OLG Frankfurt, 20 W 114/20, 20 W 115/20

August 5, 2021

OLG Frankfurt, 20 W 114/20, 20 W 115/20

Terrasse als Sondereigentum

Eine ebenerdige Terrasse ist nur dann sondereigentumsfähig, wenn sie Schutz vor äußeren Einwirkungen und Schutz der Privatsphäre bietet. Dafür genügt ein bloßer Betretensschutz durch einen einfachen Holzzaun nicht.

Tenor
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Der Geschäftswert für die Beschwerdeverfahren wird auf je 300.000 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe
I.

Der Beteiligte zu 1 ist der Vater der Beteiligten zu 2 und 3. Die Beteiligte zu 4 ist die zweite Ehefrau des Beteiligten zu 1, die Beteiligte zu 5 ist ihre Tochter. Die Beteiligten zu 1, 2 und 3 sind in Erbengemeinschaft als Eigentümer des Hauses Straße1 (früher: 1a) in Stadt1 im Grundbuch eingetragen.

Das Haus besteht aus drei Geschossen. In der westlichen, den angrenzenden Straßen abgewandten Ecke des sonst rechteckigen Hauses ist ein etwa 3 m x 3,5 m großer Bereich ausgespart. Dieser Bereich ist im Erdgeschoss als Terrasse ausgestaltet, in den beiden Geschossen darüber befinden sich an dieser Stelle im Vergleich zur Terrasse etwas kleinere Balkone. Die Terrasse ist mit Bodenplatten belegt und dadurch gegenüber der Umgebung einige Zentimeter erhöht, mit einem Holzzaun mit Tor umgeben und mit einem „überdachungsähnlichen Wetterschutz“ auf Holzbalken und Stützpfeilern versehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Fotografien in der Anlage zum Schriftsatz vom 06.07.2020 verwiesen.

Die Beteiligten zu 1, 2, 4 und 5 ließen am 28.03.2008 einen Erbvertrag notariell beurkunden (UR-Nr. …/2008 der Notarin RA1 in Stadt1; Bl. 15/7 d.A.). Die Beteiligten zu 1 und 4 setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein, die Beteiligten zu 2, 3 und 5 sollten ihre Schlusserben zu gleichen Teilen sein. Weiter heißt es in dem Erbvertrag, die Beteiligten zu 1 und 2 beabsichtigten mit Zustimmung der Beteiligten zu 4 und 5, aus ihrem Wohnsitz, dem oben beschriebenen Haus, eine Eigentumsanlage mit drei Eigentumswohnungen zu bilden. Sie hätten bereits eine diesbezügliche Abgeschlossenheitsbescheinigung erwirkt und würden „in absehbarer Zeit“ die entsprechende Teilungserklärung beurkunden. Für den Fall der Bildung von Eigentumswohnungen sollten „spätestens“ beim Erbfall nach dem längstlebenden Ehegatten die Eigentumswohnungen so aufgeteilt und übereignet werden, dass die Beteiligte zu 5 die Wohnung im Dachgeschoss, der Beteiligte zu 3 die Wohnung im Obergeschoss und der Beteiligte zu 2 die Wohnung im Erdgeschoss erhalten solle. Der zu dieser Zeit noch minderjährige Beteiligte zu 3 sollte dem Erbvertrag bei Eintritt seiner Volljährigkeit zustimmen und beitreten.

Am selben Tag ließen die Beteiligten zu 1 bis 5, der Beteiligte zu 3 vertreten durch den Beteiligten zu 1, die Teilungserklärung beurkunden (UR-Nr. 1/2008 der Notarin RA1; Bl. 15/1 d.A.). Danach werden drei Miteigentumsanteile entsprechend den Geschossen des Hauses gebildet mit den jeweiligen Räumen als Sondereigentum. Für die Erdgeschosswohnung ist auch die Terrasse als Sondereigentum ausgewiesen. Der Erklärung des Beteiligten zu 1 für den Beteiligten zu 3 stimmte später eine durch das Familiengericht bestimmte Ergänzungspflegerin zu (Bl. 15/3 d.A.).

Nach Eintritt der Volljährigkeit des Beteiligten zu 3 ließen die Beteiligten zu 1 bis 5 am 04.08.2015 eine „Ergänzung des Erbvertrags“ beurkunden (UR-Nr. …/2015 der Notarin RA1; Bl. 15/6), in der der Beteiligte zu 3 dem Erbvertrag zustimmte und ihm beitrat. Geregelt war darin auch, dass die Kinder nur dann Schlusserben sein sollten, wenn der Längstlebende der Ehegatten nicht anders letztwillig verfügen würde.

Am 25.07.2016 sind beim Grundbuchamt zwei Anträge der Notarin RA1 eingegangen. Mit dem einen, datiert auf den 28.08.2008, hat diese gemäß § 15 GBO unter Vorlage der Teilungserklärung nebst Genehmigung der Ergänzungspflegerin und Abgeschlossenheitsbescheinigung „die sich [daraus] ergebenden Anträge“ gestellt (Az. …2; Bl. 15 d.A.). Mit dem anderen, datiert auf den 25.05.2016, hat sie „in Ergänzung“ der Teilungserklärung den Erbvertrag nebst der Zustimmung des Beteiligten zu 3 vorgelegt und gemäß § 15 GBO den Antrag „auf Wahrung der Teilungserklärung“ gestellt (Az. …1; Bl. 15/5 d.A.).

Das Grundbuchamt hat nach einer Zwischenverfügung (Bl. 15/8 d.A.) und einer Hinweisverfügung (Bl. 15/9 d.A.), jeweils vom 27.10.2016, die Anträge mit zwei Beschlüssen vom 06.04.2017 zurückgewiesen (Bl. 15/16, 21 d.A.). Zu Az. …1 hat es eine Nachgenehmigung der Teilungserklärung durch den Beteiligten zu 3 für erforderlich gehalten und erklärt, zwar könne eine Terrasse sondereigentumsfähig sein, doch sei nicht erkennbar, dass die erforderliche Abgrenzung zur umgebenden Grundstücksfläche vorliege. Zu Az. …2 hat es erklärt, in den beiden Erbvertragsurkunden seien keine zur Eintragung der Teilungserklärung erforderlichen oder geeigneten Erklärungen enthalten.

Mit Erklärung vom 17.12.2019 genehmigte der Beteiligte zu 3 die Teilungserklärung (Bl. 15/26 d.A.).

Mit Schriftsatz vom 20.03.2020 hat der Notar RA2 in Stadt2 als amtlich bestellter Verwahrer der Akten und Bücher der ehemaligen Notarin RA1 Beschwerde gegen die beiden Beschlüsse eingelegt (Bl. 15/24 f. d.A.), dies, wie er später bestätigt hat, für die Beteiligten zu 1 bis 5. Das Grundbuchamt hat den Beschwerden mit Beschluss vom 29.04.2020 nicht abgeholfen (Bl. 15/27 f. d.A.). Es sei weiter nicht nachgewiesen, dass die Terrasse zu der sie umgebenden Freifläche hin vertikal abgegrenzt und somit sondereigentumsfähig sei.

Die Beteiligten zu 1 bis 5 meinen weiterhin, dass die Terrasse sondereigentumsfähig sei. Sie stehe in enger räumlicher Verbindung mit dem sonstigen Sondereigentum, sei von keinem anderen Sondereigentum aus nutzbar und genau begrenzt durch die weiterlaufenden Linien der Hauswände. Außerdem sei sie durch die Erhöhung gegenüber dem Erdboden und den Zaun abgegrenzt.

II.

Die Beschwerden haben keinen Erfolg. Den Beteiligten zu 4 und 5 fehlt bereits die Beschwerdeberechtigung. Im Übrigen sind die Beschwerden unbegründet.

1. Der Senat kann über die beiden Beschwerden zu den beiden Eintragungsverfahren auch ohne förmliche Verfahrensverbindung in einem Beschluss entscheiden (vgl. BGHZ 186, 28 Rn. 6).

2. Die Beteiligten zu 4 und 5 sind nicht beschwerdeberechtigt. Im grundbuchrechtlichen Antragsverfahren folgt die Beschwerdeberechtigung nicht allein aus der erstinstanzlichen Zurückweisung eines Antrags. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO antragsberechtigt ist. Daran fehlt es für die Beteiligten zu 4 und 5, weil sie keine dingliche Rechtsstellung an dem in Rede stehenden Grundstück haben. Die bloße Möglichkeit, infolge des Erbvertrags künftig ein Recht an dem Grundstück zu erwerben, genügt nicht (vgl. BGH NJW 2014, 1593 Rn. 7; BGH WM 2015, 1771 Rn. 5).

3. Das Grundbuchamt hat die Eintragungsanträge jedenfalls im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen, weil die Terrasse nicht sondereigentumsfähig ist. Beide Anträge verfolgen dasselbe Ziel, die grundbuchrechtliche Herbeiführung von Wohnungseigentum auf der Grundlage der Teilungserklärung („Wahrung der Teilungserklärung“). Dabei kann dahinstehen, ob der unter dem Az. …1 bearbeitete Antrag, wie geschehen, auch aus anderen Gründen zurückgewiesen werden konnte.

Gegenstand von Sondereigentum sind auch bei Teilung durch den Eigentümer nach §§ 5 Abs. 1, 8 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 WEG Räume und die zu diesen Räumen gehörenden Bestandteile des Gebäudes, die verändert werden können, ohne dass jedenfalls die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird. Es entspricht der wohl überwiegenden Meinung, dass ebenerdige Terrassen nicht sondereigentumsfähig sind, weil sie keine Räume sind (so OLG Köln MittRhNotK 1996, 61; OLG Karlsruhe BeckRS 2018, 17599 Rn. 55; Armbrüster, in: Bärmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 5 Rn. 117; Grziwotz, in: Jennißen, WEG, 6. Aufl. 2019, § 5 Rn. 103; Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 5 Rn. 40 „Terrasse“; Zimmer, in: Jennißen, a.a.O., § 3 Rn. 24a). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Terrassen sind schon vom Wortsinn her weder „Räume“, noch zu einem Raum gehörende Bestandteile eines Gebäudes. Ihnen fehlt auch die Qualität eines Raumes, Schutz vor äußeren Einwirkungen und Schutz der Privatsphäre zu bieten (Rapp, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2018, § 5 WEG Rn. 7). Sie können auch nicht verändert werden, ohne dass die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird (unklar OLG Hamm v. 30.07.2019 – 24 U 6/18, Juris-Rn. 96, das dies für möglich zu halten scheint). Dies gilt auch dann, wenn sich, wie hier, die Terrasse auf der straßenabgewandten Seite des Hauses befindet.

Allerdings wird auch argumentiert, dass eine Terrasse (nur) deshalb nicht sondereigentumsfähig sei, weil ihr eine körperliche Begrenzung (KG FGPrax 2015, 107, 108) oder Höhenabgrenzung (OLG Köln MDR 1982, 757) fehle, sie nicht „seitlich verschlossen“ (LG Landau NJW-RR 2011, 1029) sei. Dies impliziert, dass bei Schaffung einer derartigen Begrenzung Sondereigentumsfähigkeit herbeigeführt werden könnte, wobei offenbleibt, welche genauen Anforderungen an die Begrenzung zu stellen wären (kritisch zu diesen Ansätzen deshalb Gerono/ Leidner, in: BeckOK WEG, 41. Ed., Std. 01.05.2020, § 5 Rn. 12; konkret nur Commichau, in: Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl. 2020, § 5 WEG Rn. 23, wonach ein Zaun genügen soll; ausdrücklich gegen Zaun Schultzky, in: BeckOGK, Std. 01.03.2020, § 5 WEG Rn. 56). Nicht ausreichend wäre auch danach im vorliegenden Fall jedenfalls die rein optische Begrenzung durch die gedachte Verlängerung Hauswände oder die Bodenplatten.

Nach Ansicht des Senats müssten solche Abgrenzungen, um der Terrasse Raumqualität zusprechen zu können, die oben genannten Funktionen erfüllen können, nämlich Schutz vor äußeren Einwirkungen und Schutz der Privatsphäre zu bieten. Dafür genügt ein bloßer Betretensschutz durch einen einfachen Holzzaun wie im vorliegenden Fall jedenfalls nicht. Überdies könnte ein solcher Zaun auch jederzeit ohne größeren Aufwand wieder entfernt werden, was der begrifflich auf Dauer angelegten Qualifikation als Raum widerspricht (vgl. auch OLG Düsseldorf NJW-RR 2009, 1095, 1096 f., wonach sich die Begrenzung aus Teilungserklärung und Aufteilungsplan ergeben muss). Der Wetterschutz im vorliegenden Fall stellt nicht einmal einen Betretensschutz dar.

4. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich. Die Haftung der Beteiligten zu 1 bis 5 für die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens folgt bereits aus §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG. Für eine abweichende Kostenentscheidung besteht kein Anlass. Da kein Gegner an dem Verfahren beteiligt ist, entfällt eine Entscheidung über die Tragung notwendiger Aufwendungen.

5. Der Geschäftswert beruht auf § 42 Abs. 1 Satz 1 GNotKG und folgt dem Ansatz des Grundbuchamts.

6. Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GBO zugelassen, da die Fortbildung des Rechts im Hinblick auf die umstrittene Frage der Sondereigentumsfähigkeit ebenerdiger Terrassen eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

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