KG Berlin, Beschluss vom 16. Februar 1993 – 1 W 6261/91

Dezember 1, 2020

KG Berlin, Beschluss vom 16. Februar 1993 – 1 W 6261/91

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments: Wechselbezüglichkeit einer Schlußerbeneinsetzung; Begriff des „Nahestehens“

Haben sich Ehegatten gegenseitig zu Erben eingesetzt und sind zu Schlußerben Geschwisterkinder des überlebenden Ehegatten bestimmt, kann die Wechselbezüglichkeit der Schlußerbeinsetzung seitens des überlebenden Ehegatten zu seiner Erbeinsetzung seitens des vorverstorbenen Ehegatten auf Grund der Auslegungsregel des BGB § 2270 Abs 2 nicht allein aus der Erwägung hergeleitet werden, zwischen dem Schlußerben und dem vorverstorbenen Ehegatten hätte eine dem verwandtschaftlichen Verhältnis zwischen dem überlebenden Ehegatten und dem Schlußerben entsprechende Beziehung bestanden und deshalb sei anzunehmen, der Schlußerbe habe dem vorverstorbenen Ehegatten in einer die Vermutung der Wechselbezüglichkeit begründenden Weise nahegestanden.

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1. hat die den Beteiligten zu 4. bis 6. im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Wert des Gegenstandes der weiteren Beschwerde wird auf 40.000,– DM festgesetzt.

Gründe

Der Erblasser hat mit seiner vorverstorbenen Ehefrau im Jahre 1969 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und weiter bestimmt haben, daß der überlebende Ehegatte über das gesamte Vermögen unter Lebenden frei verfügen können. Weiter haben die Ehegatten in diesem Testament die Beteiligten zu 1. bis 3. als Erben des überlebenden Ehegatten eingesetzt. Die Beteiligten zu 1. bis 3. sind Kinder von Geschwistern des Erblassers. Nach dem Tode seiner Ehefrau hat der Erblasser im August 1989 ein privatschriftliches Testament errichtet, in dem er seinen Nachlaß aufgeteilt nach Vermögenswerten neben den Beteiligten zu 1. bis 3. anderen Personen zugewendet hat.

Die Beteiligte zu 1. hat beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie und die Beteiligten zu 2. und 3. als Erben zu je 1/3 ausweist. Das Amtsgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1. blieb gemäß der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts erfolglos. Gegen diese Beschwerdeentscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.

Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde ist nach §§ 20, 27, 29 FGG zulässig. Die Beteiligte zu 1. ist durch die angefochtene Entscheidung des Landgerichts in ihren Rechten beeinträchtigt. Das folgt schon daraus, daß ihre Erstbeschwerde zurückgewiesen worden ist (Jansen, FGG, 2. Aufl., § 27 Rdnr. 8). Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluß des Landgerichts beruht nicht auf einem Rechtsfehler, auf den das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gemäß § 27 FGG allein mit Erfolg gestützt werden kann.

Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht angenommen, daß den Beteiligten zu 1. bis 3. kein Erbrecht aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments des Erblassers und seiner 19 vorverstorbenen Ehefrau zustehe, weil der Erblasser seine darin verfügte Schlußerbeneinsetzung durch das Testament vom ./ . 19 widerrufen habe und dieser Widerruf als wirksam anzusehen sei. Das Landgericht hat weder aufgrund einer Auslegung des Testaments noch aufgrund der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB festzustellen vermocht, daß die Schlußerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1. bis 3. durch den Erblasser wechselbezüglich und damit für den Erblasser bindend gewesen sei (§ 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BGB), und darauf abgestellt, daß die Feststellungslast insoweit denjenigen treffe, der wegen der behaupteten Wechselbezüglichkeit die Bindungswirkung der Schlußerbeinsetzung des gemeinschaftlichen Testaments für sich in Anspruch nehme. Diese Auffassung des Landgerichts unterliegt keinen durchgreifenden, den Bestand der angefochtenen Entscheidung berührenden, rechtlichen Bedenken.

Das Landgericht geht – rechtlich zutreffend und ohne daß sich die weitere Beschwerde dagegen wendet – davon aus, daß es sich bei dem gemeinschaftlichen Testament aus dem Jahre 19 um ein sogenanntes Berliner Testament im Sinne des § 2269 BGB handelt. Die Ehegatten haben sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und bestimmt, daß nach dem Tode des Letztlebenden von ihnen das dann noch vorhandene Vermögen die Beteiligten zu 1. bis 3. erhalten sollen. Entgegen der mit der weiteren Beschwerde vertretenen Auffassung folgt allerdings nicht schon allein aus der Verwendung des Wortes „Alleinerbe“, daß die Ehegatten sich als Vollerben eingesetzt haben und nicht nur gegenseitig als Vorerben und die Beteiligten zu 1. bis 3. als Nacherben. Denn der Begriff „Alleinerbe“ besagt nicht zwingend etwas anderes. Auch der Vorerbe, der keine Miterben neben sich hat, ist Alleinerbe (MünchKomm/Musielak, BGB, 2. Aufl., § 2269 Rdnr. 18 m.w.N.). Es greift jedoch im vorliegenden Fall die Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB ein, wonach bei einem gemeinschaftlichen Testament mit dem hier gegebenen Inhalt im Zweifel anzunehmen ist, daß der Dritte für den gesamten Nachlaß als Erbe des zuletzt verstorbenen Ehegatten eingesetzt ist.

Das Landgericht hat weiter rechtsfehlerfrei angenommen, daß in dem Testament des Erblassers von 19 eine anderweitige erschöpfende letztwillige Regelung des Erblassers liege, und damit – abgesehen von einer Bindung des Erblassers an seine Verfügung im gemeinschaftlichen Testament – die Schlußerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1. bis 3. im gemeinschaftlichen Testament widerrufen sei (§ 2258 Abs. 1 BGB), weil die Beteiligten zu 1. bis 3. in diesem Testament jedenfalls nicht zu je 1/3 als Erben eingesetzt seien. Auch dagegen werden mit der weiteren Beschwerde keine Einwände erhoben.

Es unterliegt im Ergebnis aber auch keinen rechtlichen Bedenken, wenn das Landgericht diesen Widerruf als wirksam erachtet hat. Eine in einem gemeinschaftlichen Testament enthaltene letztwillige Verfügung des Überlebenden kann durch diesen nach dem Tod des anderen Ehegatten nach § 2271 Abs. 2 Halbs. 1, Abs. 1, § 2270 BGB nur dann nicht mehr widerrufen werden, wenn es sich um eine Verfügung handelt, die mit einer Verfügung des verstorbenen Ehegatten wechselbezüglich ist. Wechselbezüglichkeit ist gegeben, wenn der vorverstorbene Ehegatte den überlebenden in dem gemeinschaftlichen Testament nicht zu seinem Erben eingesetzt hätte, wenn der überlebende Ehegatte den Schlußerben nicht zu seinem Erben berufen hätte (§ 2270 Abs. 1 BGB). Wechselbezüglichkeit setzt mithin voraus, daß die beiderseitigen in Frage stehenden Verfügungen aus dem Zusammenhang des Motivs gegenseitig innerlich abhängig sind (Senat NJW 1972, 2133/2134; Palandt/ Edenhofer, BGB, 52. Aufl., § 2270 Rdn. 1; Dittmann/ Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, 2. Aufl., § 2270 Rdn. 1). Es kommt daher – wovon auch das Landgericht rechtlich richtig ausgegangen ist – darauf an, ob die vorverstorbene Ehefrau den Erblasser nur deshalb zu ihrem Erben eingesetzt hatte, weil der Erblasser seinerseits die Beteiligten zu 1. bis 3. zu seinen Erben eingesetzt hat. Die eine Erbeinsetzung muß mit der anderen stehen oder fallen sollen, will man eine Wechselbezüglichkeit annehmen. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht davon ausgeht, daß das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 19 insoweit keine ausdrückliche Regelung enthält und deshalb im Wege der Auslegung des Testaments zu ermitteln ist, ob die Ehegatten eine solche Bindung gewollt haben.

Die Auslegung des Testaments ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das gilt auch für die Frage der Wechselbezüglichkeit (Senat NJW 1963, 766/768; BayObLG Rpfleger 1985, 445; BayObLGZ 1982, 474/477). Das Ergebnis der richterlichen Tatsachenwürdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur dahin überprüft werden, ob es nach den Denkgesetzen und der Erfahrung möglich ist, den gesetzlichen Auslegungsregeln, insbesondere dem klaren Wortlaut und Sinn der letztwilligen Verfügung nicht widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt (vgl. Jansen, FGG, 2. Aufl., § 27 Rdnrn 20, 21). Fehler dieser Art weist der angefochtene Beschluß nicht auf. Darauf, ob die Schlußfolgerungen des Tatrichters zwingend sind, kommt es nicht an. Es genügt und ist mit der weiteren Beschwerde nicht angreifbar, wenn der vom Tatrichter gezogene Schluß möglich ist. Das ist hier der Fall. Es ist deshalb für das Rechtsbeschwerdegericht bindend, wenn das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, es könne durch Auslegung des Testaments nicht zweifelsfrei festgestellt werden, daß die Schlußerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1. bis 3. durch den Ehemann wechselbezüglich zur eigenen Einsetzung des Ehemannes durch die Ehefrau sei. Das Landgericht konnte sich für sein Ergebnis auf die allgemeine Lebenserfahrung stützen, daß dann, wenn Eheleute – wie hier – Verwandte nur des einen Teils als Schlußerben einsetzen, der Vorversterbende dem Überlebenden im Regelfall das Recht belassen will, die Verfügung der Schlußerbeinsetzung seiner eigenen Verwandten zu ändern (BayObLG Rpfleger 1985, 445/446), sowie darauf, daß sich keine so engen persönlichen Beziehungen der Ehefrau zu den Schlußerben habe feststellen lassen, daß von dieser Lebenserfahrung abzuweichen sei. Ohne Rechtsirrtum hat das Landgericht in der Testamentsklausel, der Überlebende könne über das gesamte Vermögen unter Lebenden frei verfügen, bei der Testamentsauslegung keinen die Annahme der Wechselbezüglichkeit rechtfertigenden Umstand gesehen. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Landgericht diese Klausel nur als – möglicherweise objektiv überflüssigen – Hinweis der Testierenden gewertet hat, der überlebende Ehegatte solle Vollerbe des vorverstorbenen und nicht nur dessen Vorerbe sein, der in der Verfügung unter Lebenden Kraft Gesetzes eingeschränkt wäre. Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob angesichts dieser vom Akteninhalt getragenen Erwägungen des Landgerichts nicht sogar die eindeutige Feststellung gerechtfertigt wäre, das gemeinschaftliche Testament sei in den hier maßgeblichen Teilen nach dem Willen der Ehegatten nicht wechselbezüglich. Da der Schluß des Landgerichts, die Auslegung führe insoweit nur zu keinem eindeutigen Ergebnis, jedenfalls möglich ist, ist das Rechtsbeschwerdegericht insoweit gebunden.

In den Fällen, in denen die Wechselbezüglichkeit nicht eindeutig ist und auch durch Testamentsauslegung keine eindeutigen Feststellungen für oder gegen die Wechselbezüglichkeit getroffen werden kann, wenn also Zweifel bestehen, ist nach der Auslegungsregel des § 2070 Abs. 2 BGB – soweit sie hier in Betracht kommt – Wechselbezüglichkeit zwischen letztwilligen Verfügungen der Ehegatten dann anzunehmen, wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht wird – hier also dem Erblasser von seiner Ehefrau – und für den Fall des Überlebens des Bedachten (hier des Ehemannes) dieser eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen hat, die mit dem anderen Ehegatten, (hier mit der vorverstorbenen Ehefrau) verwandt ist oder ihm sonst nahesteht. Die hier als Schlußerben bedachten Beteiligten zu 1. bis 3. waren mit der vorverstorbenen Ehefrau nicht verwandt. Insoweit bestand lediglich eine Schwägerschaft; denn die Verwandten des einen Ehegatten sind nach dem Gesetz (§ 1590 Abs. 1 BGB) mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Es kommt deshalb im vorliegenden Fall – wovon auch das Landgericht ersichtlich ausgegangen ist – entscheidend darauf an, ob die von dem Erblasser eingesetzten Schlußerben der vorverstorbenen Ehefrau im Sinne des § 2270 Abs. 2 BGB nahestanden. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluß allerdings dazu nicht ausdrücklich im einzelnen Stellung genommen. Es findet sich lediglich am Ende der landgerichtlichen Entscheidung die – rechtlich zutreffende – Überlegung, daß dafür, ob die Beteiligten zu 1. bis 3. der vorverstorbenen Ehefrau so nahegestanden haben, daß die Verfügungen wechselbezüglich gewesen seien, die Feststellungslast denjenigen treffe, der sein Erbrecht auf die Wechselbezüglichkeit stütze. Daraus ergibt sich, daß das Landgericht es aufgrund seiner im Zusammenhang mit der Auslegung des Testaments getroffenen Feststellungen über die Beziehungen der vorverstorbenen Ehefrau zu den vom Erblasser eingesetzten Schlußerben im Rahmen des § 2270 Abs. 2 BGB nicht als erwiesen angesehen hat, daß die Schlußerben der Ehefrau im Sinne des Gesetzes nahestanden. Auch das ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Begriff der nahestehenden Person in § 2270 Abs. 2 BGB ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls konkret auszulegen (Senat Rpfleger 1983, 26/27 mit weiteren Nachweisen). Im Gegensatz zum Begriff der Verwandtschaft, der im Gesetz definiert ist (§ 1589 BGB) und damit im Rahmen des § 2270 Abs. 2 BGB eine klare Einordnung ermöglicht, läßt der Begriff der „sonst nahestehenden Person“ eine solche Abstrahierung nicht zu, da es an eindeutigen, insbesondere durch andere gesetzliche Vorschriften auszufüllenden Merkmalen fehlt (vgl. Senat aaO.). Auch die Frage, ob verschwägerte Personen einander nahestehen, kann nicht generell beantwortet werden, sondern ist im Einzelfall aufgrund der zwischen den Verschwägerten bestehenden Verhältnisse zu entscheiden (KG DNotZ 1932, 122/123; KG JFG 17, 44/46; BayObLG DNotZ 1977, 40/42; MünchKomm-Musielak aaO. § 2270 Rdn. 13; Staudinger/Kanzleiter BGB, 12. Aufl., § 2270 Rdn. 31; Bengel DNotZ 1977, 5/10). Das gilt insbesondere in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Schwägerschaft gerade durch den mittestierenden Ehegatten vermittelt wird (KG DNotZ 1932, 122/123). Wenn nach § 2270 Abs. 2 BGB der überlebende Ehegatte im Zweifel an die Schlußerbeinsetzung gebunden ist, wenn er Verwandte des anderen Ehegatten eingesetzt hat, so kann daraus im Umkehrschluß gefolgert werden, daß er an die Schlußerbeinsetzung eigener Verwandter im Grundsatz nicht gebunden ist (vgl. Bengel, aaO, S.10). Da die eigenen Verwandten des überlebenden Ehegatten mit dem anderen nach dem Gesetz (§ 1580 BGB) verschwägert sind, ergäbe sich in diesen Fällen über den Begriff des Nahestehens in Zweifelsfällen immer eine Bindung des überlebenden Ehegatten an die Einsetzung seiner eigenen Verwandten, wollte man – ohne Prüfung im Einzelfall – annehmen, verschwägerte Personen stünden einander nahe. Das entspricht nicht der gesetzlichen Bestimmung, da nach § 2270 Abs. 2 BGB Verschwägerte den Verwandten nicht gleichgestellt sind (vgl. KG aaO.).

Entsprechend der Zielsetzung des § 2270 Abs. 2 BGB, die Eheleute nur unter besonderen Umständen an ihre Verfügungen zu binden, sind an den Begriff des Nahestehens hohe Anforderungen zu stellen. Die Anwendung dieser Vorschrift muß auf Personen beschränkt werden, zu denen der vorverstorbene Ehegatte über ein spannungsfreies und ungetrübtes Miteinander hinaus konkrete, besonders gute, enge persönliche und innere Beziehungen und Bindungen hat, die im Einzelfall festgestellt werden müssen (Senat, FamRZ 1983, 98/99; BayObLG 1982, 747/748; Palandt/Edenhofer, BGB, 52. Aufl., § 2270 Rdn. 7; Münch/Komm-Musielak aaO., § 2270 Rdn. 13; Bengel, aaO, S. 8). Sofern auch darauf abgestellt wird, ob die persönlichen Beziehungen mindestens dem üblichen Verhältnis von Verwandten entsprechen, (BayObLGZ 1982, 474; MünchKomm-Musielak aaO; Bengel aaO.), kann das nicht dahin verstanden werden, daß als Vergleichsmaßstab generell auch die üblicherweise zwischen entfernteren Verwandten bestehenden Beziehungen herangezogen werden können. Wenn zugleich ausgeführt wird, daß als solche nahestehenden Personen Adoptivkinder, Stiefkinder oder Pflegekinder, auch enge Freunde, bewährte Hausgenossen und langjährige Angestellte in Betracht kommen (vgl. BayObLGZ 1982, 474/478), so kommt darin zum Ausdruck, daß mit dem Hinweis auf die dem üblichen Verhältnis zu Verwandten entsprechenden, guten persönlichen Beziehungen solche gemeint sind, wie sie zwischen nahen Verwandten bestehen, die – zumindest zeitweise – auch in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben. Es bedarf im vorliegenden Fall indes keiner abschließenden Entscheidung, ob nicht auch schon gute persönliche Beziehungen, die einem verwandtschaftlichen Verhältnis nur in der Seitenlinie verwandter Personen entsprechen – wie es bei einem Onkel/Tanten- und Neffen/Nichten- Verhältnis der Fall ist – dann geeignet ist, den Begriff des Nahestehens auszufüllen, wenn es um die Beziehung zu eingesetzten Dritten geht, die mit dem überlebenden Ehegatten nicht verwandt sind. Eine einem solchen entfernteren verwandtschaftlichen Verhältnis vergleichbare persönliche Beziehung genügt jedenfalls dann nicht für die Annahme, der Vorverstorbene habe dem Schlußerben nahegestanden, wenn die verwandtschaftliche Beziehung durch den überlebenden Ehegatten begründet worden ist und dieser seine eigenen Verwandten als Schlußerben eingesetzt hat. Für die Auslegung und inhaltliche Ausfüllung des Begriffs des Nahestehens ist zu berücksichtigen, daß der Bestimmung des § 2270 Abs. 2 BGB die Lebenserfahrung zugrundeliegt (MünchKomm-Musielak, aaO. § 2270 Rdn. 9, vgl. auch Bengel aaO. Seite 8 f). Die Aufstellung der Regel des § 2270 Abs. 2 BGB beruht auf der Erwägung, daß der eine Ehegatte in der Verfügung, die zugunsten einer ihm nahestehenden Person von dem anderen Ehegatten getroffen wird, eine Art Gegenleistung dafür zu sehen pflegt, daß er seinerseits dem letzteren eine Zuwendung macht. Daraus rechtfertigt sich regelmäßig die Folgerung, daß er ohne die Verfügung des anderen Ehegatten seine Verfügung nicht getroffen hätte (KG DNotZ 1932, 122/123). Das kann jedoch nicht ohne weiteres angenommen werden, wenn der Ehemann seine eigenen Verwandten zu Erben einsetzt, solange die Ehefrau zu diesen keine anderen Bindungen hat, als sie üblicherweise aufgrund der durch den Ehemann vermittelten (verwandtschaftlichen) Beziehung bestehen. In einem solchen Fall hat es deshalb bei dem sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergebenden Grundsatz zu verbleiben, daß der überlebende Ehegatte an die Schlußerbeneinsetzung eigener Verwandter nicht gebunden ist. Bei einer solchen Fallgestaltung bedarf es deshalb weiterer Umstände, um annehmen zu können, die Ehefrau habe den eingesetzten Verwandten des Ehemannes in einer Weise nahegestanden, daß nach der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 eine Bindung angenommen werden kann. Es müßten also Umstände vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, zwischen den Schlußerben und der vorverstorbenen Ehefrau hätte eine Beziehung bestanden, die über die Beziehung hinausging, die dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Ehemann und den Schlußerben entsprach.

Die hiernach erforderlichen Voraussetzungen für die Feststellung, die Ehefrau habe im vorliegenden Fall den Beteiligten zu 1. bis 3. nahegestanden im Sinne des § 2270 Abs. 2 BGB, sind vom Landgericht ohne Rechtsirrtum als nicht gegeben erachtet worden. Das Landgericht hat den Umständen des Falles und dem Wortlaut der Erklärungen der Beteiligten zu 1. bis 3. nur zu entnehmen vermocht, daß der Erblasser und seine Ehefrau zu den Beteiligten zu 1. bis 3. intensive familiäre Beziehungen unterhalten haben mögen und insbesondere alle drei großzügig unterstützt haben, daß aber die Großzügigkeit auch den übrigen Verwandten zugutegekommen sei. Über die den familiären Beziehungen eines Onkel/Tanten/Nichten/ Neffen-Verhältnisses hinausgehende Bindungen der Ehefrau zu den Beteiligten zu 1. bis 3. hat das Landgericht für denkbar gehalten, jedoch nicht festzustellen vermocht. Das unterliegt nach der Aktenlage keinen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat sowohl die Kinderlosigkeit des Ehepaares gewürdigt wie auch die Versicherung der Ehefrau, sie sei bereit, die Beteiligten zu 1. bis 2. zu adoptieren, wenn ihrer Mutter etwas zustoßen würde, jedoch in beidem nicht eindeutig besondere Bindungen gerade zu den eingesetzten Schlußerben gesehen und nicht auch oder sogar vorrangig zu den Müttern der Beteiligten zu 1. bis 3.. Soweit die Beteiligten zu 1. bis 3. geltend machen, daß das Verhältnis zu der vorverstorbenen Ehefrau, der „Tante“, besonders eng gewesen sei, weil sie sich in besonderem Maße um die Beteiligten zu 1. bis 3. gekümmert habe, insbesondere auch Geschenke gemacht habe, war das Landgericht aus Rechtsgründen nicht gehalten, hieraus – die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt – den Schluß auf das Nahestehen in dem beschriebenen Sinne zu ziehen. Dieses Verhalten geht nicht über eine Beziehung hinaus, die einem entsprechenden Verwandtschaftsverhältnis zu Geschwisterkindern entspricht. Hierbei ist in Betracht zu ziehen, daß innerhalb einer Ehe gerade die Frau diejenige sein kann, welche (verwandtschaftliche) Beziehungen besonders pflegt, auch die durch die Verwandtschaft des Mannes vermittelten. Das gilt auch, soweit Geldgeschenke gemacht worden sind, zumal dabei zu berücksichtigen wäre, ob nicht der berufstätige Ehemann derjenige war, der die Mittel dafür aufbrachte. Die Würdigung des Landgerichts unterliegt als Tatsachenfeststellung – wie bereits ausgeführt – nur der eingeschränkten Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Rechtsfehler weist die angefochtene Entscheidung insoweit nicht auf. Dahinstehen kann, ob – was die weitere Beschwerde rügt – das Landgericht seine Auffassung hinsichtlich des Nahestehens auch auf die Ersatzerbeneinsetzung der Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger rechtsirrtumsfrei stützen kann, da es sich insoweit nur um ein Zusatzargument handelt, auf dem die angefochtene Entscheidung nicht beruht.

Ohne Rechtsfehler ist es schließlich, wenn das Landgericht, weil es die Wechselbezüglichkeit nicht festzustellen vermocht hat, nach Beweislastgrundsätzen entschieden und angenommen hat, daß die Feststellungslast für die Tatsachen, welche die Wechselbezüglichkeit begründen und damit zum Ausschluß der Testierfreiheit führen, derjenige trägt, der daraus Rechte herleitet (BayObLG Rpfleger 1985, 445/446; Palandt/Edenhofer, aaO., § 2270 Rdn. 3). Das ist hier die Antragstellerin, die Beteiligte zu 1..

Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf der zwingenden Vorschrift des § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30, 31 KostO.

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