OLG Düsseldorf, Urteil vom 09. Juli 2009 – I-8 U 132/07

Juli 10, 2020

OLG Düsseldorf, Urteil vom 09. Juli 2009 – I-8 U 132/07
Prozessfähigkeit: Nachweispflicht der Partei bei bestehenden Bedenken
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 7. August 2007 verkündete Zwischenurteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal aufgehoben.
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
I.
Aufgrund einer Überweisung des Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen Dr. d… L… führte der Beklagte – niedergelassener Arzt für Radiologie – am 21.06.2001 bei dem Kläger zum Ausschluss einer Gefäßmalformation eine Angiographie der hirnversorgenden Äste sowie der A. carotis externa beiderseits durch. Dabei wurde die rechte Femoralarterie punktiert, um den Katheter im Gefäßsystem hochzuschieben. Die Untersuchung verlief ausweislich des Arztbriefes des Beklagten (GA 24) komplikationslos und ergab einen unauffälligen Befund („Unauffällige carotis ext. Angiographie beiderseits. Kein Anhalt für Malformation oder Blutungsquelle).
Der Kläger hat behauptet, die Angiographie sei fehlerhaft durchgeführt worden; deshalb sei es zu einer tiefliegenden Thrombose mit dem Erfordernis einer Aneurysma-Ausräumung sowie einer Verletzung des Nervus femoralis gekommen. Ferner hat er sich auf ein Aufklärungsversäumnis berufen; bei Kenntnis der Risiken hätte er keinen Zugang über die Leiste, sondern über den Oberarm gewählt. Wegen der dem Beklagten anzulastenden Beeinträchtigungen hat der Kläger die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 10.000 € sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für allen materiellen und weiteren immateriellen Schaden verlangt.
Der Beklagte ist den Vorwürfen entgegengetreten. Er hat sich ferner auf eine Anspruchsverjährung berufen und die Prozessfähigkeit des Klägers bestritten.
Durch Zwischenurteil vom 07.08.2007 hat das Landgericht die Prozessfähigkeit des Klägers festgestellt.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er in erster Linie die Klageabweisung und hilfsweise unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die erneute Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Prozessfähigkeit des Klägers erstrebt. Er macht geltend, der irrationale Sachvortrag des Klägers begründe den Verdacht seiner Prozessunfähigkeit. Dem hätte die Kammer durch Beauftragung eines Sachverständigen nachgehen müssen; die Feststellung der Prozessfähigkeit ohne eine entsprechende Begutachtung und ohne persönliche Anhörung des Klägers sei nicht zulässig.
Der Kläger bittet um Zurückweisung der Berufung. Er verteidigt die landgerichtliche Entscheidung unter Hinweis darauf, dass die Berufung auf seine mangelnde Prozessfähigkeit ehrverletzend sei.
Durch Beschluss vom 13.12.2007 (GA 269) hat der Senat die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Prozessfähigkeit des Klägers angeordnet und mit der Begutachtung den Sachverständigen Prof. D. L… beauftragt. Das in Auftrag gegebene Gutachten konnte nicht erstellt werden, weil der Kläger sämtliche Einladungen des Gutachters zu einem Explorationsgespräch abgesagt hat.
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung am 4. Juni 2009 informatorisch angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das angefochtene Urteil verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten, der die Zulässigkeit der Klage wegen behaupteter Prozessunfähigkeit des Klägers bestreitet, hat Erfolg; das Rechtsmittel führt unter Aufhebung des die Prozessfähigkeit des Klägers feststellenden Zwischenurteils des Landgerichts vom 7. August 2007 zur Abweisung der Klage als unzulässig, weil der Kläger den ihm obliegenden Nachweis seiner Prozessfähigkeit nicht geführt hat und das Gericht deshalb nicht in der Lage ist, eine Sachentscheidung zu treffen.
Gemäß § 56 ZPO ist die Prozessfähigkeit einer Partei als Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu berücksichtigen. Dabei hat das Gericht so lange von der Prozessfähigkeit einer Partei auszugehen, wie nicht sachliche Bedenken aufgezeigt werden (BGH NJW 1996, 1059 f). Solche Bedenken, die der Beklagte ausdrücklich geltend macht, ergeben sich aufgrund des Prozessvortrages des Klägers zu seinen persönlichen Verhältnissen und sie werden verstärkt aufgrund seiner Erklärungen im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat. Aus den in weiteren Teilen völlig lebensfremden Ausführungen des Klägers ergeben sich Auffälligkeiten, die den Verdacht der Prozessunfähigkeit gemäß § 52 ZPO, §§ 104 Nr. 4, 105 Abs. 2 BGB begründen und damit die von dem Senat angeordnete Begutachtung durch einen psychiatrischen Sachverständigen (Beschluss vom 13.12.2007, GA 270) rechtfertigen. Der Kläger trägt insoweit vor:
Er sei am 29.03.1951 als J… H… geboren. Er habe bis zu ihrem Tod im Jahre 1960 bei seiner Großmutter in G… zu Sch…/Sachsen-Anhalt gelebt. Danach sei er (im Alter von 9 Jahren) von Stasi-Mitarbeitern festgenommen und im Zuchthaus Bautzen inhaftiert worden. Nach zwei Wochen sei ihm die Flucht gelungen und er sei über Schweden und Schottland in die USA gelangt. Dort habe er nach Beginn einer Militärlaufbahn im Alter von 15 Jahren 1966 die SC-Military-Academy und 1971 die Militärakademie Westpoint absolviert. Ferner habe er Mathematik, Informatik und Nuklearphysik studiert und 1976 mit 25 Jahren seine Promotion zum Doktor der Nuklearphysik an der Yale-Universität abgeschlossen. Ferner habe er Promotionen auf den Gebieten der Mathematik und der Informatik erworben. Er spreche neun Sprachen. Als Jet-Pilot sei er zahlreiche Kriegseinsätze geflogen. Dabei sei er 1981 abgeschossen und schwer verletzt worden. Bis 1984 sei er wegen seiner Gesichtsverletzungen in den USA mehrfach operiert worden. In dieser Zeit sei er in die Dienste eines US-Geheimdienstes getreten. Nach weiteren Operationen in den Jahren 1993 – 1995 sei er als Testpilot und Entwicklungsleiter für Luftfahrzeuge tätig gewesen. 1988 sei er von der Bundesrepublik Deutschland mit Vorbereitungen zur Wiederherstellung der Deutschen Einheit beauftragt worden; der hierüber geschlossene Vertrag unterliege noch der Geheimhaltung. Aus Gründen des Zeugenschutzes in Folge seiner diesbezüglichen Tätigkeit habe das Bundeskriminalamt ihm die Identität des „J… M…“, geboren 29.03.1963 in G…/Ostpreußen gegeben. Allerdings habe man ihm dann die Rückgabe seiner wahren Identität verweigert, weshalb sich aus seinen Ausweispapieren ein falsches Geburtsjahr ergebe. Den Namen „F…“ habe er bei seiner Eheschließung angenommen. Trotz zwischenzeitlicher Pensionierung befinde er sich weiterhin in einem sehr hohen Offiziersrang der U.S.-Navy, allerdings unter anderem Familiennamen; aus Sicherheitsgründen könnten hier Einzelheiten hierzu nicht vorgetragen werden. Beruflich sei er ferner für den Technologiekonzern J… C… tätig mit einem durchschnittlichen Jahresgehalt von über 14 Mio. US $, das sich nicht zuletzt auf seine eigenen Entwicklungen und Erfindungen gründe.
Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Lebensbiografien außergewöhnlich sein können, erscheinen die Beschreibungen des Klägers zu seiner Person und seinem Werdegang realitätsfern und unglaubhaft. Seine Identifizierung mit der von ihm beschriebenen Persönlichkeit lässt eine psychische Fehlleistung im Sinne der §§ 104 Nr. 4, 105 Abs. 2 BGB vermuten. Den deshalb begründeten Verdacht seiner Prozessunfähigkeit hat der Kläger nicht zu entkräften vermocht. Bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat hat er sich, nach seinen persönlichen Verhältnissen befragt, als hochrangiger Navy-Offizier dargestellt, der in Deutschland als Regierungsberater mit persönlichen Kontakten zu führenden Politikern tätig ist; ferner werde er von der Fima J… als verantwortlicher Manager beschäftigt. Er lebe in Kanada und verfüge dort über eine Postadresse; seine tatsächliche Wohnanschrift in Kanada könne er aus Verschwiegenheitsgründen nicht nennen. Seine Ehefrau lebe auf einer Baustelle in S… . Der Kläger erging sich im weiteren in Beschimpfungen deutscher und ausländischer Politiker und staatlicher Einrichtungen, die er als „korrupte Politiker, Idioten vom CIA, den Alkoholiker und Junkie George W. Bush, Helmut Kohl, den größten Mafiaboss aller Zeiten“ titulierte. Sowohl die verbalen Ausführungen des Klägers als auch seine persönliche Erscheinung erhärten den Verdacht einer Persönlichkeitsstörung, deren Erforschung im Hinblick auf Umfang, Bedeutung und Einfluss auf die freie Willensbestimmung des Klägers der sachverständigen Begutachtung bedarf. Der Kläger hat sich dieser von dem Senat durch Beschluss vom 13.12.2007 angeordneten Begutachtung nicht gestellt. Keinen der ihm von dem Sachverständigen genannten Untersuchungstermine hat er wahrgenommen. Die von ihm mitgeteilten Entschuldigungsgründe sind nicht stichhaltig und belegen letztlich seine Absicht, sich einer Untersuchung zu entziehen: Nachdem er sich zunächst gegen die Anordnung der Begutachtung selbst und sodann, wegen angeblicher Geheimhaltungspflichten gegen deren Ausgestaltung gewendet hatte, hat er durch die Bescheinigungen vom 18.11.2008 (GA 364), 30.12.2008 (GA 376) und 31.01.2009 (GA 382) auf eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit hingewiesen, ohne dass die medizinischen Gründe hierfür ersichtlich wurden. Mit den Bescheinigungen vom 28.02.2009 (GA 386) und vom 31.03.2009 (GA 392) hat der Kläger dann auf eine bevorstehende Transplantationsoperation („Waiting for Transplantation“) hingewiesen. Diesen Eingriff, zu dem aussagekräftige ärztliche Befunde nicht vorliegen, hat er bei seiner Anhörung dahingehend erläutert, dass durch eine Transplantation von gezüchteter Schleimhaut und Knochen seine bei dem Flugzeugabsturz im Jahre 1981 erlittene Schädelverletzung versorgt werden solle. Obwohl der Senat bereits mit Verfügung vom 12.01.2009 darauf hingewiesen hatte, dass das Fernbleiben des Klägers zu den anberaumten Untersuchungsterminen nicht hinreichend entschuldigt war und dass aus den vorgelegten Unterlagen nicht hervorgehe, dass der Kläger nicht in der Lage sei, sich den vorgesehenen Explorationen zu unterziehen, hat er weder das geforderte Attest eines deutschen Amtsarztes noch eine andere aussagekräftige ärztliche Bescheinigung vorgelegt. Die von dem Kläger vorgelegten Bescheinigungen zur Arbeitsunfähigkeit lassen aufgrund ihrer Ausgestaltung im übrigen Zweifel daran aufkommen, dass sie überhaupt von einem Arzt bzw. einer Klinik (Privat-Spezial-Hospital, Prof. Dr. B…) stammen.
Der Senat sieht damit die zur Beurteilung der Prozessfähigkeit des Klägers erschließbaren Erkenntnisquellen als erschöpft an. Seine persönliche Anhörung rechtfertigt nicht die Feststellung der Prozessfähigkeit; einer sachverständigen Begutachtung, die alleine aufgrund einer persönlichen Untersuchung des Klägers durch den Gutachter erfolgen kann, hat er sich, wie dargestellt, entzogen. Die deshalb verbleibenden Zweifel an der Prozessfähigkeit des Klägers gehen zu seinen Lasten. Es ist anerkannt, dass die betroffene Prozesspartei ihre Prozessfähigkeit nachzuweisen hat, wenn Bedenken hiergegen bestehen und diese Bedenken anderweitig nicht ausgeräumt werden können (BGH NJW 1996, 1059; 2000, 289). Weil der Kläger den entsprechenden Beweis nicht geführt hat, ist die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revisionszulassung ist nicht veranlasst.
Die Beschwer des Klägers liegt über 20.000 €.
Streitwert: 25.000 €

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