LG Frankfurt 24. Zivilkammer 2-24 T 29/20, 30 C 3822/20 (68)

Februar 3, 2021

LG Frankfurt 24. Zivilkammer
2-24 T 29/20, 30 C 3822/20 (68)

vorgehend AG Frankfurt am Main, 11. November 2020, 30 C 3822/20 (68), Beschluss
Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 11.11.2020 (Az. 30 C 3822/20 (68)) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250 € festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin buchte bei der Beklagten eine Pauschalreise, die von der Beklagten infolge der Corona-Pandemie abgesagt wurde.

Den Reisepreis von 3.728,00 €, den die Klägerin vor dem geplanten Antritt der Reise gezahlt hatte, zahlte die Beklagte zunächst nicht zurück.

Der Aufforderung der Klägerin, den Reisepreis zurückzuzahlen, kam die Beklagte nicht nach, weshalb die Klägerin am 11.5.2020 den Erlass eines Mahnbescheids beantragte, der am 12.5.2020 erlassen und der Beklagten am 15.5.2020 zugestellt wurde. Die Beklagte legte gegen den Mahnbescheid Widerspruch ein.

Am 20.7.2020 zahlte die Beklagte den Reisepreis zurück, weshalb die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Durch Beschluss vom 11.11.2020 legte das Amtsgericht der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf. Gegen den ihr am 19.11.2020 zugestellten Beschluss legte die Beklagte mit bei Gericht am 3.12.2020 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde ein, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 91a ZPO statthaft, sie ist auch innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO eingelegt worden. Die gemäß § 91a Abs. 2 ZPO und § 567 Abs. 2 ZPO notwendige Beschwer wird erreicht.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Das Amtsgericht hat der Beklagten zu Recht die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Es liegen übereinstimmende Erledigungserklärungen vor, nach denen gemäß § 91a ZPO über die Kosten des Rechtstreits nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden ist.

Billigem Ermessen entspricht hier, der Beklagten die Kosten nach § 91a Abs. 1 ZPO aufzuerlegen. Im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit bestand ein Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises gemäß §§ 651h Abs. 4, 346 BGB, weshalb gemäß § 651h Abs. 5 BGB der Reisepreis spätestens 14 Tage nach dem Rücktritt zu erstatten war. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes wäre die Beklagte in vollem Umfang zu verurteilen gewesen, wenn sie nicht gezahlt hätte.

Der Gedanke des § 93 ZPO greift vorliegend nicht. Danach wäre die Kostenlast der Klägerin aufzuerlegen, wenn die Beklagte nicht durch ihr Verhalten Anlass zur Erhebung der Klage gegeben hat und sogleich erfüllt hat. Die Beklagte hat Anlass zur Erhebung der Klage gegeben. Die Klägerin hatte einen Anspruch auf Zahlung des Reisepreises, nachdem die Beklagte die Reise storniert hatte. Die Beklagte befand sich im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit mit der Erstattung des Reisepreises in Verzug. Die Beklagte ist unstreitig vom Reisevertrag zurückgetreten. Sie war nach §651h Abs. 5 BGB verpflichtet den Reisepreis unverzüglich, jedenfalls innerhalb von 14 Tagen nach Rücktritt an die Klägerin zurückzuzahlen. Trotz Zahlungsaufforderung der Kläger zahlte die Beklagte nicht. Die Regelung des § 651h Abs. 5 BGB ist eindeutig. Zahlungsschwierigkeiten oder personaltechnische Schwierigkeiten der Beklagten aufgrund der Corona Pandemie haben nicht zur Folge, dass die Beklagte auf unbestimmte Zeit nicht zur Zahlung verpflichtet ist. Obwohl die Beklagte einer Vielzahl von Kunden den Reisepreis rückerstatten muss, gilt der Rechtsgrundsatz, dass der Schuldner für Geldmangel einzustehen habe. Jedermann hat nach dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung, das § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB genauso zugrunde liegt wie der Vorgängerregelung des § 279 BGB aF und das im Übrigen auch aus dem geltenden Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht abzuleiten ist, ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (BGH, Urteil vom 04. Februar 2015 – VIII ZR 175/14 –, BGHZ 204, 134-144, Rn. 18).

Auch die Regelungen der Unmöglichkeit sind auf Geldschulden nicht anwendbar.

Soweit die Beklagte einwendet, dass sie eine Rückerstattung nie verweigert hat, ist dagegen einzuwenden, dass sie sich bei Zahlung bereits seit mehreren Monaten in Verzug befand und sie in diesem Zeitraum auf die Forderung der Klägerin nicht reagiert hat. Selbst wenn die Beklagte einen Gutschein angeboten bzw. die Zahlung in Aussicht gestellt hat, würde sich daran nichts ändern. Die geplante Gesetzesänderung der Bundesregierung, welche eine verpflichtende Gutscheinlösung vorsah, wurde nicht umgesetzt. Art. 240 § 6 EGBGB gibt dem Reisenden die Wahl, zwischen einem Gutschein und der Rückerstattung zu wählen.

Nachdem die Klägerin das Angebot eines Gutscheins abgelehnt hatte, war die Beklagte zur Rückzahlung verpflichtet.

Es kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass als Rechtsfolge des Rücktritts der Reisepreis zurückzuzahlen ist und kein Recht besteht, statt der Rückzahlung einen Reisegutschein auszustellen. § 651h Abs. 5 BGB ist im Lichte von Art. 12 der Pauschalreiserichtlinie auszulegen. Nach Art. 12 Abs. 3 der Pauschalreiserichtlinie hat der Reisende im Fall der Beendigung des Pauschalreisevertrages durch den Reiseveranstalter „Anspruch auf volle Erstattung aller für die Pauschalreise getätigten Zahlungen“. Der Wortlaut des Begriffs „Erstattung“ ist eindeutig und mit Rückzahlung gleichzusetzen. Es ist zu erstatten, was geleistet wurde, nämlich Zahlung und nicht etwas anderes, was vom Reisenden nicht geleistet wurde. Dies entspricht auch der Rechtsfolge nach erklärtem Rücktritt gemäß § 346 Abs. 1 BGB, wonach die empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind. Empfangen hat die Beklagte Geld und keinen Gutschein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 3 und 2 ZPO nicht vorliegen.

Es liegt eine Einzelfallentscheidung vor, die keine grundsätzliche Bedeutung hat. Insofern setzt sich die Kammer nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des Landgerichts Aschaffenburg. Die Frage, ob die Klägerin die Klage „zu früh“ erhoben und die Beklagte in diesem Zeitpunkt noch keinen Anlass zur Klage gegeben hat, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls. Auch die Kammer hält die Anwendung des Rechtsgedankens aus § 93 ZPO im Rahmen einer Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO für möglich. Die Voraussetzungen der Anwendung dieses Rechtsgedankens liegen aber im konkreten Einzelfall nicht vor.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

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