OLG München, Beschluss vom 17.12.2013 – 34 Wx 454/12

Januar 31, 2021

OLG München, Beschluss vom 17.12.2013 – 34 Wx 454/12

1. Zum Fortsetzungsfeststellungsantrag in Grundbuchsachen.2. Ist ein Recht an einem Grundstück infolge eines Übertragungsfehlers unrichtig eingetragen, kommt nicht die Richtigstellung, sondern die Eintragung eines Amtswiderspruchs in Betracht. Das Grundbuchamt ist nicht gehindert, den Amtswiderspruch noch vor einer beantragten Eigen-tumsumschreibung einzutragen, selbst wenn eine Eigentumsvormerkung eingetragen ist.
Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Passau – Grundbuchamt – vom 19. November 2012 wird verworfen.

II. Die Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 € festgesetzt.
Gründe

I.

Im Grundbuch (Blatt 1339) war aufgrund Eintragungsbewilligung aus dem Jahr 1959 eine Grunddienstbarkeit (Verpflichtung zur Einhaltung eines Bebauungsplanabstandes) für das Flurstück xxx eingetragen. Dienende Grundstücke waren u.a. die Flurstücke xxx bis xxx.

Im Jahr 1980 wurde das Grundbuchblatt umgeschrieben auf Blatt 2004. Bei der Umschreibung wurde für die in Abt. II Nr. 3 eingetragene Dienstbarkeit infolge eines Übertragungsfehlers das Grundstück Fl.St. xxx – statt zutreffend xxx – als begünstigt bezeichnet.

Mit Eingang beim Grundbuchamt am 7.8.2012 wurde Vollzug einer Messungsanerkennung und Auflassung u. a. der Flurstücke xxx bis xxx zu Gunsten der Beteiligten beantragt. Nach Ziff. II. 5. des Kaufvertrags vom 27.5.2011 hatte diese als Käuferin die Belastungen, die in Abt. II eingetragen waren, übernommen. Zugunsten der Beteiligten war am 9.6.2011 eine Eigentumsvormerkung im Grundbuch eingetragen worden.

Vor Eigentumsumschreibung stellte das Grundbuchamt die unrichtige Übertragung der Dienstbarkeit fest und vermerkte am 26.10.2012 in Abt. II Spalte 5 des Grundbuchs, dass Berechtigter des Rechts richtig der jeweilige Eigentümer des Grundstücks FlSt xxx ist und es sich um einen offensichtlichen Übertragungsfehler handelt.

Unter demselben Datum wurden die Flurstücke xxx bis xxx sowie die Grunddienstbarkeit unter richtiger Bezeichnung auf Blatt 3540 übertragen. Gleichzeitig wurde die Beteiligte als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Unter dem 8.11.2012 beantragte der beurkundende Notar die Löschung der Grunddienstbarkeit. Die Eintragung zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers von FlSt xxx sei ohne Bewilligung und Einigung erfolgt, eine Berichtigung daher unzulässig, weil das Recht nicht entstanden sei. Die nun eingetragene Grunddienstbarkeit zu Gunsten des Eigentümers von FlSt xxx sei durch Nichtübertragung erloschen.

Das Grundbuchamt hat den Antrag mit Beschluss vom 19.11.2012 zurückgewiesen, der Beschwerde vom 22.11.2012 hat es nicht abgeholfen.

Am 6.3.2013 wurde die Dienstbarkeit aufgrund einer Bewilligung gelöscht.

Im Beschwerdeverfahren wurde zuletzt beantragt festzustellen, dass die Maßnahme der Richtigstellung durch das Grundbuchamt rechtswidrig war, hilfsweise, von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren abzusehen.

II.

Der auf Fortsetzungsfeststellung gerichtete Antrag im Beschwerdeverfahren bleibt erfolglos.

1. Die Beschwerde mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festzustellen, ist insoweit unzulässig. Es kann dahinstehen, ob § 62 Abs. 1 FamFG auch im Grundbuchverfahren anwendbar ist (bejahend OLG Düsseldorf Rpfleger 2010, 261; Demharter GBO 28. Aufl. § 1 Rn. 56; Budde in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 77 Rn. 7; a. A. Hügel/Kramer GBO 2. Aufl. § 71 Rn. 247: „wohl nicht“). Denn Feststellungsanträge nach § 62 FamFG sollen nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Dies folgt aus § 62 Abs. 2 FamFG, der Anwendungsfälle für die Bejahung eines berechtigten Interesses umschreibt, nämlich – abgesehen von einer konkret zu erwartenden Wiederholung, die hier nicht im Raume steht – solche, in denen es zu „schwerwiegenden“ (BVerfG vom 31.10.2005, 2 BvR 2233/04) Grundrechtseingriffen gekommen ist (vgl. § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG; BVerfG FGPrax 2002, 137: „tief greifend“; BVerfG vom 27.2.2007, 1 BvR 538/06, 1 BvR 2045/06). Die zitierten Entscheidungen betrafen Freiheitsentziehungen sowie Durchsuchungen und Beschlagnahmen, mithin Eingriffe, die unter Richtervorbehalt gestellt sind (vgl. auch OLG Hamm FGPrax 2010, 79). Umgekehrt ergibt sich hieraus, dass nicht jede verfahrenswidrige Tangierung von Grundrechten in gerichtlichen Verfahren die Fortsetzungsfeststellung eröffnet. Soweit es nur um die unberechtigte Belastung mit Kosten geht, hat der Bundesgerichtshof bereits die Voraussetzungen für einen Antrag nach § 62 Abs. 1 FamFG verneint (vgl. BGH FGPrax 2012, 91/92). Es genügt auch nicht, dass sich die angefochtene Entscheidung allgemein für den Beschwerdeführer wirtschaftlich nachteilig ausgewirkt hat (Budde in Bauer/von Oefele § 77 Rn. 7). Ebenso wenig reicht es aus, dass der Beschwerdeführer eine bindende Feststellung der Rechtswidrigkeit deshalb erstrebt, um Amtshaftungsansprüche geltend zu machen (OLG Hamm FGPrax 2010, 79; Budde in Bauer/von Oefele § 77 Rn. 7).

Die Beteiligte rügt, vor der Eintragung der sogenannten Richtigstellung vom Grundbuchamt – Rechtspfleger – nicht angehört worden zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Rpfleger 2000, 205/207) kommt zwar nicht ein Verstoß gegen das Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG (so wohl BGH Rpfleger 2005, 135/136; Hügel/Holzer GBO § 1 Rn. 121; § 22 Rn. 21), indessen ein solcher gegen den rechtstaatlichen Grundsatz des fairen Verfahrens aus Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG in Betracht (vgl. auch Demharter § 1 Rn. 48 m. w. N.). Geht man weiter von der herrschenden Ansicht aus, dass vor Anbringung derartiger Richtigstellungen der davon (wenn auch nur formell) betroffene Rechtsinhaber anzuhören ist (Hügel/Holzer GBO § 1 Rn. 121; § 22 Rn. 21), liegt zwar ein verfahrensverletzender Akt des Grundbuchamts vor, der jedoch als solcher nicht derartiges Gewicht hat, dass er schon als schwerwiegend bezeichnet werden kann.

Nur der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, dass das Grundbuchamt Anlass zur Prüfung gehabt hätte, einen Widerspruch von Amts wegen in das Grundbuch einzutragen (vgl. § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO), der seinerseits infolge seines Sicherungszwecks nicht zwingend die vorherige Anhörung der Beteiligten geboten hätte (Meincke in Bauer/von Oefele § 53 Rn. 83), aber ebenso geeignet gewesen wäre, den guten Glauben der Beteiligten zu zerstören. Auf die nachfolgenden Erwägungen zum Kostenantrag (s. unten 2.) wird ergänzend Bezug genommen.

2. Die Bedingung des – insofern zulässigen – Hilfsantrags ist damit eingetreten, so dass nach ursprünglich zulässiger Beschwerde (§ 71 Abs. 1, § 73 i. V. m. § 15 Abs. 2 GBO) noch über den hilfsweise aufrecht erhaltenen Kostenantrag (BGH FGPrax 2011, 163; Hügel/ Kramer § 71 Rn. 251; Demharter § 1 Rn. 56) zu entscheiden bleibt. Dabei ist nicht nur entsprechend dem gestellten Antrag über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, sondern regelmäßig über die Kosten des gesamten Verfahrens zu befinden, mag dies auch nur von klarstellender Bedeutung sein (vgl. BayObLGZ 1968, 195/198 f.; Demharter § 1 Rn. 56).

Das Grundbuchamt hat den Löschungsantrag jedoch zutreffend zurückgewiesen, weil das Grundbuch nicht unrichtig war. Danach ergibt sich die Kostenfolge für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Grundbuchamt aus § 2 Nr. 1 i. V. m. § 130 Abs. 1 der insoweit noch anwendbaren Kostenordnung (vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GNotKG), für das zweitinstanzliche Verfahren aus § 83 Abs. 2 i. V. m. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Die ursprüngliche Beschwerde mit dem Ziel, dem Löschungsantrag stattzugeben, hatte von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg, ohne dass es darauf ankommt, dass der vom Grundbuchamt gewählte Weg, die Eintragung richtig zu stellen, verfahrensfehlerhaft war. In einem derartigen Fall sieht der Senat aber auch keinen Anlass, die Bestimmung des § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG – Absehen von einer Kostenerhebung – anzuwenden. Ebenso wenig ist Raum für eine Anwendung des § 16 KostO. Denn das gegenständliche Verfahren ist ersichtlich richtig behandelt.

a) Die unrichtige Übertragung eines Rechts am Grundstück führt nicht zu einem Erlöschen des materiellen Rechts (Demharter § 46 Rn. 15). Vielmehr ist eine fehlerhafte Übertragung wie eine unrichtige Eintragung zu bewerten. Es kommt in einem solchen Fall nicht die Löschung, sondern die Eintragung eines Amtswiderspruchs in Betracht (Hügel/Holzer § 53 Rn. 25 ff. und § 22 Rn. 92 ff.). Die Richtigstellung des Grundbuchs scheidet aus (BGH NJW 1993, 3197; BayObLGZ 1992, 204; DNotZ 1997, 335). Auch bei einem Schreibfehler kommt nur die Eintragung eines Amtswiderspruchs in Betracht, wenn die Eintragung – wie hier – im öffentlichen Glauben des Grundbuchs steht (Hügel/Holzer § 22 Rn. 92).

b) Die Richtigstellung hat den guten Glauben des Erwerbers an der Richtigkeit der Eintragung ebenso vernichtet, wie dies ein Amtswiderspruch bewirkt hätte. Der Erwerber hat daher nicht gutgläubig lastenfrei erworben. Daran ändert auch die vor Eintragung des Richtigstellungsvermerks oder eines Amtswiderspruchs erfolgte Eintragung der Vormerkung nach § 883 BGB nichts. Diese führt nur dazu, dass Verfügungen, die nach ihrer Eintragung getroffen werden, unwirksam sind. Die Eintragung einer Richtigstellung oder eines Amtswiderspruchs fällt dagegen nicht unter den Schutz des § 883 BGB (Palandt/Bassenge BGB 73. Aufl. § 883 Rn. 20).

c) Das Grundbuchamt wäre auch in Anbetracht der durch Eintragung im Grundbuch einen Rechtserwerb herbeiführen Messungsanerkennung mit Auflassung und der Regelung des § 878 BGB nicht gehindert gewesen, einen Amtswiderspruch einzutragen. Es ist umstritten, ob das Grundbuchamt darf, von dem es positiv weiß, dass dieser sich allein aufgrund guten Glaubens vollzöge. Die wohl herrschende Meinung geht aber davon aus, dass wegen des Legalitätsprinzips eine entsprechende Eintragung zu verweigern ist, wenn das Grundbuchamt positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuchs hat (vgl. BayObLG Rpfleger 1994, 453; OLG Karlsruhe Rpfleger 1998, 68).

Da das ursprünglich – vor 1980 – eingetragene Recht nicht gelöscht, sondern nur unrichtig eingetragen war, war die Rechtsposition des aus der Dienstbarkeit Berechtigten bei Antragstellung auch noch nicht erloschen. Steht das Grundbuchamt vor der Entscheidung, ob es ein Recht vernichtet oder einem gutgläubigen Dritten unbelastetes Eigentum verschafft, muss die Abwägung zugunsten des (noch) Berechtigten ausfallen. Bei dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass der Erwerber auf Ansprüche gegen seinen Vertragspartner verwiesen werden kann, wogegen der (noch) Berechtigte im Zweifel leer ausginge.

Diese Abwägung wird auch nicht durch § 878 BGB zugunsten des gutgläubigen Erwerbers entschieden. Denn die Vorschrift verlagert den Eigentumsübergang nicht vor, sondern erklärt eingetretene Verfügungsbeschränkungen gegenüber dem Gutgläubigen als nicht eingetreten.

d) Hier konnte das Grundbuchamt auch hinreichend sicher sein, dass die Eintragung des Beteiligten zu gutgläubigem Erwerb beitragen würde, da es das Grundbuch durch einen Übertragungsfehler selbst unrichtig gemacht hatte.

III.

Die Bemessung des Geschäftswerts ergibt sich aus § 131 Abs. 4 i. V. m. § 30 Abs. 1 KostO; § 136 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG; Art. 50 2. KostRMoG vom 23.7.2013 BGBl I S. 2586). Er richtet sich an dem mutmaßlichen – in der Sache geringen – Kosteninteresse aus.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (vgl. § 78 Abs. 2 GBO).

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