OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.01.2015 – 20 W 232/13

Juli 14, 2020

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.01.2015 – 20 W 232/13

Tenor

Der angefochtene Beschluss des Registergerichts wird aufgehoben und das Registergericht wird angewiesen, auf den Antrag des Beschwerdeführers auf Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 Absatz 1 Satz 1 FamFG, nunmehr das entsprechende Löschungsverfahren unter Beachtung des entsprechenden Verfahrens nach § 394 Absatz 2 und 3 FamFG i.V.m. § 393 Absatz 3 bis 5 FamFG durchzuführen.
Gründe

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner nach § 394 Absatz 1 Satz 1, Absatz 3 FamFG i.V.m. §§ 393 Absatz 3 und 59 Absatz 3 FamFG statthaften und nach §§ 63 Absatz 1, 64 Absatz 1 und 2 FamFG zulässigen Beschwerde, wegen deren Inhalts auf Bl. 39 ff. der Registerakte Bezug genommen wird, gegen die Zurückweisung seines mit Schreiben vom 29.11.2012 gestellten Antrages auf Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit (Bl. 25 f. der Registerakte).

Diese Beschwerde ist begründet.

Allerdings kann die Stattgabe der Beschwerde nicht dazu führen, dass nunmehr unmittelbar eine Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister zulässig wäre. Das Registergericht hat den Antrag des Beschwerdeführers vielmehr bereits im Stadium der Prüfung des Vorliegens der ausreichenden Voraussetzungen für die gerichtliche Annahme einer Vermögenslosigkeit im Sinne von § 394 Absatz 1 Satz 1 FamFG zurückgewiesen und noch vor Einleitung und Durchführung des für den Fall der Bejahung des Vorliegens der Löschungsvoraussetzungen weiteren förmlichen Löschungsverfahrens nach § 394 Absatz 2 und 3 FamFG i.V.m. § 393 Absatz 3 bis 5 FamFG.

Dass das Registergericht nunmehr zunächst dieses gesetzlich vorgesehene Verfahren durchzuführen haben wird, in dem möglicherweise bislang nicht bekannte Löschungshindernisse zu Tage treten können, die dann beispielsweise auch für die nach § 394 Absatz 1 Satz 1 FamFG vor Löschung erforderliche Ermessenausübung durch das Registergericht noch eine Bedeutung haben können, führt aber auch nicht zu einer teilweisen Zurückweisung der Beschwerde. Bereits der Antrag des Beschwerdeführers konnte nämlich nicht anders verstanden werden, als dass das Registergericht die Löschung der Gesellschaft auch unter Beachtung der hierfür bestehenden gesetzlichen Verfahrensvorschriften durchzuführen hat.

Nach § 394 Absatz 1 Satz 1 FamFG kann eine Aktiengesellschaft, eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder eine Genossenschaft, die kein Vermögen besitzt, entweder von Amts wegen oder aber auf Antrag der Finanzbehörde oder der berufsständischen Organe gelöscht werden.

Materielle Löschungsvoraussetzung ist, dass die betreffende Gesellschaft kein Vermögen mehr besitzt. Dies ist dann der Fall, wenn die Gesellschaft über keine Vermögenswerte mehr verfügt, die für eine Gläubigerbefriedigung oder eine Verteilung unter die Gesellschafter in Betracht kommen (vgl. u.a. bereits Beschluss des erkennenden Senats vom 04.08.1997, Az. 20 W 359/96, zitiert nach juris, Rn. 35 m.w.N., noch zum Löschungsgesetz; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.08.2014, Az. 11 Wx 92/13, zitiert nach juris, Rn. 13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.01.2011, Az. 3 Wx3/11, zitiert nach juris, Rn. 13; Munzig in Hahne/Munzig, Beck-Online Kommentar zum FamFG, Stand: 01.09.2014, § 394, Rn. 10; Heinemann, in Keidel, FamFG, 18. Aufl., 2014, § 394, Rn. 8). Auch wenn es nach überwiegender Auffassung – der auch der Senat folgt – jedenfalls Anhalt für eine derartige Vermögenslosigkeit ist, wenn ein ordentlicher Kaufmann keine Werte mehr als Aktiva in seine Bilanz einstellen kann, es somit an einer verteilungsfähigen Masse fehlt (vgl. hierzu u.a. Beschluss des erkennenden Senats vom 10.10.2005, Az. 20 W 289/05, zitiert nach juris, Rn. 3; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.03.2014, Az. 3 Wx 187/12, zitiert nach juris, Rn. 2), können somit insbesondere auch nicht bilanzierungsfähige Vermögensgegenstände oder Rechtspositionen Vermögen im Sinne von § 394 Absatz 1 Satz 1 FamFG darstellen (u.a. BAG, Urteil vom 19.03.2002, Az. 9 AZR 752/00, zitiert nach juris, Rn. 21 Munzig, a.a.O., Rn. 10; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, Anh. § 77, Rn. 5 m.w.N.). Dabei steht der Annahme einer Vermögenslosigkeit nach allgemeiner Auffassung bereits das Vorhandensein von Vermögen in nur geringem Umfang entgegen (vgl. u.a. Beschlüsse des erkennenden Senats vom 10.10.2005, a.a.O., vom 01.03.1999, Az. 20 W 81/99, zitiert nach juris, Rn. 2, noch zu § 141a FGG und vom 07.08.1992, Az. 20 W 263/92, zitiert nach juris, Rn. 5, noch zum Löschungsgesetz; OLG Thüringen, Beschluss vom 18.03.2010, Az. 6 W 405/09, zitiert nach juris, Rn. 12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.01.2011, a.a.O., Rn. 13 und Beschluss vom 05.03.2014, a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 13). Da es somit – wie dargelegt – nur darauf ankommt, ob noch verwertbare Aktivposten vorhanden sind, ist für die Feststellung einer Vermögenslosigkeit im Sinne von § 394 Absatz 1 Satz 1 FamFG eine bloße Überschuldung (vgl. § 19 Absatz 2 InsO), eine Zahlungsunfähigkeit ( vgl. § 17 Absatz 1 InsO) oder eine Masselosigkeit ( vgl. § 26 InsO) nicht maßgeblich und ausreichend (vgl. hierzu bereits Beschluss des erkennenden Senats vom 06.01.1983, Az. 20 W 770/82, ZIP 1983, 309 f.; auch OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 13 m.w.N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.03.2014, a.a.O.; Krafka in Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Aufl. 2013, § 394, Rn. 4; Haas, a.a.O.). Daraus folgt weiterhin, dass unter anderem erhebliche Steuerschulden oder eine fehlende Zahlungsmoral für sich genommen noch nicht die Annahme von Vermögenslosigkeit rechtfertigen (so u.a. auch OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 16 m.w.N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.09.2012, Az. 3 Wx 62/12, zitiert nach juris, Rn. 15), genauso wenig wie alleine die Umstände einer Gewerbeaufgabe, des Entzugs einer Gewerbeerlaubnis oder aber auch einer Führungslosigkeit der Gesellschaft (zu Letzterem OLG Köln, Beschluss vom 17.03.2011, Az. 2 Wx 28/11, zitiert nach juris, Rn. 15).

Weiterhin ist das Vorliegen des fehlenden Aktivvermögens in verfahrensrechtlicher Hinsicht – unter Beachtung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs, wie er in § 37 Absatz 2 FamFG einen ausdrücklichen gesetzlichen Ausdruck gefunden hat – im Rahmen der Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG im Hinblick auf die schwerwiegenden Folgen einer Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister besonders sorgfältig zu ermitteln. Die Ermittlungen müssen zur positiven Feststellung führen, dass kein Vermögen im oben dargelegten Sinne mehr vorhanden ist. Dabei genügt die bloße Überzeugung des Registergerichts von der Vermögenslosigkeit nicht, diese muss vielmehr auf ausreichenden Ermittlungen beruhen und kann sich nicht alleine auf die unterlassenen Darlegungen – insbesondere des Geschäftsführers – hinsichtlich noch vorhandenen Vermögens stützen (vgl. u.a. Beschlüsse des erkennenden Senats vom 06.01.1983, Az. 20 W 770/82, ZIP 1983, 309 f., vom 04.08.1997, a.a.O., Rn. 31 und 10.10.2005, a.a.O., Rn. 3 m.w.N.; OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 13.11.1996, Az. 3 Wx 494/96, zitiert nach juris, Rn. 7; vom 14.09.2012, a.a.O., und vom 05.03.2014, a.a.O.; OLG Köln, Beschluss vom 17.03.2011, a.a.O., Rn. 17; OLG Karlsruhe, a.a.O. Rn. 14; Heinemann, a.a.O., Rn. 7 m.w.N.; Krafka in Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Aufl., 2013, § 394, Rn. 9).

Entgegen der Ansicht des Registergerichts ist auch unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Ausführungen davon auszugehen, dass vorliegend aufgrund der bekannten Umstände von einer Vermögenslosigkeit der Gesellschaft in diesem Sinne ausgegangen werden kann.

Die im Jahr 2005 gegründete Gesellschaft, die sich dem Unternehmensgegenstand nach im Wesentlichen mit Bauarbeiten beschäftigen wollte, hat nach den Mitteilungen ihres alleinigen Geschäftsführers und Gesellschafters gegenüber dem Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt eine Tätigkeit aufgenommen, was der weiteren Darlegung des Beschwerdeführers gegenüber dem Registergericht entspricht, dass nach dortiger Aktenlage seit Gründung der Gesellschaft im Jahr 2005 keine Umsätze getätigt worden sind. Dies korreliert wiederum mit den weiteren Darlegungen des Beschwerdeführers gegenüber dem Registergericht, wonach der Geschäftsführer und Gesellschafter aufgrund von Krankheit und mangels Krankenversicherungsschutzes Deutschland bereits im Jahr 2006 habe verlassen und nach Kroatien habe ausreisen müssen und in Frankfurt über keine Geschäftsräume verfüge. Dies entspricht weiterhin auch dem vom Beschwerdeführer bereits in einem Schreiben an das Registergericht vom 16.01.2006 mitgeteilten Inhalt eines Schreibens des Geschäftsführers und Gesellschafters an den Beschwerdeführer vom 10.01.2006, wonach es dem Geschäftsführer und Gesellschafter auch nicht möglich gewesen sei, einen inländischen Empfangsbevollmächtigten zu benennen und ihm das Betreiben der Löschung der Gesellschaft aufgrund seines Gesundheitszustandes ebenfalls nicht möglich gewesen sei. Hinzu kommt, dass der Geschäftsführer und Gesellschafter nach Mitteilung des Beschwerdeführers an das Registergericht in seiner Beschwerdeschrift mit Schreiben an den Beschwerdeführer vom 21.11.2012 nochmals mitgeteilt hat, dass er schon lange krank und ein Sozialfall sei. Er habe keine Möglichkeit und auch kein Geld, die in Deutschland bestehende Firma abzumelden.

Auch wenn das Registergericht zuletzt in seiner Nichtabhilfeentscheidung (Bl. 48 ff. der Registerakte) zu Recht davon ausgeht, dass – wie dargelegt – alleine die Aufgabe des Gewerbes einer Gesellschaft oder auch deren Nichterreichbarkeit unter einer inländischen Geschäftsanschrift zur Feststellung der Vermögenslosigkeit einer Gesellschaft nicht ausreichen, sind die zuvor angeführten und vom Beschwerdeführer mitgeteilten Umstände in der Summe ausreichend, um positiv von dem Vorliegen einer Vermögenslosigkeit der Gesellschaft ausgehen zu können. Dies gilt trotz der im Rahmen der Anmeldung von dem Geschäftsführer und Gesellschafter abgegebenen eidesstattlichen Versicherung vom 03.05.2005, wonach das Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von 25.000,00 Euro voll eingezahlt worden sein soll. Entgegen der Ansicht des Registergerichts kann vorliegend bei lebensnaher Wertung der bekannten Umstände nicht davon ausgegangen werden, dass diese Stammeinlage – die faktisch in ein von Anfang nicht betriebenes Unternehmen eingebracht wurde, das keine Umsätze getätigt hat und dessen einziger Geschäftsführer und Gesellschafter nunmehr seit vielen Jahren krank und ein Sozialfall ist, der nicht einmal Geld hat, um die Gesellschaft in Deutschland abzumelden – in den vergangenen mittlerweile fast zehn Jahren noch nicht vollkommen zur Lebensführung dieses Geschäftsführers und Gesellschafters aufgebraucht worden ist.

Auch wenn insoweit zu den zu berücksichtigenden Vermögenswerten u.a. auch – selbst noch nicht geltend gemachte – Forderungen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegen den Gesellschafter nach §§ 31, 30 GmbHG wegen Erstattung von verbotenen Rückzahlungen gehören (vgl. bereits Senat, Beschluss vom 04.08.1997, a.a.O., Rn. 35), da diese zumindest als Zugriffsobjekte für Gesellschaftsgläubiger bedeutsam sind (vgl. Karsten Schmidt/Bitter in Scholz, GmbHG, 11. Aufl., 2012/2013, § 60 GmbHG, Rn. 49), ändert dies vorliegend nichts an der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft. Auch hinsichtlich eines derartigen Erstattungsanspruchs gilt – wie generell bei einer Forderungen der Gesellschaft -, dass dieser noch realisierbar sein muss, das heißt, nicht nur rechtlich bestehen, sondern gegen einen zahlungsfähigen Schuldner auch tatsächlich durchsetzbar sein muss (vgl. u.a. Haas, a.a.O. Rn. 5; BayObLG, Beschluss vom 30.10.1984, Az. 3 Z 204/84, RPfleger 1985, 7, 8; OLG Hamm, Beschluss vom 12.11.1992, Az. 15 W 266/92, zitiert nach juris, Rn. 21, m.w.N.). Hiervon kann jedoch schon im Hinblick auf die obigen Darlegungen zur finanziellen Lage des Geschäftsführers und Gesellschafters ebenfalls nicht ausgegangen werden.

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