Saarländisches OLG, Beschluss vom 16.01.2018 – 5 W 73/17

Juni 14, 2021

Saarländisches OLG, Beschluss vom 16.01.2018 – 5 W 73/17

1. Die Eintragung eines Haftungsausschlusses gemäß § 25 Abs. 2 HGB hat zu erfolgen, wenn die Möglichkeit der Bejahung der Haftungsvoraussetzungen nach § 25 Abs. 1 HGB zumindest ernsthaft in Betracht kommt.

2. Eine Firmenfortführung im Sinne des § 25 Abs. 1 HGB liegt nicht vor, wenn eine Handelsgesellschaft vereinbarungsgemäß beabsichtigt, den Namen einer anderen, bislang unter dieser Firma am Markt tätigen Handelsgesellschaft „ähnlich einer Marke“ im Rechtsverkehr weiterzuverwenden.
Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken – Registergericht – vom 3. August 2017 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe

I.

Mit Schreiben vom 11. April 2017 hat die Antragstellerin zur Eintragung in das Handelsregister Folgendes angemeldet (Bl. 145 d.A.):

Die E. Sch., Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Sitz in S. hat von P. E. GmbH mit dem Sitz in H. umfangreiche Vermögenswerte erworben. Hierbei wurde vereinbart, dass E. Sch., Gesellschaft mit beschränkter Haftung berechtigt ist, den Namen „P. E.“ im Rechtsverkehr zu verwenden.

Rein vorsorglich wird zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet, dass die Haftung der E. Sch., Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Sitz in S. für die im Betrieb des Geschäfts der P. E. GmbH mit dem Sitz in H. begründeten Verbindlichkeiten ausgeschlossen ist.

Auf Nachfrage des Amtsgerichts zu den Hintergründen ihres Anliegens hat die Antragstellerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten ausgeführt, aus ihrer Sicht sei nicht davon auszugehen, dass die P. E. GmbH mittelfristig noch als werbende Gesellschaft tätig bleibe. Da sie aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung den Namen „P. E.“ im Rechtsverkehr führen werde, auch unter Verwendung der bisherigen wesentlichen Produktionsmittel der P. E. GmbH voraussichtlich auch bisherige Kunden beliefern und mit bisherigen Vertragspartnern dieser Gesellschaft kontrahieren werde, sei es durchaus wahrscheinlich, dass ihr ohne die beantragte Eintragung eine Haftung aus § 25 Abs.1 HGB drohe (Bl. 148 f. d.A.).

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 3. August 2017 (Bl. 153 f. d.A.) die beantragte Eintragung abgelehnt. Zu Begründung hat es ausgeführt, dass es sich vorliegend nicht um einen Firmenfortführung im Sinne des § 25 HGB, sondern um die bloße Verwendung des Namens der P. E. GmbH im Rechtsverkehr handele und daher die Eintragung eines Haftungsausschlusses nach § 25 Abs.2 HGB nicht in Betracht komme.

Gegen den ihr am 9. August 2017 zugestellten Beschluss richtet sich die im Original am 30. August 2017 eingegangene Beschwerde der Antragstellerin, mit der diese unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens ihr Anliegen auf Eintragung eines Haftungsausschlusses weiter verfolgt.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 162 ff. d.A.)

II.

Die nach den §§ 382 Abs. 3, 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Der Senat ist mit dem Amtsgericht der Auffassung, dass die beantragte Eintragung eines Haftungsausschlusses gemäß § 25 Abs. 2 HGB unter den gegebenen Umständen nicht in Betracht kommt.

1.

Die Eintragung eines Haftungsausschlusses nach § 25 Abs. 2 HGB hat zu erfolgen, wenn sich anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Beurteilungskriterien ergibt, dass die Möglichkeit der Bejahung der Haftungsvoraussetzungen nach § 25 Abs. 1 HGB zumindest ernsthaft in Betracht kommt. Grund hierfür ist, dass Erwerber davor geschützt werden müssen, dass das Registergericht die Eintragungsfähigkeit des Haftungsausschlusses verneint, das Prozessgericht auf Klage eines Gläubigers die Haftungsvoraussetzungen des § 25 Abs. 1 HGB indes bejaht (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1999, 396; OLG Düsseldorf, MDR 2011, 924; OLG Zweibrücken, NZG 2013, 1235; Burgard, in: Staub, HGB Großkommentar 5. Aufl., § 25 Rn. 131).

a)

Nach § 25 Abs. 1 HGB haftet, wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführt, (auch) für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB greift nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird (BGH, Urteil vom 5. Juli 2012 – III ZR 116/11, MDR 2012, 1176). Der Haftungstatbestand des § 25 Abs. 1 HGB ist mithin unter den folgenden drei Voraussetzungen gegeben: Das Geschäft muss unter Lebenden erworben sein; es muss also ein Wechsel des Unternehmensträgers stattgefunden haben. Sodann muss der neue Inhaber das Geschäft weiterführen. Schließlich muss er auch die Firma fortführen, wobei es nach der Verkehrsauffassung genügt, dass der Kern der alten und der neuen Firma sich gleichen (siehe zuletzt etwa OLG Hamm, Beschluss vom 25. Mai 2016 – 27 W 23/16, juris, m.w.N.). Ist nur eines der angeführten Tatbestandsmerkmale nicht vorhanden, so tritt eine Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB nicht ein (BayObLG, NJW-RR 1988, 869).

b)

Die Frage, ob eine Firmenfortführung vorliegt, ist aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise zu beantworten, für die allein entscheidend ist, dass die unter dem bisherigen Geschäftsinhaber tatsächlich geführte und von dem Erwerber weiter geführte Firma eine derart prägende Kraft besitzt, dass der Verkehr sie mit dem Unternehmen gleichsetzt und in dem Verhalten des Erwerbers eine Fortführung der bisherigen Firma sieht („Kontinuität“; BGH, Urteil vom 5. Juli 2012 – III ZR 116/11, MDR 2012, 1176). Für die Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 HGB kommt es nicht darauf an, welche Erklärung gegenüber dem Registergericht abgegeben wird, sondern vielmehr darauf, unter welcher Bezeichnung ein Unternehmen tatsächlich am Markt auftritt (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1986 – II ZR 303/85, NJW 1987, 1633; Urteil vom 4. November 1991 – II ZR 85/91, NJW 1992, 911). Dass die alte Firma nicht unverändert fortgeführt wird, ist unerheblich, sofern der prägende Teil der alten in der neuen Firma beibehalten ist und deswegen die mit dem jeweiligen Unternehmen in geschäftlichem Kontakt stehenden Kreise des Rechtsverkehrs die neue Firma noch mit der alten identifizieren (BGH, Urteil vom 5. Juli 2012 – III ZR 116/11, MDR 2012, 1176, m.w.N.). § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB gelangt auch dann zur Anwendung, wenn eine „sukzessiv erfolgende Unternehmensübernahme“ vorliegt, es also zeitweilig zu einer parallelen Existenz von Alt- und Neuunternehmen kommt, sofern sich für den Rechtsverkehr die Betätigung des übernehmenden Unternehmens als Weiterführung des ursprünglichen Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellt (BGH, Urteil vom 5. Juli 2012 – III ZR 116/11, MDR 2012, 1176; Urteil vom 24. September 2008 – VIII ZR 192/06, NJW-RR 2009, 820).

c)

Da die Rechtsfolge des § 25 Abs. 1 HGB an die „Fortführung“ der Firma anknüpft, ist überdies erforderlich, dass die Bezeichnung vom Erwerber so geführt wird, dass der Verkehr daraus entnehmen muss, es handle sich um die vom Unternehmer gewählte Firma (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1986 – II ZR 303/85, NJW 1987, 1633; Burgard, in: Staub, a.a.O., § 25 HGB Rn. 66; Reuschle, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB 3. Aufl., § 25 Rn 48). Gemeint ist die Firma als Handelsname des Kaufmannes oder Name der Gesellschaft i.S.d. § 17 HGB (Burgard, in: Staub, a.a.O., § 25 HGB Rn. 64). Die Übernahme eines Handelsgeschäfts unter Fortführung einer bloßen Geschäfts- oder Etablissementbezeichnung löst dagegen keine Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB aus (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – II ZR 140/13, ZIP 2014, 1329; vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1956 – II ZR 32/56, BGHZ 22, 234; Urteil vom 29. April 1964 – VIII ZR 2/63, DB 1964, 1297). Auf die Fortführung einer Etablissement- oder Geschäftsbezeichnung als Firma kann § 25 Abs. 1 HGB auch nicht entsprechend angewandt werden (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – II ZR 140/13, ZIP 2014, 1329; vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1991 – XI ZR 256/90, ZIP 1991, 1586; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB 37. Aufl., § 25 Rn. 8; ; Burgard, in: Staub, a.a.O., § 25 HGB Rn. 64 ff.; Reuschle, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, a.a.O., § 25 Rn. 47; Ries in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. § 25 Rn. 17).

2.

Danach sind die Voraussetzungen der von der Antragstellerin begehrten Eintragung hier schon deshalb nicht erfüllt, weil es an der – eigenständigen – Voraussetzung einer „Firmenfortführung“ fehlt und infolgedessen die Möglichkeit einer Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB hier nicht ernsthaft in Betracht kommt.

a)

Hierfür genügt nicht, dass die Antragstellerin, die nach ihren Angaben umfangreiche Vermögenswerte von der P. E. GmbH erworben hat, vereinbarungsgemäß berechtigt ist, den Namen „P. E.“ im Rechtsverkehr zu verwenden. Darin liegt – wie die Antragstellerin im Übrigen selbst einräumt – nicht die Fortführung des Namens dieser Gesellschaft als Firma (vgl. § 17 HGB); vielmehr zielt die dargestellte Vereinbarung nur darauf ab, einen dieser Firma ähnelnden Namen als bloße Marke oder Geschäftsbezeichnung zu verwenden. Marken kennzeichnen das Produkt des Unternehmens, nicht dieses selbst (Hopt, in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 17 Rn. 10). Geschäftsbezeichnungen haben zwar ebenso wie Firmen Namensfunktion; im Unterschied zu Firmen, die als Name des Kaufmanns den Unternehmensträger bezeichnen, benennen sie Unternehmen oder Unternehmensteile, insbes. Betriebsstätten (Burgard, in: Staub, a.a.O., § 17, Rn. 15; Ries in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, a.a.O., § 17 Rn. 9). Handelsgesellschaften können, selbst wenn sie klar getrennt mehrere Handelsgeschäfte betreiben, stets nur eine einzige Firma führen, der zugleich ihr Name schlechthin ist; wollen sie erworbenes Unternehmen weiterführen, dürfen sie dessen Firma nicht fortführen, ohne auf ihre bisherige Firma zu verzichten (BGH, Beschluss vom 21. September 1976 – II ZB 4/74 -, BGHZ 67, 166; Hopt, in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 17 Rn. 9). Hingegen können auch sie verschiedene Handelsgeschäfte und Abteilungen desselben Handelsgeschäfts durch andere Kennzeichnungen unterscheiden (Hopt, in: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 17 Rn. 9). So liegt es auch hier, wenn die Antragstellerin, die als Handelsgesellschaft unter „E. Sch. GmbH“ firmiert, vereinbarungsgemäß lediglich die Bezeichnung „P. E.“ im Rechtsverkehr nutzen will: Sowohl ihre Anmeldung als auch ihr weiterer Vortrag verweisen nur auf die beabsichtigte Verwendung dieses Namens durch die Antragstellerin, „ähnlich einer Marke“ (Bl. 151 d. A.), ohne dass damit zugleich eine Übernahme der Firma dieser Gesellschaft beabsichtigt wäre.

b)

Ein solcher Tatbestand unterfällt nicht § 25 Abs. 1 HGB und ist daher nicht eintragungsfähig. Da die Rechtsfolge des § 25 Abs. 1 HGB an die Fortführung der Firma anknüpft, ist es erforderlich, dass die Bezeichnung „firmenmäßig“, d.h. so geführt wird, dass der Verkehr daraus entnehmen muss, es handle sich um die vom Unternehmer gewählte Firma (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1986 – II ZR 303/85, NJW 1987, 1633; vgl. auch OLG Hamm, NJW-RR 1997, 733). Das ist unter den gegebenen Umständen jedoch nicht der Fall. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin das Handelsgewerbe der P. E. GmbH unter deren bisheriger Firma fortführen wird. Soweit die Antragstellerin als Handelsgesellschaft nur eine Firma führen kann, die zugleich ihr Name ist, stellt die beabsichtigte Verwendung der Bezeichnung „Papier-P. E.“ im Sinne einer werbenden Bezeichnung aus der – maßgebenden – Sicht der beteiligten Verkehrskreise (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 28. November 2005 – II ZR 355/03, NJW 2006, 1002) nicht als Firmenfortführung dar. Bei dieser Sachlage ist auf der Grundlage der mittlerweile gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung (zuletzt BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – II ZR 140/13, ZIP 2014, 1329) das Risiko einer Haftung aus § 25 Abs. 1 HGB hier nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen. Soweit frühere obergerichtliche Entscheidungen mit Blick auf den damaligen Meinungsstand, auf den auch die Beschwerde unter Verweis auf – ausnahmslos – ältere Kommentierungen abhebt, insoweit eine großzügigere Betrachtung an den Tag gelegt haben (vgl. OLG München, ZIP 2008, 1323; OLG Köln, NJW-RR 2010, 1558; OLG Zweibrücken, ZIP 2014, 569), erscheint dies dem Senat nunmehr als überholt.

c)

Fehlt es mithin am Tatbestand des § 25 Abs. 1 HGB, so scheidet die Eintragung eines Haftungsausschlusses nach § 25 Abs. 2 HGB aus (OLG Zweibrücken, NZG 2013, 1235). Dass die vorgetragenen Umstände aufgrund der Namensgleichheit der verwendeten Bezeichnung möglicherweise zur tatsächlichen Verwechslung mit der Firma P. E. GmbH und, daraus resultierend, außerhalb des Anwendungsbereichs des § 25 HGB zu einer Haftung unter Rechtsscheinsgesichtspunkten führen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2012 – III ZR 116/11, MDR 2012, 1176; Burgard, in: Staub, a.a.O., § 25 Rn. 67; einschränkend Ries in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, a.a.O., § 25 Rn. 21), begründet keinen eintragungsfähigen Sachverhalt (vgl. BayObLG, NJW-RR 1988, 869; OLG Hamm, NJW-RR 1994, 1119; OLG München, ZIP 2008, 1323).

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.