LAG Hamm, Beschluss vom 08.08.2011 – 1 Ta 374/11

Juli 27, 2020

LAG Hamm, Beschluss vom 08.08.2011 – 1 Ta 374/11
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 12.04.2011 – 1 Ca 116/11 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich im Rahmen der von ihm gegen den Beklagten erhobenen Kündigungsschutzklage gegen die Ablehnung des Erlasses eines Versäumnisurteils gegen den Beklagten.
Für den Beklagten haben sich beim Arbeitsgericht mit Schriftsatz vom 22.02.2011 die Rechtsanwälte Dr. K1, R1 Z1 pp. als Prozessbevollmächtigte bestellt. Im Gütetermin erschienen am 24.03.2011 für den Beklagten Assessor Dr. B1 vom Unternehmensverband Westfalen-Mitte e.V., Arnsberg. Er legte eine Untervollmacht vom 23.03.2011 in Kopie vor, mit der die Prozessbevollmächtigten des Beklagten den Unternehmensverband Westfalen-Mitte e.V., Geschäftsstelle Arnsberg, zur Terminsvertretung in Untervollmacht bevollmächtigten.
Der Kläger hat im Gütetermin die nicht ordnungsgemäße Vertretung des Beklagten gerügt und zu seinem Antrag aus der Klageschrift den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt. Das Arbeitsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 12.04.2011 zurückgewiesen, nachdem der Beklagte das Original der Untervollmacht zur Gerichtsakte gereicht hatte. Gegen den ihm am 20.04.2011 zugestellten und wegen seiner weiteren Einzelheiten in Bezug genommen Beschluss hat der Kläger mit am 02.05.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 01.06.2011 nicht abgeholfen hat.
Der Kläger macht geltend, die Nachreichung der Vollmachtsurkunde reiche nicht aus, die Säumnis des Beklagten im Rechtssinne im Gütetermin zu beheben. Jedenfalls fehle es an der ordnungsgemäßen Prozessvertretung des Beklagten im Gütetermin schon deswegen, weil davon auszugehen sei, dass weder der Beklagte noch die Prozessbevollmächtigten des Beklagten Mitglied im Unternehmensverband Westfalen-Mitte e.V. seien, so dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ArbGG nicht gegeben seien.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.
II.
Die nach §§ 336 Abs. 2 S. 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§§ 78 ArbGG, 567, 569 ZPO), mithin zulässige sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Erlass eines Versäumnisurteils gegen den Beklagten jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
1. Die Ansicht des Arbeitsgerichts, der Erlass eines Versäumnisurteils scheitere bereits daran, dass der Beklagte im Gütetermin durch einen „Gelegenheitsvertreter“ ordnungsgemäß vertreten worden sei, unterliegt rechtlichen Bedenken. Eine Partei kann sich vor dem Arbeitsgericht durch einen Rechtsanwalt oder andere Bevollmächtigte gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 bis 5 ArbGG vertreten lassen. Der Katalog des § 11 Abs. 2 S. 2 ArbGG ist abschließend (BCF/Bader, ArbGG 5. Auflage § 11 Rn. 11; Schwab/Weth/Weth, ArbGG 3. Auflage § 11 Rn. 7). Geht man davon aus, dass ein anwaltlicher Prozessvertreter einer anderen Person – auch einem Verbandsvertreter – Untervollmacht dann erteilen kann, wenn diese nach § 11 Abs. 2 S. 2 ArbGG postulationsfähig ist (so BCF/Bader a.a.O. Rn. 12; ErfK/Koch 11. Auflage § 11 ArbGG Rn. 4; GMPM-G/Germelmann, ArbGG 7. Auflage § 11 Rn. 34; unklar GK-ArbGG/Bader § 11 Rn. 149; a.A. für das amtsgerichtliche Verfahren: Zöller/Vollkommer, ZPO 28. Auflage § 79 Rn. 5; § 81 Rn. 6), kommt es darauf an, ob der Unternehmensverband Westfalen-Mitte e.V. in Gestalt des Assessors Dr. B1 (§ 11 Abs. 2 S. 3 ArbGG) für den Beklagten – der Unterbevollmächtigte vertritt in der Regel die Partei, nicht den Hauptbevollmächtigten (BGH 09.07.2002 – X ZR 70/00, NJW-RR 2003, 51) – als sein Mitglied oder aufgrund sonstiger Satzungsbestimmungen als Terminsvertreter im Gütetermin auftreten konnte. Dies wird vom Kläger nachvollziehbar in Zweifel gezogen, während der Beklagte dazu keine Stellung genommen hat.
2. Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen, denn auch wenn man die nicht ordnungsgemäße Terminsvertretung des Beklagten durch den Verbandsvertreter unterstellt, durfte das Arbeitsgericht im Gütetermin kein Versäumnisurteil gegen den Beklagten erlassen. Bevollmächtigte, die die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllen, sind nach der seit 01.07.2008 geltenden Rechtslage nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen; es bedarf vielmehr eines konstitutiven Zurückweisungsbeschlusses (Ostrowicz/Künzl/Scholz, Handbuch des arbeitsgerichtlichen Verfahrens 4. Aufl. Rn. 146). Gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils zurückzuweisen, „wenn in den Fällen des § 79 Abs. 3 die Zurückweisung des Bevollmächtigten oder die Untersagung der weiteren Vertretung erst in dem Termin erfolgt.“ Das Arbeitsgericht hätte erstmals im Gütetermin den unterbevollmächtigten Terminsvertreter des Beklagten gemäß § 11 Abs. 3 S. 1 ArbGG zurückweisen können und – die Ansicht des Klägers als zutreffend unterstellt – müssen. Gemäß § 11 Abs. 3 S. 1 ArbGG wird zwar in § 335 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nicht ausdrücklich erwähnt. Diese Bestimmung ist aber analog anzuwenden, denn bei § 79 Abs. 3 S. 1 ZPO und § 11 Abs. 3 S. 1 ArbGG handelt es sich um Parallelvorschriften (BCF/Bader a.a.O. Rn. 30; ErfK/Koch a.a.O. Rn. 11).
3. Käme es tatsächlich nur auf die im Gütetermin fehlende Vorlage der Vollmachtsurkunde im Original an, war der Erlass eines Versäumnisurteils entgegen der Ansicht des Klägers ebenfalls nicht geboten (vgl. § 89 ZPO; Zöller/Vollkommer a.a.O. § 89 Rn. 6), da der Verfahrensmangel gemäß § 80 ZPO behebbar war und behoben wurde.
4. Die sofortige Beschwerde des Klägers war damit mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht, §§ 78, 72 Abs. 2 ArbGG.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird informatorisch mit 2.865,- Euro; mitgeteilt (das Interesse am Erlass eines Versäumnisurteils wird, auch im Hinblick auf den fehlenden vollstreckungsfähigen Inhalt des beantragten Versäumnisurteils, mit 1/10 des Wertes des Erkenntnisverfahrens bemessen).

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