BGH, Urteil vom 17. März 1989 – V ZR 233/87

Juli 12, 2020

BGH, Urteil vom 17. März 1989 – V ZR 233/87
Hilfsanschlußberufung des Klägers für den Fall der Abweisung des Klageanspruchs des nicht notwendigen Streitgenossen; Auflassungsvollmacht in formnichtigem Grundstückskaufvertrag
vorgehend OLG Celle, 17. Juli 1987, 4 U 90/86
vorgehend LG Hannover, 28. Februar 1986, 4 O 353/85
Tatbestand
Die Beklagten sind die Erben der am 6. Mai 1984 verstorbenen A. T.. Diese hatte dem Ehemann der Klägerin – dem Kläger zu 2 – durch Vertrag vom 21. Februar 1974 ihr in L. gelegenes Hausgrundstück mit der dort befindlichen Apotheke zum Preise von 840.000 DM auf Rentenbasis verkauft. Der Vertrag wurde durch notarielle Vereinbarung vom 4. September 1975 aufgehoben; zugleich wurde der zwischen dem Ehemann der Klägerin und der Erblasserin bestehende „Pacht- und Mietvertrag“ über die Apotheke auf Lebenszeit der Erblasserin zu einem Pachtzins von monatlich 5.500 DM verlängert.
In einer weiteren notariellen Urkunde vom 4. September 1975 verkaufte die Erblasserin das Apothekengrundstück für 150.000 DM an die Klägerin und bevollmächtigte sie unter Befreiung von dem Verbot des § 181 BGB, nach ihrem – der Erblasserin – Tode die Auflassung zu erklären. Der Kaufpreis sollte mit Eigentumsumschreibung fällig sein (§ 2 Ziff. 2 des Vertrages), der veräußerte Grundbesitz jedoch lastenfrei auf die Klägerin zu 1 übergehen (§ 5 Ziff. 1), und zwar mit dem Tage des Todes der Erblasserin (§ 9 I). Das Kaufgrundstück war u.a. mit folgenden Eigentümergrundschulden belastet: 500.000 DM unter lfd.Nr. 12, 50.000 DM unter Nr. 15 sowie 100.000 DM unter Nr. 16. Die Grundschulden sollten „der Sicherung des Restkaufpreises dienen“ (§ 5 Ziff. 3 des Vertrages). Die Erblasserin verpflichtete sich, die Grundschulden auf die Klägerin zu 1 zu übertragen oder löschen zu lassen „entsprechend den Zahlungen, die die Erwerberin auf den Kaufpreis leistet“. In derselben Urkunde verpflichtete sie sich u.a., die unter Nr. 15 eingetragene Grundschuld von 50.000 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Zahlung eines Darlehensbetrages von 50.000 DM an den Kläger zu 2 abzutreten, sofern ihr dieser Betrag bis zum 30. September 1980 ausgehändigt wird.
Am 24. März 1986 wurde das Eigentum auf die Klägerin zu 1 aufgrund von ihr erklärter Auflassung umgeschrieben.
Mit der Klage hat die Klägerin zu 1 beantragt, die Beklagten zur Einwilligung in die Löschung der Grundschulden Nr. 12 von 500.000 DM und Nr. 16 von 100.000 DM zu verurteilen. Der Kläger zu 2 hat beantragt, die Beklagten zur Abtretung der Grundschuld Nr. 15 von 50.000 DM an ihn zu verurteilen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Dagegen haben die Beklagten Berufung eingelegt. Die Klägerin zu 1 hat im Wege der Hilfsanschlußberufung beantragt, die Beklagten zu verurteilen, 1. in die Löschung der unter Nr. 15 eingetragenen Grundschuld einzuwilligen, 2. die Löschung der unter Nr. 12 und 15 eingetragenen Grundschulden herbeizuführen.
Das Oberlandesgericht hat – unter rechtskräftiger Abweisung der vom Kläger zu 2 erhobenen Klage – die Beklagten verurteilt, in die Löschung der Grundschulden Nr. 12 von 500.000 DM, Nr. 16 von 100.000 DM und Nr. 15 von 50.000 DM „einzuwilligen bzw.“ die Löschung „herbeizuführen“.
Mit der Revision wollen die Beklagten Abweisung der Klage in vollem Umfang erreichen. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die Verurteilung der Beklagten, in die Löschung der Briefgrundschulden Nrn. 12, 15 und 16 „einzuwilligen bzw. die Löschung herbeizuführen“, ist unzulässig.
Das Berufungsgericht meint, durch ein Urteil solchen Inhalts könne der Hilfsanschlußberufung, die für den Fall erhoben worden sei, daß die Beklagten die Grundschulden außerhalb des Grundbuches abgetreten haben sollten, Rechnung getragen werden. Das ist verfehlt, wie die Revision zu Recht rügt.
1. Der Antrag Ziff. 1 der unselbständigen Hilfsanschlußberufung, die Beklagten zur Einwilligung in die Löschung der Grundschuld Nr. 15 zu verurteilen, hat die Klägerin für den – hier eingetretenen – Fall der Abweisung des von ihrem Ehemann, dem Kläger zu 2, geltend gemachten Anspruchs auf Abtretung dieser Grundschuld gestellt. Insoweit steht die Anschlußberufung nicht in einem Eventualverhältnis zu dem Hauptantrag der Klägerin auf Zurückweisung der sie selbst betreffenden Berufung. Anerkannt ist allerdings, daß die unselbständige Anschließung auch von einem „innerprozessualen Vorgang“ zwischen den Parteien abhängig gemacht werden darf, der auch in einer bestimmten Entscheidung des Gerichts bestehen kann, z.B. in der Beurteilung einer Rechtsfrage, auf der die Entscheidung über die Berufung beruht (BGH Urt. v. 10. November 1983, VII ZR 72/83, NJW 1984, 1240ff).
Anders verhält es sich jedoch im vorliegenden Fall. Hier ist die Anschließung an eine Bedingung geknüpft worden, die sich erst aus einem Vorgang im Prozeßverhältnis zwischen den Beklagten und dem damaligen Kläger zu 2 ergeben konnte, nämlich aus der Abweisung seiner Klage. Die beiden Kläger waren nicht notwendige Streitgenossen; ihre Ansprüche betrafen nicht denselben Streitgegenstand. Es handelte sich daher nur um äußerlich verbundene, der Sache nach aber um selbständige Verfahren (Zöller/Vollkommer, ZPO 15. Aufl. § 61 Rdn. 8; Baumbach/Hartmann, ZPO 47. Aufl. § 61 Anm. 2 D). Jeder Streitgenosse ist deshalb gemäß § 61 ZPO so zu behandeln, als ob nur er allein mit dem Gegner prozessieren würde (Baumbach/Hartmann aaO § 61 Anm. 2). Könnte ein Streitgenosse Anschlußberufung unter der Bedingung einlegen, daß der andere Streitgenosse seinen Prozeß verliert, so würden die Verfahren auch innerlich miteinander verknüpft. Das Gericht wäre dann genötigt, über die Berufung des Prozeßgegners der Streitgenossen entweder einheitlich zu entscheiden oder zuerst durch Teilurteil über den Anspruch desjenigen Streitgenossen zu befinden, von dessen Unterliegen die Anschlußberufung des anderen Streitgenossen abhängig sein soll. Damit würde die Selbständigkeit der Verfahren aufgehoben und auf diese Weise dem Streitgenossen unzulässig ein Vorteil aus dem nur den anderen Streitgenossen betreffenden Berufungsverfahren verschafft.
Die Hilfsanschlußberufung ist mithin unzulässig, soweit sich der Antrag Ziff. 1 auf die Grundschuld Nr. 15 bezieht. Gleiches gilt dann für den Antrag Ziff. 2, soweit damit hilfsweise die Verurteilung der Beklagten verlangt wird, die Löschung dieser Grundschuld herbeizuführen. Denn auch dieser Teil des Antrages steht unter der unzulässigen Bedingung, daß der Anspruch des Klägers zu 2 auf Abtretung der Grundschuld aberkannt wird.
2. Zulässig ist die Hilfsanschlußberufung hingegen insoweit, als mit dem Antrag Ziff. 2 die Verurteilung der Beklagten erstrebt wird, die Löschung der Grundschuld Nr. 12 und, wie das Berufungsgericht im Wege ergänzender Auslegung des offenbar versehentlich unvollständigen Antrages annimmt, auch der Grundschuld Nr. 16 „herbeizuführen“. Inhaltlich ist der Antrag hinreichend bestimmt, da es Sache der Beklagten ist, auf welche Weise sie die Löschung herbeiführen (vgl. Senatsurt. v. 21. Februar 1986, V ZR 226/84, NJW 1986, 1676 – insoweit nur teilweise abgedruckt in BGHZ 97, 178).
Dieser Antrag ist an die Bedingung gebunden, daß die Beklagten – entsprechend ihrer Behauptung – nach Rechtshängigkeit des Löschungsanspruchs diese beiden Grundschulden abgetreten haben sollten und deshalb zur Löschung die Bewilligung der Beklagten nicht ausreichen sollte. Die Abtretung der streitbefangenen Grundschulden ist ein Umstand, der eine Anschlußberufung mit dem Ziel zuläßt, die Verurteilung der Beklagten zur Herbeiführung der Löschung, also zur Beschaffung einer Löschungsbewilligung des neuen Gläubigers oder auf anderem Wege, zu erwirken, sofern nicht schon ein dem Hauptantrag der Klage – Löschungsbewilligung der Beklagten – stattgebendes Urteil den Erwerber der Grundschulden mangels Gutgläubigkeit (§§ 1192 Abs. 1, 1154, 1155 BGB) binden würde (§§ 265, 325 Abs. 2 ZPO). Darüber gibt das Berufungsurteil keinen Aufschluß.
3. Soweit hiernach die Hilfsanschlußberufung zulässig ist, also bezüglich der Grundschulden Nr. 12 und Nr. 16, hätte das Berufungsgericht darüber jedoch erst nach Klärung der Frage entscheiden dürfen, ob diese Grundpfandrechte wirksam abgetreten worden sind und mithin die Bedingung der Anschließung eingetreten ist. Solange das nicht feststeht, kann die Hilfsanschlußberufung nicht zur Entscheidung anfallen. Der „verbleibenden Unsicherheit“, ob eine Abtretung erfolgt ist, durfte deshalb das Berufungsgericht nicht dadurch Rechnung tragen, daß es der Klage sowohl nach dem Hauptantrag als auch nach dem mit der Hilfsanschlußberufung eingeführten Antrag stattgab. Denn das bedeutet, daß der Streit über die Frage der Abtretung einer Klärung erst im Vollstreckungsverfahren überlassen bleibt. Das widerspricht dem Bestimmtheitserfordernis einer Verurteilung. Es ist verfehlt, wenn das Berufungsgericht meint, die Anträge der Klägerin in dieser Weise auslegen zu können. Eine solche Auslegung gäbe den Anträgen einen unzulässigen Inhalt.
4. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben, soweit es die Ansprüche der Klägerin zu 1 betrifft.
Der Senat kann jedoch nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO über den von der Klägerin mit der Hilfsanschlußberufung geltend gemachten Anspruch, die Beklagten zur Einwilligung in die Löschung der Grundschuld Nr. 15 (1. Antrag) oder – für den Fall der Abtretung – zur Herbeiführung der Löschung dieser Grundschuld (2. Antrag) zu verurteilen, abschließend entscheiden. Die auf diese Grundschuld bezogene Hilfsanschlußberufung ist aus den dargelegten Gründen unzulässig, folglich als unzulässig zu verwerfen.
II. Was die Grundschulden Nr. 12 und Nr. 16 anlangt, so ist die Klage entgegen dem Standpunkt der Revision nicht schon aus sachlich-rechtlichen Gründen abzuweisen.
Der Klägerin steht nach § 5 des mit der Erblasserin geschlossenen Kaufvertrages vom 4. September 1975 ein Anspruch auf lastenfreie Übereignung des Grundstücks zu. Sie kann daher unter der Voraussetzung der Wirksamkeit dieses Vertrages von den Beklagten als Erben der Verkäuferin Einwilligung in die Löschung der Grundschulden Nr. 12 und Nr. 16 verlangen.
1. Die Wirksamkeit des Vertrages bejaht das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei.
War der notarielle Kaufvertrag mangels vollständiger Beurkundung aller vereinbarten Gegenleistungen, wie das Berufungsgericht annimmt, formnichtig, so ist dieser Form mangel nach § 313 Satz 2 BGB geheilt worden. Die Auflassung, welche die Klägerin aufgrund der ihr von der Erblasserin im notariellen Kaufvertrag unter Befreiung von § 181 BGB erteilten Vollmacht am 12. Juni 1984 erklärt hat, ist wirksam. Insoweit ist zwar die Auffassung der Revision grundsätzlich richtig, daß die Formnichtigkeit eines Vertrages im Zweifel gemäß § 139 BGB auch die Unwirksamkeit der im Kaufvertrag enthaltenen Auflassungsvollmacht zur Folge hat (Senatsurt. v. 19. Dezember 1963, V ZR 121/62, WM 1964, 182, 183 zu II; BGH Urt. v. 8. November 1984, III ZR 132/83, NJW 1985, 730 und v. 15. Oktober 1987, III ZR 235/86, ZIP 1987, 1454, 1455). Das gilt aber nicht unter der hier vom Tatrichter rechtlich einwandfrei festgestellten Voraussetzung, daß eine Vertragspartei die andere unwiderruflich, über den Tod hinaus, zur Auflassung bevollmächtigt, um so die Vollziehung des Vertrages – und damit die Heilung der Formnichtigkeit des gesamten Vertrages – zu sichern (Senatsurt. v. 19. Dezember 1963 aaO und v. 30. Oktober 1987, V ZR 144/86, WM 1988, 48, 52).
In einem solchen Falle kommt es entgegen der Ansicht der Revision auch nicht darauf an, ob im Zeitpunkt der Auflassungserklärung Willensübereinstimmung zwischen der Klägerin und den Erben der Verkäuferin bestand. Der von ihr über ihren Tod hinaus erteilten Vollmacht würde die Bedeutung entzogen, wenn der Bevollmächtigte davon keinen Gebrauch machen könnte. Denn wenn ihn die Vollmacht wirksam zur Erklärung der Auflassung berechtigt, dann muß er sie auch erklären können. Er handelt dann mit dem die Erben bindenden Willen des Vollmachtgebers und mithin auch als Vertreter der Erben (vgl. RGZ 106, 185, 187; BGHZ 87, 20, 25).
2. Soweit die Beklagten geltend gemacht haben, die Verträge vom 4. September 1975 seien wegen Verstoßes gegen die §§ 9, 12 des Gesetzes über das Apothekenwesen nichtig, läßt das angefochtene Urteil keinen Rechtsfehler erkennen. Die Revision zeigt keinen Gesichtspunkt auf, der zu einer abweichenden Beurteilung Anlaß geben könnte.
3. Der Revision kann auch nicht in der Auffassung gefolgt werden, der Kaufvertrag und die damit zusammenhängenden weiteren Verträge vom 4. September 1975 seien wegen einer hierdurch bezweckten Steuerverkürzung nichtig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Verträge, die mit der Absicht einer Steuerhinterziehung verbunden sind, nur dann nichtig, wenn dies der Hauptzweck des Vertrages ist (BGHZ 14, 26, 30/31; Senatsurt. v. 8. November 1968, V ZR 60/65, WM 1969, 163ff). Was die Revision dazu vorträgt, belegt diesen Zweck nicht, sondern ergibt nur, daß die Beteiligten eine mit dem Steuerrecht zu vereinbarende Vertragsgestaltung herbeiführen wollten.
4. Soweit das Berufungsgericht als rechtserheblich angesehen hat, ob die Erblasserin die vom Ehemann der Klägerin geschuldete Pachtzinszahlung erhalten hat, und diese Zahlung durch nachgelassenen Schriftsatz für dargelegt hält, greift die dagegen gerichtete Verfahrensrüge nicht durch. Von einer Begründung wird gemäß § 565a ZPO abgesehen.
5. Die Revision führt somit zur Aufhebung und Zurückverweisung, soweit das Berufungsgericht der auf die Grundschulden Nrn. 12 und 16 bezogenen Klage stattgegeben hat.

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