Zeitpunkt für die Ermittlung des Nachlaßwerts zur Pflichtteilsberechnung

August 5, 2020

OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Mai 1994 – 7 U 136/93
Pflichtteilsrecht: Zeitpunkt für die Ermittlung des Nachlaßwerts zur Pflichtteilsberechnung
Gründe

Die Klage ist insgesamt abzuweisen, weil das Grundstück R.-Straße in D. mit 1 360 000 DM zu bewerten ist und der auf dieser Bewertung sich errechnende Pflichtteilsanspruch des Klägers unstreitig bereits vorprozessual von den Beklagten zu 1) und 2) erfüllt worden ist.
Das Pflichtteilsrecht gewährleistet dem Pflichtteilsberechtigten einen Geldanspruch in Höhe der Hälfte des Wertes seines gesetzlichen Erbteils (§ 2303 I 2 BGB). Für die Bemessung des Anspruchs stellt § 2311 I 1 BGB auf den Bestand und den Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalles ab. Zwar ist eine bestimmte Wertberechnungsmethode für die Ermittlung des Nachlaßwertes gem. § 2311 BGB nicht vorgeschrieben (vgl. BGH NJW 1972, 1269; NJW-RR 1993, 131). Entsprechend dem Grundgedanken des Gesetzes ist der Pflichtteilsberechtigte aber wirtschaftlich so zu stellen, als sei der Nachlaß beim Tode des Erblassers in Geld umgesetzt worden (vgl. BGHZ 14, 368, 376 = NJW 1954, 1764; BGH NJW 1991, 901; NJW-RR 1993, 131). Abzustellen ist demgemäß auf den sog. gemeinen Wert, der dem Verkaufswert entspricht. Deshalb muß sich nach inzwischen gefestigter höchstrichterlicher Rspr. (vgl. BGH NJW 1982, 2497; NJW-RR 1991, 901; 1993, 131) die Bewertung von Nachlaßgegenständen, die bald nach dem Erbfall veräußert worden sind, von außergewöhnlichen Verhältnissen abgesehen, grundsätzlich an dem tatsächlich erzielten Verkaufspreis orientieren. Dabei werden vom BGH Grundstücks- und Betriebsveräußerungen von bis zu einem Jahr nach dem Tod des Erblassers noch als ausreichend zeitnah angesehen, um den erzielten Verkaufserlös als grundsätzliche Bewertungsgrundlage annehmen zu können. Zur Begründung führt der BGH aus, es sei nicht gerechtfertigt, im erblichen Bewertungsrecht die (relativ) gesicherte Ebene tatsächlich erzielter Verkaufserlöse bei einer zeitnahen Veräußerung zu verlassen.
In Anwendung dieser Grundsätze, denen sich der Senat anschließt, ergibt sich folgendes:
Ausweislich des notariellen Vertrages vom 5.5.1991 ist das Grundstück des Erblassers knapp sieben Monate nach seinem Tod veräußert worden. … In dem notariellen Kaufvertrag ist der Kaufpreis mit 1 360 000 DM angegeben. … Ausweislich des von den Beklagten zu den Akten gereichten Grundbuchauszuges sind die Käufer E. und B. am 1.8.1990 als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen worden.
Bei dieser Sachlage hat sich die Bewertung des Nachlaßgrundstücks grundsätzlich an dem tatsächlich erzielten Verkaufspreis von 1 360 000 DM zu orientieren. Der Kläger trägt im übrigen selbst nicht vor, daß sich trotz der zeitnahen Veräußerung in der Zwischenzeit wesentliche Veränderungen des Marktes ergeben hätten.
Ausnahmebedingungen, die es rechtfertigen könnten, im erbrechtlichen Bewertungsrecht die (relativ) gesicherte Ebene tatsächlich erzielter Verkaufserlöse zu verlassen, sind vom Kläger bereits nicht hinreichend dargelegt.
Der Umstand, daß die Gutachter R. und B. mit 1 900 000 DM und 1 660 000 DM höhere Verkaufswerte errechnet haben als den auf der Grundlage des Gutachtens L. tatsächlich erzielten Verkaufserlös von 1 360 000 DM, ist für sich gesehen nicht geeignet, eine Abweichung vom tatsächlich erreichten Preis als Bewertungsmethode zu rechtfertigen. Bereits die unterschiedlichen Bewertungen von vier Sachverständigen (SV), die Werte zwischen 1,1 und 1,9 Mio. DM für das Grundstück errechnet haben, belegt die Schwierigkeit bei der Wertermittlung des vorliegenden Renditeobjektes. Abgesehen davon werden auf dem Markt häufig Preise erzielt, die auch SV nicht erwartet haben. Daher bleibt der tatsächlich erreichte Preis auch dann ein entscheidender Anhaltspunkt für die Schätzung des Verkehrswertes gem. § 287 ZPO, wenn er höher oder niedriger ausfällt, als anhand allgemeiner Erfahrungswerte zu erwarten gewesen wäre (vgl. BGH NJW-RR 1993, 131).
Außergewöhnliche Verhältnisse wären allerdings anzunehmen, wenn die Beklagte zu 3) (= Testamentsvollstreckerin) mit den Käufern zum Nachteil der Nachlaßbeteiligten zusammengewirkt hätte. Erforderlich hierfür wäre einmal ein Treuebruch des Testamentsvollstreckers – der eine vorsätzliche Verletzung der Testamentsvollstreckerpflichten voraussetzt – und zum anderen eine bewußte Ausnutzung dieses Treuebruchs durch den Käufer. In einem solchen Fall kann der bewußt zu niedrig angesetzte Verkaufserlös nicht als Grundlage der Bewertung herangezogen werden. Die Erben werden dadurch nicht unangemessen benachteiligt. Steht nämlich fest, daß der Testamentsvollstrecker im Einvernehmen mit den Vertragsgegnern zum Nachteil des Vollmachtgebers einen Vertrag abgeschlossen hat, ist dieser Vertrag gem. § 138 I BGB nichtig (vgl. BGH WM 1989, 1068, 1069 m.w.N.).
Der Kläger beruft sich darauf, daß die Beklagte zu 3) mit den Käufern offensichtlich ein „Gefälligkeitsgeschäft“ abgeschlossen habe. Der Kläger räumt gleichzeitig ein, daß er von den Umständen des Verkaufs keine nähere Kenntnis habe. Es dränge sich aber aufgrund von Indizien der Verdacht auf, daß es sich um ein Gefälligkeitsgeschäft gehandelt haben müsse. Für die Schlüssigkeit des Sachvortrags des Klägers ist mithin darauf abzustellen, ob hinreichende Anhaltspunkte vom Kläger vorgetragen sind, die den Schluß auf eine Kollusion zwischen der Beklagten zu 3) und den Käufern zulassen. Diesem Erfordernis wird die Sachdarstellung des Klägers nicht gerecht.

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