VG Köln, Beschluss vom 06.07.2020 – 8 K 15847/17

Mai 29, 2021

VG Köln, Beschluss vom 06.07.2020 – 8 K 15847/17

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe

Der Antrag des Klägers, ihm für seine Klage mit dem Begehren, die Beklagte zum Erlass einer Gerichtskostenforderung (nebst Nebenforderungen) in Höhe von zuletzt insgesamt 8.739,00 Euro zu verpflichten, hat keinen Erfolg.

Gemäß § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Klage bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es kann daher dahin gestellt bleiben, ob die vom Kläger eingereichten Unterlagen seine Mittellosigkeit ausreichend nachweisen.

Die Klage ist voraussichtlich unbegründet. Der Kläger dürfte den geltend gemachten Anspruch auf den Erlass der streitgegenständlichen Gerichtskostenforderung nicht haben; der entsprechende Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist voraussichtlich rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Auf § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 BHO in unmittelbarer Anwendung kann der Kläger einen Erlassanspruch nicht stützen. Nach dieser Vorschrift darf das zuständige Bundesministerium Ansprüche nur erlassen, wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles für den Anspruchsgegner eine besondere Härte bedeuten würde. Diese Vorschrift entfaltet allerdings lediglich Bindungswirkung im Verhältnis der Staatsorgane zueinander und regelt nicht das Verhältnis zum zahlungspflichtigen Bürger.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 06.06.2019 – 4 A 69/16 -, juris, Rn. 49 ff.; OVG NRW, Urteil vom 21.11.2018 – 4 A 2426/15 -, juris, Rn. 52 ff., m. w. N.

Auch aus § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 BHO i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich der geltend gemachte Anspruch voraussichtlich nicht. Art. 3 Abs. 1 GG verschafft in Verbindung mit der ständigen Verwaltungspraxis des Bundesamtes bei der Anwendung von § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BHO einen Anspruch auf Gleichbehandlung.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 06.06.2019 – 4 A 69/16 -, juris, Rn. 52 ff.; OVG NRW, Urteil vom 21.11.2018 – 4 A 2426/15 -, juris, Rn. 63 ff., m. w. N.

Ein Rechtsanspruch auf eine Vergünstigung aus dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich dann, wenn sie aufgrund von Verwaltungsvorschriften, die die Behörde in ständiger Übung anwendet, zu gewähren ist. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften unterliegen keiner eigenständigen Auslegung wie Rechtsnormen. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebunden sind.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.06.2015 ‒ 10 C 15/14 ‒, juris, Rn. 24.

Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BHO dürfen Ansprüche nur erlassen werden, wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles für den Anspruchsgegner eine besondere Härte bedeuten würde. Gemäß der als Selbstbindung im Rahmen der Verwaltungspraxis zu berücksichtigenden ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift § 59 Nr. 3.4 VV-BHO ist eine besondere Härte insbesondere anzunehmen, wenn sich der Anspruchsgegner in einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage befindet und zu besorgen ist, dass die Weiterverfolgung des Anspruchs zu einer Existenzgefährdung führen würde. Nach § 59 Nr. 3.2 VV-BHO ist ein Erlass wiederum nur möglich, wenn eine Stundung nicht in Betracht kommt.

Diese Voraussetzungen dürften vorliegend nicht erfüllt sein.

Dafür, dass der Kläger unverschuldet in eine derartige wirtschaftliche Lage geraten sein könnte, ist vorliegend nichts vorgetragen. Vielmehr hat der Kläger selbst angegeben, eine Erwerbstätigkeit wieder aufnehmen zu wollen, sobald über seine finanzgerichtlichen Rechtsbehelfe entschieden und die Forderung des Finanzamtes gegen ihn in Höhe von rund 190.000 Euro nicht mehr geltend gemacht werde. Der Kläger dürfte es damit nach seinem eigenen Vortrag in der Hand haben, seine wirtschaftliche Situation zu verbessern, um einerseits seinen finanziellen Verpflichtungen – ggf. auch durch (jeweils geringe) Teilzahlungen – nachzukommen und andererseits seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Das gilt umso mehr, als der Kläger Mitglied einer ungeteilten Erbengemeinschaft ist, zu deren Vermögen jedenfalls ein 9 a und 65 m² großes Grundstück gehört, dessen Wert in vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen mit 200.000 Euro beziffert wird und das nach Aktenlage unbelastet ist. Der Kläger hat zwar vorgetragen, seine Mutter und seine Schwester verweigerten als Miterben die Eintragung einer Sicherheit zugunsten eines weiteren Darlehens. Insoweit dürfte er indes darauf zu verweisen sein, dass er gemäß § 2042 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangen kann, soweit sich nicht aus den §§ 2043 bis 2045 BGB etwas anderes ergibt. Gründe, aus denen das Auseinandersetzungsrecht nach diesen Vorschriften hier aufgeschoben oder ausgeschlossen sein sollte, sind nicht ersichtlich und hat der Kläger weder dargelegt, noch glaubhaft gemacht. Soweit der Kläger darauf verweist, dass die Zentrale Zahlstelle Justiz die dortigen Kostenforderungen gegen ihn niedergeschlagen habe, dürfte er für den hier geltend gemachten Anspruch daraus schon deswegen nichts herleiten können, weil eine Niederschlagung anders als ein Erlass nicht zum Erlöschen des Anspruchs führt und von daher andere Voraussetzungen hat. Auch der im Sinne des Klägers ergangene Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 3. Februar 2020 ändert an alledem voraussichtlich nichts: Denn dieser stellt nicht die Existenz des Erbauseinandersetzungsanspruchs in Frage, sondern stützt sich darauf, dass eine Umwandlung desselben in liquide Mittel gemessen am Maßstab des § 851b Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht hinreichend kurzfristig möglich sei.

Auch wenn die Formulierung in § 59 Nr. 3.4 VV-BHO (eine besondere Härte ist „insbesondere“ anzunehmen) dafür spricht, dass nicht ausschließlich wirtschaftliche Gründe zur Bejahung einer besonderen Härte führen, sondern andere, atypisch gelagerte Lebenssachverhalte Berücksichtigung finden können sollen,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2018 – 4 A 2426/15 -, juris, Rn. 71 ff.,

lässt sich darauf ein Erlassanspruch des Klägers voraussichtlich ebenfalls nicht stützen. Denn eine Verwaltungspraxis der Beklagten, Gerichtskosten unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des Schuldners zu erlassen, ist nicht festzustellen. Insbesondere dürfte der Einwand des Klägers, dass die Forderung unberechtigt und die Kostenrechnung deshalb unwirksam sei, hier nicht beachtlich sein. Es ist nicht Sinn und Zweck des § 59 Abs. 1 Nr. 1, 3 BHO bzw. der darauf beruhenden Verwaltungspraxis zur Stundung und zum Erlass einer Forderung, erneut – nachdem sich bereits der Bundesfinanzhof (BFH) hiermit in mehreren Erinnerungsverfahren befasst hat – über die Rechtmäßigkeit der Forderung selbst zu befinden. Die Frage, ob eine unrichtige Sachbehandlung des Bundesfinanzhofs im Sinne des § 21 Abs.1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) vorliegt, ist nicht im Rahmen des Stundung- oder Erlassverfahrens zu prüfen, sondern im Rahmen der Erinnerung gegen den Kostenansatz. Dies folgt bereits aus der sich aus § 21 Abs. 2 Satz 1 GKG ergebenden Wertung des Gesetzgebers. Nach dieser Bestimmung darf sich die Verwaltung im Kostenfestsetzungsverfahren mit der Frage der unrichtigen Sachbehandlung nur bis zur Einleitung eines gerichtlichen Erinnerungsverfahrens befassen. Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass das gerichtliche Erinnerungsverfahren insoweit Vorrang hat. Der BFH hat inzwischen mehrere diesbezügliche Erinnerungen des Klägers zurückgewiesen, so dass schon aus diesem Grunde eine weitere Befassung der Beklagten mit dieser Angelegenheit von Gesetzes wegen ausgeschlossen sein dürfte.

Vgl. dazu bereits VG Köln, Urteil vom 11.04.2019 – 8 K 8718/16 -, juris, Rn. 30.

Eine Neubescheidung dürfte auch nicht deshalb geboten sein, weil die Beklagte die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 BHO unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr vertretbar oder in sonstiger Weise willkürlich als nicht gegeben angesehen hat. In einem solchen Fall kann § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 BHO mit Blick auf das verfassungsrechtliche Willkürverbot, das nicht nur grundrechtlich im allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gesichert ist, sondern zugleich ein Element des das Grundgesetz beherrschenden Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) ist, ausnahmsweise Außenwirkung zukommen und ein subjektives Recht zumindest auf Neubescheidung eines Erlassantrages bestehen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2018 – 4 A 2426/15 -, juris, Rn. 74 ff., m. w. N.

Eine in dieser Weise willkürliche Rechtsanwendung liegt jedoch voraussichtlich nicht vor. Im Gegenteil dürfte hier ein Erlass auch bei Anwendung der etwa zu abgabenrechtlichen Billigkeitstatbeständen entwickelten Grundsätze für einen Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen nicht geboten sein. Danach darf eine Forderung bzw. eine Schuld erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Eine sachliche Billigkeitsmaßnahme stellt dabei immer auf den Einzelfall ab und ist atypischen Fallkonstellationen vorbehalten.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2018 – 4 A 2426/15 -, juris, Rn. 78 ff.

Ein Billigkeitserlass kann in diesem Sinne u. a. geboten sein, wenn ein Gesetz verfassungsgemäß ist, im Einzelfall aber zu Ergebnissen führt, die dem Belastungsgrund des Gesetzgebers zuwiderlaufen. Dies kann der Fall sein, wenn die Erhebung der Steuer im Einzelfall Folgerungen mit sich bringt, die unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellung durch den gebotenen Anlass nicht mehr gerechtfertigt sind. Ein Erlass kommt dann in Betracht, wenn nach dem Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu beantwortende Frage – hätte er sie geregelt – im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Härten, die dem Besteuerungszweck entsprechen und die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, können einen Billigkeitserlass dagegen nicht rechtfertigen, sondern sind allenfalls durch eine Gesetzeskorrektur zu beheben.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.12.1994 – 2 BvR 89/91 -, juris, Rn. 37 f., m. w. N.; BFH, Urteil vom 25.09.2013 – VII R 7/12 -, juris, Rn. 10; BVerwG, Urteil vom 23.08.1990 – 8 C 42/88 -, juris, Rn. 26, m. w. N.

Die Kostenerhebung, für die der Kläger Erlass begehrt, ist gerade die vom Gesetz vorgesehene typische Folge des vom Kläger vor dem BFH betriebenen Verfahrens wegen Nichtzulassung der Revision bzw. der von ihm erhobenen Anhörungsrüge. Anhaltspunkte, nach denen von einem atypischen Fall auszugehen wäre, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entscheidet, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.

Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.

Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.

Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.

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