OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.06.2011 – 20 B 151/11

August 2, 2021

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.06.2011 – 20 B 151/11

Zum Umfang der Gewässerunterhaltungspflicht bei Bäumen an einem Gewässer.

Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert beträgt auch im Beschwerdeverfahren 2.500,– Euro.

Gründe
Die Beschwerde, mit der die Antragsteller im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgen, hat keinen Erfolg.

Die Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt die begehrte Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Antragsteller entgegen den Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben. Dem setzen die Antragsteller jedenfalls bezogen auf die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs nichts Durchgreifendes entgegen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen einer Rechtsgrundlage für den mit dem Antrag zu 1. gegen die Antragsgegnerin zu 1. geltend gemachten Anspruch auf Kürzung der Weiden an der Sieg ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.

Die Gewässerunterhaltungspflicht der Antragsgegnerin zu 1. trägt den Anspruch schon deshalb nicht, weil der beanspruchte Rückschnitt der Weiden über den Rahmen dieser Pflicht hinausgeht.

Die Zugehörigkeit der Weiden zur Vegetation am Ufer der Sieg, die für deren ökologischen Funktionen von Bedeutung sein kann, ergibt keine Pflicht zum Rückschnitt als Maßnahme der Gewässerunterhaltung. Zwar weist nach dem Gutachten des Baumsachverständigen Dipl.-Ing. C. vom 8. Februar 2011 zumindest eine der Weiden u. a. aufgrund von Pilzbefall und großen Totholzanteilen eine schlechte Vitalität sowie deutliche Anzeichen für eine unzureichende Bruchsicherheit auf. Ferner gehören zur Gewässerunterhaltung u. a. die Erhaltung der Ufer, insbesondere durch Erhaltung und Neuanpflanzung einer standortgerechten Ufervegetation, und die Erhaltung und Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers (§ 39 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 WHG). Auch muss sich die Gewässerunterhaltung an den Bewirtschaftungszielen nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 WHG ausrichten, die ihrerseits u. a. ökologische Zielsetzungen einbeziehen, und darf sie die Erreichung dieser Ziele nicht gefährden (§ 39 Abs. 2 Satz 1 WHG). Zudem ist bei der Unterhaltung der Erhaltung der Leistungs und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts Rechnung zu tragen (§ 39 Abs. 2 Satz 3 WHG). Jedoch fehlt es an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass der Rückschnitt der Weiden erforderlich ist, um den Bewirtschaftungszielen (§ 39 Abs. 2 Satz 1 WHG) oder dem Maßnahmenprogramm (§ 39 Abs. 2 Satz 2 WHG) zu genügen oder die Leistungs und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts (§ 39 Abs. 2 Satz 3 WHG) zu erhalten.

Für die Gewässerunterhaltung der Sieg insofern einschlägige, verbindliche Vorgaben benennen die Antragsteller nicht. Sie stützen ihre Auffassung, der Rückschnitt sei ökologisch geboten, auch nicht auf fachlich fundierte Stellungnahmen. Ebenso wenig führen sie sonstige konkrete Gesichtspunkte an, die aussagekräftig darauf hindeuten würden, dass der Rückschnitt aus ökologischen Gründen sachgerecht und erforderlich sein könnte. Das Wachstum von Bäumen ist ebenso wie das Auftreten von Baumkrankheiten Teil der naturgegebenen biologischen Abläufe. Anlass, in diese Abläufe mit einem Rückschnitt einzugreifen, besteht in ökologischer Hinsicht auch dann jedenfalls nicht ohne Weiteres, wenn der Baumbestand in seiner Vitalität beeinträchtigt ist. Bäume können die für sie typischen ökologischen Funktionen an einem Gewässer auch dann erfüllen, wenn sie, gemessen an den räumlichen Bedingungen ihres Standorts, hochgewachsen und zudem in ihrer Vitalität eingeschränkt sind. Das kommt in Nr. 6.3.3 der „Richtlinie für die Entwicklung naturnaher Fließgewässer in Nordrhein-Westfalen“, eingeführt mit ministeriellem Erlass vom 18. März 2010, MBl. NRW. S. 203, unmissverständlich zum Ausdruck. Dieser Regelung zufolge bedürfen Gehölze von Natur aus keiner Pflege und sind Pflegearbeiten an Gehölzen im Rahmen der Gewässerunterhaltung ausschließlich aus Gründen der Verkehrssicherung, des Nachbarschaftsrechts, des Hochwasserschutzes sowie des ordnungsgemäßen Wasserabflusses durchzuführen. Besonderheiten, die zu einer Abweichung von diesen Grundsätzen führen könnten, haben die Antragsteller nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Das Beschwerdevorbringen, der Rückschnitt sei zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses (§ 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WHG) erforderlich, wird ebenfalls nicht durch konkrete tatsächliche Anhaltspunkte in dieser Richtung gestützt. Die Antragsteller verweisen insofern auf die Gefahr, dass die Weiden oder Teile von ihnen in die Sieg fallen und dann den Wasserabfluss behindern. Sie tragen aber keine substantiierten Umstände dafür vor, dass ein solches Geschehen in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein könnte. Um so weniger gibt es Anhaltspunkte dafür, dass es erforderlich sein könnte, derartigen potentiellen Abflusshindernissen aktuell durch den Rückschnitt zu begegnen, und es nicht ausreicht, gegebenenfalls durch die Weiden tatsächlich verursachte Abflusshindernisse zu beseitigen. Die von den Antragstellern vorgelegten fachlichen Stellungnahmen zur Erforderlichkeit eines Rückschnitts verhalten sich lediglich über Gefahren, die für sie und ihr Grundstück von herabfallenden Bäumen oder Ästen ausgehen können.

Das Beschwerdevorbringen ergibt auch nicht, dass Maßnahmen zur Abwehr solcher Gefahren für Rechtsgüter der Antragsteller zur Gewässerunterhaltung gehören. Die Unterhaltung eines oberirdischen Gewässers umfasst seine Pflege und Entwicklung (§ 39 Abs. 1 Satz 1 WHG). Sie ist damit ihrem Umfang nach nicht als umfassende Verantwortung für einen in jeder Hinsicht gefahrlosen Zustand des Gewässers einschließlich seiner Ufer ausgestaltet.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1982 – 4 C 4.80 -, ZfW 1983, 107 (109).

Die Maßnahmen zur Pflege und Entwicklung eines Gewässers werden beispielhaft („insbesondere“) erläutert durch den Katalog von § 39 Abs. 1 Satz 2 WHG. Sie sind gekennzeichnet durch ihre Ausrichtung auf die Bewirtschaftung der Gewässer. Der Rückschnitt von Bäumen am Ufer eines Gewässers, um (allein) dem Gewässer benachbarte Grundstücke vor umstürzenden Bäumen oder herabfallenden Ästen zu schützen, unterfällt ihnen nicht. Das steht im Einklang damit, dass die Unterhaltung von Gewässern ein Mittel zu ihrer Bewirtschaftung ist. Die bei der Bewirtschaftung allgemein zu beachtenden Ziele (§ 6 Abs. 1 WHG) sind gerichtet auf die Verfolgung wasserwirtschaftlicher Belange und die Erfüllung wasserwirtschaftlicher Anforderungen.

Das gilt auch für das Ziel, Gewässer zum Wohl der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch im Interesse Einzelner zu nutzen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WHG). Dieses Ziel betrifft die Nutzung und Nutzbarkeit von Gewässern als eine von mehreren Gewässerfunktionen. In gleicher Weise wasserwirtschaftlich geprägt sind die allgemeinen Sorgfaltspflichten, die bei allen Maßnahmen zu wahren sind, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können (§ 5 Abs. 1 WHG). Der von den Antragstellern mit der Beschwerde aufgegriffene Schutzzweck des Wasserhaushaltsgesetzes, die Gewässer durch die Bewirtschaftung u. a. als Lebensgrundlage des Menschen zu schützen (§ 1 WHG), beinhaltet eine Leitlinie der Wasserwirtschaft, die, was die einzelnen Maßnahmen der Bewirtschaftung anbelangt, in den diesbezüglichen Vorschriften näher konkretisiert wird. Er besagt nicht, dass es Aufgabe gerade der Gewässerunterhaltung ist, in einen unter rein wasserwirtschaftlichen Aspekten nicht zu beanstandenden Zustand eines Gewässers einschließlich der Bäume an seinem Ufer einzugreifen, um Beeinträchtigungen von Grundstücken und Menschen in der Nachbarschaft des Gewässers zu vermeiden. Bei derartigen Beeinträchtigungen stehen spezifisch wasserwirtschaftliche Belange gerade nicht in Rede.

Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf die Weiden. Die neben der Pflicht zur Gewässerunterhaltung stehende Verkehrssicherungspflicht obliegt insoweit nicht der Antragsgegnerin zu 1. Verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung Anderer möglichst zu verhindern, ist, wer in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt.

Vgl. BGH, Urteile vom 16. Februar 2006 – III ZR 68/05 , DVBl. 2006, 767, und vom 25. Februar 1993 – III ZR 9/92 -, ZfW 1993, 214; Palandt, BGB, 70. Aufl., § 823 Rn. 48.

Die Weiden unterfallen, weil ihr Zustand nach dem Vorstehenden aus wasserwirtschaftlicher – unterhaltungsbezogener – Sicht keinen Handlungsbedarf auslöst, nicht dem Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin zu 1. Ihre Pflicht zur Gewässerunterhaltung verleiht ihr Sachherrschaft über die Weiden ausschließlich in den der Unterhaltung gezogenen Grenzen. Umstände, aufgrund derer sie berechtigt und verpflichtet sein könnte, auf die Weiden aus von der Gewässerunterhaltung unabhängigen Gründen einzuwirken, sind nicht dargetan und auch sonst nicht erkennbar. Die Sachherrschaft über die Weiden steht tatsächlich und rechtlich den Beigeladenen zu.

Die Beigeladenen sind entgegen der Meinung der Antragsteller Eigentümer der Flächen, auf denen die streitigen Weiden wurzeln, und damit auch der Weiden selbst (§ 94 Abs. 1 BGB). Die Wurzeln befinden sich entweder auf dem Flurstück 261, über das die Sieg verläuft, oder auf den landseitig hieran angrenzenden Grundstücken. Letztere stehen ausweislich des Grundbuchs im Eigentum der Beigeladenen, jedenfalls nicht im Eigentum der Antragsgegnerin zu 1. Das Flurstück 261 bildet kein selbständiges Grundstück; es gehört den Eigentümern der Ufergrundstücke, und zwar, weil die Eigentümer der gegenüberliegenden Ufer nicht identisch sind, jeweils bis zur Mitte der Sieg (§ 4 Abs. 5 WHG i. V. m. § 5 Abs. 1 und 2 LWG). Für die Eigenschaft als Grundstück fehlt es an der hierfür erforderlichen Eintragung im Grundbuch. Nach dem für den Begriff des Grundstücks auch in diesem Zusammenhang maßgeblichen bürgerlichrechtlichen Verständnis ist ein Grundstück ein räumlich abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter einer besonderen Nummer gebucht ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 GBO).

Vgl. Palandt, a. a. O., Überbl v § 873 Rn. 1.

§ 3 Abs. 2 GBO, wonach u. a. Wasserläufe ein Grundbuchblatt nur auf Antrag des Eigentümers oder eines Berechtigten erhalten, ändert an den Eigentumsverhältnissen nichts. Es ist auch nicht dargetan oder sonst erkennbar, dass die Antragsgegnerin zu 1. daran gehindert sein könnte, sich auf die fehlende Eigenschaft des Flurstücks 261 als Grundstück zu berufen, weil sie es rechtswidrig unterlassen haben könnte, eine Eintragung im Grundbuch herbeizuführen. Sofern die Antragsgegnerin zu 1. zum Kreis der Antragsberechtigten gehören sollte, was dahingestellt sein mag, ist jedenfalls weder aus ihrer Unterhaltungspflicht noch aus sonstigen Gesichtspunkten herzuleiten, dass sie verpflichtet gewesen sein könnte, einen Eintragungsantrag im Sinne von § 3 Abs. 2 GBO zu stellen. Die gesetzliche Zuordnung der Gewässerunterhaltungspflicht steht neben den Regelungen zum Eigentum an nicht im Grundbuch gebuchten Gewässern und lässt diese unberührt. Auch für die öffentlichrechtliche Bewirtschaftung der Gewässer in sonstiger Hinsicht gilt nichts anderes.

Die aus dem Eigentum an den Weiden folgende Befugnis, mit ihnen nach Belieben zu verfahren (§ 903 Satz 1 BGB), und die damit einhergehende, die Verkehrssicherungspflicht begründende Sachherrschaft wird durch die Pflichten und Befugnisse der Antragsgegnerin zu 1. zur Gewässerunterhaltung – und durch die öffentlichrechtliche Bewirtschaftung der Gewässer im Übrigen – nicht derart überlagert oder verdrängt, dass die Verantwortung, was die beanstandete Höhe der Weiden angeht, der Antragsgegnerin zu 1. zuzurechnen wäre. Die geltend gemachte Gefährdung durch die Weiden ist unabhängig von deren wasserwirtschaftlicher Relevanz und den daran anknüpfenden Rechtsfolgen für das Eigentum. Die Bewirtschaftung der oberirdischen Gewässer einschließlich ihrer Unterhaltung hebt das Eigentum an ihnen und die daraus folgenden Befugnisse sowie Pflichten nicht auf. Sie schränkt das Eigentum lediglich in bestimmtem Umfang ein. Bezogen speziell auf die vorliegend in Rede stehende Unterhaltung der Gewässer wird die Reichweite der Einschränkung durch den Rahmen bestimmt, der eben für die Unterhaltung gilt. Hierzu gehört u. a., dass die Gewässereigentümer Unterhaltungsmaßnahmen am Gewässer zu dulden haben (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG, § 97 Abs. 1 Satz 1 LWG). Maßnahmen, die – was hier nach dem Vorstehenden der Fall ist – nicht zur Gewässerunterhaltung gehören, sind hiervon von vornherein nicht umfasst. Daraus, dass die Anlieger im Zuge der Unterhaltung die Bepflanzung der Ufer durch den Unterhaltungspflichtigen zu dulden haben (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WHG, § 97 Abs. 1 Satz 2 LWG), ergibt sich bezogen auf den Rückschnitt der Weiden nichts zugunsten der Antragsteller. Dabei kann dahingestellt bleiben, dass nicht dargetan ist, dass die Weiden von der Antragsgegnerin zu 1. gepflanzt worden sind. Jedenfalls besteht die Pflicht, die Bepflanzung der Ufer und – hiermit notwendig verbunden – das Vorhandensein des durch eine solche Maßnahme entstehenden Bewuchses zu dulden, nur innerhalb des zur ordnungsgemäßen Unterhaltung des Gewässers Erforderlichen. Durch diese Eingrenzung der Duldungspflicht wird die Verhältnismäßigkeit der Einschränkung der Eigentumsbefugnisse gewahrt und sichergestellt, dass der Eigentümer einen von ihm nicht zu duldenden gefahrbringenden Zustand in eigener, aus dem Eigentum folgender Verantwortung beheben darf. Es ist nicht erkennbar, dass die Weiden in der Höhe, die Gegenstand des Rechtsschutzbegehrens der Antragsteller ist, für die ordnungsgemäße Unterhaltung der Sieg erforderlich sind. Weder die Antragsgegnerin zu 1. noch der Antragsgegner zu 2. haben sich dahingehend geäußert, der begehrte Rückschnitt der Weiden verstoße gegen die Erfordernisse der Gewässerunterhaltung.

Für die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Höhe der Weiden unter dem Blickwinkel der Eigentumsbefugnisse entscheidungserhebliche Gesichtspunkte des Schutzes von Gewässerrandstreifen (§ 38 WHG, § 90a LWG) sind dem Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht zu entnehmen. Die geltend gemachte tatsächliche Möglichkeit, auf die Weiden im Sinne des Antragsbegehrens einzuwirken, verschafft der Antragsgegnerin zu 1. nicht die Verantwortung für deren Zustand. Ohnehin lehnen die Beigeladenen es ab, dass der Rückschnitt der Weiden unter Nutzung ihrer dem Flurstück 261 vorgelagerten Flächen vorgenommen wird, sodass die Antragsgegnerin zu 1. erwogen hatte, die Arbeiten vom – als Gewässer tatsächlich öffentlich zugänglichen – Flurstück 261 aus durchzuführen. Gleiches trifft bezogen auf den Umstand zu, dass die Antragsgegnerin zu 1. nach Angaben der Antragsteller über das für den Rückschnitt geeignete Personal und Material verfügt. Schließlich ist nicht erkennbar, dass der vorgebrachte gefahrdrohende Zustand der Weiden entscheidend auf das Vorhandensein der Sieg zurückzuführen ist. Daher kann auf sich beruhen, ob anderenfalls die eigentliche Gefahrenquelle im Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin zu 1. liegen könnte.

Der geltend gemachte Anspruch steht den Antragstellern auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Folgenbeseitigungsanspruchs zu. Die von den Antragstellern als anspruchsbegründend angeführte Verletzung der Gewässerunterhaltungspflicht liegt nach dem Vorstehenden nicht vor. Auf die weitere Anspruchsvoraussetzung eines Eingriffs der Antragsgegnerin zu 1. in Rechtsgüter der Antragsteller kommt es nicht an.

Der mit dem Antrag zu 2. verfolgte Anspruch auf ordnungsbehördliches Tätigwerden der Antragsgegnerin zu 1. gegen die Beigeladenen setzt, wovon die Antragsteller zutreffend ausgehen, neben der entsprechenden Befugnis der Antragsgegnerin zu 1. auch voraus, dass die Antragsgegnerin zu 1. das ihr insoweit zukommende Ermessen rechtmäßig ausschließlich im Sinne des Antragsbegehrens ausüben darf. Letzteres machen die Antragsteller zwar geltend. Ihr Vorbringen ergibt eine derartige Einschränkung des Ermessens jedoch nicht. Gegen die vom Verwaltungsgericht als vorrangig in Betracht gezogene (§ 1 Abs. 2 PolG) und im Ausgangspunkt zweifellos sachdienliche zivilgerichtliche Inanspruchnahme der Beigeladenen auf Rückschnitt der Weiden wenden die Antragsteller der Sache nach lediglich die allgemeinen Schwierigkeiten der Durchsetzung eines behaupteten, aber streitigen Anspruchs ein. Solche Schwierigkeiten sind im Allgemeinen hinzunehmen; sie lassen nicht die Annahme zu, die Verwirklichung der in Frage stehenden Rechte sei bei einer Verweisung der Antragsteller auf die gerichtliche Geltendmachung von Abwehransprüchen gefährdet. Weder die Dringlichkeit des Anliegens der Antragsteller noch das Ausmaß und die Intensität der von ihnen befürchteten Beeinträchtigungen deuten darauf hin, dass der Zivilrechtsweg nicht geeignet sein könnte, die ihnen unter Umständen zustehenden Abwehransprüche in Bezug auf die Höhe der Weiden effektiv durchzusetzen. Das gilt auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Gefahren sogar für Leib, Leben und Gesundheit. Diese Rechtsgüter fallen bei der Ausübung des Ermessens über ordnungsbehördliches Einschreiten zu ihrem Schutz wegen ihres hohen Rangs stark ins Gewicht. Jedoch geht es auch insoweit um potentielle Auswirkungen der Weiden, die, wie ausgeführt, im Eigentum der Beigeladenen mit der hieran anknüpfenden Verantwortung stehen und demgemäß nach Maßgabe des Bürgerlichen Rechts durch Inanspruchnahme der Beigeladenen abgewehrt werden können. Die zivilgerichtliche Gewährleistung der Rechte der Antragsteller bleibt, ausgehend etwa von §§ 823, 1004 BGB, nicht hinter demjenigen Schutz für durch die Weiden gefährdete Rechtsgüter der Antragsteller zurück, der mit ordnungsbehördlichem Einschreiten zu verwirklichen ist.

Die Gefahr, dass die Weiden oder Teile von ihnen auf das Grundstück der Antragsteller fallen und dort Schäden an Personen oder Sachen hervorrufen, ist auch keineswegs so zugespitzt, dass aus diesem Grund ordnungsbehördliche Maßnahmen unabweisbar notwendig sein könnten. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass sich die Weiden, tritt ein Schadensfall wegen Versagens ihrer Stand- oder Bruchsicherheit ein, gegenwärtig in einem schon strafrechtlich relevanten Zustand befinden oder in nächster Zukunft in einen solchen Zustand geraten. Nach der Einschätzung des Baumsachverständigen Dipl.Ing. C. vom 8. Februar 2011 weist die von ihm betrachtete Weide aus dem Bestand keine ausreichende Bruchsicherheit auf und stellt sie eine mehr als nur abstrakte Gefahr für die Antragsteller dar. Der Forstwirtschaftsmeister P. hat unter dem 22. November 2005 ein „nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotential“, eine „erhebliche Gefahr“ und eine „erhöhte Gefährdung“ durch die Weiden erkannt und Maßnahmen zur Verkehrssicherung für erforderlich gehalten. Nach seiner Stellungnahme vom 10. Januar 2011 ist es eine Frage der Zeit, dass etwas passiert. Die Annahme, dass ein sofortiger Rückschnitt der Weiden notwendig ist, um unmittelbar drohende Gefahren vor allem für Leib und Leben abzuwehren, stützen diese Äußerungen insgesamt aber nicht.

Das bedeutet, was zur Vermeidung von Missverständnissen angemerkt sei, allerdings nicht, dass der Zustand der Weiden ordnungsrechtlich auf Dauer keinen Handlungsbedarf ergibt. Entscheidend ist im gegebenen Zusammenhang allein die Frage der Ermessensreduzierung im gegenwärtigen Zeitpunkt. Die gutachterlich belegten Bedenken gegen die Bruchsicherheit einer der Weiden ergeben jedenfalls einen deutlichen Anhalt für eine latent drohende und damit ggf. ordnungsbehördlich unter Kontrolle zu haltende sowie erforderlichenfalls durch Inanspruchnahme der Verantwortlichen abzuwehrende Gefahrensituation.

Im Hinblick auf eine eigene ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin zu 1. gilt das vorstehend zur Gewässerunterhaltungspflicht und zur personalen Zuordnung der Verkehrssicherungspflicht Gesagte entsprechend.

Der Antrag zu 3., gerichtet auf die Verpflichtung des Antragsgegners zu 2., die Antragsgegnerin zu 1. anzuweisen, die Weiden zu kürzen, und der Antrag zu 4., gerichtet auf die Verpflichtung des Antragsgegners zu 2., die Antragsgegnerin zu 1. anzuweisen, die Beigeladenen zur Kürzung der Weiden zu verpflichten, scheitert, unabhängig von allem anderen, daran, dass der Antragsgegnerin zu 1. nicht diejenigen Pflichten obliegen, deren Erfüllung ihr durch Anweisung aufgegeben werden soll. Soweit die Antragsteller mit dem Antrag zu 4. eine Verpflichtung des Antragsgegners zu 2. beanspruchen, die Beigeladenen anzuweisen, die Weiden zu kürzen, sowie mit dem Antrag zu 5. eine Verpflichtung des Antragsgegners zu 2. erstreben, die Weiden selbst zu kürzen, gilt das für einen Anspruch der Antragsteller auf ordnungsbehördliches Einschreiten der Antragsgegnerin zu 1. Ausgeführte entsprechend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 100 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

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