Oberverwaltungsgericht des Saarlandes 1 B 72/21

Juli 28, 2021

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes 1 B 72/21

1. Einwendungen gegen die im Gewerbesteuermessbescheid festgelegten Besteuerungsgrundlagen können ausschließlich im Rechtsweg vor den Finanzgerichten erhoben werden. Im verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsverfahren gegen einen Gewerbesteuerbescheid sind sie ausgeschlossen (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 12.3.1993 – 8 C 20/90 –, juris). Dies gilt, solange der Gewerbesteuermessbescheid wirksam und vollziehbar ist.(Rn.22)

2. Der Effektivität des in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsschutzes wird durch die Möglichkeit der finanzgerichtlichen Anfechtung der Gewerbesteuermessbescheide sowie dadurch genügt, dass nach § 69 Abs. 2 und 3 FGO vom Finanzgericht vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide gewährt werden kann und dass, wenn dies geschieht, nach § 361 Abs. 3 Satz 1 AO (juris: AO 1977) auch die Vollziehung der aufgrund der Gewerbesteuermessbescheide erlassenen Gewerbesteuerbescheide auszusetzen ist (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 17.1.1980 – 7 C 56/78 –, juris).(Rn.22)

3. Die Festsetzung der Gewerbesteuer unterliegt regelmäßig gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO (juris: AO 1977) der vierjährigen Verjährungsfrist. Zu beachten ist allerdings die Sonderregelung des nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 AO (juris: AO 1977) für die Gewerbesteuer als Realsteuer im Sinne des § 3 Abs. 2 AO (juris: AO 1977) entsprechend geltenden § 171 Abs. 10 Satz 1 AO (juris: AO 1977) . Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nach der genannten Vorschrift nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids.(Rn.26)

vorgehend Verwaltungsgericht des Saarlandes, 16. Februar 2021, 3 L 74/21, Beschluss
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16. Februar 2021 – 3 L 74/21 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsteller zur Last.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 13.231,00 € festgesetzt.

Gründe
I.

Randnummer1
Der Antragsteller, der im Ortsteil L… der Gemeinde K… das Gewerbe „Handel mit Gitterboxpaletten“ betreibt, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine Heranziehung zur Entrichtung von Gewerbesteuern.

Randnummer2
Mit fünf an den Antragsgegner gerichteten Schreiben vom 30.1.2020, beim Antragsgegner jeweils eingegangen am 31.1.2020 und überschrieben als Mitteilung über den Gewerbesteuermessbetrag, setzte das Finanzamt H… den Antragsgegner davon in Kenntnis, dass für die Betriebsstätte des Antragstellers der Gewerbesteuermessbetrag für 2008 auf 6.363 €, für 2009 auf 1.634 €, für 2010 auf 1.620 €, für 2011 auf 3.206 € und für 2012 ebenfalls auf 3.206 € festgesetzt werde.

Randnummer3
Mit Gewerbesteuerbescheiden vom 7.2.2020 forderte der Antragsgegner vom Antragsteller auf der Grundlage des jeweiligen Gewerbesteuermessbetrags sowie eines Hebesatzes von 400 % Gewerbesteuern für das Jahr 2008 in Höhe von 17.920 € (Festsetzungsbetrag 25.452 € „abzüglich bisheriges Soll“ 7.532 €), für das Jahr 2009 in Höhe von 5.768 € (Festsetzungsbetrag 6.536 € abzüglich bisheriges Soll 768 €), für das Jahr 2010 in Höhe von 6.116 € (Festsetzungsbetrag 6.480 € abzüglich bisheriges Soll 364 €), für das Jahr 2011 in Höhe von 12.464 € (Festsetzungsbetrag 12.824 € abzüglich bisheriges Soll 360 € und für das Jahr 2012 in Höhe von 10.656 € (Festsetzungsbetrag 12.824 € abzüglich bisheriges Soll 2.168 €), jeweils nebst Zinsen. Der Antragsteller erhob gegen die Gewerbesteuerbescheide Widerspruch und beantragte zugleich die Aussetzung ihrer Vollziehung. Zur Begründung wies er darauf hin, dass er, was das Finanzamt H… auf Anfrage des Antragsgegners bestätigte, gegen die der Steuererhebung zugrundeliegenden Gewerbesteuermessbescheide beim Finanzamt Einspruch erhoben und dort ebenfalls die Aussetzung der Vollziehung beantragt habe. Das Finanzamt habe zum einen angefallene Betriebsausgaben zu Unrecht nicht berücksichtigt und zum anderen für die Periode zweier Jahre eine Schätzung vorgenommen, die nicht begründet sei. Im Übrigen lägen erhebliche Anzeichen dafür vor, dass in steuerrechtlicher Hinsicht eine Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Ein gegen ihn eingeleitetes steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren sei nach § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt worden.

Randnummer4
Mit Schreiben vom 9.7.2020, beim Antragsgegner eingegangen am 10.7.2020, teilte das Finanzamt H… mit, der Gewerbesteuermessbetrag für 2011 werde auf 5.127 € und derjenige für das Jahr 2012 auf 3.153 € neu festgesetzt. Mit Gewerbesteuerbescheiden vom 10.7.2020 berechnete der Antragsgegner die Gewerbesteuer für die beiden Jahre auf dieser Grundlage neu und setzte die Gewerbesteuer für 2011 auf 20.508 € und für das Jahr 2012 auf 12.612 € fest. Auch hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch und stellte gleichzeitig jeweils einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Gegen die zugrundeliegenden Gewerbesteuermessbescheide des Finanzamts H… erhob der Antragsteller Einspruch, verbunden mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.

Randnummer5
Mit Bescheid des Finanzamts H… vom 1.10.2020 wurde der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2008 bis 2010 vom 30.1.2020 und der Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2011 und 2012 vom 9.7.2020 abgelehnt, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden und die Vollziehung keine unbillige Härte zur Folge habe. Mit Bescheid vom 8.10.2020 lehnte auch der Antragsgegner die vom Antragsteller beantragte Aussetzung der Vollziehung der ergangenen Gewerbesteuerbescheide ab. Zur Begründung verwies der Antragsgegner auf die Bindungswirkung nach § 361 Abs. 3 AO. Gegen den Bescheid des Antragsgegners erhob der Antragsteller Widerspruch.

Randnummer6
Mit Schreiben an den Antragsteller vom 26.11.2020 bezifferte der Antragsgegner den vom Antragsteller geforderten Betrag, bestehend aus Gewerbesteuer für die Jahre 2008 bis 2012, Nachzahlungszinsen, Säumniszuschlägen und Mahngebühren auf insgesamt 93.541,15 €.

Randnummer7
Dem Antrag, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Antragstellers gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 7.2.2020 anzuordnen, hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 16.2.2021 – 3 L 74/21 – hinsichtlich der Erhebung von Nachforderungszinsen stattgegeben und festgestellt, dass die hiergegen erhobenen Widersprüche des Antragstellers aufschiebende Wirkung haben. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Antrag zurückgewiesen.

Randnummer8
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

II.

Randnummer9
Die am 2.3.2021 beim Verwaltungsgericht eingegangene, am 16.3.2021 begründete Beschwerde des Antragstellers gegen den im Tenor bezeichneten, dem Antragsteller am 16.2.2021 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig, aber unbegründet.

Randnummer10
Das Vorbringen des Antragstellers in seiner Beschwerdebegründung, das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der vom Senat vorzunehmenden Prüfung begrenzt, gibt keine Veranlassung, die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern.

Randnummer11
In den Gründen des erstinstanzlichen Beschlusses hat das Verwaltungsgericht, soweit es den Beschwerdegegenstand betrifft, ausgeführt, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Heranziehungsbescheid zu öffentlichen Abgaben sei dann anzuordnen, wenn im Sinne des entsprechend anzuwendenden § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. „Ernstliche“ Zweifel im Sinne der Vorschrift lägen erst dann vor, wenn sie im Sinne einer größeren Wahrscheinlichkeit der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides überwiegen. Bereits in Fällen, in denen die Hauptsache „offen“ ist, d.h. Erfolg wie Misserfolg des eingelegten Rechtsbehelfs gleichermaßen wahrscheinlich sind, habe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung regelmäßig zu unterbleiben.

Randnummer12
Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Überprüfung der hier streitigen Heranziehungsangelegenheit ergäben sich keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Gewerbesteuerbescheide im dargelegten Sinne. Im Gegenteil spreche eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für deren Rechtmäßigkeit.

Randnummer13
Der Antragsgegner habe die Gewerbesteuer auf der Grundlage der Gewerbesteuermessbescheide des Finanzamtes H… vom 30.01.2020 und des von der Gemeinde K… für die jeweiligen Jahre festgesetzten Hebesatzes von 400% in Anwendung des § 16 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes – GewStG – jeweils zutreffend festgesetzt.

Randnummer14
Das Vorbringen des Antragstellers in seinem Antragsschriftsatz vom 29.01.2021, mit dem er Einwände gegen die Gewerbesteuermessbescheide des Finanzamtes als Grundlagenbescheide geltend gemacht habe, sei, selbst wenn man es als zutreffend unterstelle, von vornherein ungeeignet, die Rechtswidrigkeit eines Gewerbesteuerbescheides zu begründen. Denn hiermit bestreite der Antragsteller bereits seine persönliche und sachliche Steuerpflicht, über die nicht durch den vorliegend allein in Rede stehenden Gewerbesteuerbescheid, sondern gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 4, 3 Abs. 2, 184 Abs. 1 Satz 2 AO durch den Gewerbesteuermessbescheid des Finanzamts entschieden werde, so dass hierauf bezogene Einwendungen ausschließlich im Rahmen von gegen den Gewerbesteuermessbescheid gerichteten Rechtsbehelfen berücksichtigt werden könnten.

Randnummer15
Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes habe in seinem Beschluss vom 17.12.1991 – 1 W 87/91 – zu der sich auch hier stellenden Problematik ausgeführt, sowohl darüber, ob aus einer bestimmten gewerblichen Betätigung eine sachliche Gewerbesteuerpflicht folgt, als auch darüber, wer Schuldner und wer Gläubiger der Gewerbesteuer ist, werde für den Gewerbesteuerbescheid der Gemeinde als einem Folgebescheid (§ 182 Abs. 1 AO) bindend durch den Gewerbesteuermessbescheid des zuständigen Finanzamts als einem Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) entschieden, weshalb der Steuerschuldner mit allen von ihm diesbezüglich vorgebrachten Einwänden im Rahmen der Anfechtung der Gewerbesteuerbescheide gemäß § 351 Abs. 2 AO ausgeschlossen sei. Rechtsschutz gegen die entsprechenden Regelungen des Gewerbesteuermessbescheides bestehe demzufolge ausschließlich durch dessen Anfechtung. Dies habe Auswirkungen auf Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO. Wie sich aus § 361 Abs. 3 S. 1 AO ergebe, hänge der Erfolg eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung eines Gewerbesteuerbescheides bei Angriffen gegen die im Gewerbesteuermessbescheid enthaltenen Entscheidungen davon ab, ob die Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides vom Finanzamt oder vom Finanzgericht ausgesetzt ist. Könne der Steuerschuldner nicht mit Erfolg einen den Gewerbesteuerbescheiden selbständig anhaftenden Fehler geltend machen, müsse es mithin bei der angefochtenen Entscheidung verbleiben.

Randnummer16
Dies sei – so das Verwaltungsgericht weiter – nach wie vor ständige Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und vorliegend stelle sich die Rechtslage ebenso dar.

Randnummer17
Durchgreifende Anhaltspunkte für eine Unbilligkeit der Vollziehung der angefochtenen Bescheide im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO bestünden nicht. Regelmäßig sei nicht zu erkennen, wie in einer Abgabenzahlung, die auf einem rechtmäßigen Bescheid beruht, eine „unbillige Härte“ liegen soll. Eine solche liege erst dann vor, wenn die Folgenbetrachtung im konkreten Fall eine unverhältnismäßige Belastung des Abgaben- bzw. Kostenpflichtigen offenbart, wenn also durch die sofortige Vollziehung für den Betroffenen Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer wiedergutzumachen sind. Solche Umstände seien hier nicht ersichtlich.

Randnummer18
Die bloße Behauptung des anwaltlich vertretenen Antragstellers, die Vollstreckung der streitgegenständlichen Forderungen einschließlich Zinsen hätte zum jetzigen Zeitpunkt seine Insolvenz als Gewerbetreibender zur Folge, da er nicht über die finanziellen Mittel verfüge, diese Forderungen zu bedienen, sei auch unter Beachtung des Inhalts der vorgelegten Verwaltungsakten zu unsubstantiiert und lasse sich nicht nachvollziehen. Ungeachtet der Frage einer Rücklagenbildung mit Blick auf das ausweislich der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen laufende Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren sei insoweit in den Blick zu nehmen, dass der Feststellung, dass die Widersprüche des Antragstellers gegen die verfahrensgegenständlichen Gewerbesteuerbescheide des Antragsgegners vom 7.2.2020 aufschiebende Wirkung haben, soweit mit diesen Bescheiden Nachforderungszinsen festgesetzt sind, auch unter Beachtung des Verhältnisses der Nachforderungszinsen zu den Hauptforderungen nicht unerhebliches Gewicht (mehr als 30%) mit Blick auf die vom Antragsgegner festgesetzte Gesamtsumme zukomme und er mithin von der Leistung eines erheblichen Teils der vom Antragsteller geforderten Gesamtsumme derzeit verschont bleibe.

Randnummer19
Eine Umdeutung des Antrags dahingehend, dass in Anwendung von § 123 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 361 Abs. 3 AO die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuerbescheide vom 7.2.2020 begehrt wird, komme nicht in Betracht, weil dieser Antrag ebenfalls aussichtslos wäre. Denn eine solche Verpflichtung des Antragsgegners setze voraus, dass das Finanzamt die Gewerbesteuermessbescheide von der Vollziehung ausgesetzt hat. Dies sei hier indessen nicht der Fall.

Randnummer20
Die vom Antragsteller in seinem Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 16.3.2021 gegen die vorstehend zitierten Ausführungen vorgebrachten Einwände verfangen nicht.

Randnummer21
Soweit der Antragsteller geltend macht, er habe gegen die Ablehnung der von ihm beantragten Aussetzung der Vollziehung der den Gewerbesteuerbescheiden zugrundeliegenden Gewerbesteuermessbescheide durch das Finanzamt H… Einspruch erhoben, über den bislang nicht entschieden worden sei, fehlt es bereits an einer Auseinandersetzung mit der rechtlichen Argumentation des Verwaltungsgerichts. Zutreffend ist im erstinstanzlichen Beschluss ausgeführt, dass die Gewerbesteuermessbescheide des Finanzamts H… im Verhältnis zum Antragsgegner Bindungswirkung entfalten. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht1 ausgeführt: „Ohnehin kommt Gewerbesteuermessbescheiden als Grundlagenbescheiden nach § 171 Abs. 10 AO Bindungswirkung für Folgebescheide wie den Gewerbesteuerbescheid zu, soweit im Messbescheid Regelungen getroffen worden sind. Dies ergibt sich aus § 184 Abs. 1 i.V.m. § 182 Abs. 1 AO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Dezember 1997 – BVerwG 8 B 161.97 – Buchholz 401.0 § 184 AO Nr. 2). Die Messbescheide setzen jeweils den einheitlichen Gewerbesteuer-Messbetrag fest und regeln deshalb verbindlich die Heranziehung des Klägers zur Gewerbesteuer, gegen die dieser sich wendet. Diese Grundlage für den im vorliegenden Verfahren angefochtenen Gewerbesteuerbescheid der Beklagten als Folgebescheid ist deshalb dem Streit entzogen. Eine Möglichkeit oder gar Pflicht der Verwaltungsgerichte zur nochmaligen Überprüfung der Grundlagenentscheidung besteht danach nicht.“

Randnummer22
Einwendungen gegen die im Gewerbesteuermessbescheid festgelegten Besteuerungsgrundlagen können demgemäß ausschließlich im Rechtsweg vor den Finanzgerichten erhoben werden. Im verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsverfahren gegen einen Gewerbesteuerbescheid sind sie ausgeschlossen.2 Dies gilt, solange der Gewerbesteuermessbescheid wirksam und vollziehbar ist. Dies ist hier ohne Zweifel der Fall. Die vom Antragsteller beantragte Aussetzung der Vollziehung der den verfahrensgegenständlichen Gewerbesteuerbescheiden zugrundeliegenden Gewerbesteuermessbescheide ist vom Finanzamt H… abgelehnt worden. Dass der Antragsteller hiergegen Einspruch erhoben hat, über den bislang nicht entschieden worden ist, ist im gegebenen Zusammenhang nicht von Belang. Der Effektivität des in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsschutzes wird durch die Möglichkeit der finanzgerichtlichen Anfechtung der Gewerbesteuermessbescheide sowie dadurch genügt, dass nach § 69 Abs. 2 und 3 FGO vom Finanzgericht vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide gewährt werden kann und dass, wenn dies geschieht, nach § 361 Abs. 3 Satz 1 AO auch die Vollziehung der aufgrund der Gewerbesteuermessbescheide erlassenen Gewerbesteuerbescheide auszusetzen ist.3
Randnummer23
Angesichts dieser Rechtslage, insbesondere der Möglichkeit des Antragstellers, seine Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Gewerbesteuermessbescheide auf dem hierfür gegebenen Rechtsweg vor dem Finanzgericht geltend zu machen und dort auch vorläufigen Rechtsschutz zu beantragen, erschließt sich dem Senat nicht, welche Relevanz der insoweit nicht näher erläuterten Mitteilung, der Antragsteller habe auch gegen die Einkommensteuerbescheide und die Umsatzsteuerbescheide für 2008 bis 2012 Einsprüche eingelegt, über die noch nicht entschieden sei, sowie dem Hinweis, anders als der Antragsgegner vollstrecke das Finanzamt H… nicht, im vorliegenden Beschwerdeverfahren zukommen soll. Gleiches gilt hinsichtlich des weiteren Vortrags des Antragstellers in seiner Beschwerdebegründung – „aus den dargelegten tatsächlichen Gründen bzw. aus der dargelegten verfahrensrechtlichen Struktur“ ergebe sich, dass die Vollstreckung der verfahrensgegenständlichen Gewerbesteuerbescheide „zumindest als unbillig“ erscheine.

Randnummer24
Daran ändert auch nichts der zur Begründung der Beschwerde im Weiteren vorgetragene Umstand, dass die Steuerfahndungs- und Strafsachenstelle des Finanzamts S… mit Schreiben vom 5.3.2018 das gegen den Antragsteller wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer und Gewerbesteuer (2008-2010) sowie Umsatzsteuer (2008-2010) am 19.3.2013 eingeleitete Steuerstrafverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hat. Denn dies besagt lediglich, dass die strafrechtlichen Ermittlungen der Behörde keinen genügenden Anlass zur Erhebung einer Anklage wegen strafbaren Verhaltens geboten haben – dies ist nicht nur bei erwiesener Unschuld des Beschuldigten der Fall, eine Verfahrenseinstellung kommt vielmehr auch aus tatsächlichen Gründen dann in Betracht, wenn es an den erforderlichen und verwertbaren Beweisen für eine Verurteilung fehlt4 –. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der für den maßgeblichen Zeitraum ergangenen Gewerbesteuermessbescheide bzw. der Berechtigung der Gewerbesteuerforderung des Antragsgegners lässt sich aus dem Einstellungsbescheid nach § 170 Abs. 2 StPO nichts herleiten.

Randnummer25
Entgegen seiner in der Beschwerdebegründung zum Ausdruck kommenden Auffassung kann der Antragsteller sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Gewerbesteuerbescheide stehe eine Festsetzungsverjährung entgegen, denn nachdem das steuerstrafrechtliche Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, fehle es an den Voraussetzungen einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 2 AO und die längeren Festsetzungsfristen (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) fänden keine Anwendung.

Randnummer26
Die Festsetzung der Gewerbesteuer unterliegt regelmäßig gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO der vierjährigen Verjährungsfrist.5 Zu beachten ist fallbezogen allerdings die Sonderregelung des nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 AO für die Gewerbesteuer als Realsteuer im Sinne des § 3 Abs. 2 AO entsprechend geltenden § 171 Abs. 10 Satz 1 AO. Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nach der genannten Vorschrift nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids.

Randnummer27
Die der Heranziehung des Antragstellers zugrundeliegenden Gewerbesteuermessbescheide sind am 30.1.2020 ergangen (Beschwerdebegründung Seite 3 oben). Auf die gleichzeitig seitens des Finanzamts H… veranlasste Mitteilung der Gewerbesteuermessbeträge an den Antragsgegner erfolgte bereits am 7.2.2020 der Erlass der verfahrensgegenständlichen Gewerbesteuerbescheide. Auch auf die Gewerbesteuermessbescheide vom 9.7.2020 und die Mitteilung der Änderung der Gewerbesteuermessbeträge für 2011 und 2012 mit Schreiben des Finanzamts H… vom 9.7.2020 erfolgte bereits mit Gewerbesteuerbescheiden vom 10.7.2020 – diese sind allerdings ausweislich der Antragstellung nicht Gegenstand des vorliegenden Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO – eine Neufestsetzung der für die genannten Jahre zu zahlenden Gewerbesteuer. Eine Festsetzungsverjährung ist demzufolge nicht eingetreten.

Randnummer28
Die Beschwerde ist nach alledem zurückzuweisen.

Randnummer29
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Randnummer30
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Tz. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Randnummer31
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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