OLG München, Beschluss vom 22.02.2010 – 34 Wx 003/10

Dezember 30, 2020

OLG München, Beschluss vom 22.02.2010 – 34 Wx 003/10

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Rosenheim – Grundbuchamt – vom 27. November 2009 aufgehoben.
Gründe

I.

Zu notarieller Urkunde vom 18. September 2009 veräußerte der Beteiligte zu 1 an die Beteiligten zu 2 und 3, seine Schwester und deren Ehemann, je zur Hälfte das als Gebäude- und Freifläche beschriebene Grundstück FlSt. 566/1. Ihm selbst gehört das Nachbargrundstück FlSt. 566. Zur selben Urkunde (Ziffer XV. 5 und 6) räumten die Beteiligten zugunsten des jeweiligen Eigentümers des anderen Grundstücks Grunddienstbarkeiten folgenden Inhalts ein:

5) … an FlSt. 566 dem jeweiligen Eigentümer von FlSt. 566/1 …:

Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks ist berechtigt, im Obergeschoß das Südzimmer und im Dachgeschoß das darüber liegende Südzimmer sowie das anschließende Nordzimmer mit dazwischen liegendem Flur, je im Anschluss an das herrschende Grundstück gelegen und nur vom herrschenden Grundstück aus betretbar, auf dem dienenden Grundstück FlSt. 566 unter Ausschluss des Eigentümers alleine zu benützen.

Die Kosten der Instandhaltung dieser Räume trägt der Eigentümer des berechtigten Grundstücks allein.

6) … am Vertragsobjekt (= FlSt. 566/1) zugunsten des jeweiligen Eigentümers von FlSt. 566 …:

Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks ist berechtigt, den im anliegenden Lageplan rot dargestellten Gebäudeteil auf dem dienenden Grundstück unter Ausschluss des Eigentümers alleine zu benützen.

Die Kosten der Instandhaltung dieses Gebäudeteiles trägt der Eigentümer des berechtigten Grundstücks allein.

Zugleich wurde die Eintragung der Grunddienstbarkeiten an nächst offener Rangstelle bewilligt und beantragt.

Auf den Vollzugsantrag vom 23.11.2009 hat das Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 27.11./14.12.2009 – soweit noch erheblich – beanstandet, dass die Eintragung der bestellten Nutzungsrechte als Wohnrechte in dieser Form nicht zulässig sei. Die Art der Benutzungsrechte sei nicht ausreichend bezeichnet; notwendig sei die Bezeichnung einer bestimmten Benutzungsart. Der Inhalt der Grunddienstbarkeiten sei in einem Nachtrag gemäß § 29 GBO zu ergänzen. Sofern die Benutzungsart „Wohnen“ gewollt sei, sei die Bestellung der Grunddienstbarkeiten nicht möglich. Solle Wohnen unter Ausschluss des Eigentümers gestattet werden, käme ein Wohnungsrecht nach § 1093 BGB in Frage. Eine Kombination zwischen § 1018 und § 1093 BGB sei wegen des sachenrechtlichen Typenzwangs nicht möglich.

Die Beschwerde der beurkundenden Notarin wird im Wesentlichen darauf gestützt, dass das Benutzungsrecht bezüglich eines bestimmten Gebäudeteils in Form des Wohnens wie auch in jeglicher anderen Form zur Benutzung zu beliebigen Zwecken, also auch als Büro, Gewerbefläche, Abstell- oder Hobbyraum, den zulässigen Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden könne. Der sachenrechtliche Typenzwang verbiete es nicht, Wohnungsrechte auch im Weg einer Grunddienstbarkeit zu bestellen und im Grundbuch einzutragen. Eine Kombination aus Grunddienstbarkeit und Wohnungsrecht sei weder vereinbart noch gewollt, vielmehr eine vom Umfang her umfassendere Dienstbarkeit, die nämlich weder mit dem Tod einer bestimmten Person erlösche noch sich auf bloßes Wohnen beschränke.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 22.12.2009 nicht abgeholfen und das Rechtsmittel dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Im Beschwerdeverfahren hat die Notarin vorsorglich unter Bezugnahme auf eine Vollmacht gemäß Ziffer IX. der Vertragsurkunde erklärt festzustellen, dass die vorgenannten Rechte den Inhalt hätten, die betroffenen Gebäudeteile zu benutzen zu Zwecken des Wohnens, der Ausübung eines Gewerbes, eines freien Berufes sowie der Nutzung als Abstellraum oder Hobbyraum.

II.

Auf die nach § 71 Abs. 1, § 73 i.V.m. § 15 Abs. 2 GBO zulässige Beschwerde ist die angegriffene Zwischenverfügung des Grundbuchamts ersatzlos aufzuheben. Auf der Grundlage der abgegebenen Bewilligungen (§ 19 GBO) besteht nämlich ein nicht behebbares Eintragungshindernis. Das jeweils bestellte Recht wäre so nicht eintragungsfähig; die Zwischenverfügung gibt auf, die Bewilligungen inhaltlich zu ändern. Weil die zur Eintragung erforderlichen Erklärungen nicht vorliegen, scheidet eine Zwischenverfügung aus (Hügel/Zeiser GBO § 18 Rn. 17); der Antrag muss sofort zurückgewiesen werden (Senat vom 5.2.2010, 34 Wx 116/09; BayObLGZ 1991, 97/102; Demharter GBO 27. Aufl. § 18 Rn. 6; § 77 Rn. 14).

131. Nach § 1018 BGB gestattet eine Grunddienstbarkeit die Benutzung des belasteten Grundstücks nur „in einzelnen Beziehungen“. Eine solche Nutzung steht dabei als eine bestimmte, näher definierte Nutzungsart im Gegensatz zu einem umfassenden, nicht näher bezeichneten oder begrenzten Nutzungsrecht (BayObLGZ 1989, 442/444; BayObLG NotBZ 2003, 198/199; OLG Celle NJW-RR 2005, 102).

14a) Eine Grunddienstbarkeit, die das Recht einräumt, ein Grundstück oder auch nur einen Teil desselben, „beliebig zu benutzen“, wäre deshalb nicht zulässig (KG DNotZ 1992, 673; BayObLGZ 1986, 54; BayObLG NotBZ 2003, 198; OLG Celle NJW-RR 2005, 102). Eine Nutzung in einzelnen Beziehungen liegt hingegen auch dann vor und die Bestellung einer Grunddienstbarkeit ist demgemäß zulässig, wenn eine Anlage „als solche“ oder ein Gebäude „als solches“ Gegenstand der Nutzung ist (KG NJW 1972, 1128: Bau einer Netzstation; LG Passau Rpfleger 1972, 135; Straßennutzung; LG Bremen JurBüro 1970, 92: Nutzung von Erdgeschoßräumen als Ladenlokal; LG Regensburg Rpfleger 1987, 295 m. Anm. Dietzel: Bau und Benutzung einer Scheune; BayObLG MittBayNot 1985, 127: Benutzung einer Terrasse; BayObLG NJW-RR 2005, 604: Kellernutzungsrecht). Nach dem Kammergericht kommt die Einräumung einer Dienstbarkeit „zu Wohnzwecken“ an einem Wohnungseigentum hingegen nicht in Betracht, weil damit dem Berechtigten schon formal eine umfassende Befugnis zu allen denkbaren Nutzungen unter Ausschluss des Eigentümers eingeräumt werde (KG FGPrax 1995, 226 mit ablehnender Anm. Demharter).

b) Es kann dahinstehen, in welchem Umfang Dienstbarkeiten an Zimmern oder Gebäudeteilen bestellt werden können. Jedenfalls scheitert dies hier schon am Bestimmtheits- und Publizitätserfordernis des Grundbuchrechts. Aufgabe des Grundbuchs ist es, die Leichtigkeit und Sicherheit des Rechts- und Geschäftsverkehrs im Bereich der Liegenschaften zu gewährleisten. Dieser Zweck verlangt so klare und eindeutige Eintragungen, dass sich jedermann rasch und zuverlässig über Inhaber, Art, Umfang und Wirkungen eines eingetragenen Rechts unterrichten kann. Der so zu umschreibende Publizitätsgrundsatz erfordert es, dass im Einzelfall anhand der Eintragung und zulässigerweise in Bezug genommenen Unterlagen entschieden werden kann, ob ein bestimmter Sachverhalt von der Eintragung erfasst wird oder nicht. Erforderlich ist auch, dass derjenige, der das Grundbuch einsieht, eine konkrete Vorstellung von Inhalt und Bedeutung der eingetragenen Rechte entwickeln kann. Erst dadurch wird die Verkehrsfähigkeit von Grundstücken und übertragbaren Rechten gewährleistet; eine abstrakt zwar eindeutige und bestimmte, in ihrer konkreten Bedeutung aber nicht erfassbare Eintragung wäre insoweit weithin nutzlos (vgl. etwa OLG Hamm DNotZ 1986, 626 f. m.w.N.; OLG Brandenburg FGPrax 2009, 100).

Die Eintragungsbewilligungen genügen diesen Anforderungen nicht.

17Die Benutzung des Grundstücks oder auch einer Teilfläche „in einzelnen Beziehungen“ (vgl. § 1018 BGB) steht als eine bestimmte, näher definierte Nutzungsart im Gegensatz zu einem umfassenden, nicht näher bezeichneten oder begrenzten Nutzungsrecht (BayObLGZ 1989, 442/444; BayObLG NotBZ 2003, 198/199). Anders als bei Terrassen, Kellern oder Scheunen erlaubt es der Bezug auf der Lage nach bestimmte und beschriebene „Zimmer“ bzw. einen „Gebäudeteil“ zwar, den Ausübungsbereich festzulegen, nicht aber auch den Umfang des Benutzungsrechts hinreichend eindeutig zu bestimmen. Es sind insoweit verschiedene Nutzungsformen denkbar wie z. B. als Wohnraum, Büro eines Freiberuflers, Gewerbefläche, Abstellraum, Hobbyraum oder – beim Gebäudeteil – auch als Stall/Scheune. Dem Verständnis nach könnte die Formulierung einen möglichst umfassenden Ausschluss bezwecken, so dass der Rechtsinhaber zu jeder nur denkbaren Nutzungsform an den Räumlichkeiten berechtigt sein solle. Eindeutig ist dies aber nicht, zumal die Bewilligung nur davon spricht, Zimmer und Gebäudeteil „zu benützen“ (vgl. Schöner/Stöber Grundbuchrecht 14. Aufl. Rn. 1140), die Benutzungsform aber nicht näher umrissen ist und nicht zum Ausdruck gebracht wird, ob die Benutzung in mehrfacher Beziehung berechtigen soll (Schöner/Stöber Rn. 1147), was bei Zimmern und einem Gebäudeteil ohne weiteres denkbar ist.

2. Dem Bestimmtheitserfordernis mag zwar durch die nun abgegebene Erklärung, dass die vorgenannten Rechte den Inhalt hätten, die betroffenen Gebäudeteile zu benutzen zu Zwecken des Wohnens, der Ausübung eines Gewerbes, eines freien Berufes sowie der Nutzung als Abstellraum oder Hobbyraum, genügt sein. In der Beschwerdeinstanz sind auch neue Tatsachen zu berücksichtigen (§ 74 GBO). Unzulässig ist jedoch ein neuer Antrag (Demharter § 74 Rn. 6). Als solcher stellt er sich aber mit dem nun fixierten (hilfsweisen) Inhalt dar. Er wäre überdies auch nicht von der im Vertrag enthaltenen Notarsvollmacht (Ziffer IX.) gedeckt. Sie berechtigt nämlich nur zum Vollzug der Urkunde und zur Abgabe/Entgegennahme aller hierzu zweckdienlichen Erklärungen. Eine neue inhaltliche Ausgestaltung der von den Parteien bewilligten materiellen Rechte ist davon nicht erfasst.

3. Zur Eintragungsfähigkeit von Grunddienstbarkeiten mit einem nun derart fixierten Inhalt ist noch zu bemerken:

a) Das Recht, ein Teil eines Gebäudes unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung zu benutzen, ist Inhalt des Wohnungsrechts nach § 1093 BGB. Es bildet einen Sonderfall der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit mit nießbrauchsähnlicher Gestaltung und unterscheidet sich von dieser, weil es den Eigentümer von der Benutzung des Gebäudeteils vollständig ausschließt (Bauer/von Oefele GBO 2. Aufl. III Rn. 460; Staudinger/Jörg Mayer BGB Bearb. 2008 § 1093 Rn. 3). Ein die Benutzung durch den Eigentümer ausschließendes Recht, das zum Wohnen, wenn auch mit gewissen – beruflichen oder gewerblichen – Nebenzwecken (vgl. Staudinger/Jörg Mayer § 1093 Rn. 30), befugt, kann in sachenrechtlich zulässiger Form nur als Wohnungsrecht begründet werden (RG HRR 29 Nr. 906; OLG Koblenz NJW 2000, 3791/3792). Die Möglichkeit, stattdessen eine andere Form der Dienstbarkeit einzuräumen, besteht für diesen Fall nicht (vgl. OLG Düsseldorf MittRhNotK 1997, 358; DNotI-Report 2002, 91). Dies gilt für Grunddienstbarkeiten ebenso wie für beschränkte persönliche Dienstbarkeiten, weil beide von ihrem Inhalt her identisch sind (Palandt/Bassenge BGB 69. Aufl. § 1090 Rn. 4).

b) Nach den Vorstellungen der Beteiligten soll das Wohnen indes nicht Hauptinhalt des Rechts und sollen berufliche, gewerbliche oder sonstige Nutzungen nur Nebenzwecke bilden. Gewollt ist vielmehr die Bestellung von Rechten zur Nutzung wesentlicher Bestandteile der Grundstücke (vgl. §§ 93, 94 BGB) in einzeln aufgezählten, jedoch insgesamt möglichst umfassenden Beziehungen, die nicht durch den Tod des Berechtigten erlöschen (vgl. §§ 1093, 1090 Abs. 2, § 1061 BGB). Zur Nutzung in jeder dieser einzelnen Beziehungen ist die Grunddienstbarkeit (§ 1018 1. Alt. BGB) ein grundsätzlich geeignetes dingliches Sicherungsmittel. Gegen die Bestellung von Dienstbarkeiten des Inhalts, dass sie zur Benutzung der Zimmer (nebst Flur) und des Gebäudeteils zu Zwecken des Wohnens (sog. Wohnrecht oder Wohnnutzungsrecht; vgl. KG HRR 29 Nr. 906; OLG Saarbrücken OLGZ 92, 5; OLG Frankfurt MittBayNot 2007, 402 mit Anm. Adam; Staudinger/Jörg Mayer § 1093 Rn. 3 Demharter FGPrax 1995, 227/228), als Büro oder Gewerbefläche (vgl. LG Bremen JurBüro 1970, 92 mit zustimmender Anm. Scharlhorn) oder als Lager dienen, bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Für Zwecke des Wohnens kann jedoch der gleichzeitige Ausschluss des Eigentümers von gleichartiger Nutzung nicht zum Rechtsinhalt gemacht und insoweit auch nicht durch eine Ausschließlichkeitsklausel (§ 1018 1./2. Alt. BGB; dazu Soergel/Stürner BGB 13. Aufl. § 1018 Rn. 12, 28: Unterlassungspflicht als Dienstbarkeitsinhalt) abgesichert werden. Denn dies würde zu einer sachenrechtlich unzulässigen Mischform mit dem Recht aus § 1093 BGB führen (vgl. OLG Düsseldorf MittBayNot 1997, 358; DNotI-Report 2002, 91).

c) Fraglich ist diesem Zusammenhang weiter, ob derartige Dienstbarkeiten deshalb inhaltlich unzulässig sind, weil sie insoweit den Eigentümer von jeder Nutzung ausschließen oder ihm keine wirtschaftlich sinnvollen Restnutzungsmöglichkeiten mehr erlauben (vgl. Baier in Bauer/von Oefele III Rn. 277, 279; Ertl MittBayNot 1988, 53/57; Demharter Anhang zu § 44 Rn. 16; ferner BayObLGZ 1987, 359/361). Anerkannt ist, dass die Dienstbarkeit auch die Grundstücksnutzung in mehreren einzelnen Beziehungen absichern kann (Palandt/Bassenge § 1018 Rn. 15). Der Senat neigt zwar der neueren Meinung zu, nach der im Verhältnis zum Nießbrauch formal danach abzugrenzen ist, ob dem Berechtigten nur einzelne Benutzungsmöglichkeiten eingeräumt sind, mögen sie auch dem Eigentümer keine wirtschaftlich sinnvollen Betätigungsmöglichkeiten mehr belassen (vgl. Stöber DNotZ 1982, 416/420 f.; Baier in Bauer/von Oefele III Rn. 279, 281). Jedoch verlangt § 1018 BGB, und zwar auch bei einer Ausübungsbeschränkung auf Grundstücksteile (dazu OLG Celle NJW-RR 2005, 102), dass dem Berechtigten nicht sämtliche dem Eigentümer offenstehenden Nutzungsmöglichkeiten eingeräumt werden dürfen, sondern nur einzelne davon (Demharter FGPrax 1995, 227/228). Dagegen wird aber verstoßen, wenn die im Einzelnen aufgezählten Befugnisse die Möglichkeit, Gebäude und Zimmer zu nutzen, im Wesentlichen erschöpfen und Restnutzungsmöglichkeiten des Eigentümers rein theoretischer Natur sind.

III.

Eine Kostenentscheidung ist ebenso wenig veranlasst wie eine Geschäftswertfestsetzung.

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