OLG Karlsruhe Urteil vom 28.3.2017, 17 U 58/16

Mai 13, 2021

OLG Karlsruhe Urteil vom 28.3.2017, 17 U 58/16

Eine Feststellungsklage in Widerrufsfällen ist weiterhin zulässig, wenn zwischen den Parteien weder vorgerichtlich noch in erster oder zweiter Instanz Streit über die Höhe der Ansprüche besteht. Da insbesondere die Rechtsfolgen höchstrichterlich geklärt sind, die nach Widerruf der auf Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung in Altfällen eintreten, ist zu erwarten, dass die Beklagte als Bank ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen wird.

Das Europäische Standardisierte Merkblatt dient der Erfüllung vorvertraglicher Informationspflichten nach § 491a BGB in der vom 11.06.2010 bis zum 20.03.2016 gel-tenden Fassung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15 -, juris Rn. 30). Das gilt auch, wenn das Merkblatt entgegen § 491a BGB a.F. zusammen mit den Vertragsunterlagen übergeben/übersandt wird. Ohne ausdrücklichen Verweis im Darlehensvertrag auf das Europäische Standardisierte Merkblatt rechnet der Verbraucher nicht damit, dort eine die gesetzliche Widerrufsfrist auslösende Angabe zu finden.

Das Europäische Standardisierte Merkblatt dient der Erfüllung vorvertraglicher Infor-mationspflichten nach § 491a BGB in der vom 11.06.2010 bis zum 20.03.2016 gel-tenden Fassung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15 -, juris Rn. 30). Das gilt auch, wenn das Merkblatt entgegen § 491a BGB a.F. zusammen mit den Vertragsunterlagen übergeben/übersandt wird. Ohne ausdrücklichen Verweis im Darlehensvertrag auf das Europäische Standardisierte Merkblatt rechnet der Verbraucher nicht damit, dort eine die gesetzliche Widerrufsfrist auslösende Angabe zu finden. Eine Feststellungsklage in Widerrufsfällen ist weiterhin zulässig, wenn zwischen den Parteien weder vorgerichtlich noch in erster oder zweiter Instanz Streit über die Höhe der Ansprüche besteht. Da insbesondere die Rechtsfolgen höchstrichterlich geklärt sind, die nach Widerruf der auf Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung in Altfällen eintreten, ist zu erwarten, dass die Beklagte als Bank ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen wird.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 12.02.2016 – 10 O 551/15 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1 des Tenors des landgerichtlichen Urteils wie folgt lautet:

Es wird festgestellt, dass sich der Darlehensvertrag mit der Kontonummer … für das Objekt H. über 500.000 EUR durch den Widerruf des Klägers vom 28.07.2015 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht er Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu jeweils vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert wird für die erste – insoweit in Abänderung der Festsetzung durch das Landgericht – und zweite Instanz auf bis 125.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Darlehenswiderrufs.
2

Der Kläger schloss mit der Beklagten am 13.01.2011 einen grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensvertrag über 500.000 EUR zur Finanzierung des Erwerbs eines Grundstücks zu einem Nominalzins von 3,47 % (Anlage K1). Der Sollzinssatz war gebunden bis zum 30.11.2020. Der Darlehensvertrag enthält unter Nr. 14 eine Widerrufsinformation, die auszugsweise wie folgt lautet:
3

„Die Frist [gemeint: die Widerrufsfrist] beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat“.
4

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.07.2015 (Anlage K2) erklärte der Kläger den Widerruf des Darlehens. Die Beklagte wies den Widerruf durch Schreiben vom 29.07.2015 (Anlage K3) zurück.
5

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen,

die Frist zur Erklärung des Widerrufs gem. §§ 495, 355 BGB sei am 28.07.2015 noch nicht abgelaufen gewesen, weil die Widerrufsinformation im Darlehensvertrag in verschiedener Hinsicht fehlerhaft sei. Es fehle die Angabe der für die Beklagte zuständigen Aufsichtsbehörde. Die Beklagte selbst habe in ihrer Widerrufsbelehrung die Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde als eine der Voraussetzungen genannt, damit die Widerrufsfrist zu laufen beginne. Der Kläger bestreitet in diesem Zusammenhang, dass er das als Anlage B1 vorgelegte europäische standardisierte Merkblatt erhalten habe. Ein solches sei ihm bis jetzt nicht bekannt gewesen. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege nicht vor, da es auf das Motiv des Verbrauchers nicht ankomme. Es fehle jedenfalls am Umstandsmoment, da die Beklagte durch ihre fehlerhafte Belehrung die Situation selbst herbeigeführt und auch keine Nachbelehrung vorgenommen habe.
6

Die Beklagte hat erstinstanzlich geltend gemacht,

der Widerruf sei verfristet und damit unwirksam. Denn die Widerrufsinformation im Darlehensvertrag sei ordnungsgemäß. Die Beklagte habe exakt den Text des gesetzlichen Musters in Anlage 6 (heute 7) zu Art. 247 EGBGB verwendet. Deswegen entspreche die Widerrufsinformation gem. Art. 247 § 6 Abs. 3 S. 2 EGBGB den gesetzlichen Anforderungen. Die Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde sei gem. Art. 247 § 9 Abs. 1 S. 1 EG-BGB nicht erforderlich gewesen, da nach dieser Vorschrift bei Immobiliardarlehensverträgen i.S.d. § 503 BGB die Angabe nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB nicht nötig sei. Jedenfalls habe der Kläger vor Abschluss des Darlehensvertrages das europäische standardisierte Merkblatt (Anlage B1) erhalten, in welchem auf Seite 3 unten die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als zuständige Aufsichtsbehörde angegeben sei. Der Widerruf sei eine gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßende Rechtsausübung, da es dem Kläger lediglich um einen günstigeren Zinssatz bzw. die Vermeidung einer Vorfälligkeitsentschädigung gehe, er aber nach wie vor eine Finanzierung benötige.
7

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Anträge wird auf die in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
8

Das Landgericht hat der Klage auf Feststellung, dass der Kläger seine Vertragserklärung wirksam widerrufen habe, stattgegeben. Die Widerrufsbelehrung sei zwar weder inhaltlich noch der äußeren Gestaltung nach zu beanstanden. Die Beklagte habe jedoch mit der an sich nicht erforderlichen Nennung der Aufsichtsbehörde als fristauslösendes Ereignis eine eigene Voraussetzung für den Fristbeginn geschaffen, wobei der Darlehensvertrag selbst die Aufsichtsbehörde nicht nenne und die Frist damit am 28.07.2015 noch nicht abgelaufen gewesen sei. Es könne dahinstehen, ob die Beklagte dem Kläger das Merkblatt in Anlage B1 bereits vor Vertragsabschluss zugeschickt habe, da dessen Übermittlung keine ausreichende Lieferung der Pflichtinformationen gegenüber dem Kläger sei. Denn die Widerrufsinformation regele unter Ziffer 14 des Darlehensvertrages selbst ausdrücklich, wie der Darlehensnehmer die Pflichtangaben erhalten müsse. Dort sei aufgeführt, dass er die Pflichtangaben entweder in einer für ihn bestimmten Ausfertigung seines Antrags oder in einer für ihn bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für ihn bestimmten Abschrift seines Antrags oder der Vertragsurkunde zu erhalten habe. Keine dieser Möglichkeiten wäre durch die Zusendung des Merkblattes in der Anlage B1 erfüllt. Das Merkblatt sei zudem nicht ausreichend für eine nachträgliche Belehrung. Das Widerrufsrecht sei auch nicht verwirkt, es fehle am Umstandsmoment.
9

Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausführungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
10

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens den Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Nennung der Aufsichtsbehörde sei keine eigenständige Voraussetzung für den Fristbeginn, sondern lediglich ein Beispiel für den Verbraucher, was er sich grundsätzlich unter Pflichtangaben vorzustellen habe. Die Beklagte habe sicher kein vertragliches Widerrufsrecht einräumen wollen. Jedenfalls habe die Frist zu laufen begonnen, da dem Kläger – wie unter Beweisantritt vorgetragen – vor Vertragsschluss das europäische standardisierte Merkblatt übersandt worden sei, in welchem die Aufsichtsbehörde genannt sei. Jedenfalls sei die Ausübung des Widerrufsrechts 4 ½ Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrag rechtsmissbräuchlich, da das Motiv der Zinsersparnis nicht schützenswert sei. Zudem sei die Forderung verjährt (§ 218 BGB).
11

Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung. Er verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
12

Die Höhe der Ansprüche war zwischen den Parteien weder vorgerichtlich noch in erster oder zweiter Instanz – dort bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung – streitig.
13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
14

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO). Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
15

Die Feststellungsklage ist zulässig (1.). Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei von der Wirksamkeit des Widerrufs vom 28.07.2015 hinsichtlich der auf Abschluss des Darlehensvertrages vom 13.01.2011 gerichteten Willenserklärung ausgegangen (2.). Das Recht des Klägers zum Widerruf seiner Darlehensvertragserklärung war weder verwirkt (3.) noch sonst wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig (4.). Der Darlehensvertrag vom 13.01.2011 wurde durch die Widerrufserklärung daher in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt, was festzustellen war. Die Einrede der Verjährung greift nicht durch (5.).
16

1. Die Klage auf Feststellung, dass sich der Darlehensvertrag durch den Widerruf in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt hat (II 81), ist im Streitfall auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weiterhin zulässig.
17

a) Zwar soll nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Zulässigkeit einer derartigen Feststellungsklage nunmehr am Vorrang der Leistungsklage scheitern, da sich das Begehren, die Umwandlung eines Verbraucherdarlehensvertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis feststellen zu lassen, in Fällen wie dem vorliegenden, dem kein verbundener Vertrag zugrunde liegt, wirtschaftlich mit dem Interesse an der Rückgewähr der auf den Verbraucherdarlehensvertrag erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen decken, die der Kläger beziffern kann (vgl. dazu die Pressemitteilung Nr. 020/2017 vom 21.02.2017 zur Sache XI ZR 467/15). Ihm sei deshalb eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar, welche das Rechtsschutzziel erschöpfe.
18

Allerdings stritten die dortigen Parteien nach der zitierten Pressemitteilung auch über die Höhe der Ansprüche, weshalb die Feststellungsklage nicht deshalb ausnahmsweise zulässig gewesen sei, weil die dortige Beklagte als Bank die Erwartung rechtfertige, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedürfe.
19

b) Aus dieser Bezugnahme auf die ältere Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (vgl. dazu BGH, Urteile vom 30.05.1995 – XI ZR 78/94 -, BGHZ 130, 59 Rn. 16 und vom 03.06.1997 – XI ZR 133/96 -, juris Rn. 16 jeweils mwN; BGH, Beschluss vom 17.01.2012 – XI ZR 254/10 -, juris Rn. 7) lässt sich nach Auffassung des Senats ablesen, dass eine Feststellungsklage in Widerrufsfällen dann weiterhin zulässig ist, wenn – wie hier – zwischen den Parteien weder vorgerichtlich (vgl. Anlagen K2 bis K4) noch in erster oder zweiter Instanz Streit über die Höhe der Ansprüche besteht. Denn in einem solchen Fall wird der Streit bereits durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag befriedet. Da insbesondere die Rechtsfolgen höchstrichterlich geklärt sind, die nach Widerruf der auf Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung in Altfällen eintreten, in denen § 357a BGB noch keine Anwendung findet (so ausdrücklich: BGH, Beschluss vom 22.09.2015 – XI ZR 116/15 -, juris Rn. 7), ist zu erwarten, dass die Beklagte als Bank ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen wird. Entsprechende Feststellungsklagen wurden daher auch in jüngeren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs hinsichtlich deren Zulässigkeit nicht problematisiert (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 12.01.2016 – XI ZR 366/15 -, juris Rn. 7, vom 19.01.2016 – XI ZR 200/15 – juris Rn. 4, 13, vom 27.09.2016 – XI ZR 309/15 – juris Rn. 4, vom 25.10.2016 – XI ZR 6/16 – juris Rn. 3 sowie vom 17.01.2017 – XI ZR 128/16 – juris [vgl. das dazu ergangene Berufungsurteil des OLG Köln vom 02.03.2016 – 13 U 52/15 – juris Rn. 1]).
20

Soweit der Beklagtenvertreter in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 10.03.2017 (II 95) und damit außerhalb der mündlichen Verhandlung – freilich ohne Bezugnahme auf dies untermauernden außergerichtlichen oder innerprozessualen Vortrag – behauptet, die Höhe der dem Kläger im Fall eines Widerrufs zustehenden Ansprüche sei zwischen den Parteien nicht unstreitig, ergibt sich Derartiges aus der Akte nicht.
21

2. Der Kläger konnte seine auf Abschluss des Darlehensvertrags vom 13.01.2011 gerichtete Willenserklärung auch am 28.07.2015 noch wirksam nach § 495 Abs. 1, § 355, § 492 Abs. 2 BGB in der bis zum 12.06.2014 gültigen Fassung widerrufen, da die Widerrufsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war. Die Widerrufsinformation an sich ist zwar nicht zu beanstanden (dazu BGH, Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15 -, juris Rn. 11 ff.).
22

a) Bei den von der Beklagten im Anschluss an das Zitat des § 492 Abs. 2 BGB aufgeführten Beispielen handelte es sich aber nicht sämtlich um Pflichtangaben bei Immobiliardarlehensverträgen (vgl. dazu die Feststellung auf LGU 7), so dass die Beklagte bei ihrer Auflistung die Gesetzeslage nicht richtig wiedergegeben hat.
23

aa) Ein Verbraucherdarlehensvertrag muss nach § 492 Abs. 2 BGB die für ihn vorgeschriebenen Angaben nach Art. 247 § 6 bis 13 EGBGB enthalten. Dies umfasst nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB Angaben zum effektiven Jahreszins, nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB in der zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 geltenden Fassung (künftig: aF) Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags und nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB aF Angaben zu der für den Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde.
24

Nach Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 und 3 EGBGB aF galten bei Immobiliardarlehensverträgen gemäß § 503 BGB aF über § 492 Abs. 2 BGB indessen reduzierte Mitteilungspflichten. Abweichend von Art. 247 §§ 3 bis 8, 12 und 13 EGBGB in der hier maßgeblichen Fassung waren nur die Angaben nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 7, 10 und 13 EGBGB sowie nach Art. 247 § 3 Abs. 4 EGBGB und nach Art. 247 § 8 EGBGB in der zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 geltenden Fassung zwingend. Der Immobiliardarlehensvertrag musste ferner die Angaben zum Widerrufsrecht nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB – hier wiederum: in der zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 3. August 2011 geltenden Fassung – enthalten. Die für die Beklagte als Darlehensgeber zuständige Aufsichtsbehörde und das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags gehörten folglich nicht zu den Pflichtangaben bei Immobiliardarlehensverträgen im Sinne des § 492 Abs. 2 BGB. Denn der Gesetzgeber wollte mit § 492 Abs. 2 BGB – wie den Gesetzesmaterialien zu entnehmen (BT-Drucks. 17/1394, S. 14) – die Pflichtangaben in Abhängigkeit „von dem jeweiligen Verbraucherdarlehensvertrag“ definieren.
25

bb) Dieses gesetzgeberische Konzept hat die Beklagte nicht mitvollzogen. Sie hat – ersichtlich in dem Bestreben, dem gesetzgeberischen Willen zu entsprechen – die Beispielsangaben aus dem Regierungsentwurf (BT-Drucks. 17/1394, S. 8) übernommen und dabei ebenso wenig wie der Regierungsentwurf reflektiert, dass die dortige Auflistung von für bestimmte Vertragstypen irrelevanten „Pflichtangaben“ mit § 492 Abs. 2 BGB nicht in Übereinstimmung stand. Die Korrektur der Pflichtangaben durch den Rechtsausschuss des Bundestages (BT-Drucks. 17/2095, S. 17) entsprechend der ursprünglichen Intention des Regierungsentwurfs, „stets relevant[e]“ Beispiele aufzulisten (BT-Drucks. 17/1394, S. 26), hat die Beklagte nicht mehr mitvollzogen. Sie hat damit den Inhalt des § 492 Abs. 2 BGB nicht korrekt abgebildet.
26

b) Durch die beispielhafte Auflistung von „Pflichtangaben“, bei denen es sich tatsächlich nicht um Pflichtangaben im technischen Sinne handelte, haben die Parteien indessen einverständlich und wirksam die bei Immobiliardarlehensverträgen entbehrlichen Angaben nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 5 EGBGB aF zu zusätzlichen Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist gemacht.
27

aa) Der Klammerzusatz nach der Angabe „§ 492 Abs. 2 BGB“ ist Teil der vorformulierten Widerrufsinformation. Er enthält den Antrag, die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist auf vertraglicher Grundlage zu erweitern. Ohne den Klammerzusatz wäre gemäß den gesetzlichen Vorgaben Bedingung für das Anlaufen der Widerrufsfrist (nur) die Erteilung der für Immobiliardarlehensverträge relevanten Pflichtangaben gewesen. Mit dem Klammerzusatz bot die Beklagte ihren Vertragspartnern an, den Beginn der Widerrufsfrist nicht lediglich vom Erhalt der für Immobiliardarlehensverträge gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben, sondern außerdem von der Angabe des einzuhaltenden Verfahrens bei der Kündigung des Vertrags und von der Angabe der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde abhängig zu machen. Zugleich trug die Beklagte ihren Vertragspartnern an, das Anlaufen der Widerrufsfrist von der Erteilung dieser Angaben in der für gesetzliche Pflichtangaben vorgeschriebenen Form bei Vertragsschluss und nicht lediglich im Zuge der Erfüllung vorvertraglicher Informationspflichten nach § 491a BGB – hier: in der vom 10. Juni 2010 bis zum 20. März 2016 geltenden Fassung – abhängig zu machen.
28

bb) Dieses – weil ihnen günstig unbedenkliche – Angebot haben die Kläger durch Unterzeichnung des Darlehensvertrags angenommen. Dass die Verlängerung der Widerrufsfrist und die Information über die Voraussetzungen ihres Anlaufens in einem Akt zusammenfallen, berührt die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsinformation nicht (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15 -, juris Rn. 25 ff.).
29

c) Die Widerrufsfrist lief im Januar 2011 noch nicht an mit der Folge, dass der Kläger seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung noch im Juli 2015 widerrufen konnte. Denn die Beklagte hat den Kläger entgegen der von ihr vertraglich übernommenen weiteren Voraussetzung für das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht im Darlehensvertrag über die für sie zuständige Aufsichtsbehörde unterrichtet. Damit hat sie nicht sämtliche vertraglichen Bedingungen erfüllt, um die Widerrufsfrist in Gang zu setzen.
30

Demgegenüber hat die Berufung (II 23, I 31, 55, 61) keinen Erfolg mit dem Vortrag, dem Kläger sei vorvertraglich das als Anlage B1 vorgelegte Europäische Standardisierte Merkblatt (vgl. Anlage 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB in der zwischen 11.06.2010 und 12.06.2014 gültigen Fassung) ausgehändigt worden, aus dem sich sowohl die zuständige Aufsichtsbehörde, als auch das bei einer Kündigung einzuhaltende Verfahren ergäben. Denn selbst wenn das – was der Kläger bestreitet (I 45, 61; II 53, 81) – zutreffen sollte, konnte damit die Frist nicht in Gang gesetzt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob – wie erstmals in der mündlichen Verhandlung am 14.02.2017 vorgetragen (II 81) wurde – das Merkblatt infolge einer Abstimmung mit dem Sparkassenverband und möglicherweise entgegen § 491a BGB, Art. 247 § 1 EGBGB in der zwischen 11.06.2010 und 20.03.2016 gültigen Fassung („rechtzeitig vor dem Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags“) in einem Paket mit dem Darlehensvertrag aus dem Drucker gelassen und erst dann dem Darlehensnehmer übersandt/übergeben wurde.
31

aa) Denn der von § 495 Abs. 2 BGB in der bis zum 12.06.2014 gültigen Fassung (nachfolgend: aF) in Bezug genommene und §§ 355 bis 359a BGB abändernde § 492 Abs. 2 BGB in der bis zum 12.06.2014 gültigen Fassung (nachfolgend: aF) sah vor, dass „der Vertrag“ selbst die nach Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB vorgeschriebenen Angaben enthalten musste. Damit korrespondierten nicht nur Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 EGBGB in der bis 12.06.2014 gültigen Fassung, wonach „im Vertrag Angaben zur Frist …enthalten sein“ mussten, sondern auch Ziffer 14 der streitgegenständlichen Widerrufsinformation, die bestimmt, dass der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben (erst) erhalten hat, wenn sie in der Ausfertigung seines Antrags, der Ausfertigung der Vertragsurkunde oder einer Abschrift hiervon enthalten waren und dem Darlehensnehmer zur Verfügung gestellt wurden („in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben“). Daran fehlt es hier, denn das an Anlage 5 zu Art. 247 § 2 EGBGB in der zwischen 11.06.2010 und 12.06.2014 gültigen Fassung orientierte Merkblatt diente im Streitfall ersichtlich der Erfüllung vorvertraglicher Informationspflichten nach § 491a BGB – in der vom 11.06.2010 bis zum 20.03.2016 geltenden Fassung – (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15 -, juris Rn. 30: dort war das Merkblatt ebenfalls mit dem Darlehensangebot der Bank ausgehändigt worden). Daher wird im Einleitungssatz des Merkblatts auch darauf hingewiesen, dass die dortigen Angaben „kein rechtsverbindliches Angebot“ darstellten und dass dessen Aushändigung „die Sparkasse nicht automatisch zur Darlehensbewilligung“ verpflichte. Vielmehr findet sich dort eine mit der im späteren Darlehensvertrag enthaltenen Widerrufsinformation identische Belehrung (Anlage B1, S. 4), die konkrete und hier nicht erfüllte Vorgaben dazu macht, wann der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben erhalten hat.
32

bb) Darüber hinaus dürfte die nur in dem Merkblatt enthaltene Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde nicht „klar und verständlich“ im Sinne von Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB aF sein. Fordert man hierfür, dass die verlangten Angaben auch äußerlich so im Vertrag aufgeführt werden müssen, dass der Darlehensnehmer von ihrem Inhalt in zumutbarer Weise Kenntnis nehmen kann und dass die Informationen zusammenhängend, in gut lesbarer Weise (Schriftbild und Schriftgröße), an nicht zu übersehender Stelle und in einer selbst für den geschäftsungewandten Darlehensnehmer verständlichen Fassung gegeben werden (so Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, (2012), § 492, Rn. 26), ist das im Streitfall zu verneinen. Ohne – hier fehlenden – Verweis im Darlehensvertrag auf das Europäische Standardisierte Merkblatt rechnet der Verbraucher nicht damit, in einem eigentlich der vorvertraglichen Information dienenden Schreiben eine die gesetzliche Widerrufsfrist auslösende Angabe zu finden. Dies gilt umso mehr, als sowohl Ziffer 14 des Darlehensvertrags als auch Seite 4 des Merkblatts ihn hierfür ausschließlich auf den Darlehensvertrag verweisen.
33

d) Dass die Beklagte von der Möglichkeit der Nachholung des § 492 Abs. 6 Satz 1 BGB aF unter gleichzeitiger nochmaliger Belehrung über den Fristbeginn (vgl. § 492 Abs. 6 Satz 5 BGB aF) Gebrauch gemacht hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
34

e) Die Ausführungen der Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 10.03.2017 dazu, dass es sich bei dem weiter bestehenden Widerrufsrecht um ein seitens der Bank überobligationsmäßig und vor allem vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht handele, das anderen Regeln folge als ein gesetzliches – und nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich unbefristetes (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 564/15 -, juris Rn. 27) – Widerrufsrecht (II 95 ff.), liegen neben der Sache. Denn die Parteien haben alleine den Fristbeginn (insoweit in der Tat über das Gesetz hinausgehend) vertraglich an die Mitteilung der zuständigen Aufsichtsbehörde und der für das bei einer Kündigung einzuhaltende Verfahren geknüpft (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15 -, juris Rn. 30: „die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist auf vertraglicher Grundlage zu erweitern“), das Widerrufsrecht selbst ist und bleibt ein gesetzliches Widerrufsrecht, das der Gesetzgeber bei Verbraucherdarlehensverträgen grundsätzlich gewährt (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15 -, juris Rn. 10: „gemäß § 495 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 355 BGB … ein Widerrufsrecht zustand“).
35

3. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Widerrufsrecht des Klägers – was grundsätzlich möglich ist (vgl. BGH, Urteile vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15 -, juris Rn. 39 m.w.N. und XI ZR 564/15 -, juris Rn. 34) – auch nicht verwirkt.
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a) Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten (BGH, Urteil vom 27.06.1957 – II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, 51 f.; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 242 Rn. 87) setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 28.03.2006 – XI ZR 425/04, BGHZ 167, 25 Rn. 35, vom 13.07.2004 – XI ZR 12/03, WM 2004, 1680, 1682 und vom 25.11.2008 – XI ZR 426/07, juris Rn. 22; BGH, Urteile vom 27.06.1957 aaO, vom 16.06.1982 – IVb ZR 709/80, BGHZ 84, 280, 281, vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 39, vom 14.06.2004 – II ZR 392/01, WM 2004, 1518, 1520, vom 18.10.2004 – II ZR 352/02, WM 2004, 2491, 2494 und vom 23.01.2014 – VII ZR 177/13, WM 2014, 905 Rn. 13). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles (BGH, Urteil vom 09.10.2013 – XII ZR 59/12, WM 2014, 82 Rn. 7 mwN).
37

Bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB (hier: § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB in der zwischen 11. Juni 2010 und 12. Juni 2014 gültigen Fassung) nachzubelehren. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (dazu BGH, Urteil vom 11.10.2016 – XI ZR 482/15, juris Rn. 30). Denn zwar besteht die Möglichkeit der Nachbelehrung auch nach Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags von Gesetzes wegen fort. Eine Nachbelehrung ist indessen nach Vertragsbeendigung sinnvoll nicht mehr möglich, weil die Willenserklärung des Verbrauchers, deren fortbestehende Widerruflichkeit in das Bewusstsein des Verbrauchers zu rücken Ziel der Nachbelehrung ist, für den Verbraucher keine in die Zukunft gerichteten wiederkehrenden belasteten Rechtsfolgen mehr zeitigt (BGH, Urteil vom 12.07. 2016 – XI ZR 501/15 -, juris Rn. 40 f.).
38

Allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers kann der Unternehmer ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der Verbraucher werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen, indes nicht bilden (BGH, Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 564/15 -, juris Rn. 39).
39

Es kommt für das Umstandsmoment auch nicht darauf an, wie gewichtig der Fehler ist, der zur Wirkungslosigkeit der Widerrufsbelehrung führt. Der Verbraucher ist entweder ordnungsgemäß belehrt oder nicht. Das Risiko, dass ein Fehler der Widerrufsbelehrung erst nachträglich aufgedeckt wird, trägt nicht der Verbraucher, sondern die Bank. Im Gegenteil wird es dem Verbraucher aus der maßgeblichen Sicht der Bank schwerer fallen, das Fortbestehen des Widerrufsrechts zu erkennen, wenn die Widerrufsbelehrung den Anschein der Richtigkeit und Vollständigkeit erweckt. Daher spielt es für die Bildung schutzwürdigen Vertrauens der Bank keine Rolle, dass sie den Verbraucher überhaupt belehrt hat. Die Bank wird dadurch nicht unbillig belastet. Es ist ihr während der Schwebezeit bei laufenden Vertragsbeziehungen jederzeit möglich und zumutbar, durch eine Nachbelehrung des Verbrauchers – hier: gemäß § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF – die Widerrufsfrist in Gang zu setzen. Die für Fälle wie den hier zur Entscheidung unterbreiteten unvermindert gültige Entscheidung des Gesetzgebers, gegen das unbefristete Widerrufsrecht die Nachbelehrung zu setzen, ist auch bei der Prüfung der Voraussetzungen der Verwirkung eines vor Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags ausgeübten Widerrufsrechts beachtlich (BGH, Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 564/15 -, juris Rn. 40 f.).
40

b) Nach diesen Maßstäben fehlt es im Streitfall an hinreichenden, die Verwirkung begründenden Tatsachen.
41

aa) Zum einen fehlt es bereits an Vorbringen der Beklagten dazu, dass und wie sie sich im Vertrauen auf das Verhalten des Klägers in ihren Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Widerrufsrechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde. Alleine der Umstand, dass der Kläger bis zum Widerruf seinen Verpflichtungen aus dem – immer noch laufenden – Darlehensvertrag kommentarlos nachgekommen war, genügt für die Annahme des für die Verwirkung erforderlichen Umstandsmoments nicht.
42

bb) Zum anderen liegen aber auch keine Umstände vor, auf die die Beklagte ein Vertrauen darauf hätte gründen dürfen, der Kläger würde von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen. In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte ohne Erfolg auf den bloßen Zeitablauf zwischen Vertragsschluss im Januar 2011 bis zur Erklärung des Widerrufs im Juli 2015. Die Beklagte hatte es jederzeit in der Hand, durch Erfüllung der von ihr selbst gesetzten Voraussetzungen – nämlich der in der vereinbarten Form vorzunehmenden Mitteilung der zuständigen Aufsichtsbehörde und der Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags – die dann auf einen Monat verlängerte Frist in Gang zu setzen. Denn in Ziffer 14 der Widerrufsinformation heißt es – insoweit in Einklang mit § 492 Abs. 6 BGB in der bis 12.06.2014 gültigen Fassung (nachfolgend: a.F.) -, dass der Darlehensnehmer über nicht in den Vertragstext aufgenommene Pflichtangaben nachträglich in Textform informiert werden könne (vgl. § 492 Abs. 6 Satz 1 BGB a.F.), wobei der Darlehensnehmer mit der Nachholung der Angaben nochmals in Textform darauf hinzuweisen sei, dass die – dann abweichend von § 495 BGB einen Monat betragende (vgl. § 492 Abs. 6 Satz 4 BGB a.F.) – Widerrufsfrist nach Erhalt der nachgeholten Angaben beginne (vgl. § 492 Abs. 6 Satz 5 BGB a.F.). Dass die Beklagte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
43

Der Umstand, dass die Beklagte den Kläger wirksam über das ihm zustehende Widerrufsrecht informiert hat (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15 -, juris Rn. 11 ff.) und sich daher eine Nachbelehrung erübrigte (II 97), ist vor diesem Hintergrund unerheblich. Denn wenn die Entscheidung des Gesetzgebers, gegen das – wegen falscher Widerrufsbelehrung – unbefristete Widerrufsrecht die Nachbelehrung zu setzen, bei der Prüfung der Voraussetzungen der Verwirkung eines vor Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags ausgeübten Widerrufsrechts beachtlich sein soll (so BGH, Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 564/15 -, juris Rn. 41), kann eine Bank, die zwar richtig belehrt, den Fristlauf aber an zusätzliche Voraussetzungen knüpft, diese jedoch nicht herbeiführt, ebenfalls kein Vertrauen darauf gründen, dass der Kunde sein gesetzliches Widerrufsrecht nicht mehr ausüben wird.
44

4. Die Ausübung des Widerrufrechts ist schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs zu beanstanden (so aber II 29 ff.), weil das Widerrufsrecht zweckwidrig eingesetzt wurde, nachdem das Vertragsverhältnis über Jahre hinweg als wirksam behandelt worden ist.
45

a) Die Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts kann im Einzelfall eine unzulässige Rechtsausübung aus sonstigen Gründen darstellen und in Widerspruch zu § 242 BGB stehen, obwohl die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht vorliegen. Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind.
46

b) Dabei ist die Ausübung des Widerrufsrechts nicht allein deshalb rechtsmissbräuchlich, weil sie nicht durch den Schutzzweck des Verbraucherwiderrufsrechts motiviert ist. Aus der Entscheidung des Gesetzgebers, den Widerruf von jedem Begründungserfordernis freizuhalten, folgt, dass ein Verstoß gegen § 242 BGB nicht daraus hergeleitet werden kann, der vom Gesetzgeber mit der Einräumung des Widerrufsrechts intendierte Schutzzweck sei für die Ausübung des Widerrufsrechts nicht leitend gewesen. Überlässt das Gesetz – wie das Fehlen einer Begründungspflicht zeigt – dem freien Willen des Verbrauchers, ob und aus welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft, kann aus dem Schutzzweck der das Widerrufsrecht gewährenden gesetzlichen Regelung grundsätzlich nicht auf eine Einschränkung des Widerrufsrechts nach § 242 BGB geschlossen werden. Gerade weil das Ziel, „sich von langfristen Verträgen mit aus gegenwärtiger Sicht hohen Zinsen zu lösen“, der Ausübung des Widerrufsrechts für sich nicht entgegensteht, sah sich der Gesetzgeber zur Schaffung des Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB veranlasst (vgl. BT-Drucks. 18/7584, S. 146).
47

Dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer nach Maßgabe der § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (künftig: aF), § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB zur Herausgabe von Nutzungsersatz verpflichtet sein kann, ist, soweit sich – wie hier – nach Maßgabe des Art. 229 § 32 EGBGB die Rechtsfolgen des Widerrufs noch nach den §§ 346 ff. BGB bestimmen, regelmäßige gesetzliche Konsequenz des Widerrufs. Dass der Widerruf diese Rechtsfolgen zeitigt, macht ihn nicht rechtsmissbräuchlich.
48

Gleiches gilt für die gesamtwirtschaftlichen Folgen der vermehrten Ausübung von Verbraucherwiderrufsrechten. Dass sich die Kreditwirtschaft aufgrund der gegenwärtigen Niedrigzinsphase oder des gehäuften wirtschaftlichen Scheiterns darlehensfinanzierter Beteiligungskonzepte – immerhin aufgrund eigener Belehrungsfehler – der massenhaften Ausübung von Widerrufsrechten gegenüber sieht, ist – unbeschadet der Frage, ob dies die Rechtsposition der Kläger im konkreten Fall überhaupt beeinflussen könnte – generell kein Kriterium, das bei der Anwendung des § 242 BGB auf das Widerrufsrecht von Verbrauchern Berücksichtigung finden kann. Dass Widerrufsrechte wie das des Klägers in einer Vielzahl von Fällen zeitlich unbefristet geltend gemacht werden konnten, beruht – wie oben ausgeführt – auf einer bewussten Entscheidung des deutschen Gesetzgebers. Sie kann nicht durch eine extensive Anwendung des § 242 BGB unterlaufen werden, um so empfundene vermeintliche Defizite bei einem sachgerechten Ausgleich der Interessen der Vertragsparteien aufzuwägen (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 564/15 -, juris Rn. 46 ff.).
49

c) Schließlich führt auch die hier zu beurteilende besondere Situation, in der das Anlaufen der Widerrufsfrist vertraglich von zwei weiteren Angaben abhängig gemacht wurde, nicht dazu, dass der Widerruf der Verbraucher als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist.
50

Der von der Beklagten angeführte Gedanke des § 814 BGB greift hier nicht durch. Selbst wenn die Kläger bei Lektüre des Vertrages hätten erkennen können, dass die Widerrufsfrist nicht angelaufen war, da die Angaben zur Aufsichtsbehörde und zum Verfahren bei Kündigung des Vertrages fehlten, so reicht dies nicht aus, um positive Kenntnis zu begründen. Im Übrigen gilt Gleiches für die Beklagte, von der der Vertragstext stammte. Bei einer Abwägung des Verhaltens und beider Interessen erscheint das Verhalten der Kläger nicht widersprüchlicher als das der Beklagten. Zwar war eine Nachbelehrung über das – gesetzliche – Widerrufsrecht hinsichtlich der vertraglichen Fristanlaufvoraussetzungen nicht erforderlich und sinnvoll. Jedoch hätte sie jederzeit die Angaben selbst nachholen können – mit der Folge des Beginns der dann einmonatigen Widerrufsfrist.
51

5. Entgegen der Ansicht der Berufung (II 65) sind die sich aus dem Rückabwicklungsverhältnis ergebenden Ansprüche auch nicht wegen § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 218 BGB verjährt.
52

a) Zum einen erfolgt der Widerruf nicht – wie § 218 BGB das verlangt – „wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung“ (a.A. Seggewiße/Weber, BKR 2016, 286 ff.). Denn das setzt voraus, dass dem Gläubiger das Lösungsrecht gerade wegen Nicht- oder Schlechterfüllung einer Pflicht durch den Schuldner zusteht. Das Widerrufsrecht wird dem Darlehensnehmer indes durch das Gesetz selbst (§ 495 Abs. 1 BGB) eingeräumt und entsteht nicht erst durch eine Pflichtverletzung der Bank, auch wenn die Erteilung einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung als Pflichtverletzung angesehen wird (vgl. BGH, Urteil vom 19.09.2006 – XI ZR 204/04 -, BGHZ 169, 109 Rn. 41 zum HWiG). Als Rechtsfolge dessen sieht das Gesetz aber nur vor, dass die Ausschlussfrist des § 355 Abs. 3 Satz 1 GB aF nach § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB aF nicht gilt. Ein „neues“ Widerrufsrecht aufgrund dieser Pflichtverletzung wird jedoch nicht geschaffen (vgl. auch Potzner, NJW 2016, 3479, 3480).
53

b) Unabhängig davon erfasst die in § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. enthaltene Verweisung auf die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt schon nicht die Norm des § 218 BGB. Wie sich aus dem Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (BT-Drucks. 14/6040, S. 18, 199) ergibt, entspricht der damit neu eingefügte § 357 Abs. 1 BGB a.F. dem bisherigen § 361a Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB. Dort werden aber nur die „Vorschriften dieses Titels“ in Bezug genommen, was mit der Begründung des – § 361a BGB a.F. einführenden – Entwurfs eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro (BT-Drucks. 14/2658, S. 6, 47) korrespondiert, in der auf den „Inhalt der §§ 346 und 349 BGB“ verwiesen wird.
54

Nach alldem ist davon auszugehen, dass die Widerrufserklärung des Klägers vom 28.07.2015 wirksam ist und sich der Darlehensvertrag vom 13.01.2011 daher in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt hat. Dies war dem in der mündlichen Verhandlung modifizierten Antrag (II 81) entsprechend festzustellen.
III.
55

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
56

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Das Berufungsurteil orientiert sich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. nunmehr BGH, Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15 – juris). Soweit das Oberlandesgericht Frankfurt (Urteil vom 18.05.2016 – 17 U 67/15 -, juris Rn. 51) das Europäische Standardisierte Merkblatt für die Erfüllung der Informationspflichten hinsichtlich der Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde hat ausreichen lassen, war dieser Gesichtspunkt dort nicht tragend und hat sich die Entscheidung durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.11.2016 (XI ZR 434/15) überholt. Gleiches gilt hinsichtlich der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 06.07.2016 (13 U 103/14 -, juris Rn. 25 ff.). Eine Divergenz bei der Beantwortung abstrakter Rechtsfragen besteht hinsichtlich der naturgemäß von einer tatrichterlichen Würdigung der Einzelfallumstände geprägten und damit generellen Obersätzen nicht zugänglichen Frage der Verwirkung oder des Rechtsmissbrauchs nicht.
57

Gemäß § 63 Abs. 2 GKG waren der Streitwert des Berufungsverfahrens festzusetzen und gemäß § 63 Abs. 3 GKG der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens zu korrigieren.

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