Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 9. Zivilsenat, 20.09.2018, 9 W 105/18

August 23, 2020

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 9. Zivilsenat, 20.09.2018, 9 W 105/18

Gerichtsvollzieherkosten: Anfall einer Gebühr für den Versuch einer gütlichen Einigung

Tenor

1. Die weitere Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 22. Juni 2018 wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Gläubiger beauftragte die Obergerichtsvollzieherin unter Verwendung des amtlichen Formulars (vgl. § 1 Abs. 1 GVFV) unter anderem mit der Abnahme der Vermögensauskunft. In dem Formular ließ er im Modul F und Setzen des entsprechenden Kreuzes mitteilen, dass er mit einer Zahlungsvereinbarung gemäß § 802b Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht einverstanden sei. Handschriftlich ließ er hinzufügen „bzw. sonstiger gütlicher Einigung“.

Mit Schreiben vom 11. Januar 2018 wandte sich die Obergerichtsvollzieherin an die Schuldnerin, forderte zur Zahlung des geschuldeten Betrags binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens auf und lud die Schuldnerin zur Abgabe der Vermögensauskunft auf den 6. Februar 2018. In dem Schreiben finden sich auch Ausführungen zu einer Ratenzahlung, die möglich sein soll, wenn der Gläubiger eine solche nicht ausgeschlossen hat. Das Schreiben endet mit dem Angebot der Obergerichtsvollzieherin, „sich mit mir innerhalb der oben genannten Frist in Verbindung zu setzen und eine gütliche Einigung gem. § 802b ZPO herbeizuführen (Voll- oder Teilzahlungen vereinbaren).“

Am 8. Februar 2018 begab sich die Obergerichtsvollzieherin zu der Schuldnerin. Die Schuldnerin erklärte, nicht zahlen zu können, und gab die Vermögensauskunft ab. Das Vollstreckungsprotokoll enthält den Zusatz: „Die gütliche Einigung mit dem Schuldner ist gescheitert, da sich dieser nicht mit mir in Verbindung gesetzt hatte und im Termin erklärte, nicht zahlen zu können.“

Die Obergerichtsvollzieherin berechnete dem Gläubiger unter anderem eine Gebühr in Höhe von 8,00 € nach Nr. 208 KV GvKostG für den Versuch einer gütlichen Einigung. Auf die Erinnerung des Gläubigers hat das Amtsgericht den Kostenansatz um diese Gebühr reduziert. Die zugelassene Beschwerde der Landeskasse hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde, mit welcher der Vertreter der Landeskasse weiterhin geltend macht, die Obergerichtsvollzieherin habe die Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG mit Recht in Ansatz gebracht.

II.

Die gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG, § 66 Abs. 4 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss des Landgerichts Kiel vom 22. Juni 2018 ist unbegründet. Im Ergebnis mit Recht hat das Landgericht erkannt, dass für die infolge des Vollstreckungsauftrags des Gläubigers entfaltete Tätigkeit der Obergerichtsvollzieherin eine Gebühr für den Versuch einer gütlichen Einigung nach Nr. 208 KV GvKostG nicht angefallen ist.

1. Wie der Senat mit Beschluss vom 26. Juli 2017 (Az. 9 W 103/17) entschieden hat, ist der Ansatz einer Gebühr für den Versuch einer gütlichen Einigung nach Nr. 208 KV GvKostG gerechtfertigt, wenn der Gerichtsvollzieher eine solche versucht und der Gläubiger einem solchen Versuch nicht widersprochen hat.

a) Der Versuch einer gütlichen Einigung unterliegt keiner bestimmten Form. Der Gerichtsvollzieher kann den Schuldner zur gütlichen Einigung aufsuchen oder schriftlich auffordern. Ob dies in einem separaten Anschreiben erfolgt oder dem Schuldner die gütliche Einigung in einem ohnehin erforderlichen Schreiben (gesondert) angeboten wird, ist unerheblich. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Schuldner das Angebot annimmt oder beim Versuch einer gütlichen Einigung jedenfalls mitwirkt. Ausnahmsweise mag das bloße Angebot einer gütlichen Einigung durch den Gerichtsvollzieher nicht ausreichen, wenn von vornherein feststeht, dass der Schuldner nicht darauf eingehen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Juli 2017 – 9 W 103/17, DGVZ 2017, 211).

Nach diesen Maßstäben hat der Senat den Versuch einer gütlichen Einigung in dem Hinweis des Gerichtsvollziehers erblickt, der Schuldner könne eine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis durch Begleichung der Forderung binnen zwei Wochen verhindern (Senat, Beschluss vom 26. Juli 2017, aaO). In diesem – gesetzlich nicht geschuldeten Hinweis – hat der Senat einen Mehrwert für den Gläubiger erblickt, der vor dem Hintergrund der sonst erfolgenden Vollziehung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis die Annahme des Versuchs einer gütlichen Einigung rechtfertige.

b) Die Erklärung des Gläubigers im Modul F des amtlichen Formulars (vgl. § 1 Abs. 1 GVFV), er sei nicht mit einer Zahlungsvereinbarung gemäß § 802b Abs. 2 Satz 1 ZPO einverstanden, hat der Senat in seinem Beschluss vom 26. Juli 2017 (aaO) dahingehend ausgelegt, dass gütliche Einigungen, die eine solche Zahlungsvereinbarung nicht beinhalten, möglich bleiben und die Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG auslösen können. Den Hinweis, der Schuldner könne die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis durch Begleichung der Forderung verhindern, hat der Senat deshalb als nicht von der Erklärung im Modul F des amtlichen Formulars umfasst angesehen, weil mit ihm ein Vollstreckungsaufschub nicht verbunden war.

Gegen die vorstehende Auslegung der Erklärung im Modul F des amtlichen Formulars durch den Senat würde es sprechen, wenn der Verordnungsgeber die Erklärung im Sinne eines vollständigen Ausschlusses gütlicher Einigungen verstanden wissen wollte. Dies käme in Betracht, wenn der Verordnungsgeber gütliche Einigungen ohne Zahlungsvereinbarungen gemäß § 802b Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht im Blick gehabt und einen weitergehenden Widerspruch des Gläubigers deshalb nicht für erforderlich gehalten hätte. Dafür spricht der Formularinhalt im Modul E, der sich unter der Überschrift „gütliche Erledigung“ im Wesentlichen nur zur Zahlungsvereinbarung verhält. Überdies ist wohl nicht ersichtlich, warum der Verordnungsgeber im Blick auf sonstige, eine Zahlungsvereinbarung gemäß § 802b Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht enthaltende gütliche Einigungen vom Prinzip der Parteiherrschaft im Zwangsvollstreckungsverfahren abgewichen sein sollte, wonach der Gläubiger Beginn, Art und Ausmaß des Vollstreckungszugriffs bestimmt und Herr des Verfahrens ist (vgl. BT-Drucks. 16/13432 S. 43). Sollte der Verordnungsgeber der Erklärung im Modul F des amtlichen Formulars einen umfassenden Ausschluss gütlicher Einigungen beigemessen haben, wäre das Formular zumindest missverständlich.

2. Der Senat muss hier nicht entscheiden, ob er an der mit Beschluss vom 26. Juli 2017 (aaO) geäußerten Ansicht festhält, die formularmäßige Erklärung unter Buchstabe F des amtlichen Formulars (vgl. § 1 Abs. 1 GVFV) beschränke sich auf den Ausschluss von Zahlungsvereinbarungen gemäß § 802b Abs. 2 Satz 1 ZPO. Er muss auch nicht darüber befinden, ob gegebenenfalls die formularmäßige Erklärung entgegen § 2 Abs. 1 GVFV durch einen handschriftlichen Zusatz erweitert werden kann. Im Streitfall fehlt es schon am Versuch einer gütlichen Einigung, welcher die Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG zur Entstehung gebracht haben könnte.

Gemäß § 802f Abs. 1 Satz 1 ZPO hat der Gerichtsvollzieher dem Schuldner zur Abnahme der Vermögensauskunft für die Begleichung der Forderung eine Frist von zwei Wochen zu setzen. Dem ist die Obergerichtsvollzieherin mit Schreiben vom 11. Januar 2018 nachgekommen. In der Erfüllung dieser gesetzlichen Pflicht kann nicht der Versuch einer gütlichen Einigung erblickt werden. Daran ändert nichts, dass die Obergerichtsvollzieherin am Ende des Schreibens der Schuldnerin die Möglichkeit zur Vollzahlung noch einmal unter dem Gesichtspunkt einer gütlichen Einigung angeboten hat. Die Zahlungsaufforderung gemäß § 802f Abs. 1 Satz 1 ZPO und das Angebot einer Vollzahlung unter dem Gesichtspunkt einer gütlichen Einigung sind deckungsgleich, ein Mehrwert für den Gläubiger ist nicht zu erkennen. Die weiter angebotene Einigung durch Teilzahlungen hatte der Gläubiger durch seine formularmäßige Erklärung im Modul F des amtlichen Formulars ausgeschlossen. Dass sich die Obergerichtsvollzieherin anderweitig um eine gütliche Einigung bemüht hätte, ist nicht ersichtlich.

III.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG, § 66 Abs. 8 GKG).

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