AG Frankfurt, Urteil vom 08. September 2016 – 33 C 1201/16 (57)

Juni 30, 2020

AG Frankfurt, Urteil vom 08. September 2016 – 33 C 1201/16 (57)

nachgehend LG Frankfurt, 11. April 2017, 2-11 S 292/16
nachgehend BGH 8. Zivilsenat, 21. März 2018, VIII ZR 104/17, Urteil
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Rechtvorgänger der Klägerin wurde am 11.08.1981 ein Mietvertrag hinsichtlich der im Antrag genannten Wohnung für die Zeit ab dem 01.10.1981 geschlossen. Die zuletzt geschuldete Nettomiete beträgt einschließlich Garagenmiete 856,25 €. Der Mietvertrag ging auf Vermieterseite zunächst auf Frau A. und anschließend nach Eintragung der Klägerin als Eigentümerin im Grundbuch am 14.01.2015 auf die Klägerin über. Die Klägerin besteht aus den Gesellschaftern XXX, XXX und XXX. Bei den Beklagten zu 2) und 3) handelt es sich um die ebenfalls in der in der genannten Wohnung wohnende Ehefrau und die Tochter des Beklagten zu 1).
Die Klägerin kündigte den Mietvertrag mit dem Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 09.05.2015 ordentlich wegen Eigenbedarfs ihres Gesellschafters Herrn XXX, das Schreiben ging dem Beklagten zu 1) am 21.05.2015 zu, auf das Kündigungsschreiben Bl. 20 ff. d. A. wird verwiesen.
Die Klägerin ist der Ansicht, durch die ordentliche Kündigung vom 09.05.2015 sei der Mietvertrag beendet worden, da der Vertrag wirksam zugunsten ihres Gesellschafters wegen Eigenbedarfs gekündigt worden sei. § 577 a Abs. 1 a BGB sei nur im Zusammenhang mit einer Wohnungsumwandlung, jedenfalls der Absicht einer Wohnungsumwandlung anwendbar.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die Wohnung gelegen XXXstraße XX, in XXXXX Frankfurt am Main, X. OG, bestehend aus XXXXXXXXX, zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Ansicht, eine wirksame Kündigung wegen Eigenbedarfs liege nicht vor, da die Klägerin als GbR nicht wegen Eigenbedarfs zugunsten ihres Gesellschafters kündigen dürfe. Des Weiteren sei die Kündigung wegen der Sperrfrist des § 577a BGB unwirksam.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die ist Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gem. § 546 Abs. 1 BGB, weil die Eigenbedarfskündigung der Klägerin vom 09.05.2015 das Mietverhältnis nicht beendet hat.
Die Klägerin war zwar dem Grunde nach berechtigt, eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ihres Gesellschafters auszusprechen (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.2011, VIII ZR 74/11), die Klägerin hat jedoch die sich aus § 577 a, Abs. 1 i. V. m. Abs. 1 a Nr. 1 BGB ergebende Sperrfrist nicht eingehalten. Nach § 577 a, Abs. 1 i. V. m. Abs. 1 a Nr. 1 BGB ist eine Kündigung wegen Eigenbedarfs erst nach Ablauf von drei Jahren ab der Veräußerung vermieteten Wohnraums gestattet, wenn die Wohnung nach der Überlassung an den Mieter an eine Personengesellschaft veräußert wurde, deren Gesellschafter nicht derselben Familie angehören. Für die Stadt Frankfurt wurde die Sperrfrist gem. § 577 a Abs. 2 BGB auf 5 Jahre verlängert (Hessische Verordnung zur Bestimmung von Gebieten mit verlängerter Kündigungsbeschränkung vom 28.07.2004, GVBl. I 2004, 262). Die Gesellschafter der Klägerin sind nicht ausschließlich Familienangehörige, die Wohnung war bereits vor der Veräußerung an den Beklagten vermietet und seit der Veräußerung im Jahr 2015 sind noch keine drei und auch keine fünf Jahre vergangen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es keine Voraussetzung der Sperrfrist gem. § 577 a Abs. 1 a Nr. 1 BGB, dass eine Umwandlung in Wohnungseigentum beabsichtigt ist. Zwar ist es korrekt, dass Anlass für die Einfügung des Abs. 1 a die Umgehung der Sperrfrist des § 577 a BGB in Form des Münchener Modells war, bei dem die Erwerber ohne Beachtung der in § 577 a Abs. 1 bestimmten Beschränkung wegen Eigenbedarfs für ein Mitglied der Erwerbergemeinschaft kündigen konnten, weil die Umwandlung in Wohnungseigentum erst nachträglich erfolgte (vgl. BGH NJW 2009, 2738 ). Dies bedeutet jedoch nicht, dass seitens des Gesetzgebers die Absicht der Umwandlung Voraussetzung für die Sperrfrist gem. § 577 a Abs. 1 a Nr. 1 BGB sein sollte.
Dies ergibt sich bereits nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes.
Die Tatsache, dass § 577 a mit „Kündigungsbeschränkungen bei Wohnungsumwandlung“ überschrieben ist, führt nicht dazu, dass die Wohnungsumwandlung zusätzlich Voraussetzung des § 577 a Abs. 1 a Nr. 1 BGB ist. Die Überschrift bezieht sich auf die ursprüngliche Fassung der Vorschrift, sie kann deshalb nicht zur Auslegung des Abs. 1 a herangezogen werden (Blank in Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl. 2014, Rn. 78 zu § 577 a BGB).
In § 577 a Abs. 1 a Nr. 1 BGB wurde kein Bezug zur Umwandlung in Wohnungseigentum hergestellt, obwohl bereits im Anschluss an die Veröffentlichung des Gesetzentwurfs die Konsequenzen des gewählten Wortlauts diskutiert wurden. So wurde im Aufsatz von Fleindl über das geplante Mietrechtsreformgesetz bereits festgestellt: „Damit löst jede Veräußerung eines mit Mietwohnraum bebauten Grundstücks an eine GbR oder an mehrere Erwerber die Sperrfrist nach Abs. 1 aus, ohne dass es noch auf die in § 577 a I BGB-E eigentlich relevante Begründung von Wohnungseigentum ankäme“. (Fleindl, Das geplante Mietrechtsreformgesetz – Ein Überblick über die wesentlichen Änderungen, NZM 2012, 57, Rn. 62). „Der Deutsche Mietgerichtstag hat in seiner Stellungnahme vom 12./13. 1. 2012 angemerkt, die Vorschrift würde gleichsam über ihr eigentliches Ziel „hinausschießen“, weil sie auch Fallgestaltungen betreffe, in denen die Begründung von Wohnungseigentum überhaupt nicht beabsichtigt sei“ (Hinz, Mietrechtsänderung im Rechtsausschuss, NZM 2012, 777, 789). Dennoch wurden – offenbar bewusst – am Gesetzestext keine Einschränkungen vorgenommen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/10485).
Zudem war der Zweck der Gesetzesänderung, den Mietern einen umfassenden Schutz vor der Umgehung der Intention des § 577 a BGB zu gewähren. Um diesen Zweck zu erreichen war es erforderlich, es nicht zur Voraussetzung der Sperrfrist zu machen, dass bereits beim Erwerb die Absicht der Umwandlung in Eigentumswohnungen und damit die Absicht der Umgehung der Kündigungsbeschränkung vorgelegen hat, da diese Hürde in der Praxis – allein schon wegen der schwierigen Beweisbarkeit – zu weiteren umfassenden Missbrauchsmöglichkeiten geführt hätte.
Damit tritt die Kündigungssperrfrist auch dann ein, wenn die erwerbende Gesellschaft nicht die Absicht hat, an den einzelnen Wohnungen Wohnungseigentum zu begründen (vgl. Blank in Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl. 2014, Rn. 78 zu § 577 a BGB, Schmidt-Futterer, Rn. 18 b zu § 577 a BGB). Der Gesetzgeber wollte den Mieter vor dem erhöhten Verdrängungsrisiko bei einer Veräußerung an eine Personengesellschaft oder mehrere Erwerber schützen und hält fest, dass sich dieses Risiko mit dem Erwerb der mit Mietwohnraum bebauten Liegenschaft bzw. der Belastung des Wohnraums nach § 567 Abs. 1 BGB bereits verwirklicht hat und durch eine nachfolgende Begründung von Wohneigentum nicht erhöht wird (vgl. Hannemann in Hannemann/Wegner, Münchener Anwaltshandbuch Mietrecht, 4. Aufl. 2014, § 33).
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
Der Streitwert wird auf 10.275,- € festgesetzt.

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