LAG Hamm, Beschluss vom 18.02.2014 – 7 TaBV 1/14

Juni 28, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 18.02.2014 – 7 TaBV 1/14

Eine Einigungsstelle zum Thema „Kurzarbeit“ ist auch dann nicht offensichtlich unzuständig, wenn deren Einrichtung auf einer Initiative des Betriebsrats beruht.
Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 19.12.2013 – 2 BV 66/13 – wird zurückgewiesen.
Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand Kurzarbeit im Betrieb C.

Antragsteller ist der bei der Antragsgegnerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) gewählte Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin, die in C derzeit mit knapp über 400 Beschäftigten insbesondere Turbinenschaufeln für Flugzeugturbinen mittels Feingusses produziert, beabsichtigt aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 19.07.2013 eine Personalreduzierung von mindestens 15 % der Stammbelegschaft. Nach Unterrichtung des Betriebsrates über diese Planungen regte der Betriebsrat zunächst an, mit Hilfe von Kurzarbeit dem zu erwartenden Auftragsrückgang zu begegnen; die Arbeitgeberin lehnt die Einführung von Kurzarbeit ab.

Die Arbeitgeberin meint insbesondere, nach der arbeitsgerichtlich nicht näher überprüfbaren unternehmerischen Entscheidung zur dauerhaften Reduzierung der Produktion in C einhergehend mit dem entsprechenden Personalabbau und der strikten Ablehnung der Einführung von Kurzarbeit durch die Arbeitgeberin stehe dem Betriebsrat ein Initiativrecht im Sinne des § 87 Abs. 1 BetrVG nicht zu. Ein solches Initiativrecht würde in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Arbeitgeberin eingreifen. Aus diesem Grunde sei die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig.

Darüber hinaus bestünden erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit des vom Betriebsrat formulierten Antrages, da dieser ausweislich der zur Akte gereichten Beschlüsse stets die Einleitung eines Einigungsstellenverfahrens zur Regelung der Angelegenheit „Kurzarbeit zur Vermeidung von Entlassungen“ (Kopie des Beschlusses Bl 114 b d.A.) beschlossen, den Antrag aber ohne diese Einschränkung formuliert habe.

Darüber hinaus sei nach Einrichtung einer Einigungsstelle zum Thema „Interessenausgleich und Sozialplan für die Betriebsänderung bei der Arbeitgeberin (Restrukturierung/Reduzierung bzw. Anpassung der Personalstärke aufgrund des Beschlusses der Gesellschafterin der Arbeitgeberin vom 19.07.2013 um ca. 15 %)“ durch rechtskräftige Entscheidung des LAG Hamm vom 17.02.2014 – 13 TaBV 8/14 – das Rechtsschutzinteresse für das vorliegende Beschlussverfahren entfallen.

Im Übrigen wird von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes entsprechend § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen und auf die erstinstanzlichen Gründe des angefochtenen Beschlusses, dort I., Bezug genommen.

Nachdem das Arbeitsgericht Bochum durch Beschluss vom 19.12.2013 (Bl 121 ff d.A.) die vom Betriebsrat beantragte Einigungsstelle eingesetzt und die Zahl der Beisitzer auf je 3 festgelegt hat, wendet sich die Arbeitgeberin mit der vorliegenden, noch vor Zustellung des Beschlusses vom 19.12.2013 am 10.01.2014 vorab per Telefax am 02.01.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und begründeten Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung.

B.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Zu Recht ist nämlich das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Einigungsstelle zum Thema „Entscheidung über Kurzarbeit im Betrieb der Arbeitgeberin in C“ einzurichten ist. Der vom Betriebsrat formulierte Antrag ist weder unzulässig, noch ist eine solche Einigungsstelle offensichtlich unzuständig.

I.

Dem Betriebsrat fehlt für den streitgegenständlichen Antrag nicht das notwendige Rechtschutzinteresse dadurch, dass im Verfahren Arbeitsgericht Bochum 3 BV 71/13, LAG Hamm 13 TaBV 8/14, durch zweitinstanzlichen Beschluss vom 17.02.2014 rechtskräftig eine Einigungsstelle zum Thema Interessenausgleich und Sozialplan eingerichtet worden ist.

Insoweit betrifft die im genannten Verfahren eingerichtete Einigungsstelle einen anderen verfahrensrechtlichen Streitgegenstand. Dort sind betroffen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei einer Betriebsänderung; vorliegend die Mitbestimmungsrechte bei vorübergehender Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Zwar ist der Arbeitgeberin zuzugestehen – was auch Gegenstand der umfassenden Erörterungen vor der Beschwerdekammer in der Verhandlung vom 18.02.2014 war – dass es aus praktischen Gründen sinnvoll sein kann, im Rahmen der von der Arbeitgeberin beabsichtigten Betriebsänderung das Thema „Kurzarbeit“ im Zusammenhang mit dem zu verhandelnden Interessenausgleich zu besprechen; für die Frage des Rechtsschutzinteresses ist indessen eine formale, auf den Streitgegenstand bezogene Betrachtungsweise schon aus Gründen des Prozessrechts geboten.

II.

Der Antrag des Betriebsrates ist auch nicht wegen einer nicht ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Betriebsrates zur Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten mit der Durchführung des vorliegenden Beschlussverfahrens unzulässig. Zwar geht die Arbeitgeberin zutreffend davon aus, dass zur Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens und zur Beauftragung eines Rechtsanwaltes ein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrates erforderlich ist. Im Falle einer fehlerhaften Beschlussfassung ist der Betriebsrat im Beschlussverfahren nicht wirksam vertreten mit der Folge, dass ein Prozessrechtsverhältnis nicht zustande kommt und der formulierte und gestellte Antrag als unzulässig abzuweisen ist (so ausdrücklich BAG, Beschluss vom 06.12.2006, 7 ABR 67/05 bei juris Rn 19 mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung).

Indessen ergibt sich aus den von dem Betriebsrat vorgelegten Unterlagen zur Beschlussfassung über das eingeleitete Beschlussverfahren, das sowohl die Beschlussfassung als auch der Beschlussinhalt im vorstehenden Sinne als ordnungsgemäß festzustellen ist, worauf auch das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend hingewiesen hat. Wenn auch der zur Gerichtsakte gereichte Beschluss inhaltlich die Einigungsstelle zum Thema „Kurzarbeit zur Vermeidung von Entlassungen“ beschreibt, wohingegen im eingeleiteten Beschlussverfahren der Zusatz „zur Vermeidung von Kurzarbeit“ fehlt, so führt dies nicht zu einer Fehlerhaftigkeit des gefassten Beschlusses im o.g. Sinne. Der Zusatz der Beschlussfassung ist nach Auffassung der Beschwerdekammer lediglich als Zielvorstellung des Betriebsrates zu verstehen; ob ein solches Ziel letztendlich im Einigungsstellenverfahren erreicht werden kann oder nicht, ist dem Einigungsstellenverfahren als solchem vorbehalten. Maßgeblich ist insoweit allein der mitbestimmungsrechtliche Tatbestand der vorübergehenden Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, den der vom Betriebsrat gefasste Beschluss ausdrücklich beschreibt.

Weitere Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrages des Betriebsrates bestehen nicht.

III.

Der Antrag ist auch begründet, da die vom Betriebsrat beabsichtigte Einigungsstelle gemäß § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nicht offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist eine Einigungsstelle nur dann, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt, sich also die Streitigkeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber erkennbar nicht unter einem mitbestimmungspflichtigen Tatbestand subsummieren lässt (LAG Hamm, Beschluss vom 18.12.2009, 13 TaBV 52/09; Beschluss vom 17.12.2013, 7 TaBV 91/13; Beschluss vom 18.03.2013, 13 TaBV 34/13 jeweils mit zahlreichen Nachweisen).

Ausgehend hiervon gilt vorliegend Folgendes:

Das Arbeitsgericht hat mit umfassender und zutreffender Begründung festgestellt, dass eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle sich nicht mit einem fehlenden Initiativrecht des Betriebsrates zur Einführung von Kurzarbeit begründen lässt.

Soweit im Beschwerdeverfahren, insbesondere im Rahmen der mündlichen Erörterungen am 18.02.2014 die Arbeitgeberin ihr Vorbringen vertieft hatte, ist dem Folgendes hinzuzufügen:

Auch die Beschwerdekammer folgt der Auffassung der angegriffenen Entscheidung, die sich im Wesentlichen auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 04.03.1986, 1 ABR 15/84, zur Frage des Initiativrechtes des Betriebsrates bei der Einführung von Kurzarbeit gestützt hatte. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin kommt es insoweit nicht auf eine Vergleichbarkeit der Sachverhaltskonstellation an; vielmehr hat das Bundesarbeitsgericht sich in dieser Entscheidung umfassend mit der rechtsdogmatischen Herleitung des Initiativrechts auch bei Kurzarbeit befasst und sich ausführlich mit der bereits seinerzeit in der arbeitsrechtlichen Literatur umstrittenen Fragestellung auseinandergesetzt. Die Diskussion der arbeitsrechtlichen Literatur ist auch heute, wie sich der neusten Auflage des Gemeinschaftskommentars zum Betriebsverfassungsgesetz aus dem Jahre 2014 (§ 87 BetrVG, Rn 267 mit umfassenden Nachweisen) zu entnehmen ist, nicht abgeebbt, insbesondere Wiese vertritt in der vorstehenden Kommentarstelle nachdrücklich die Auffassung, ein Initiativrecht bei vorübergehender Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit stehe dem Betriebsrat nicht zu.

Allerdings vermag diese Auffassung nicht zu überzeugen, worauf das Bundesarbeitsgericht in der zitierten Entscheidung zutreffend und umfassend hingewiesen hat. Die Beschwerdekammer verzichtet daher, da den Beteiligten die genannten Fundstellen bekannt sind, auf eine erneute Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit dem Initiativrecht bei der Einführung von Kurzarbeit.

Insbesondere darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die von der Arbeitgeberin vorgetragenen, zum Teil verfassungsrechtlichen, Bedenken im Hinblick auf die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Arbeitgeberin im Verfahren nach § 98 ArbGG nicht abschließend beantwortet werden müssen. Der Gesetzgeber hat insoweit ausdrücklich dort auf die Frage der offensichtlichen Unzuständigkeit abgestellt, um das Einigungsstelleneinrichtungsverfahren mit komplexen inhaltlichen Fragen nicht umfassend zu belasten (LAG Hamm, Beschluss vom 18.12.2009, aaO mit zahlreichen Nachweisen).

Nach alledem verbleibt es bei der angegriffenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Bochum; der Umstand, dass das Arbeitsgericht in der genannten Entscheidung wegen der vom Betriebsrat beantragten vier Beisitzer auf jeder Seite abgewichen ist und diese auf je drei festgesetzt hat, war nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

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