Brandenburgisches OLG, Urteil vom 24.01.2019 – 5 U 15/18

Februar 1, 2021

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 24.01.2019 – 5 U 15/18

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. Dezember 2017 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin, Az. 31 O 49/17, wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus diesen Urteilen in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 22.000 €, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in der Hauptsache Sicherheit in Höhe von 22.000 €, im Übrigen Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 22.000 €.
Gründe

I.

Die Klägerin als eingetragene Eigentümerin des Grundstücks Flur 30, Flurstück 5 der Gemarkung L… (G… L…) begehrt nach Kündigung eines Nutzungsvertrages von der Beklagten die Herausgabe einer anteiligen Wasserfläche von ca. 1.806 qm und einer anteiligen Landfläche von ca. 317 qm. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung der Klage stattgegeben. Es liege eine zivilrechtliche Streitigkeit vor, denn die Beklagte sei nicht berechtigter Teilnehmer eines Zuordnungsverfahrens. Die Klägerin sei auch nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 2 Nr. 2b, § 3 VertrOBVl ordnungsgemäß durch die Generaldirektion W… vertreten. Sie habe nach § 985 BGB einen Anspruch auf Herausgabe der im Tenor bezeichneten Land- und Wasserflächen. Hinsichtlich der Wasserfläche von 114 qm ergebe sich das Eigentum der Klägerin aus § 3 Abs. 1, 2 WaStrG. Wenn Landflächen an einer Bundeswasserstraße zum Gewässer würden und dadurch das Gewässerbett der Bundeswasserstraße dauerhaft erweitert würde, wachse dem Bund das Eigentum an der Erweiterung zu. Der G… L… sei nach Nr. 39 der Anlage 1 zum WaStrG eine Bundeswasserstraße, die an dieser Wasserstraße gelegene Landfläche sei dauerhaft zu einer Wasserfläche geworden. Das Eigentum des Bundes sei unabhängig davon entstanden, wann die Überflutung der Wasserfläche zeitlich erfolgt sei. Das Eigentum an der Landfläche stehe ebenfalls der Klägerin zu. Die Rechtmäßigkeit des Teilbescheids B sei aufgrund dessen Bestandskraft nicht mehr zu prüfen. Zu Gunsten der Klägerin greife die gesetzliche Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB ein. Diese gesetzliche Vermutung beziehe sich auf die Eintragung im Grundbuch und auf die Richtigkeit des Liegenschaftskatasters. Der Beklagten sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu erschüttern. Der Vermögenszuordnungsbescheid stehe der Möglichkeit der Widerlegung der Richtigkeit des Grundbuchs allerdings nicht entgegen, weil er nach § 2 Abs. 3 VZOG nur für und gegen die am Verfahren Beteiligten wirke und gemäß § 2 Abs. 1 S. 5 VZOG vorbehaltlich des Eigentums, der Rechtsinhaberschaft oder sonstiger privater Rechte Dritter ergehe. Ein Eigentumserwerb der Beklagten an den Landflächen nach §§ 912, 95 Abs. 1 S. 2 BGB komme nicht in Betracht. Die errichteten Anlagen (Spundwand, Slipanlage, Bootshaus, Aufschüttungen) seien schon kein Überbau im Sinne des § 912 BGB. Gebäude könnten danach zwar auch andere größere Bauwerke sein, deren Beseitigung einer dem (Teil-)Abriss eines Gebäudes im engeren Sinn vergleichbaren Zerschlagung wirtschaftlicher Werte gleichkomme. Ausgehend vom Normzweck des § 912 BGB sei jedenfalls für den vorliegenden Fall aber eine feste Verbundenheit mit dem Grundstück zu fordern, deren Beseitigung die Zerstörung der verbundenen Anlage und eine damit einhergehende erhebliche Vermögenseinbuße zur Folge hätte. Die streitgegenständlichen Anlagen könnten aber ohne weiteres beseitigt, erweitert oder versetzt werden. Dies gelte für die Larsenwand, die aus Einzelteilen bestehe, für das abbaubare Bootshaus und die Schienenslip-anlage sowie die künstlich errichteten Aufschüttungen. Dass die Beseitigung für die Beklagte als Betreiberin der Marina eine erhebliche Vermögenseinbuße bedeuten könne, könne die Voraussetzungen der §§ 912, 95 Abs. 1 S. 2 BGB nicht erfüllen. Der Überbau begründe zudem keinen abweichenden Grenzverlauf. Das Eigentumsrecht der Klägerin werde auch durch § 921 BGB nicht in Frage gestellt. Die Vorschrift betreffe allein das Mitbenutzungsrecht an Grenzeinrichtungen. Die künstlichen Aufschüttungen seien keine Verlandungen im Sinne von § 4 Abs. 5 WHG i. V. m. § 9 BbgWHG, da die letztgenannte Vorschrift allein natürliche Verlandungen betreffe. Die Beklagte habe auch nicht gutgläubig Eigentums- oder Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Landflächen erworben. Die von ihr vorgelegten Verträge beträfen allein die Flurstücke 71/1 und 71/2 und die darauf befindlichen Anlagen. Dies gelte insbesondere für die Verträge vom 11. Mai 1990 und vom 16. November 2000. Dass für die Rechtsvorgänger der Beklagten an den streitgegenständlichen Anlagen ein Nutzungsrecht bestellt worden sei, sei nicht ersichtlich. Dies ergebe sich insbesondere nicht aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen Privatisierungsvertrag vom 18. September 1992. Ein Fall der Grenzverwirrung (§ 920 BGB) liege nicht vor. Die von der Beklagten vorgebrachten Einwände gegen die im Jahr 2016 erfolgte Vermessung der Grundstücksgrenzen, die die im Liegenschaftskataster eingetragene Grenze bestätigt habe, sei nicht geeignet, die Vermutung des § 891 BGB zu erschüttern. Der Einwand, der Vermesser habe die baulichen Gegebenheiten, die Erwerbskette der Grundstücke sowie die einzelnen Gesetzesänderungen außer Acht gelassen, sei unerheblich, denn es sei nicht die Aufgabe eines Vermessungsingenieurs, im Rahmen der Grenzvermessung die materielle Rechtslage zu prüfen. Selbst wenn die Grenzabmarkung unter einem materiellen Fehler leide, ändere die Abmarkung den Grenzverlauf nicht, sie habe keine konstitutive Wirkung. Die Beklagte habe schließlich kein Recht zum Besitz. Das bestehende Pachtverhältnis sei wirksam zum 31. Dezember 2015 beendet worden. Nach § 3 des Pachtvertrages ende das Pachtverhältnis an diesem Tag und verlängere sich um jeweils ein Jahr, wenn es nicht vor Ablauf des Kalenderjahres schriftlich gekündigt werde. Mit ihrer Kündigung vom 23. Februar 2011 zum 31. März 2011 habe die Klägerin ausdrücklich den Willen kundgetan, das Pachtverhältnis nicht über den 31. Dezember 2015 hinaus fortsetzen zu wollen.

Gegen das ihr am 7. Februar 2018 zugestellte Urteil des Landgerichts Neuruppin hat die Beklagte mit am 1. März 2018 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese, nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, mit am 7. Mai 2018 eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie rügt zunächst, die Klägerin sei im Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten, zuständig sei die Bundesanstalt für I…. Es liege eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor. Es sei in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu klären, welche Flächen nach dem VZOG-Bescheid Teil B übertragen werden konnten. Der Bereich der Binnenwasserstraße ende an der Larsenspundwand. Wer am Stichtag 2. Oktober 1990 Eigentümer sei, richte sich allein nach dem Recht der DDR. Hinsichtlich der Wasserfläche von 114 qm (vor dem Bootshaus) und der weiteren Wasserfläche sei die vom Landgericht herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht anwendbar, weil sich diese Flächen in der Zeit seit 1945 bis zum 3. Oktober 1990 nicht im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland befunden hätten. Betroffen seien Wasserflächen, die zur Zeit der DDR neu entstanden seien. Der G… L… sei zudem erst am 3. November durch die entsprechende Verordnung des Bundesministeriums für V… zur Bundeswasserstraße geworden. Bis dahin habe ein Eigentumsrecht der Beklagten bestanden. Für diese Flächen gelte daher das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz. Die Klägerin sei auch nicht Eigentümerin der Landflächen von 317 qm bzw. von 3-5qm geworden. Der VEB A… habe als Rechtsträger der Flurstücke 71/1 und 71/2 im Jahr 1970 die beschriebenen Um- und Ausbaumaßnahmen durchführen können. Die Baulichkeiten seien in deren Eigentum übergegangen. Sämtliche Grundstücke seien Eigentum des Volkes gewesen, die Um- und Ausbauten seien nach §§ 946 bis 948, 94 DDR-BGB Grundstücksbestandteile geworden. Durch die Umbaumaßnahmen sei eine bestimmte Menge Seegebiet zu Landgebiet geworden. Nach dem VZOG-Bescheid habe die Klägerin Eigentum an dem Flurstück 30 erworben, das katastermäßig um die streitigen Wasser-/Landflächen verringert sei. Sie, die Klägerin, habe zudem Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Grenzniederschrift vor dem Verwaltungsgericht Potsdam erhoben, dieser Rechtsstreit sei vorgreiflich. Es stehe fest, dass die Grenze zum G… L… keine Abmarkungspunkte gegenüber den alten Vermessungsrissen ausweise. Es hätte untersucht werden müssen, warum diese Punkte verschwunden sind. Die Grenze hätte zudem auf der gesamten Uferfläche wiederhergestellt werden müssen. Im Übrigen wiederholt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 29. Dezember 2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Neuruppin, Az. 31 O 49/17, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf diese und Wiederholung ihres Vorbringens. Die Bundesanstalt für I… sei nicht Eigentümerin der streitgegenständlichen Flächen. Zwischen dem Bundesministerium für V…, dem Bundesministerium der F… und der Bundesanstalt für I… sei im Jahr 2008 eine Dachvereinbarung geschlossen worden. Dies sei eine Vereinbarung zu § 2 Abs. 3 S. 2 BImAG. § 2 Abs. 1 dieser Vereinbarung verweise für die betroffenen „Dienstliegenschaften“ auf die Anlage 2 der Vereinbarung. Die Anlage 2 erfasse nur die Verwaltungsgebäude der W…, Bundeswasserstraßen und ihr Zubehör seien ausdrücklich ausgenommen. Die Uferlinie sei nicht die Eigentumsgrenze zwischen Gewässerbett und Ufergrundstücken. Sie, die Klägerin, sei bereits seit 1921 Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundbesitzes. Der G… L… sei mit dem Beitritt der DDR zur Bundeswasserstraße geworden. Dies erfasse den gesamten See. Sie sei auch Eigentümerin der Landflächen. Bauliche Maßnahmen des VEB A… könnten die grundbuchlichen Eigentumsverhältnisse nicht ändern. Bezüglich der Landflächen habe es keine flächenmäßige Veränderung gegeben, die Fläche habe bereits existiert und sei lediglich aufgeschüttet und befestigt worden.

II.

Die Berufung ist zulässig, sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519, 520 ZPO). Das Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Der Einwand der Beklagten, der Rechtsweg zu den Zivilgerichten sei nicht gegeben, es handele sich vielmehr um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, ist in der Berufungsinstanz nicht mehr zu prüfen. Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache zu befinden hat, prüft nicht (mehr), ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist (§ 17a Abs. 5 GVG). Es bestehen indes aber auch in der Sache keinerlei Zweifel an der Zulässigkeit des Zivilrechtswegs. Die Klägerin macht als Eigentümerin einen Anspruch auf Herausgabe von Grundstücksteilen geltend, deren unmittelbare Besitzerin die Beklagte ist (§ 985 BGB). Auf welcher Grundlage die Klägerin ihr Eigentum erworben hat, ist unerheblich.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klage auch nicht deswegen unzulässig, weil die Bundesrepublik Deutschland als Eigentümerin durch das Bundesministerium für V… bzw. die Generaldirektion W… nicht wirksam vertreten wäre. Als Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks Flur 30, Flurstück 5 ist im Grundbuch von L… Blatt 1394 die Bundesrepublik Deutschland (Bundeswasserstraßenverwaltung) eingetragen. Die Bundeswasserstraßenverwaltung gehört zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für V… . Die Vertretung in diesem Geschäftsbereich ist der Bundeswasserstraßenverwaltung zugeordnet, die wiederum nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 2 Nr. 2 b), § 3 Abs. 1 VertrOBVl durch die Generaldirektion W… ausgeübt wird. Aus der nunmehr von der Klägerin mit der Berufungserwiderung vorgelegten „Dachvereinbarung zur Umsetzung des Gesetzes zur Gründung einer Bundesanstalt für I… (B…AG)“ zwischen dem Bundesministerium für V…, dem Bundesministerium der F… und der Bundesanstalt für I… vom September 2008 ergibt sich aus dessen § 2 Abs. 2 dementsprechend, dass Bundeswasserstraßen und ihr Zubehör keine dienstlich genutzten Liegenschaften darstellen und damit nicht den Vorschriften des B…AG unterliegen.

Die Klägerin ist Eigentümerin des im Grundbuch von L… Blatt 1394 eingetragenen Grundstücks Flur 30, Flurstück 5 (G… L…). Dies ergibt sich ohne weiteres aus der entsprechenden Eintragung im Grundbuch. Nach § 891 Abs. 1 BGB wird vermutet, dass dem Eingetragenen das Recht zusteht. Die Vermutungswirkung umfasst den objektiven Bestand des Rechts und die subjektive Berechtigung des Eingetragenen. Diese Vermutungswirkung hat die Beklagte nicht widerlegt (§ 292 ZPO).

Die Vermutungswirkung des § 891 Abs. 1 BGB hinsichtlich des objektiven Bestandes des Rechts betrifft zum einen das Bestehen des Liegenschaftsrechts an sich, erstreckt sich darüber hinaus aber auf den gesamten Inhalt des Rechts, so wie er sich aus dem Grundbuch und den zur Ergänzung des Eintragungsvermerks zulässigerweise in Bezug genommenen Urkunden ergibt (Staudinger/Gursky (2013), BGB § 891, Rn. 26). Unter § 891 BGB fallen somit auch die Bestandsangaben, also diejenigen beschreibenden Angaben des Bestandsverzeichnisses, aus denen zu entnehmen ist, welche bestimmte Grundfläche ein Grundstück ausmacht und von den im Grundbuchblatt dieses Grundstücks eingetragenen Rechten erfasst wird (Staudinger/Gursky, a. a. O., Rn. 28). Die Definition der Grundstücksgrenzen erfolgt im Grundbuch durch einen in Spalte 3 des Bestandsverzeichnisses ausgesprochenen Verweis auf das „amtliche Verzeichnis“ im Sinne von § 2 Abs. 2 GBO, also regelmäßig das Liegenschaftskataster, mit dem das Grundstück einer bestimmten vermessungstechnischen Einheit des Katasters, also einem Flurstück, oder aber einer Mehrzahl solcher Einheiten gleichgesetzt wird. Die Grenzen dieser Flurstücke werden wiederum durch die zeichnerische Darstellung in der zum Liegenschaftskataster gehörenden Flurkarte definiert (BGH NJW-RR 2006, 662, 663; OLG Brandenburg NZI 2012, 774, 775). Für die räumliche Begrenzung des Grundstücks ist also letzten Endes die zeichnerische Darstellung der im Bestandsverzeichnis benannten Flurstücke in der Flurkarte mit den dort festgelegten Linien maßgebend.

Für die Klägerin gilt hinsichtlich des Umfangs des Eigentumsrechts die zeichnerische Darstellung im Liegenschaftskataster bis zum Beweis des Gegenteils durch die Beklagte als richtig. Die Beklagte hat weder das Eigentumsrecht der Klägerin noch dessen Umfang in den Grenzen der Vermutung nach § 891 Abs. 1 BGB widerlegt. Tatsachen, die einem Eigentumserwerb der Klägerin an dem G… L… entgegenstehen, behauptet die Beklagte schon nicht. Entsprechendes gilt für einen anderen, von den Katastergrenzen abweichenden Grenzverlauf.

Damit ist von dem Eigentum der Klägerin an den herausverlangten Wasser- und Landflächen, soweit sie innerhalb der Katastergrenze des Flurstücks 5 der Flur 30 liegen, auszugehen. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, durch Baumaßnahmen in den 1970iger Jahren (Larsen- bzw. Spundwand) sei es zu einer Verlandung ursprünglicher Gewässerflächen gekommen. Dieser Einwand ist für die Eigentumslage unerheblich, weil es keine gesetzliche Regelung gibt, dass solche Flächen den angrenzenden Ufergrundstücken eigentumsrechtlich zuwachsen. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass die Klägerin eine solche Verlandung bestritten hat und die Beklagte für ihre Behauptung weder hinsichtlich des Zeitpunktes noch des Umfanges der behaupteten Verlandungen Beweis angetreten hat. Aus den von der Beklagten – mehr- fach – vorgelegten Bau- und Genehmigungsunterlagen aus den Jahren 1970/1971 geht in diesem Zusammenhang lediglich hervor, dass eine Larsenwand als Uferbefestigung und eine Slipanlage errichtet werden sollten.

Auch aus der Errichtung von Baulichkeiten, insbesondere der Larsenwand und der Slipanlage lässt sich eine Berechtigung der Beklagten an Teilen des Grundstücks der Klägerin nicht herleiten. Aus den „Vorbereitungsunterlagen“ ergibt sich, dass die Wasserwirtschaftsdirektion (WWD) H… den VEB P… mit der Projektierung der Maßnahme auf dem Betriebsgelände der Flussbereichsleitung T… beauftragt hat. Bei einer Projektvorbesprechung waren nur Vertreter der WWD T… und des beauftragen VEB anwesend. Nach der vorgelegten Baugenehmigung war Auftraggeber die WWD. Das Landgericht weist in seiner Urteilsbegründung zudem zutreffend darauf hin, dass sich den vorgelegten Kaufverträgen, die letztlich zu dem Erwerb der Flurstücke 71/1 und 71/2 durch die Beklagte geführt haben, nicht entnehmen lässt, dass von diesen auch Baulichkeiten auf dem Grundstück der Klägerin erfasst sein sollen. Ohnehin führte die Errichtung von Baulichkeiten auf einem in Volkseigentum stehenden Grundstück nicht dazu, dass der errichtende Betrieb Eigentümer des Grundstücks oder von nicht näher bestimmtem Teilen davon wurde.

Aus § 912 BGB kann die Beklagte ebenfalls nichts zu ihren Gunsten herleiten. Bei der Larsenwand handelt es sich schon deswegen nicht um einen Überbau, weil sie sich nach den vorgelegten Plänen vollständig auf dem Grundstück der Klägerin befindet. Die Slipanlage mag vom Ufer über das Grundstück der Klägerin bis zum Flurstück 71/1 der Beklagten führen, sie ist aber jedenfalls, wie das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, nicht einem Gebäude vergleichbar. Eine verlegte Gleisanlage ist kein größeres Bauwerk, das die entsprechende Anwendung von § 912 BGB rechtfertigen könnte (vgl. für eine Ufermauer als größeres Bauwerk BGH WM 2015, 1776 ff. Rn. 79 f.). Dass ihre Beseitigung zu einer vergleichbaren Zerschlagung wirtschaftlicher Werte führt, ist nicht dargelegt. Zudem würde ein – entschuldigter – Überbau nicht zum Erwerb des überbauten Grundstücksteils durch den Überbauer führen.

Aus dem erstmals in der Berufungsinstanz herangezogenen VerkFlBerG kann die Beklagte weder ein Recht zum Besitz noch ein – nicht streitgegenständliches – Ankaufsrecht herleiten. Die von ihr angeführte zeitliche Lücke beim Erwerb des Flurstücks 5 durch die Bundesrepublik Deutschland gibt es schon nicht, denn nach § 3 der Verordnung zur Überleitung des Bundeswasserstraßenrechts nach Berlin (West) und in den in Art. 3 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 genannten Gebiet vom 13. November 1990 (BGBl. I 2524), mit der die streitgegenständliche Wasserstraße in die Anlage 1 zum Bundeswasserstraßengesetz aufgenommen worden ist, ist diese Verordnung rückwirkend zum 3. Oktober 1990 in Kraft getreten. Demgemäß ist der Klägerin auch durch den genannten Vermögenszuordnungsbescheid (Teilbescheid B vom 15. September 1990) der G… L… rückwirkend zum 3. Oktober 1990 zugeordnet worden. Im Übrigen ist der Anwendungsbereich des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes nach § 1 Abs. 1 VerkFlBerG zu Gunsten der Beklagten nicht eröffnet. Zum Ankauf berechtigt ist nach §§ 2 Abs. 3, 3 Abs. 1 VerkFlBerG nur der öffentliche Nutzer. Die Beklagte gehört demnach nicht zum Kreis der Ankaufsberechtigten nach diesem Gesetz.

Auf die behaupteten Fehler im Vermessungsverfahren kommt es nicht an, weil die Vermessung keine eigentumsbegründende Wirkung hat (Senat, NJW-RR 2009, 1097 ff. – Rn. 34 f.).

Die Klägerin ist schließlich auch Eigentümerin der herausverlangten Wasserflächen, die außerhalb der Katastergrenzen des Flurstücks 5 liegen.

Für die Wasserfläche von ca. 14 qm, die außerhalb der Katastergrenzen liegen, gilt die Eigentumsvermutung des § 891 Abs. 1 BGB nicht, die Klägerin hat aber an dieser Fläche kraft Gesetzes Eigentum erworben. Bei dem G… L… handelt es sich um einen Teil der Bundeswasserstraße O… H…-Wasserstraße (§ 1 Abs. 1 WaStrG i. V. m. Nr. 39 der Anlage 1 zu dieser Vorschrift). Für diese gilt, dass Landflächen, die an Bundeswasserstraßen liegen, die zu Gewässerflächen werden und dadurch das Gewässerbett der Bundeswasserstraße dauerhaft erweitern, zu einem Teil der Bundeswasserstraße werden (§ 3 Abs. 1 WaStrG). Das Eigentum an dieser Fläche wächst dem Bund lastenfrei zu (§ 3 Abs. 2 WaStrG). Die Vorschrift differenziert nicht danach, ob die Erweiterung auf einem natürlichen Vorgang beruht oder künstlich herbeigeführt worden ist (Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, 6. Aufl. 2009, § 3 Rn. 2). Das Gesetz folgt damit dem bereits in Art. 97 WRV und in Art. 89 Abs. 1 GG enthalten Grundsatz, dass die Verwaltung der Reichs- und jetzigen Bundeswasserstraßen ein einheitliches Eigentum verlangt. Der Zuwachs des Eigentums erfolgt unmittelbar kraft Gesetzes (BGHZ 110, 148, 152), führt also zu einer Unrichtigkeit des Grundbuchs und ist grundbuchmäßigem Nachweis im Wege der Grundbuchberichtigung zu vermerken (Friesecke, a. a. O. § 3 Rn. 4). Für den Eigentumszuwachs kommt es auf den Zeitpunkt der Überflutung nicht an, d. h. das Eigentum wächst dem Bund auch dann zu, wenn die Überflutung – was hier nicht feststeht – zu einem Zeitpunkt stattfand, zu dem das Bundeswasserstraßengesetz noch nicht gegolten hat. Es handelt sich bei dem Eigentum an der Erweiterungsfläche um verfassungsrechtlich begründetes Eigentum; der Regelung in § 3 Abs. 2 WaStrG kommt lediglich klarstellende Funktion zu.

Der Beklagten steht nach der wirksamen Kündigung des Nutzungsvertrages – die insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts werden von der Beklagten mit der Berufung nicht mehr ausdrücklich angegriffen – auch kein Recht zum Besitz an den herausverlangten Flächen mehr zu, sie ist zu deren Herausgabe verpflichtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) bestehen nicht.

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