Außerordentliche Rechnungslegung des Wohnungseigentums-Verwalters

September 16, 2020

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 02. Februar 1979 – 2 Z 11/78

Außerordentliche Rechnungslegung des Wohnungseigentums-Verwalters

Gründe

I.

1. Die Antragsteller sind die Wohnungseigentümer und Teileigentümer der aus neun Wohnungen und neun Garagen bestehenden Wohnungseigentumsanlage … in D. . Am 4.12.1974 erteilte das Landratsamt den Schlußabnahmeschein gemäß Art 98 BayBO. Im Jahr 1974 war erst ein Teil der Wohnungen verkauft und übergeben. Der Antragsgegner war in der Zeit vom 1.11.1974 bis zum 31.8.1975 Verwalter der Anlage. Seit 1.9.1975 ist die Firma X-GmbH Verwalterin.

Nach Ziff II § 11 Nr 1 der Teilungserklärung vom 9.7.1973 ist Rechnungsjahr das Kalenderjahr; das erste Rechnungsjahr beginnt mit der Bezugsfertigkeit und endet mit dem darauffolgenden 31. Dezember. Gemäß Ziff II § 11 Nr 4 der Teilungserklärung hat der Verwalter über jedes Rechnungsjahr spätestens innerhalb von sechs Monaten nach dessen Ende der Eigentümerversammlung Rechnung zu legen; die sich aus der Abrechnung ergebenden Fehlbeträge sind von den Wohnungseigentümern nach dem in § 10 festgelegten Verhältnis unverzüglich abzudecken. In Ziff II § 15 Nr 4 der Teilungserklärung ist bestimmt, daß der Verwalter über die Einnahmen und Ausgaben auf Verlangen der Wohnungseigentümer Rechnung zu legen hat.

2. Auf ein Abrechnungsverlangen der Antragsteller zum 31.8.1975 übersandte der Antragsgegner der neuen Verwalterin, die laut Schreiben vom 25.9.1975 als Vertreterin der Antragsteller aufgetreten war, mit Brief vom 14.10.1975 eine aus drei Schreibmaschinenseiten bestehende, die Einnahmen und Ausgaben für die Zeit vom 1.11.1974 bis 31.8.1975 sowie den Schlußstand enthaltende „Übergabeabrechnung“ zum 31.8.1975, ferner auch das Journal und die Einzelbelege. Eine Einzelabrechnung (Aufteilung des Ergebnisses der Gesamtabrechnung auf die einzelnen Wohnungseigentümer und Teileigentümer) enthielt diese Aufstellung nicht.

Mit Schriftsatz vom 17./28.1.1977 beantragte die von den Antragstellern durch Eigentümerbeschluß vom 20.5.1976 hierzu ermächtigte neue Verwalterin namens der Antragsteller, den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragstellern für die Zeit vom 1.11.1974 bis zum 31.8.1975 Einzelabrechnungen zu erteilen.

Der Antragsgegner beantragte, den Antrag abzulehnen.

Er vertrat die Auffassung, daß er infolge seines Ausscheidens als Verwalter während des Jahres 1975 nur zur Rechnungslegung nach § 28 Abs 4 WEG verpflichtet sei, wobei eine Einzelabrechnung weder erforderlich noch sinnvoll sei. Eine solche wäre ihm auch gar nicht mehr möglich, da ihm die Unterlagen nicht mehr zur Verfügung stünden. Die Einzelabrechnungen gehörten lediglich in die Jahresabrechnungen nach § 28 Abs 3 WEG. Es sei daher Sache der seit 1.9.1975 tätigen neuen Verwalterin, die Einzelabrechnung zum 31.12.1975 durchzuführen.

Am 23.1.1978 erließ das Amtsgericht A. folgenden Beschluß:

„I. Es wird angeordnet, daß der zur Abrechnung verpflichtete Antragsgegner der X-GmbH als der neue Verwalter nach dem WEG für die Zeit seiner Verwaltertätigkeit vom 1.11.1974 bis 31.8.1975 Einzelabrechnungen über die angefallenen Betriebskosten usw derart erteilt, daß aus ihnen unmittelbar zu ersehen ist, welcher Kostenanteil auf den einzelnen Miteigentümer entfällt.

II. Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten zu tragen. Er hat die außergerichtlichen Kosten der durch den neuen WEG-Verwalter vertretenen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Teileigentümer der Wohnanlage ganz zu erstatten“.

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wurde durch Beschluß des Landgerichts vom 22.2.1978 zurückgewiesen (Nr I); der Antragsgegner wurde zur Erstattung der den Antragstellern im Beschwerdeverfahren erwachsenen außergerichtlichen Kosten verpflichtet (Nr II).

II.

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig (§ 43 Abs 1 Nr 2, Abs 4 Nr 2, § 45 Abs 1 WEG, §§ 22, 27, 29 FGG) und auch sachlich gerechtfertigt … .

1. … .

2. Die Darlegungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung im wesentlichen nicht stand.

Zutreffend ist zwar zunächst der Ausgangspunkt des Landgerichts, daß sich die Rechnungslegungspflicht des Antragsgegners als des früheren Verwalters zum Zeitpunkt seines Ausscheidens (31.8.1975) aus §§ 675, 666 BGB, § 28 Abs 4 WEG ergibt (vgl auch Ziff II § 15 Nr 4 der Teilungserklärung) und daß sie sich inhaltlich nach § 259 Abs 1 BGB bemißt. Nicht frei von Rechtsirrtum ist aber die Ansicht, daß kein inhaltlicher Unterschied zwischen der Rechnungslegungspflicht nach § 28 Abs 4 WEG und der Pflicht zur Aufstellung von Jahresabrechnungen gemäß § 28 Abs 3 WEG bestehe und daß der Antragsgegner hier verpflichtet gewesen wäre, das Ergebnis der Gesamtabrechnung auf die einzelnen Wohnungseigentümer und Teileigentümer aufzuteilen, also Einzelabrechnungen zu erstellen.

a) Sowohl die vom Verwalter periodisch und unaufgefordert zu erstellenden Jahresabrechnungen (§ 28 Abs 3 WEG) als auch die außerordentlichen Rechnungslegungen auf Grund besonderen Verlangens (§ 28 Abs 4 WEG) haben gemäß § 259 Abs 1 BGB jeweils eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben zu enthalten.

Zur jeweiligen Jahresabrechnung gehört auch die Aufteilung des Ergebnisses der Gesamtabrechnung auf die einzelnen Eigentümer (BayObLGZ 1977, 89/91; Senatsbeschluß vom 24.10.1978 BReg 2 Z 45/77; vgl hier auch Ziff II § 11 Nr 4 der Teilungserklärung). Durch den zustimmenden Eigentümerbeschluß zur Jahresabrechnung werden auch die in ihr festgesetzten Zahlungspflichten (oder Rückerstattungsansprüche) der einzelnen Eigentümer – vorbehaltlich rechtzeitig beantragter gerichtlicher Überprüfung – verbindlich (BayObLGZ 1977, 89/91).

Hingegen besteht ein Bedürfnis für Einzelabrechnungen bei der außerordentlichen Rechnungslegung während eines Rechnungsjahres (dieses ist hier mit dem Kalenderjahr identisch) im Normalfall nicht, da der einzelne Eigentümer während des Rechnungsjahres lediglich seine Wohngeldvorschüsse gemäß dem Wirtschaftsplan zu leisten hat (§ 28 Abs 1 Nrn 2, 3, Abs 2 WEG), die ihm dann bei der Jahresabrechnung gutgebracht werden. Da die Aufteilung des Ergebnisses der Gesamtabrechnung auf die einzelnen Eigentümer in die Jahresabrechnung gehört und die Bewirtschaftungskosten im Laufe des Jahres zum großen Teil unregelmäßig anfallen, ist es weder üblich noch im allgemeinen zweckmäßig und zumutbar, Einzelabrechnungen während des Jahres außerhalb der Jahresabrechnungen durchzuführen (und dementsprechend dann zwischenzeitliche Zahlungspflichten oder Rückerstattungspflichten durch Eigentümerbeschluß festzulegen). Aus § 28 Abs 1 Nr 2 WEG läßt sich entgegen der Meinung des Amtsgerichts nichts Gegenteiliges entnehmen, da diese Vorschrift nur für die Wirtschaftspläne und die sich aus ihnen ergebenden Vorschußpflichten der einzelnen Eigentümer gilt.

b) Auch im vorliegenden Fall einer Rechnungslegung des ausgeschiedenen Verwalters zum Zeitpunkt seines Ausscheidens während des Rechnungsjahres (31.8.1975) war eine Einzelabrechnung nicht erforderlich.

Dies ergibt sich hier sowohl aus den unter a) genannten Gründen als auch aus einer Gegenüberstellung von Ziff II § 11 Nr 4 und Ziff II § 15 Nr 4 der Teilungserklärung. Während aus der erstgenannten Bestimmung entnommen werden kann, daß bei den Jahresberechnungen das Ergebnis auch auf die einzelnen Eigentümer aufgeteilt werden muß, schreibt Ziff II § 15 Nr 4 für die Rechnungslegung auf Verlangen nur eine Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben vor (wie sie der Antragsgegner der neuen Verwalterin als der Zustellungsbevollmächtigten der Eigentümer – § 27 Abs 2 Nr 3 WEG – übersandt hat).

Besondere Gründe, die das Verlangen nach Einzelabrechnung hier rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Einzelabrechnung zum 31.12.1975 innerhalb der Jahresabrechnung 1975 ist Sache der neuen Verwalterin. Daß sie hierzu in der Lage ist, ergibt sich aus ihrem Schreiben vom 3.12.1975 an den Antragsgegner. Ein Hindernis ist dabei nicht, daß es der Antragsgegner unterlassen hat, den Ölstand zum 31.8.1975 am Ölstandsanzeiger abzulesen, denn für die Jahresabrechnung 1975 ist der Ölstand und auch das Ableseergebnis an den Wärmemessern in den Wohnungen zum 31.12.1975 maßgebend. Den Zeitpunkt der Lastenübernahme durch die jeweiligen Erwerber von Wohnungen und damit auch den Zeitpunkt des Wegfalls der entsprechenden Verpflichtungen der Bauträgerin kann die neue Verwalterin unter den hier gegebenen Umständen unschwer feststellen (zB den Grundakten entnehmen, in denen sich die Kaufverträge befinden). Daß insoweit Schwierigkeiten bestünden, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine Einzelabrechnung des Antragsgegners lediglich zum 31.12.1974 (zu diesem Zeitpunkt waren erst wenige Wohnungen veräußert), die nur im Rahmen einer – im vorliegenden Verfahren nicht beantragten – Jahresabrechnung für 1974 in Betracht käme, würde den Antragstellern wohl kaum etwas nützen und wäre dem Antragsgegner mangels Unterlagen auch nicht mehr möglich. Daß der Antragsgegner von der Bauträgerin für die von ihr seinerzeit noch nicht verkauften, leerstehenden Wohnungen keine Wohngeldvorschüsse eingefordert hat, ergibt sich aus Bl 2 und 3 seiner Übergabeabrechnung. Die Frage, ob hieraus Schadensersatzansprüche der Antragsteller gegen den Antragsgegner erwachsen sind, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

3. Nach allem sind die Entscheidungen der Vorinstanzen unter Ablehnung des Sachantrags der Antragsteller aufzuheben.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Im Hinblick auf die zweifelhaft gewesene Rechtslage und angesichts des Umstands, daß der Antragsgegner keine Jahresabrechnung für 1974 erstellt hat, erscheint es – entsprechend dem in Wohnungseigentumssachen allgemein geltenden Grundsatz (BayObLGZ 1965, 283/290; 1973, 30/33) – angebracht, von der Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen. … .

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