht nachgekommen, insbesondere ist ein Bestreiten mit Nichtwissen vorliegend nicht ausreichend. Allein der Umstand, dass es nach ihrer Wahrnehmung keine Insolvenzreife gegeben habe, reicht hierfür ebenfalls nicht aus.
Bei Annahme einer Überschuldung zum 31.12.2010 spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Schuldnerin auch in der Folgezeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 16.05.2015 überschuldet war (BGH, Urteil vom 19.06.2012, II ZR 243/11, juris Tz. 19). Dass die Insolvenzreife danach wieder nachhaltig beseitigt worden wäre, hat die Beklagte nicht behauptet, es ist daher von einer fortdauernden Insolvenzreife auszugehen (Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 64 Rdnr. 118).
Ebenso wenig hat die Beklagte dargetan, dass für die Gesellschaft im streitgegenständlichen Zeitraum eine die Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO ausschließende positive Fortführungsprognose bestand.
2.1.3.2.2. Die nach ab dem 31.12.2010 vorgenommenen Zahlungen stellen daher nach § 64 Satz 1 GmbHG verbotene Zahlungen dar.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 18.11.2014, II ZR 231/13, BGHZ 203, 218-224, juris) entfällt zwar die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird; erforderlich ist ein unmittelbarer, wirtschaftlicher, nicht notwendig zeitlicher Zusammenhang mit der Zahlung. Um die Masseverkürzung ausgleichen zu können, muss die in die Masse gelangende Gegenleistung für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sein (BGH, Urteil vom 04.07.2017, II ZR 319/15, juris Tz. 18). Diese Voraussetzung hat die Beklagte nicht dargetan.
Dass einzelne Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar waren, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (BGH, Urteil vom 08.01.2001, II ZR 88/99, BGHZ 146, 264-280, Rdnr. 22, juris), nicht hinreichend dargetan. Der hierfür anzulegende Maßstab bestimmt sich nicht allein nach den allgemeinen Verhaltenspflichten eines Geschäftsführers, der bei seiner Amtsführung Recht und Gesetz zu wahren hat; er ist vielmehr an dem besonderen Zweck des § 64 Satz 1 GmbHG auszurichten. Ein Geschäftsführer ist nicht befugt, das Unternehmen trotz eingetretener Insolvenzreife und abgelaufener Insolvenzantragsfrist (mangels Sanierungsbemühungen) weiterzuführen (Strohn NZI 2011, 1161, 1166). Dass die Zahlungen auch ein vorläufiger Insolvenzverwalter getätigt hätte (vgl. Strohn a.a.O.), hat die Beklagte nicht dargetan.
Die Beklagte konnte zudem die gegen sie streitende Vermutung, sie habe schuldhaft gehandelt, nicht widerlegen.
2.1.3.2.3. Ferner hat der Kläger dargetan, dass der Ersatzanspruch gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist.
Der Ersatz ist bereits dann zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich, wenn nur ein Gläubiger bei Fälligkeit seiner Forderung aus dem Gesellschaftsvermögen nicht befriedigt werden kann (Fleischer in: Münchener Kommentar, GmbHG, 2. Aufl., § 43 Rn. 295). Im Schriftsatz vom 07.06.2018 (Bl. 220/223) hat der Kläger unbestritten von der Beklagten ausgeführt, dass zur Insolvenztabelle insgesamt Forderungen in Höhe von 227.155,34 € festgestellt seien. Anschließend hat der Kläger einige Forderungen im Einzelnen unter Beifügung von Unterlagen (Anlagen K18 – K 25) dargestellt, so dass er hinreichend vorgetragen hat, dass vorliegend der Ersatzanspruch zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist.
2.1.3.2.4. Da sich der Kläger auf eine Insolvenzreife der Insolvenzschuldnerin ab dem 31.12.2010 beruft, sind die vor diesem Zeitpunkt erfolgten Zahlungen der Beklagten als Geschäftsführerin der Insolvenzschuldnerin in Höhe von 5.106,24 € von dem wirksamen Einverständnis des Ehemannes der Beklagten umfasst. Insoweit hat daher die Berufung Erfolg.
Dies betrifft im Einzelnen die Zahlungen der hälftigen Miete F.-M.-Str. 20 am 04.10., 02.11. und 01.12.2010 in Höhe von insgesamt 3.510,00 €, die Zahlung der Maklerprovision für die genannte Wohnung vom 03.09.2010 in Höhe von 892,24 € (03.09.2010, „H. ./. E.“) sowie die Zahlung der Rechtsverfolgungskosten im Zusammenhang mit dem Hauptmietverhältnis der genannten Wohnung vom 22.10.2010 („LJK in Sachen J.“) in Höhe von 170,00 € sowie vom 08.11.2010 in Höhe von 34,00 € („LJK in Sachen J.“), ferner die Zahlung in Höhe von 500,00 € am 27.09.2010 („Grand Hotel E. GmbH ./. E.“).
2.1.4. Der Anspruch des Klägers gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG in Höhe von insgesamt € 30.157,39 € ist nicht erloschen. Einwendungen gegen die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts (Urteil S. 20) erhebt die Berufung nicht.
2.1.5. Auch liegt keine Verjährung gemäß § 43 Abs. 4 GmbHG vor. Die Verjährung beginnt zwar entgegen den Ausführungen des Landgerichts nach § 200 S. 1 BGB bereits mit Entstehung des Anspruchs zu laufen, § 199 Abs. 1 BGB ist diesbezüglich nicht anwendbar (vgl. Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl, § 43 Rn. 57). Die ältesten Zahlungen datieren vom 11.10.2010 (1.000,00 €) sowie 19.11.2010 (500,00 €), so dass angesichts des Prozesskostenhilfeantrags vom 05.11.2014 und der Klage vom 09.01.2015 keine Verjährung eingetreten ist, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
2.2. Soweit hinsichtlich der Mietzahlungen für die Räume in der F.-M.-Str. 20 in M. in Höhe von 2.386,80 € (Ziff. 2.1.2.2) kein Schaden gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG sowie hinsichtlich der Zahlungen von Kosten an Fitnessstudios in Höhe von 585,50 € für den Mitgesellschafter E. keine Pflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG (vgl. Ziff. 2.1.2.4) vorliegt, haftet die Beklagte jedoch gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG.
2.2.1. Der Kläger hat sich in zweiter Instanz erstmals hilfsweise auf eine Haftung der Beklagten gemäß § 64 Satz 1 GmbHG gestützt. Dies stellt eine in 2. Instanz zulässige Klageerweiterung dar, §§ 533, 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Der Senat erachtet die Klageerweiterung als sachdienlich aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit.
Es liegt eine Klageerweiterung vor, da es sich vorliegend bei den Ansprüchen § 43 Abs. 2 GmbHG und § 64 Satz 1 GmbHG um zwei verschiedene Streitgegenstände handelt.
Der Kläger hat sein Klagebegehren in erster Instanz ausschließlich auf die Behauptung einer Pflichtverletzung der Beklagten durch die Vornahme privat veranlasster Zahlungen und einem entsprechenden Schaden der Gesellschaft gestützt. Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 30.03.2018 (Bl. 196/198 d.A.) geltend macht, dass die Insolvenzschuldnerin bereits zum 31.12.2010 bilanziell und mangels stiller Reserven auch insolvenzrechtlich überschuldet gewesen sei und folglich neben § 43 Abs. 2 GmbHG auch aus § 64 GmbHG hafte, handelt es sich um die Geltendmachung eines neuen Streitgegenstandes in 2. Instanz.
Der Streitgegenstand wird bestimmt durch das Rechtsschutzbegehren (Antrag), in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den eine Partei zur Stützung ihres Rechtsschutzbegehrens vorträgt. Vom Streitgegenstand werden damit alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen. Das gilt unabhängig davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht. Auch wenn Ansprüche wirtschaftlich auf das Gleiche gerichtet sind und der Kläger die Leistung nur einmal verlangen kann, können die verschiedenen materiell-rechtlichen Ansprüche unterschiedliche Streitgegenstände aufweisen; dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Ansprüche sowohl in ihren materiell-rechtlichen Voraussetzungen als auch in ihren Folgen verschieden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 03.03.2016 – IX ZB 33/14 -, BGHZ 209, 168-179, Rn. 27 f, juris).
Demzufolge handelt es sich vorliegend bei den Ansprüchen § 43 Abs. 2 GmbHG und § 64 GmbHG um zwei verschiedene Streitgegenstände. Während die Pflichtverletzung i.S.v. § 43 Abs. 2 GmbHG zum Inhalt hat, dass der Geschäftsführer der Pflicht zur ordentlichen Geschäftsführung i.S.d. § 43 Abs. 1 GmbHG nicht nachgekommen ist und dadurch der Gesellschaft einen Schaden zugefügt hat, richtet sich der Vorwurf in § 64 Satz 1 GmbHG dahin, dass der Geschäftsführer trotz Insolvenzreife einzelne Gläubiger befriedigt und gegen die Pflicht zur Masseerhaltung verstößt und bezweckt damit den Schutz der Gläubiger einer insolvenzreifen Gesellschaft (BGH, Urteil vom 04.07.2017 – II ZR 319/15 -, Rn. 14, juris). Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der materiell-rechtlichen Regelungen, die dem Gläubiger die Möglichkeit einräumen, sich auf einen von ihnen zu beschränken sowie der unterschiedlichen Schadensart (vgl. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl, Einleitung, Rn. 70, 73) handelt es sich vorliegend hinsichtlich § 43 Abs. 2 GmbHG und § 64 GmbHG um zwei verschiedene Streitgegenstände.
Demzufolge müsste die Klage auf verschiedene Lebenssachverhalte gestützt worden sein, bei einer Mehrheit von Streitgegenstände muss der Kläger bei einem einheitlichen Rechtsschutzziel in Form einer Zahlung ferner darlegen, in welcher Reihenfolge die jeweiligen Sachverhalte zu prüfen sind (Vollkommer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl, Einleitung, Rn. 74). Die Bestimmung des Streitgegenstandes obliegt dem Kläger (vgl. BGH, Beschluss vom 24.03.2011 – I ZR 108/09 -, BGHZ 189, 56-64, Rn. 9, juris), d.h. der Kläger hat einen konkreten Lebenssachverhalt vorzutragen, aus dem er eine bestimmte Rechtsfolge ableitet, deren Ausspruch er mit seiner Klage vom Gericht verlangt (Wendtland in: BeckOK, ZPO, 28. Edition, Stand 01.03.2018, § 2 Rn. 4, beck-online).
Der Kläger hat seine Klage aber nicht auf eine mögliche Pflichtverletzung im Sinne von § 64 GmbHG gestützt. Vielmehr hat er ausweislich der Klageschrift vom 09.01.2015 (S. 3, Bl.10 d.A.) ausschließlich Ansprüche gegen die Beklagte unabhängig von der finanziellen Situation der Insolvenzschuldnerin geltend gemacht, indem er ausführte, dass er mit der Klage „die persönliche Haftung der Beklagte verfolgt, da diese ihre Geschäftsführerpflichten verletzte, indem die Beklagte aus dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin Zahlungen für private Zwecke vornahm (43 GmbHG).“ Des Weiteren führt er im Rahmen der rechtlichen Würdigung (S. 7 ff Klageschrift, Bl. 14 d.A.) lediglich zu § 43 GmbHG, jedoch nicht zu § 64 GmbHG aus, insbesondere auf S. 8 der Klageschrift (Bl. 15 d.A.) behauptet der Kläger, dass die Beklagte ihre Kompetenzen überschritten habe, diese habe private Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen geleistet. Der Kläger macht zwar auch geltend (S. 4 der Klageschrift, Bl. 11 d.A.), dass sich die Insolvenzschuldnerin in der Krise befunden und Jahresfehlbeträge aufgewiesen habe. Hieraus leitet er aber nicht ab, dass es sich um verbotene Zahlungen gehandelt habe, er schildert dies nur im Zusammenhang mit seinem Vorbringen zu § 43 Abs. 2 GmbHG und dem Fehlverhalten der Beklagten hinsichtlich der Vornahme privat veranlasster Zahlungen.
Soweit der Kläger sich somit erstmals in 2. Instanz auf eine Haftung der Beklagten gemäß § 64 GmbHG stützt, handelt es sich um eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz, die nur nach Maßgabe des § 533 ZPO zulässig ist. Diese ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig.
Im Beschluss vom 19.04.2018 (Bl. 204 ff d.A.) wies der Senat daher darauf hin, dass der Bestimmtheitsgrundsatz (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) verlangt, dass der Kläger bei einer Mehrheit von Streitgegenständen das Eventualverhältnis, in dem er die verschiedenen Ansprüche zur Entscheidung stellen will, klarstellt; er muss daher dem Gericht die Prüfungsreihenfolge der verschiedenen Streitgegenstände vorgeben (BGH, Beschluss vom 24.03.2011 – I ZR 108/09 -, BGHZ 189, 56-64, Rn. 10, juris; BGH, Urteil vom 05.07.2016 – XI ZR 254/15 -, BGHZ 211, 189-201, Rn. 25, juris; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl, Einleitung, Rn. 74).
Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 07.06.2018 (S. 3, Bl. 222 d.A.) ausgeführt, dass der Erstattungsanspruch aus § 64 GmbHG hilfsweise geltend gemacht wird.
2.2.2. Der Kläger besitzt gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 2.972,30 € gemäß § 64 Satz 1 GmbHG aufgrund der durch die Beklagte im Zeitraum der Überschuldung der Gesellschaft veranlassten Zahlungen in Höhe von insgesamt 145,50 € in dem Zeitraum vom 04.01.2011 bis 01.04.2011 („Fitness F., Michael E.“) sowie in Höhe von 440,00 € (26.09.2011 „K.training, Vertragspartner Michael E.“) sowie der hälftigen Mietzahlungen für die Räume in der F.-M.-Str. 20 in M. im Januar, Februar und März 2011 in Höhe von insgesamt 2.386,80 €. Die Voraussetzungen gemäß § 64 Satz 1 GmbHG liegen vor, diesbezüglich wird auf die Ausführungen in Ziff. 2.1.3.2.1 und 2.1.3.2.2 Bezug genommen.
2.2.3. Die Berufung hat ferner insoweit Erfolg, als der Beklagten zur Vermeidung einer Bereicherung der Masse im Urteil vorzubehalten ist, ihren Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2005, II ZR 235/03, juris Tz. 14).
3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
4. Die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf § 92 Abs. 2, § 344, § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.
5. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.
6. Der Berufungsstreitwert erhöht sich aufgrund der Entscheidung über den hilfsweise geltend gemachten Erstattungsanspruch gemäß § 64 Satz 1 GmbHG in Höhe von 2.972,30 €, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG.

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