VG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2008 – 5 L 844/08

Februar 8, 2021

VG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2008 – 5 L 844/08

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- Euro festge-setzt.
Gründe

Der am 23. Mai 2008 bei sachgerechter Würdigung des Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers sinngemäß gestellte Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage 5 K 3806/08 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 8. Mai 2008 anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Mit der angefochtenen Ordnungsverfügung hat der Antragsgegner dem Antragsteller aufgegeben, (1.) den Mitarbeitern des Ordnungsamtes des Antragsgegners die dem Antragsteller als Wohnung dienenden Räume im Hause „B 31“ in E am 20. Mai 2008 um 10.00 – 11.00 Uhr (für eine Besichtigung) zugänglich zu machen (Grundverfügung) und zugleich (2.) für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsmittel (Wohnungstüröffnung) angedroht.

Der Antrag, gegen diese Verfügung vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, ist zulässig. Die Grundverfügung hat sich nicht durch Ablauf der im Bescheid genannten Frist mit der Folge erledigt, dass für einen vorläufigen Rechtsschutzantrag kein Rechtsschutzbedürfnis bestünde. Die mit dem Bescheid verbundene Beschwer, dass der Antragsgegner vom Antragsteller fordert, die Wohnung zugänglich zu machen, besteht fort. Zwar hat der Antragsteller dem Antragsgegner seine Wohnung am 20. Mai 2008 nicht zugänglich gemacht und der Antragsgegner hat den Zugang an diesem Tage auch nicht erzwungen. Die Forderung, die Wohnung zugänglich zu machen, ist bei sachgerechter Auslegung des Bescheides damit aber nicht entfallen. Dem Antragsgegner geht es darum, durch eine Wohnungsbesichtigung aufzuklären, ob sich die Wohnung in einem Zustand befindet, der mit zu bekämpfenden Gesundheitsgefahren einhergeht. Daher steht und fällt die Forderung nach ihrem Sinn und Zweck nicht mit der Einhaltung des angekündigten Besuchsdatums, sondern soll ersichtlich weiter bis zu ihrer von einem bestimmten Termin unabhängigen – ggf. erzwungenen – Erfüllung gelten. Die Angabe des Besuchsdatums sollte dem Antragsteller nur die freiwillige Erfüllung ermöglichen, um eine zwangsweise Durchsetzung zu vermeiden, die bei Nichterfüllung ausweislich der Androhung der Wohnungstüröffnung, die noch eine Festsetzung voraussetzt (§ 64 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW (VwVG)), zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen soll.

Der Antrag ist aber unbegründet.

1. Die Klage gegen die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Grundverfügung hat hier – entgegen der in § 80 Abs. 1 VwGO gesetzten Regel – keine aufschiebende Wirkung. Denn die Verfügung findet – wie weiter unten dargelegt wird – ihre zutreffende Rechtsgrundlage in § 16 Abs. 1 und 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 16 Abs. 8 IfSG haben Anfechtungsklagen gegen Maßnahmen nach § 16 Abs. 1 bis 3 IfSG keine aufschiebende Wirkung.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Bescheid anordnen. Von dieser Möglichkeit macht es nach Maßgabe einer Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses mit dem privaten Interesse, von der Vollziehung vorläufig (d.h. in der Regel bis zur Bestandskraft des Bescheides) verschont zu bleiben, Gebrauch. Bei der Interessenabwägung ist zu beachten, dass das öffentliche Interesse regelmäßig überwiegt, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist. Ein sofortiges Vollziehungsinteresse besteht demgegenüber nicht, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Bei offener Rechtmäßigkeitsfrage ist in Anknüpfung an die gesetzgeberischen Wertungen, die in § 80 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO zum Ausdruck kommen, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, wenn das Interesse des Betroffenen, von Vollziehungsmaßnahmen (vorerst) verschont zu bleiben, das öffentliche Vollziehungsinteresse überwiegt.

Vorliegend spricht bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung alles dafür, dass die Grundverfügung offensichtlich rechtmäßig ist und daher das öffentliche Vollziehungsinteresse überwiegt.

Zutreffende Rechtsgrundlage für die Forderung, die Wohnung zugänglich zu machen, bilden in vorliegendem Fall – entgegen der Bezugnahme auf die Ermächtigungsnorm des § 14 Ordnungsbehördengesetz NRW (OBG) im Bescheid – die Regelungen in § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG). In den genannten Normen des IfSG ist u.a. Folgendes bestimmt: Werden Tatsachen festgestellt, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, oder ist anzunehmen, dass solche Tatsachen vorliegen, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren (§ 16 Abs. 1 Satz 1 IfSG). In diesen Fällen sind die Beauftragten der zuständigen Behörde berechtigt, zur Durchführung von Ermittlungen u.a. Grundstücke und Räume zu betreten (§ 16 Abs. 2 Satz 1 IfSG). Die Inhaber der tatsächlichen Gewalt sind verpflichtet, den Beauftragten der zuständigen Behörde diese Grundstücke und Räume zugänglich zu machen (§ 16 Abs. 2 Satz 2 IfSG).

Das IfSG ist hier anwendbar, weil der Antragsgegner tätig geworden ist, um übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Denn wie seine Ausführungen in dem Bescheid mit hinreichender Deutlichkeit zeigen, will er die Wohnung des Antragstellers betreten, um zu erforschen, ob sanitäre Missstände in den betroffenen Räumen (Lagerung verschimmelter Lebensmittel, verdreckte Sanitäreinrichtungen) in einem Umfang bestehen, die (weitere) Maßnahmen zur Abwehr von Gesundheitsgefahren für die Allgemeinheit erfordern. Da die genannten Hygienemissstände Infektionsquellen für übertragbare Krankheiten verursachen könnten, zielt sein Vorgehen darauf ab, der Entstehung und Verbreitung solcher Krankheiten vorzubeugen. Gerade diesem Zweck dient das Infektionsschutzgesetz (vgl. § 1 Abs. 1 IfSG), das den zuständigen Behörden die gesetzlichen Mittel bereit stellt, Leben und Gesundheit der Allgemeinheit wie auch des Einzelnen vor den Gefahren der Infektionskrankheiten zu schützen.

Die gesetzlichen Anforderungen an ein infektionsschutzrechtliches Betretungsrecht des Antragsgegners und die entsprechende Duldungspflicht des Antragstellers – Rechte, die hier durch den angefochtenen Bescheid mit der Forderung, den Zugang zur Wohnung zu ermöglichen, umgesetzt werden – sind erfüllt.

Der Antragsgegner ist als örtliche Ordnungsbehörde (d.s. die Städte und Gemeinden) gemäß § 54 IfSG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der „Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz“ vom 28. November 2000 in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung (SGV NRW 2126) zuständige Behörde im Sinne der §§ 16 und 17 IfSG.

Das Vorgehen des Antragsgegners ist vorliegend durch die 2. Alternative des § 16 Abs. 1 IfSG gerechtfertigt. Diese Bestimmung ermöglicht Gefahrenabwehrmaßnahmen bereits dann, wenn (auch nur) anzunehmen ist, dass Tatsachen vorliegen, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können. Denn Ziel der Regelung ist die Bekämpfung derartiger Krankheiten bereits im Vorfeld, d.h. der Ausbruch einer solchen Krankheit soll verhütet werden können. Daher reicht als Eingriffsvoraussetzung schon die begründete Annahme von Tatsachen, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, aus.

Das ist hier der Fall. Nach einem Hinweis aus dem polizeilichen Bereich, der nach Betreten der Wohnung des Antragstellers in anderer Angelegenheit gegeben wurde, bestehen gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich in der Wohnung dauerhafte Abfallablagerungen und andere unhygienische Verhältnisse finden lassen (vgl. Kopien der von der Polizei in der Wohnung am 21. April 2008 gefertigten Fotos Seite 4 ff. des Verwaltungsvorganges des Antragsgegners – Beiakte 1), die dadurch, dass sie die gesteigerte Möglichkeit für die Ansiedlung von Krankheitserregern im Sinne des § 2 Nr. 1 IfSG bieten, eine Gesundheitsgefahr für Menschen, zumindest für den Antragsteller und andere Hausbewohner, begründen und ein weiteres Einschreiten nach den Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erforderlich machen könnten. Damit liegen hinreichende Anhaltspunkte für die begründete Annahme von Tatsachen vor, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können. Der Antragsteller vermag angesichts der Fotodokumentation zu den unhygienischen Verhältnissen insbesondere in seiner Küche mit seinem Vortrag nicht durchzudringen, diese Annahmen seien aus der Luft gegriffen.

Um in einer solchen Situation, die einen berechtigten „Gefahrenverdacht“ auslöst, der nach der Konzeption des IfSG mit seinem weitreichenden Schutzzweck bereits selbst eine Gefahr darstellt, aufklären zu können, ob und welche weitergehenden Gefahrenabwehrmaßnahmen zu ergreifen sind, hat der Gesetzgeber den zuständigen Behörden in § 16 Abs. 2 Sätze 1 und 2 IfSG u.a. das Mittel des Betretungsrechts von Räumen aller Art zur Durchführung von Ermittlungen an die Hand gegeben und den Inhabern der tatsächlichen Gewalt über diese Räume eine entsprechende Duldungspflicht auferlegt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese gesetzgeberische Entscheidung, den zuständigen Behörden auch das Betreten privater Wohnungen zu erlauben, oder Bedenken wegen Verstoßes gegen die EMRK bestehen nicht. Art. 13 Abs. 7 Grundgesetz (GG) ermächtigt den Gesetzgeber, zur Bekämpfung der Seuchengefahr oder vergleichbarer Gefahren, darunter fällt die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung einzugreifen und es zu beschränken. Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK darf eine Behörde in das nach Art. 8 Abs. 1 gewährte Recht auf Achtung der Wohnung eingreifen, wenn der Eingriff – wie hier durch § 16 Abs. 2 IfSG – gesetzlich vorgesehen und er in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Gesundheit – wie hier aus den oben genannten Gründen – notwendig ist. Verletzungen der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) oder des Rechtes auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) sind mit der sachgerechten und im Hinblick auf die bekämpften Gefahren ausgewogenen gesetzlichen Regelung nicht verbunden.

Von den ihm gesetzlich eingeräumten, nach pflichtgemäßem Ermessen auszuübenden Möglichkeiten zur zwangsweisen „Gefahrerforschung“ hat der Antragsgegner mit seiner Verfügung in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.

Die Entscheidung, von dem Antragsteller zu fordern, die Wohnung Mitarbeitern des Antragsgegners zugänglich zu machen, war ermessensgerecht und insbesondere auch verhältnismäßig, da dem Antragsgegner hinreichende Verdachtsmomente für ein Tätigwerden zur Aufklärung des Bestehens einer Gesundheitsgefahr vorlagen, dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war und der Antragsteller eine freiwillige Besichtigung seiner Wohnung verweigert hat.

Unerheblich ist es, dass der Antragsgegner sich in der Begründung des Bescheides zur Rechtfertigung seines Handelns auf § 14 Ordnungsbehördengesetz NRW (OBG) als Rechtsgrundlage und nicht auf § 16 IfSG als einschlägige speziellere und damit vorrangige Norm gestützt hat. Denn Begründungsfehler machen einen Bescheid, sofern er wie hier überhaupt begründet wird, nicht rechtswidrig.

Vgl. Kopp/Ramsauer, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), 10. Auflage, 2008, zu § 39, Rdnr. 56.

Die Entscheidung ist wegen der Heranziehung des OBG als Rechtsgrundlage durch den Antragsgegner statt des IfSG aber auch nicht ermessensfehlerhaft. Denn in Fällen wie dem hier zu betrachtenden Einschreiten zur Erforschung von Gesundheitsgefahren sind die von der Behörde im Rahmen der Anwendung des IfSG, einem speziellen Gefahrenabwehrgesetz, anzustellenden Ermessenserwägungen von keinem anderen Inhalt und Charakter als bei einem Vorgehen nach dem OBG als allgemeinem Gefahrenabwehrgesetz.

2. Auch die zur zwangsweisen Durchsetzung der Grundverfügung mit der Forderung, die Wohnung zu Besichtigungszwecken zugänglich zu machen, ergangene Androhung eines Zwangsmittels (Wohnungstüröffnung) ist offensichtlich rechtmäßig. Sowohl die allgemeinen Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Verwaltungszwanges zur Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen (§ 55 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen – VwVG – a.) als auch die besonderen Voraussetzungen für Androhung des Zwangsmittels (b.) sind gegeben. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Androhung, die gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 8 AG VwGO NRW kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, ist daher nicht nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

a. Nach § 55 Abs. 1 VwVG kann ein Verwaltungsakt (Grundverfügung), der auf die Vornahme einer Handlung gerichtet ist, von der Vollzugsbehörde mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, d.h. wenn die Grundverfügung vollziehbar ist. Hier ist die Grundverfügung, die der Antragsgegner als Vollzugsbehörde im Sinne des § 56 Abs. 1 VwVG mit Zwangsmitteln durchsetzen will, aus den unter 1. genannten Gründen sofort vollziehbar. b. Der Antragsgegner hat für den Fall, dass der Antragsteller seiner Forderung nicht freiwillig nachkommt, die zwangsweise Durchsetzung (lediglich) im Wege der Öffnung der Wohnungstür unter Zuhilfenahme eines Schlüsseldienstes angedroht. Diese Androhung geht bei sachgerechter Auslegung der Verfügung auf die Anwendung des Zwangsmittels der Ersatzvornahme im Sinne des § 59 VwVG und nicht auf die des unmittelbaren Zwanges nach § 62 VwVG.

Nach dem nordrheinwestfälischen Verwaltungsvollstreckungsrecht erfolgt eine zwangsweise Durchsetzung einer Grundverfügung im Wege der Ersatzvornahme, wenn die – vom Betroffenen – geforderte vertretbare Handlung durch die Vollzugsbehörde selbst oder durch einen von ihr Beauftragten durchgeführt wird (§ 59 Abs. 1 VwVG). Dieser weite Begriff der Ersatzvornahme, der eine Selbstvornahme durch die Behörde mit umfasst, erfordert eine trennscharfe Abgrenzung zu dem – strengeren Rechtmäßigkeitsanforderungen unterliegenden – Zwangsmittel des unmittelbaren Zwanges, der gesetzlich als Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel oder Waffen bestimmt ist (§ 67 Abs. 1 VwVG). Da unvertretbare Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen ohnehin einer Ersatzvornahme nicht zugänglich sind, ist die Abgrenzung nur bei vertretbaren Handlungen erforderlich. Maßgeblich für die Abgrenzung ist die dem Betroffenen obliegende Handlungspflicht. Denn unter Berücksichtigung des Wortlautes der Regelung in § 59 Abs. 1 VwVG liegt eine Ersatzvornahme nur vor, wenn die von der Behörde selbst oder durch Dritte durchzuführende bzw. durchgeführte (vertretbare) Handlung mit der dem Pflichtigen geforderten Handlung identisch ist. Ist das nicht der Fall, sondern geht sie mit ihrer Zwangsmaßnahme über das hinaus, was der Betroffene selbst zu tun hat, übt die Behörde jedenfalls im Regefall unmittelbaren Zwang aus.

Vgl. zur Abgrenzung der Ersatzvornahme von Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges in diesem Sinne auch: Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Auflage, 2001, F 778; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band II, 6. Auflage, 2000, § 64 IV 2 Rdnr. 70; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage, 2006, § 20 Rdnr, 18.

Nach Maßgabe dieser Kriterien ist die angedrohte Türöffnung eine Durchsetzungsmaßnahme im Wege der Ersatzvornahme. Denn mit der Türöffnung, einer vertretbaren Handlung im Sinne des § 59 Abs. 1 VwVG, will die Behörde unter Zuhilfenahme eines Schlüsseldienstes, d.h. eines sachkundigen, die Eingriffsfolgen minimierenden Helfers, nur eine Handlung ausführen, die dem Pflichtigen mit der Grundverfügung hier selbst zur Erfüllung aufgegeben ist, nämlich die Wohnungstür zu öffnen, um den Beauftragten des Antragsgegners Zugang zur Wohnung zwecks infektionsschutzrechtlicher Ermittlungen zu verschaffen.

Da der Antragsgegner ausweislich der Begründung des Bescheides seine Forderung durchsetzen will, indem er sich den Zugang notfalls mittels Türöffnung durch einen Schlüsseldienst verschaffen will, hat er hinreichend deutlich gemacht, dass er das Zwangsmittel der Ersatzvornahme androhen will. Soweit er in dem Bescheid an einer anderen Stelle von dem Einsatz unmittelbaren Zwanges spricht, handelt es sich um eine unschädliche Falschbezeichnung der wirklich gewollten Ersatzvornahme; sein diesbezüglicher Wille ist mit dem Hinweis auf die Zwangsmaßnahme der Türöffnung mittels Schlüsseldienstes ausreichend verdeutlicht worden.

Die Androhung genügt auch den besonderen Voraussetzungen für die Androhung einer Ersatzvornahme nach §§ 57, 58, 61 und 63 VwVG.

Der Antragsgegner hat die Androhung des Zwangsmittels wie erforderlich schriftlich erteilt und dem Antragsteller zugestellt (§ 63 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 VwVG). Dabei kann offen bleiben, ob der Antragsgegner bei der – von ihm gewollten – Zustellung des Bescheides durch die Behörde allen Zustellungsanforderungen nach § 5 Landeszustellungsgesetz NRW (LZG) nachgekommen ist; insoweit bestehen insbesondere Zweifel, ob er die Regeln eingehalten hat, die den Vermerk über den Nachweis bei Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten betreffen (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 LZG). Selbst wenn sich wegen eines Verstoßes gegen die Nachweisregelungen die formgerechte Zustellung des Bescheides nicht nachweisen ließe oder der Bescheid unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen sein sollte, gilt nach § 8 LZG ein Dokument als in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten nachweislich zugegangen ist. Der Bescheid ist dem Antragsteller vor Klage- und Antragserhebung nachweislich zugegangen, da er in Kopie dem Klage- und Antragsschriftsatz des Antragstellers beigefügt war.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller in der Androhung vom 8. Mai 2008 eine angemessene Frist gesetzt, in der die im Wege des Verwaltungszwangs durchzusetzende Verpflichtung (Zugänglichmachung der Wohnung) erfüllt werden konnte (§ 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG), indem er einen Besuch am 20. Mai 2008 ankündigte, bei dem der Antragsteller zur Abwendung von Zwangsmaßnahmen die Forderung freiwillig hätte erfüllen können.

Die Androhung bestimmt mit der Ersatzvornahme ein zulässiges Zwangsmittel (§ 63 Abs. 3 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 Nr. 1 VwVG). Dessen Anwendung ist auch zulässig und verhältnismäßig im Sinne der §§ 58 und 59 VwVG, weil es sich bei der Zugänglichmachung der Wohnung um eine vertretbare Handlung handelt und der Antragsteller durch sein Verhalten gegenüber den Mitarbeitern des Antragsgegners, die den Besuchstermin wahrnehmen wollten, gezeigt hat, dass er zu einer freiwilligen Erfüllung auch zu einem anderen Termin nicht bereit ist.

Nach § 63 Abs. 4 VwVG schließlich sollen in der Androhung die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme angegeben werden. Daran fehlt es im Bescheid zwar; dies ist aber unschädlich, weil die Angabe nach ihrem Sinn und Zweck hier (ausnahmsweise) entbehrlich ist. Die Angabe dient mit Blick auf den gesetzlichen Anspruch der Vollzugsbehörde auf Erstattung der Kosten der Ersatzvornahme dazu, dem Betroffenen die voraussichtlichen finanziellen Auswirkungen einer Nichtbefolgung der behördlichen Forderung zu verdeutlichen, um ihn nachdrücklich zu deren freiwilliger Befolgung anzuhalten. Einer solchen Verdeutlichung bedarf es aber in einem Fall wie dem vorliegenden nicht, in dem die Behörde in dem Bescheid auf die Pflicht des Betroffenen, die Kosten der konkret benannten Zwangsmaßnahme (Türöffnung) zu tragen, hingewiesen hat und die voraussichtlichen Kosten der im Wege der Ersatzvornahme durchgeführten Maßnahme erkennbar geringfügig und ihre Höhe bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung für jeden Bürger auch hinreichend verlässlich vorauszusehen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes ist gemäß §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 und 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) erfolgt. Das Gericht bewertet das Interesse des Antragstellers an der Durchführung des vorliegenden Verfahrens unter Berücksichtigung der Vorläufigkeit des begehrten Rechtsschutzes und der Vorschläge des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (dort Nr. 1.5) mit 1/2 des in der Hauptsache streitigen Betrages von 5.000,- Euro, der sich aus § 52 Abs. 2 GKG ergibt.

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