LG Berlin, Urteil vom 26.06.2019 – 65 S 55/19

Mai 25, 2021

LG Berlin, Urteil vom 26.06.2019 – 65 S 55/19

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 9. Januar 2019 – 17 C 224/18 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern unter Vorlage eines Beleges Auskunft darüber zu erteilen, wie hoch die Miete war, die die vorherigen Mieter der am 15. Dezember 2017 von den Klägern gemieteten Wohnung in der (…)straße (…), (…) Berlin, Vorderhaus, 2. OG rechts der Beklagten ein Jahr vor Beendigung des Mietverhältnisses schuldeten.

Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern Auskunft darüber zu erteilen, ob in den letzten 3 Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses (…)straße (…), (…) Berlin, Vorderhaus 2. Obergeschoss rechts der Beklagten mit den Klägern von der Beklagten Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, die bei Ermittlung der zulässigen Miete gemäß § § 556d, 556e Abs. 2 BGB zu berücksichtigen sind und wie hoch die gemäß § 556e Abs. 2 BGB zu berücksichtigenden Kosten für diese Modernisierung waren.

Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern den Energieausweis des Gebäudes (…)straße (…), (…) Berlin vorzulegen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.
Gründe

I.

Wegen des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz und ihrer dort gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. Januar 2019 bezüglich des von den Klägern mit der Berufung weiterverfolgten Auskunftsanspruchs über die Vormiete abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Auskunftsanspruch erfüllt sei; er beschränke sich auf die Abgabe einer Wissenserklärung, die abgegeben worden sei. Von einer Nichterfüllung sei nur auszugehen, wenn offensichtlich ist, dass die Erklärung nicht dem Wissen des Auskunftsschuldners entspricht. Belegansprüche würden die Kläger nicht einklagen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die Kläger haben gegen das ihnen am 31. Januar 2019 zugestellte Urteil am 27. Februar 2019 Berufung eingelegt und diese am 26. März 2019 begründet. Sie meinen, dem Vermieter sei es zumutbar, die von ihm aufgestellte Behauptung der gleich hohen Vormiete und damit das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des § 556e Abs. 1 BGB zu belegen. Wenn der Vermieter die Vormiete ohne jeden Nachweis letztlich nur behaupten müsse, liefe das Auskunftsrecht des Mieters leer.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Neukölln vom 9. Januar 2019 – 17 C 224/18 – zu verurteilen,

den Klägern Auskunft darüber zu erteilen, wie hoch die Miete war, die die vorherigen Mieter der am 15. Dezember 2017 von den Klägern gemieteten Wohnung in der (…)straße (…), (…) Berlin, Vorderhaus, 2. OG rechts der Beklagten schuldeten;

nach Erteilung der Auskunft,

festzustellen, dass die Kläger nicht verpflichtet sind, aufgrund des Mietvertrages zwischen den Parteien vom 15. Dezember 2017 über die vorgenannte Wohnung eine monatliche Miete an die Beklagte zu zahlen, die die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10 % bzw. den Betrag übersteigt, der aus der Auskunft aus dem erststufigen Antrag zu ermitteln ist bzw. die Sache insoweit an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung ohne eigene Begründung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze und der ihnen beigefügten Anlagen Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen – soweit das Amtsgericht die Klage abgewiesen hat – eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

a) Da die Beklagte die für die Bezifferung des Feststellungsantrages zu 2) (bzw. nach zwischenzeitlicher Beendigung des Mietverhältnisses eines etwaigen Zahlungsantrages) erforderlichen Auskünfte bislang nicht erteilt hat, ist durch Teilurteil über die erste Stufe der nach § 254 ZPO zulässigen Klage zu entscheiden (vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl. 2016, ZPO § 254 Rn. 20). Das Urteil des Amtsgerichts ist folgerichtig hinsichtlich der Klageabweisung insgesamt – auch bezüglich des Feststellungsantrages – abzuändern. Über diesen kann erst nach vollständiger – vom Amtsgericht teilweise auch zugesprochener – Erteilung der Auskünfte verhandelt und entschieden werden. Die Entscheidung über das weitere prozessuale Vorgehen liegt – in Abhängigkeit vom Inhalt der zu erteilenden Auskünfte – bei den Klägern (vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl. 2016, ZPO § 254 Rn. 26f).

b) Soweit die Kläger ihren auf Auskunftserteilung gerichteten Antrag im Termin der mündlichen Verhandlung vor der Kammer präzisiert haben, handelt es sich nicht um eine Klageänderung. Dies ergibt sich aus der – von der Kammer auch weitergehend vorgenommenen – Auslegung des Klageantrags, für dessen Verständnis nicht am buchstäblichen Wortlaut zu haften ist. Das Gericht hat den erklärten Willen zu erforschen, wie er aus der Klage- sowie Berufungsbegründung, des Prozessziels und der Interessenlage folgt (vgl. BGH, Urt. v. 13.03.2018 – VI ZR 143/17, MDR 2018, 606, nach juris Rn. 8).

Danach ergibt sich hier, dass die Kläger nicht etwas anderes beantragen, sondern von Anfang an Auskunft über die Tatsachen begehrt haben, die nach § 556e BGB eine Überschreitung der nach § 556d BGB höchst zulässigen Miete erlauben, wobei dieses Begehren – über die außergerichtlich erteilte Auskunft über die Höhe der Vormiete hinaus – auf die Vorlage eines Beleges gerichtet war.

c) Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auskunft über die Höhe der Vormiete einschließlich Belegvorlage aus §§ 556g Abs. 3, 556e Abs. 1 BGB aF.

aa) Auf den hier gegenständlichen Auskunftsanspruch sind die Vorschriften der §§ 556d ff BGB in der bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 49 Abs. 2 EGBGB. Nach dieser Regelung ist auf ein bis einschließlich 31. Dezember 2018 abgeschlossenes Mietverhältnis § 556g BGB in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden; das hier gegenständliche Mietverhältnis wurde am 15. Dezember 2017 abgeschlossen.

bb) Der Anspruch ist nicht durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen.

(1) Die zwischen den Parteien im Mietvertrag vom 15. Dezember 2017 vereinbarte Miete überschreitet die nach § 556d Abs. 1 BGB iVm der MietenbegrenzungsVO Berlin höchst zulässige Miete.

Ohne dass die Beklagte dem erstinstanzlich entgegengetreten wäre, haben die Kläger berechnet, dass die ortsübliche Vergleichsmiete nach dem – im Berechnungszeitpunkt veröffentlichten – Berliner Mietspiegel 2017 bei 733 € lag, die nach § 556d Abs. 1 BGB iVm der MietenbegrenzungsVO Berlin höchst zulässige Miete demnach 806 € betrug, während im Mietvertrag eine Nettokaltmiete von 1.300 € vereinbart wurde.

(2) Für die Wirksamkeit der im Mietvertrag getroffenen Vereinbarung über die Höhe der Nettokaltmiete kommt es daher darauf an, ob die Beklagte sich – außergerichtlich und gerichtlich – zu Recht auf den Ausnahmetatbestand nach § 556e Abs. 1 BGB beruft, § 556g Abs. 1 BGB.

Die Höhe der Vormiete bzw. das Vorliegen etwaiger Gegenausnahmen nach § 556e Abs. 1 Satz 2 BGB ist dem Mieter regelmäßig – ohne eine entsprechende Auskunft des Vermieters – nicht bekannt.

§ 556g Abs. 3 BGB verpflichtet den Vermieter daher, auf Verlangen des Mieters Auskunft über die Tatsachen zu erteilen, die für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete nach den Vorschriften des Unterkapitels – das heißt insbesondere nach den in §§ 556e f. BGB formulierten Ausnahmen – maßgeblich sind, soweit diese Tatsachen nicht allgemein zugänglich sind und der Vermieter hierüber unschwer Auskunft geben kann. Nach § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB darf in Abweichung zu § 556d Abs. 1 BGB eine Miete bis zur Höhe der Vormiete vereinbart werden, wenn die vom vorherigen Mieter ein Jahr vor Beendigung des Mietverhältnisses geschuldete Miete höher als die nach § 556d Abs. 1 BGB zulässige Miete war.

Auf das Auskunftsverlangen der Kläger vom 25. März 2018 hat die Beklagte mit der Angabe reagiert, dass die Vormieter schon eine Nettokaltmiete in dieser Höhe gezahlt hätten. Weitere Einzelheiten teilte sie weder außergerichtlich noch im Rechtsstreit mit. Sie gab auch nicht an, ob die Vormiete auf einer Mieterhöhung im letzten Jahr vor Beendigung des Mietverhältnisses beruhte. Das Verlangen auf Vorlage einer Kopie des Vormietvertrages ließ die Beklagte unbeantwortet.

Ob die (schlichte) Angabe der Vormiete bzw. hier die Angabe, die Vormiete sei genauso hoch wie die zwischen den Parteien vereinbarte Miete gewesen, ausreicht, wird (in der Literatur) unterschiedlich beantwortet. Rechtsprechung ist dazu – soweit ersichtlich – nicht veröffentlicht.

Teilweise wird vertreten, dass sich der Auskunftsanspruch – als reine Wissenserklärung – auf die Preisgabe der Information als solche beschränkt; ein Anspruch auf Vorlage von Belegen, etwa des Vertrages mit dem Vormieter bestehe nicht. Zweifel seien im Prozess zu beseitigen (vgl. MüKoBGB/Artz, 7. Aufl., 2016, § 556g Rn. 11; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 13. Aufl., 2017, § 556g Rn. 34; Staudinger/V Emmerich, 2018, BGB § 556g Rn. 29). Halte der Mieter die Angaben des Vermieters – etwa über die Vormiete – für falsch, so stehe es ihm frei, es auf einen Rechtsstreit über die Höhe der Miete ankommen zu lassen, in dem dann den Vermieter die Beweislast über die Vormiete treffe (vgl. Staudinger/V Emmerich, 2018, BGB § 556g Rn. 29a). Auskunft und Belegvorlage seien gesetzlich zwei verschiedene Dinge. Soweit das Gesetz eine Verpflichtung zur Vorlage von Belegen anordne, sei dies jeweils speziell zusätzlich zur Auskunftsverpflichtung angeordnet worden, etwa in § 666 BGB oder in § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB. Auch beim allgemeinen, aus § 242 BGB hergeleiteten Auskunftsanspruch bestehe keine Belegvorlagepflicht (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 13. Aufl., 2017, § 556g Rn. 3).

Die Gesetzesmaterialien sprechen für einen weitergehenden Anspruch auch auf Belegvorlage. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Mietrechtsnovellierungsgesetz (BT-Ds. 18/3121) wird ausgeführt, dass die Auskunftspflicht des Mieters dem Umstand Rechnung trage, dass dem Mieter häufig die Tatsachen nicht bekannt sind, die er für die Prüfung der zulässigen Miethöhe benötige. Auf die ihm nicht zugänglichen Umstände sei die Auskunftspflicht in inhaltlicher Hinsicht beschränkt. Zumutbar sei es ihm demgegenüber, zur Feststellung der zulässigen Miete allgemein zugängliche Quellen zu nutzen, insbesondere den örtlichen Mietspiegel. Die Auskunftspflicht erfasse demnach (nur) solche Umstände, die in der Sphäre des Vermieters liegen und die der Vermieter bereits kennt oder ohne weiteres ermitteln kann. Der Gesetzgeber bezieht sich insoweit auf die ständige Rechtsprechung im Rahmen von Auskunftsansprüchen nach § 242 BGB, wonach es darauf ankommt, ob der Verpflichtete in der Lage sei, unschwer die zur Beseitigung einer Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (Bezug: BGH, Urt. v. 06.07.2007 – X ZR 117/04, NJW 2007, 1806, beckonline). Im Fall des § 556e Abs. 1 BGB könne sich die Auskunftspflicht auf Informationen aus dem Vormietverhältnis erstrecken. Dabei dürfe der Vermieter Daten des bisherigen Mieters jedenfalls mitteilen, wenn dieser eingewilligt hat. Verlange der Mieter einen Nachweis über die Höhe der Vormiete, sei der Vermieter in der Regel befugt, dem Mieter ein geschwärztes Vertragsdokument vorzulegen (vgl. BT-Drs. 18/3121, Seite 33f.).

Unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung wird daher auch vertreten, dass der Mieter die Vorlage geschwärzter Vertragsdokumente (auch Mieterhöhungsverlangen/-erklärungen) das Vormietverhältnis betreffend verlangen kann (vgl. BeckOGK/Fleindl, BGB § 556g Rn. 108; Hinz, ZMR 2015, 593, [598]). Das schlichte Nennen der Vormiete ohne Nachweis könne den Zweck des Auskunftsanspruchs, Rückforderungsprozesse zu vermeiden, tatsächlich nicht erfüllen.

Die Kammer folgt der letztgenannten Auffassung mit Rücksicht auf die Gesetzesmaterialien und die Rechtsprechung des BGH zum Auskunftsanspruch aus § 242 BGB.

Der Gesetzgeber hat seine Vorstellungen zum Umfang der Auskunftspflicht des Vermieters zuletzt in der Begründung der Regelung in § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB nF konkretisiert, mit der im Rahmen des Mietrechtsanpassungsgesetzes eine unaufgeforderte Auskunftspflicht über die Vormiete ein Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses vor Abgabe der Vertragserklärung eingeführt wurde (BT-Drs. 19/4672, S. 27). Nach den Gesetzesmaterialien kommt der Vermieter dieser Auskunftsverpflichtung durch die bloße Angabe der Höhe der Vormiete nach. Bezüglich des (unveränderten) Auskunftsanspruchs des Mieters nach § 556g Abs. 3 BGB hat der Gesetzgeber auf die Begründung zum Mietrechtsnovellierungsgesetz 2015 verwiesen (vgl. BT-Drs. 19/4672, S. 27, Bezug: BT-Drs. 18/3121, S. 33f.). Würde sich die Auskunftspflicht nach § 556g Abs. 3 BGB auf die schlichte Angabe der Höhe der Vormiete beschränken, gäbe es für § 556g Abs. 3 BGB – jedenfalls bezüglich des Ausnahmetatbestandes des § 556e Abs. 1 BGB – keinen Anwendungsbereich mehr; die Regelung wäre weitgehend überflüssig. Intention der ergänzenden Regelung war dabei eine Ausweitung der Rechte des Mieters durch Einführung einer Auskunftspflicht bei Vertragsschluss, keine Änderung der Rechte aus § 556g Abs. 3 BGB.

Für eine über die Abgabe der Wissenserklärung hinausgehende Belegvorlagepflicht spricht aus Sicht der Kammer daneben die vom Gesetzgeber ausdrücklich in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Auskunftsanspruch aus § 242 BGB, der dem Anspruchsberechtigten nach Treu und Glauben einen Auskunftsanspruch zubilligt, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen. Der Auskunftsumfang hängt nach der BGH-Rechtsprechung davon ab, ob der Schuldner die Auskunft unschwer erteilen kann, d. h. ohne unbillig belastet zu werden, wobei auch von Bedeutung sein kann, ob der Schuldner ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse an den Angaben geltend machen kann (vgl. BGH; Urt. v. 06.02.2007 – X ZR 117/04, NJW 2007, 1806, [1807, 1809], beck-online, mwN, ua unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 17.05. 2001 – I ZR 291/98, MDR 2002, 228 = BGHZ 148, 26, nach juris).

Der Auskunftsanspruch aus § 242 BGB umfasst zwar nicht grundsätzlich eine Pflicht zur Vorlage von Belegen; sie kann aber (ausnahmsweise) verlangt werden, wenn der Gläubiger auf die Vorlage von Belegen angewiesen ist und dem Schuldner die zusätzliche Verpflichtung zugemutet werden kann (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 260 Rn. 15), denn der Auskunftsanspruch kann sich auf Umstände erstrecken, die der Berechtigte benötigt, um die Verlässlichkeit der Auskunft zu überprüfen. Das kann im Einzelfall ausnahmsweise auch einen Anspruch auf Belegvorlage rechtfertigen vgl. BGH, Urt. v. 17.05.2001 – I ZR 291/98, MDR 2002, 228, nach juris Rn. 48; vgl. zur Abgrenzung Belegeinsicht/Belegvorlage nach den Umständen des Einzelfalls auch: BGH, Beschl. v. 13.04.2010 – VIII ZR 80/09, NJW 2010, 2288, nach juris Rn. 2).

So verhält sich hier. Die Kläger haben als Mieter außergerichtlich keine Möglichkeit, die Richtigkeit der schlichten Angabe des Vermieters über die Miethöhe zu überprüfen; sie haben andererseits aufgrund einer – hier erheblichen – Abweichung der vereinbarten Miete von der ortsüblichen Vergleichsmiete bzw. der nach § 556d Abs. 1 BGB iVm der MietenbegrenzungsVO Berlin höchst zulässigen Miete einen sachlich begründeten Anhaltspunkt für die Möglichkeit der Teilunwirksamkeit der mietvertraglichen Vereinbarung über die Miethöhe. Sie werden mit der Geltendmachung etwaiger Ansprüche aus §§ 556d ff. im Übrigen nicht nur im eigenen Interesse, sondern durchaus im Interesse auch anderer Mieter in angespannten Wohnungsmärkten aktiv, denn es wird damit mittelbar die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete beeinflusst (vgl. § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Der Gesetzgeber hat im Rahmen der §§ 556d ff BGB einen rechtlichen Ansatz gewählt, nach dem die mit dem Gesetz beabsichtigte, gesellschaftlich wohl gewollte Wirkung der Dämpfung des Mietanstiegs bei der Wiedervermietung im Einzelfall und den angespannten Markt betreffend letztlich davon abhängt, ob der einzelne Mieter seine Rechte gegenüber dem Vermieter, mit dem er gerade einen Mietvertrag abgeschlossen hat, wahrnimmt. Zum Schutz des Vermieters hat er jedoch Ausnahmetatbestände vorgesehen, die einen – nach den allgemein zugänglichen Quellen (Mietspiegel) – bestehenden Anspruch aus Gründen, die nicht im Kenntnisbereich des Mieters stehen (können), dann doch ausschließen (vgl. krit. Artz/Börstinghaus, NZM 2019, 12, nach beck-online). Wird – wie nach den Gesetzesmaterialien und bei strenger Auslegung bzw. Differenzierung zwischen (reinen) Auskunfts- und (darüber hinausgehenden) Belegvorlageansprüchen sicher vertretbar – im Zusammenhang mit der Angabe der Vormiete auf die Pflicht zur Vorlage eines geeigneten Beleges verzichtet, so wird dem Mieter ein zusätzliches (Prozess-)Risiko auferlegt, das weder mit dem Sinn und Zweck der Regelungen in den §§ 556d ff BGB vereinbar, noch – mit Blick auf die vom BGH entwickelten Maßstäbe – aufgrund schutzwürdiger Belange des Vermieters erforderlich erscheint.

Die Gegenauffassung zugrunde gelegt, wird der Mieter – aufgrund eines Ausnahmetatbestandes zugunsten des Vermieters – letztlich gezwungen, „ins Blaue hinein“ eine Rückforderungs- und Feststellungsklage zu erheben, in der – das ist sicher zutreffend – den Vermieter die Beweislast für die jeweils geltend gemachten Ausnahmetatbestände trifft. Diesen Rechtsstreit kann der Mieter jedoch ganz oder teilweise mit der zu seinen Lasten wirkenden Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO oder 92 Abs. 1 ZPO verlieren (anders bei der Stufenklage, wenn die – verspätete – Auskunft ergibt, dass ein Leistungsanspruch nicht besteht, vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl., 2016, ZPO § 254 Rn. 27, mwN).

Der Mieter kann demgegenüber unschwer schon außergerichtlich ein deutliches „Mehr“ an Sicherheit gewinnen, wenn er den (bezüglich der persönlichen Daten des Vormieters geschwärzten) Vormietvertrag oder einen anderen geeigneten Beleg erhält. Nur so können, ohne Rechte des Mieters zu verkürzen, Prozesse vermieden und Prozessrisiken sachlich begründet abgeschätzt werden, vor allem aber die Durchsetzung der Regelungen erleichtert und befördert werden, die der Gesetzgeber – wie jüngst bestätigt (vgl. MietrechtsAnpG, BT-Drs. 19/4276) – zur Dämpfung des Mietanstiegs für erforderlich hielt und hält.

Im Rahmen der nach der Rechtsprechung des BGH vorzunehmenden Wertung nicht unberücksichtigt bleiben kann schließlich, dass der Vermieter, der wie hier eine Miete verlangt, die die ortsübliche Vergleichsmiete um 77 % übersteigt, die nach § 556d Abs. 1 BGB iVm der MietenbegrenzungsVO Berlin höchst zulässige um immer noch 61 %, von einer Ausnahmeregelung profitiert, die seine Belange (mehr als) angemessen berücksichtigt. Er setzt sich allerdings auch dem nicht fernliegenden Verdacht eines Verstoßes gegen die Regelungen der §§ 556d ff BGB aus. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Mieter der Beschränkung der Auskunft des Vermieters auf den schlichten Gesetzeswortlaut vertrauen und vor der Wahl stehen muss, wiederum aktiv zu werden, um im Rahmen eines (kosten-)risikobehafteten Rückforderungs- und Feststellungsprozess eine Auskunft zu erhalten, die der Vermieter spätestens dann ohnehin erteilen müsste, aber auch zuvor unschwer hätte erteilen können.

2. Die Kostenentscheidung ist dem Schlussurteil vorzuhalten; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung; auch die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Frage des Umfangs der Auskunftspflicht des Vermieters wird im Schrifttum mit gewichtigen Argumenten unterschiedlich beantwortet; Rechtsprechung liegt – soweit ersichtlich – nicht vor. Die Frage stellt sich potentiell in einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen, nicht nur im Rahmen der gerichtlichen Rechtsverfolgung, sondern auch in der außergerichtlichen Wahrnehmung der sich aus §§ 556d ff BGB folgenden Ansprüche. Die Frage ist durch die Neufassung des § 556g BGB nF im Rahmen des Mietrechtsanpassungsgesetzes 2019 weder gegenstandslos noch abschließend beantwortet worden.

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