OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.09.2008 – 13 A 2489/06

Februar 8, 2021

OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.09.2008 – 13 A 2489/06

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 3. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Den Mitgliedern der Klägerin gehört eine Wohnungseigentumsanlage in X. , die aus 39 Wohnungen und drei Ladenlokalen besteht. Die Wohnungen werden zum Teil durch die jeweiligen Eigentümer, zum Teil durch Mieter bewohnt. Zu der Anlage gehört ein 1979 errichtetes Schwimmbad, das keinen Zugang von außen hat, sondern ausschließlich durch das Gebäude erreicht werden kann. Das Schwimmbad verfügt über ein Schwimmbecken mit einer Fläche von 4,50 m mal 10,00 m und einer Tiefe von 1,60 m; außer dem Becken sind Sauna, Solarium, Dusche und Toilette vorhanden. Umkleideräume und -kabinen fehlen; das Schwimmbad darf laut „Badeordnung“ nur in Badekleidung betreten werden. Das Schwimmbad wird von den Eigentümern oder Mietern der einzelnen Wohneinheiten und deren Gästen genutzt; für sonstige Personen ist es nicht zugänglich.

Am 14. November 2002 besichtigte der Beklagte das Schwimmbad in Anwesenheit des Verwalters. Anschließend wandte er sich unter dem 18. November 2002 an die Klägerin und erklärte, das Schwimmbad befinde sich in einem sauberen und gepflegten Zustand. Lediglich kleinere (im Einzelnen aufgeführte) hygienische Maßnahmen müssten erledigt werden. Die Anlagentechnik und Aufbereitung entspreche allerdings nicht den Anforderungen; hier sei Handlungsbedarf gegeben. Vorläufig müssten eine monatliche mikrobiologische und chemischphysikalische Untersuchung erfolgen und deren Ergebnisse übermittelt werden.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten an den Beklagten vom 3. Februar 2003 erklärte die Klägerin, die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2, 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) für eine behördliche Überwachung des Schwimmbades lägen nicht vor. Das Bad werde ausschließlich privat genutzt.

Daraufhin hörte der Beklagte die Klägerin unter dem 23. Mai 2003 zu dem beabsichtigten Erlass einer Ordnungsverfügung, gerichtet auf den Einbau einer Aufbereitungsanlage und regelmäßige Untersuchungen des Schwimmbadwassers an. Er erklärte, es handele sich um ein Schwimmbad im Sinne des § 37 Abs. 2 IfSG, welches der Überwachung unterliege. Nach der „Amtlichen Begründung“ sei private Nutzung im Sinne der Vorschrift nur die Nutzung ausschließlich im familiären Bereich des Betreibers, nicht dagegen die Nutzung im Rahmen einer privatrechtlich organisierten Einrichtung. Das Überwachungserfordernis resultiere aus dem gegenüber dem Nutzerkreis einer Familie erhöhten Infektionsrisiko, welches dem eines kleinen gewerblichen Bades gleichzustellen sei.

Unter dem 11. Juni 2003 antwortete die Klägerin, sie sei inzwischen der Forderung nach dem Einbau einer Aufbereitungsanlage nachgekommen. Auch werde die Qualität des Schwimmbadwassers regelmäßig überwacht. Sie wehre sich aber gegen die Verpflichtung, das Wasser monatlich durch ein externes Institut untersuchen zu lassen.

Mit Ordnungsverfügung vom 1. August 2003 verpflichtete der Beklagte die Klägerin daraufhin, das Schwimmbadwasser in Zukunft monatlich durch ein Fachlabor auf bestimmte, im Einzelnen genannte Parameter untersuchen zu lassen und die Untersuchungsbefunde an ihn zu übersenden. Zugleich drohte der Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR für den Fall an, dass die Klägerin den Forderungen nicht nachkomme. Zur Begründung nahm sie auf den bisherigen Schriftwechsel Bezug und verwies hinsichtlich der fachlichen Anforderungen an die Untersuchung von Schwimmbädern auf eine Empfehlung der Badewasserkommission des Umweltbundesamtes (Bundesgesundheitsblatt 11/97) und die DIN 19643 (Aufbereitung und Desinfektion von Schwimm- und Badebeckenwasser).

Dagegen legte die Klägerin am 14. August 2003 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus: Die Ordnungsverfügung sei offensichtlich rechtswidrig, da sie auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finde. Das Schwimmbad werde ausschließlich privat genutzt. Es stehe nur dem begrenzten Kreis der Eigentümer und deren Familien zur Verfügung; Dritte oder die Öffentlichkeit hätten keinen Zugang.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E. vom 22. Juni 2004 mit der Begründung zurückgewiesen, zwar liege „nach allgemeinen Gesichtspunkten eine private Nutzung“ vor. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes sei eine Beschränkung der Ausnahme von der Überwachung auf die lediglich familiäre Nutzung aber zwingend erforderlich. Die Gefahr einer Infektion sei beim Baden sehr groß. Die Überwachung eines lediglich von einer einzigen Familie genutzten Schwimmbeckens durch die Behörde liefe, bedingt durch die räumliche Nähe und die vielfältigen Ansteckungsmöglichkeiten, weitgehend leer. Bei Nutzung eines Schwimmbeckens durch mehrere Familien oder eine Vielzahl von Personen sei dies jedoch nicht der Fall. Zudem handele es sich um eine privatrechtlich organisierte Einrichtung.

Die Klägerin hat am 21. Juli 2004 Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag wiederholt hat.

Sie hat beantragt,

die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 1. August 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E1. vom 22. Juni 2004 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auch er hat den Vortrag aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und die Ordnungsverfügung vom 1. August 2003 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Schwimmbad der Klägerin falle nicht in den Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 IfSG, da es ausschließlich privat genutzt werde. Das entscheidende Unterscheidungskriterium zwischen privater und öffentlicher Nutzung liege in der Vorherbestimmbarkeit und Überschaubarkeit des Benutzerkreises. Dass eine so definierte private Nutzung bei Überschreitung einer bestimmten Zahl von Miteigentümern als öffentlich anzusehen wäre, lasse sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift auf ein von einer größeren Zahl von Personen genutztes Schwimmbad scheide aus.

Seine vom Senat zugelassene Berufung begründet der Beklagte wie folgt: Die Entstehungsgeschichte des Infektionsschutzgesetzes spreche für die von ihm vertretene Auslegung des § 37 Abs. 2 IfSG. Denn der Gesetzgeber habe den Anwendungsbereich über den des bisherigen Bundes-Seuchengesetzes, das nur öffentliche und gewerbliche Bäder einbezogen habe, hinaus erweitern wollen. Er habe Schwimmbecken erfassen wollen, die ihrer Funktion nach den gewerblichen und öffentlichen Bädern angenähert seien. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift sprächen für eine solche Auslegung. Entscheidend sei, dass die Benutzer des Schwimmbeckens nicht, wie es bei Familien und Wohngemeinschaften der Fall sei, ohnehin auf engem Raum zusammenlebten, wodurch es zu einem Austausch von Krankheitserregern auch außerhalb des Schwimmbades komme. Der Gesetzgeber habe die Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Nutzung durch die Formulierung der Vorschrift aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 3. Mai 2006 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt zur Begründung vor, das Verwaltungsgericht habe sich streng am Wortlaut der Vorschrift orientiert. Die Gesetzesbegründung gebe für die Auslegung des Beklagten nichts her. Aus Sinn und Zweck der Norm ergebe sich nichts anderes. Auch bei einem Schwimmbad in einem Einfamilienhaus sei es denkbar und üblich, dass das Bad von einer Vielzahl von Personen, z.B. dem Bekannten- und Freundeskreis des Eigentümers, benutzt werde. Die Ansicht des Beklagten höhle den Begriff „privat“ völlig aus. Die Anzahl der Wohnungen in einer Wohnungseigentumsanlage lasse keinen Schluss auf die Zahl der Nutzer zu. Auch der Gleichheitssatz stehe der Auslegung des Beklagten entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

I.

Der Senat hat das Rubrum des Verfahrens dahingehend berichtigt, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft Klägerin des Verfahrens ist und nicht ihre einzelnen Mitglieder Kläger sind. Die angefochtenen Bescheide sind an die Klägerin selbst gerichtet. Die frühere Praxis, dies als eine Sammelbezeichnung für die einzelnen Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft und diese Mitglieder selbst als Adressaten anzusehen, ist inzwischen überholt, nachdem sich das Verständnis vom Wesen der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgehend von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Juni 2005,

BGH, Beschluss vom 2. Juni 2005 – V ZB 32/05 -, BGHZ 163, 154 = NJW 2005, 2061,

dahingehend gewandelt hat, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft (teil-) rechtsfähig ist, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt. Diese Sichtweise, die inzwischen auch der Gesetzgeber aufgegriffen und mit Wirkung zum 1. Juli 2007 in § 10 Abs. 6 Wohnungseigentumsgesetz gesetzlich ausgestaltet hat, hat zur Folge, dass die Klägerin selbst als Adressatin der Ordnungsverfügung anzusehen, eine Auslegung der entsprechenden Angabe im Adressfeld der Ordnungsverfügung als Sammelbezeichnung also im Regelfall nicht angezeigt ist. Für das Klageverfahren hat dies nicht etwa zur Folge, dass die – beteiligungsfähige – Klägerin selbst in Form einer (subjektiven) Klageänderung in den Prozess eintreten müsste. Der Senat konnte vielmehr eine entsprechende Rubrumsberichtigung vornehmen, weil davon auszugehen ist, dass die Prozessbevollmächtigten nur wegen der seinerzeitigen Praxis der Gerichte die einzelnen Miteigentümer als Kläger benannt haben, im Kern aber von vornherein eine Klage der Klägerin hatten erheben wollen.

Vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2003 – XII ZR 300/99 -, NJW 2003, 1043 (zu einem entsprechenden Fall bei der inzwischen ebenfalls als teilrechtsfähig angesehenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts).

Die Beteiligten haben einer solchen Berichtigung des Rubrums ausdrücklich zugestimmt.

II.

Die Klage ist begründet. Die Ordnungsverfügung vom 1. August 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2004 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Als Rechtsgrundlage der Ordnungsverfügung kommt nur § 39 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 IfSG in Betracht. Nicht einschlägig ist demgegenüber § 39 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 IfSG, weil die Rechtsverordnung nach § 38 Abs. 2 IfSG, deren Durchsetzung hier geregelt ist, zwar (bereits im Jahre 2002) dem Bundesrat zur Zustimmung vorgelegt worden, bislang aber nicht in Kraft getreten ist. Nach § 39 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen, um Gefahren für die menschliche Gesundheit abzuwenden, die von Wasser für und in Schwimm- und Badebecken im Sinne von § 37 Abs. 2 IfSG ausgehen können, insbesondere um das Auftreten oder die Weiterverbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern.

Das Schwimmbecken der Klägerin ist jedoch kein Schwimm- oder Badebecken im Sinne von § 37 Abs. 2 IfSG. Erfasst wird von dieser Vorschrift Schwimm- und Badebeckenwasser in Gewerbebetrieben, in öffentlichen Bädern sowie in sonstigen nicht ausschließlich privat genutzten Einrichtungen. Dass es sich bei dem Schwimmbecken der Klägerin nicht um ein Becken in einem Gewerbebetrieb oder in einem öffentlichen Bad handelt, liegt auf der Hand. Nach Auffassung des Senats stellt das in Rede stehende Schwimmbad aber auch keine „nicht ausschließlich privat genutzte Einrichtung“ im Sinne von § 37 Abs. 2 IfSG dar.

Der Begriff der „Einrichtung“ wird im öffentlichen Recht regelmäßig weit verstanden; es handelt sich dabei um eine Zusammenfassung von sachlichen und (gegebenenfalls) personellen Mitteln zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks. Das Schwimmbad der Klägerin lässt sich ohne Weiteres unter diese Definition fassen.

Schwierigkeiten bereitet hingegen die Beantwortung der Frage, wann eine Einrichtung „nicht ausschließlich privat genutzt“ wird. Allein über den Wortlaut lässt sich eine Abgrenzung insoweit nicht vornehmen. Denn das Adjektiv „privat“ kann, wie bereits das Verwaltungsgericht aufgezeigt hat, verschiedene Bedeutungen haben. Im Einzelnen lassen sich folgende Wortbedeutungen unterscheiden:

a) „nur die eigene Person angehend, betreffend; persönlich…; b) durch persönliche, vertraute Atmosphäre geprägt; familiären, zwangslosen Charakter aufweisend; ungezwungen, vertraut…; nicht offiziell, nicht amtlich, nicht geschäftlich; außerdienstlich…; a) der Öffentlichkeit nicht zugänglich…, b) nicht von einer öffentlichen Institution, einer öffentlichen Körperschaft, Gesellschaft o.ä. getragen, ausgehend, ihr nicht gehörend, nicht staatlich; einem einzelnen gehörend, von ihm ausgehend, getragen…

(Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, sechs Bände, 1980).

Dass die unter 2. aufgeführte Bedeutungsvariante vorliegend nicht einschlägig ist, liegt auf der Hand. Auch die Variante zu 3. b) kann wohl nicht gemeint sein; denn ein von einem öffentlichen Rechtssubjekt betriebenes Bad dürfte stets als öffentliches Bad anzusehen sein, selbst wenn eine gesellschaftsrechtliche Mischform mit auch privaten Anteilseignern vorliegt. In Betracht kommen damit die Varianten zu 1. und zu 3. a). Dabei scheint die Variante zu 3. a) auf den ersten Blick recht nahe zu liegen, weil gerade die Zugänglichkeit des Bades vor dem Hintergrund des Normzwecks für die Abgrenzung relevant sein dürfte. Bedenkt man jedoch, dass ein öffentliches und damit zwangsläufig der Öffentlichkeit zugängliches Bad bereits durch die zweite Alternative des § 37 Abs. 2 IfSG („öffentliche Bäder“) erfasst wird, stellt sich die Frage, welche Fälle von der dritten Alternative eigentlich erfasst sein sollten. Spricht damit – die sprachlich präzise Umsetzung des gesetzgeberischen Willens vorausgesetzt – hinsichtlich des Wortes „privat“ manches für die erstgenannte Bedeutung, so führt auch dies nicht zu einer klaren Abgrenzung der von der Vorschrift erfassten Fälle. Denn der Übergang von einer vertrauten, familiären zu einer Atmosphäre, die nicht mehr diesen Charakter aufweist, dürfte fließend sein und nicht zuletzt auch von der Sichtweise des jeweiligen Nutzers abhängen. Für den vorliegenden Fall bedeutet all dies, dass sich mittels des Wortlauts der Vorschrift allein keine eindeutige Entscheidung treffen lässt.

Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht demgegenüber gegen die Anwendbarkeit des § 37 Abs. 2 IfSG auf den vorliegenden Fall. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Seuchenrechtsneuordnungsgesetz findet sich für § 37 Abs. 2 IfSG die folgende Begründung:

„§ 37 Abs. 2 ist im Vergleich zu § 11 Abs. 1 Satz 2 BSeuchenG präzisiert worden. So wurde zum Anwendungsbereich der Vorschrift klargestellt, dass neben den öffentlichen Bädern auch die sonstigen, nicht ausschließlich privat genutzten Einrichtungen erfasst sind. Damit sind sämtliche Einrichtungen erfasst, in denen Schwimm- und Badebeckenwasser nicht ausschließlich für private Zwecke zur Verfügung gestellt wird.“ (BT-Drucks. 14/2530 vom 19. Januar 2000, S. 79)

Dem lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber den neuen Normtext gegenüber dem bisherigen § 11 Abs. 1 S. 2 Bundes-Seuchengesetz (BSeuchenG) als eine „Präzisierung“ bzw. „Klarstellung“, nicht aber als eine inhaltliche Neuausrichtung verstanden hat. Da § 11 Abs. 1 S. 2 BSeuchenG lediglich „Schwimm- und Badebeckenwasser in öffentlichen Bädern oder Gewerbebetrieben“ erfasst hatte, spricht dies für eine restriktive Auslegung der neuen dritten Alternative. Würde man nämlich Schwimmbecken, die zu (Mehrfamilien-) Privathäusern gehören, ohne Weiteres als von der neuen Alternative mitumfasst ansehen, so wäre die bisherige Regelung nicht „klargestellt“ oder „präzisiert“, sondern ganz erheblich erweitert worden.

Der weitere Hinweis in der Gesetzesbegründung, es seien nunmehr sämtliche Einrichtungen erfasst, in denen Schwimm- und Badebeckenwasser nicht ausschließlich für private Zwecke zur Verfügung gestellt wird, ergibt demgegenüber wörtlich verstanden wenig Sinn. Denn auch ein öffentliches Schwimmbad wird von den Benutzern in aller Regel zu privaten Zwecken aufgesucht. Der Gesetzgeber hat möglicherweise betonen wollen, dass nur eine Schwimmbeckenbenutzung, die die Privatsphäre des Inhabers nicht verlässt, aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift herausfallen solle. Für die in Rede stehende Abgrenzungsfrage lässt sich dieser Satz jedenfalls kaum fruchtbar machen.

Soweit der Beklagte und die Widerspruchsbehörde sich ihrerseits auf eine „Amtliche Begründung“ zu § 37 Abs. 2 IfSG berufen haben, ist festzustellen, dass es sich bei dem von ihnen zitierten Satz nicht um eine amtliche Begründung handelt, sondern – wie der Beklagte auf Nachfrage des Senats eingeräumt hat – um eine Passage aus der Kommentierung zum Infektionsschutzgesetz vom Bales u.a., die ihn offensichtlich dem nachstehend erörterten Verordnungsentwurf entnommen, dabei allerdings verkürzt wiedergegeben haben.

Vgl. Bales/Baumann/Schnitzler, Infektionsschutzgesetz, 2003, § 37 Rdnr. 14.

Im Kontext der Entstehungsgeschichte des Infektionsschutzgesetzes kann noch der Entwurf einer auf § 38 Abs. 2 IfSG gestützten Schwimm- und Badebeckenwasserverordnung (Bundesrats-Drucksache 748/02 vom 30. September 2002) des Bundesministeriums für Gesundheit herangezogen werden. Zwar ist diese Rechtsverordnung – wie oben bereits erwähnt – nicht in Kraft getreten. Da sie aber in zeitlich nicht allzu großem Abstand zum Seuchenrechtsneuordnungsgesetz durch das auch an dessen Entstehung maßgeblich beteiligte Ministerium erarbeitet worden ist, können gewisse Rückschlüsse auf den Hintergrund des Gesetzeswortlauts gezogen werden. Aufschlussreich ist insoweit die Begründung zu § 1 der geplanten Verordnung. Dort heißt es:

„Nicht erfasst werden vom Anwendungsbereich der Verordnung nach § 37 Abs. 2 IfSG Schwimm- und Badebecken in ausschließlich privat genutzten Einrichtungen. Als private Nutzung ist die Nutzung eines Schwimm- und Badebeckens ausschließlich im familiären Bereich des Betreibers oder sonstigen Inhabers der tatsächlichen Gewalt gemeint, nicht dagegen die Nutzung im Rahmen einer privatrechtlich organisierten Einrichtung. Für eine ausschließlich private Nutzung ist ausschlaggebend, dass es sich um einen bestimmbaren Personenkreis handelt. Wird Schwimm- und Badebeckenwasser dagegen einem größeren und wechselnden Personenkreis zur Verfügung gestellt, so insbesondere in Hotels, Kur-, Ferien- und Sporteinrichtungen, Fitness- und Wellness-Centern sowie in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Schulen, Kindertagesstätten und Kindergärten, unterliegen diese dem Anwendungsbereich der Verordnung. Die Erfahrung hat gezeigt, dass auch das Wasser in Schwimm- und Badebecken solcher Einrichtungen der Überwachung durch das Gesundheitsamt bedarf.“ (BR-Drucksache 748/02 vom 30. September 2002, S. 23)

Für die von dem Beklagten angenommene weite Fassung des Anwendungsbereichs des § 37 Abs. 2 IfSG lässt sich hier allenfalls die Passage heranziehen, in der von der Nutzung im familiären Bereich des Betreibers oder sonstigen Inhabers die Rede ist. Sie scheint von einem kleinen, vertrauten Kreis von Benutzern auszugehen. Letztlich ist sie aber deshalb wenig ergiebig, weil sie die Möglichkeit offen lässt, dass es – wie vorliegend – eine Mehrzahl von „Betreibern“ gibt, die das Schwimmbad jeweils selbst und durch ihre Familie, also im familiären Bereich nutzen.

Der unmittelbar anschließende Hinweis im Verordnungsentwurf auf die Nutzung im Rahmen einer privatrechtlich organisierten Einrichtung, die von § 37 Abs. 2 IfSG und der Verordnung erfasst sei, lässt sich eher im Sinne der Auffassung des Senats verstehen. Dabei kann es – insoweit ist die im Entwurf gewählte Formulierung missverständlich – nicht auf die jeweilige Rechtsform der Einrichtung ankommen; denn auch ein öffentliches Schwimmbad kann in privatrechtlich organisierter Form betrieben werden. Mit dem in Rede stehenden Halbsatz scheint der Verordnungsgeber den Schwerpunkt der Abgrenzung vielmehr auf die Frage zu legen, ob das Schwimmbecken von den Benutzern selbst oder im Rahmen einer von den Benutzern zu unterscheidenden „Einrichtung“ betrieben wird. Da das Schwimmbad vorliegend von den Wohnungseigentümern, also den Benutzern selbst betrieben wird, sich also nicht als eine von der Wohnungseigentumsanlage bzw. der Wohnungseigentümergemeinschaft unterscheidbare Einrichtung ansehen lässt, spricht dies eher gegen ein dem § 37 Abs. 2 IfSG unterfallendes Schwimmbecken.

Auch die weiteren Ausführungen im Verordnungsentwurf lassen sich für die Auffassung des Senats heranziehen. Dabei ist zunächst festzustellen, dass der Fall des zu einer Wohnungseigentümergemeinschaft gehörenden Schwimmbeckens in der beispielhaften („insbesondere“) Aufzählung der von der Vorschrift erfassten Einrichtungen (die sich im Übrigen jedenfalls teilweise bereits der ersten und zweiten Alternative des § 37 Abs. 2 IfSG zuordnen lassen werden) nicht genannt ist. Entscheidend ist aber vor allem, worin der Verordnungsgeber die Gemeinsamkeit dieser Einrichtungen sieht, nämlich in dem Umstand, dass sie einem größeren und wechselnden Personenkreis zur Verfügung gestellt werden. Zwar handelt es sich bei den Benutzern des vorliegend in Rede stehenden Schwimmbeckens um einen größeren Personenkreis. Der Wechsel in diesem Personenkreis hält sich aber – im Vergleich zu den im Verordnungsentwurf aufgezählten Einrichtungen – in Grenzen. Denn er ist auf die Fälle des Eigentümer- bzw. Mieterwechsels sowie auf Gäste, welchen im Einzelfall die Nutzung des Schwimmbades eingeräumt wird, begrenzt; das Schwimmbad der Klägerin ist, anders als die aufgezählten Einrichtungen, nicht auf einen ständigen Wechsel der Benutzer angelegt.

Die Berücksichtigung von Sinn und Zweck der §§ 37 ff. IfSG vermag die Klärung der in Rede stehenden Abgrenzungsfrage kaum zu fördern. Dass es ausgehend von den Zielen des Infektionsschutzgesetzes, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern (§ 1 Abs. 1 IfSG), sinnvoll sein könnte, praktisch jedes Schwimmbecken, das typischerweise von mehr als einer Person benutzt wird, zu überwachen, liegt auf der Hand. Der Gesetzgeber hat jedoch ersichtlich eine Abwägung vorgenommen und sich für eine Überwachung nur besonders „gefahrenträchtiger“ Schwimmbecken entschieden. Wo genau die Grenze zwischen überwachungs- und nicht überwachungsbedürftigen Schwimmbecken verläuft, lässt sich daher allein mit Blick auf den Normzweck nicht erschließen.

Immerhin lässt sich der oben wiedergegebenen Passage aus der Verordnungsbegründung, in die entsprechender fachlicher Sachverstand eingeflossen ist, aber entnehmen, dass nach den Erfahrungen der Vergangenheit besonders bei den aufgezählten Einrichtungen, die durch einen größeren und wechselnden Benutzerkreis gekennzeichnet sind, die Notwendigkeit einer Überwachung durch das Gesundheitsamt besteht. Der Umkehrschluss, dass bei anderen Einrichtungen die Überwachung weniger zwingend ist, liegt nicht ganz fern.

Nach alledem sprechen Entstehungsgeschichte und – ansatzweise – auch Sinn und Zweck der Vorschrift für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 37 Abs. 2 IfSG auf solche Einrichtungen, die von einem größeren und wechselnden Personenkreis genutzt werden. Dieses Normverständnis hat gegenüber dem von dem Beklagten vertretenen im Übrigen den Vorteil, das eine einigermaßen klare, weil nicht allein an quantitative Aspekte anknüpfende Abgrenzung möglich ist. Es trägt damit auch den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit einer gesetzlichen Ermächtigung für behördliches Eingriffshandeln Rechnung.

Vgl. dazu zuletzt BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 -, DVBl. 2008, 575 (577 f. – unter C II 2 der Gründe).

Ist § 37 Abs. 2 IfSG demnach auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar und eine Rechtsgrundlage für die angefochtene Ordnungsverfügung somit von vornherein nicht vorhanden, so braucht auf sonstige Fragen, die der Sachverhalt aufwirft, nicht näher eingegangen zu werden. Offen bleiben kann insbesondere, ob die Tatbestandsvoraussetzung einer „Gefahr“ im Sinne von § 39 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 IfSG (oder eines Gefahrenverdachts) vorliegt, und ob die Anordnung von monatlichen Untersuchungen, welche über die in den Empfehlungen des Umweltbundesamtes genannten Mindestanforderungen wohl hinausgeht,

vgl. die Empfehlungen „Hygienische Überwachung öffentlicher und gewerblicher Bäder durch die Gesundheitsämter“, Bundesgesundheitsblatt 11/97, und „Hygieneanforderungen an Bäder und deren Überwachung“, Bundesgesundheitsblatt 9/06, beide abrufbar unter www.umweltbundesamt.de/wasser/themen/badebeckenwasser/ empfehlungen.htm,

gemessen an den Umständen des vorliegenden Falles verhältnismäßig ist.

Auch die Zwangsgeldandrohung ist infolge der Rechtswidrigkeit der Grundverfügung rechtswidrig und aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 ZPO.

Die Revision war gem. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Bestimmung des Anwendungsbereichs der §§ 37 Abs. 2, 38 Abs. 2, 39 IfSG hat über den konkreten Fall hinaus Bedeutung für die einheitliche Auslegung und Anwendung des Rechts auf einem bundesweit in nahezu jeder Gemeinde relevanten Gebiet. Höchstrichterliche Rechtsprechung dazu ist nicht vorhanden.

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