VG Potsdam, Urteil vom 15.11.2013 – VG 12 K 112/12

August 7, 2021

VG Potsdam, Urteil vom 15.11.2013 – VG 12 K 112/12

Tenor
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der vollstreckbaren Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin des Flurstücks … der Flur 3 der Gemarkung … . Es weist eine Größe von 34.650 m² auf, ist mit gewerblich genutzten Hallen bebaut und wird über das davorliegende Flurstück … durch die … erschlossen. Die Klägerin hat das Grundstück von der … AG erworben. Die Eintragung im Grundbuch von … datiert vom 20. Dezember 2010. Die Klägerin wendet sich gegen einen Straßenbaubeitrag für den Ausbau der … .

Aufgrund eines Ausbaubeschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom 25. April 2006 ließ der Beklagte die … vom … bis zur … grundhaft ausbauen. Vor dem Ausbau besaß die Straße eine ca. 7 bis 7,50 m breite Fahrbahn und beidseitige Geh- bzw. Radwege. Die Anlage war erheblich verschlissen. Nunmehr besitzt die Straße eine durchgehend 6 m breite Fahrbahn. Erneuert wurden außerdem die beidseitigen, jetzt 2 m breiten Geh- und Radwege, das Straßenbegleitgrün, die Straßenentwässerung und die Beleuchtung. Der Ausbau erfolgte in der Bauklasse III. Im Zuge der Maßnahme wurde der Einmündungsbereich der … -Straße verändert, indem die Fahrbahn dort verschwenkt und durchläuft. Der Ausbau erfolgte in zwei Bauabschnitten. Die Abnahme des 2. Bauabschnitts fand am 30. November 2007 statt. Der Beklagte ermittelte (laut Widerspruchsbescheid) beitragsfähige Kosten von 1.299.386,45 €. Er bewertete die Straße als Haupterschließungsstraße und zog die Anlieger nach Maßgabe seiner Straßenbaubeitragssatzung zu einem Anteil von 45 % für Fahrbahn, Entwässerung und Beleuchtung, von 55 % für die Geh-/Radwege und von 60 % für das Straßenbegleitgrün, insgesamt 615.403,83 €, heran.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2010 setzte er gegenüber der Klägerin einen Straßenbaubeitrag von 106.124,61 € fest. Dieser Bescheid wurde der Klägerin mit Postzustellurkunde am 20. Dezember 2010, dem Tag der Eintragung im Grundbuch, bekanntgegeben. Auf den dagegen gerichteten Widerspruch reduzierte der Beklagte den Beitrag auf 103.170,75 €. Diese Reduzierung beruhte auf einer geringfügigen Erweiterung der Beitragsfläche sowie einer Reduzierung des beitragsfähigen Aufwandes.

Hiergegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Klage. Die Klägerin ist der Ansicht, die Straße sei zu Unrecht als Haupterschließungsstraße eingestuft worden. Tatsächlich handele es sich um eine Hauptverkehrsstraße, so dass ein deutlich geringerer Anliegeranteil zur Anwendung kommen müsse. Die … sei zwischen der Einmündung der … -Straße und der … eine selbstständige Anlage. Im Bereich der Einmündung der … -Straße zerfalle sie in zwei selbstständige Erschließungsanlagen. Während der südliche Teil durch Wohn- und Mischbebauung geprägt sei, verlaufe der nördliche Teil weitgehend durch Wald und damit durch den Außenbereich. Dies gebe der Straße einen gänzlich anderen Charakter. Hier verschwenke auch der Fahrbahnverlauf. Diese nördliche Teilstrecke nehme weit überwiegend durchgehenden innerörtlichen Verkehr und überörtlichen Durchgangsverkehr auf. Dieser verlaufe insbesondere zu dem Industriegebiet Ost. Die Erschließungswirkung für die anliegenden Grundstücke trete dem gegenüber völlig in den Hintergrund.

Im Übrigen sei sie nicht persönlich beitragspflichtig. Die dafür maßgebliche Eintragung in das Grundbuch und die Bekanntgabe des Ausgangsbescheides seien am selben Tag erfolgt. Dabei komme es auf die genaue Uhrzeit an. Der Beklagte müsse nachweisen, dass die Bekanntgabe nach der Eintragung erfolgt sei. Dies sei ihm nicht gelungen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 16. Dezember 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt seine Rechtsauffassung, dass es sich bei der … um eine Haupterschließungsstraße handele. Dabei sei auf den gesamten Verlauf zwischen … und … abzustellen. Die Straße sei einheitlich ausgebaut worden und vermittle einem Nutzer, insbesondere einem Autofahrer, den Eindruck der Einheitlichkeit. Auf die Unterschiede in der Bebauung und die Verhältnisse von Innen- und Außenbereich bei den anliegenden Grundstücken komme es nicht an. Insgesamt betrachtet habe die Straße auch eine wichtige Erschließungsfunktion für die anliegenden Grundstücke. Die vorhandenen Nutzungen, wie Krankenhaus, Feuerwehr und Schulen sowie Sportstätten, lösten einen erheblichen Anliegerverkehr aus. Diesem komme damit, anders als bei einer Hauptverkehrsstraße, keine untergeordnete Bedeutung zu.

Die Klägerin sei auch persönlich beitragspflichtig. Durch die Eintragung im Grundbuch sei sie Eigentümerin geworden. Diese Eintragung wirke am maßgeblichen Eintragungstag ab 0.00 Uhr. Nach dem öffentlichen Glauben des Grundstücks sei die Klägerin damit Eigentümerin zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides gewesen. Sie habe mit ihrem Vortrag diesen öffentlichen Glauben nicht erschüttert. Im Übrigen sei sie jedenfalls zum Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheides Eigentümerin gewesen.

Mit Beschluss vom 28. Oktober 2013 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, die Akte des Verfahrens VG 12 K 111/12 und auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (3 Ordner, 2 Hefter) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe
Die Klage, über die nach Übertragung durch die Kammer durch den Einzelrichter zu entscheiden ist (§ 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -), ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 16. Dezember 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2011 erweist sich als rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Der streitgegenständliche Ausbau der … in … unterliegt als Erneuerung und Verbesserung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG) i. V. m. § 1 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 KAG für straßenbauliche Maßnahmen der Stadt … (Straßenbaubeitragssatzung) vom 17. Oktober 2006 in der Fassung der 2. Änderung vom 14. September 2010 (SABS) der Beitragspflicht. Durch den grundhaften Ausbau ist die … mit ihren Teileinrichtungen erneuert und verbessert worden (vgl. zu den tatbestandlichen Voraussetzungen: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. August 2007 – 9 N 148.05 -, zit. nach juris). Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Die öffentliche Straße im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG i. V. m. § 1 SABS (Anlage) ist dabei die … zwischen … und Brandenburgischer Straße. Maßgeblich für die Bestimmung der beitragspflichtigen Anlage ist nach dem in § 1 SABS verwendeten weiten Anlagebegriff (siehe dazu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. August 2007 – 9 S 22.07 -, zit. nach juris) das Bauprogramm (OVG Berlin-Brandenburg a. a. O.). Das durch die Stadtverordnetenversammlung der Stadt … am 25. April 2006 beschlossene Bauprogramm umfasst den Ausbau der … zwischen … und … Straße.

Rechtliche Schranken, die dazu führen können, dass die räumliche Ausdehnung einer Anlage hinter dem Bauprogramm zurückbleibt, können sich aus dem Vorteilsgedanken ergeben, insbesondere daraus, dass durch die Abgrenzung der Anlage alle Grundstücke erfasst werden müssen, denen durch die Ausbaumaßnahme annähernd gleiche wirtschaftliche Vorteile geboten werden. Solche Schranken können beispielsweise durch die unterschiedliche Ausstattung der ausgebauten Straßenteile begründet werden (OVG Münster, Urteil vom 25. Januar 2005 – 15 A 548/03 -, zit. nach juris). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Bauprogramm Anlagen zusammenfasst, die nach natürlicher Betrachtungsweise selbstständige Erschließungsanlagen (siehe dazu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, § 12 Rdnr. 11 m. w. N.) sind. Maßgebend für die Entscheidung, ob eine Straße als eine einheitliche Erschließungsanlage zu behandeln ist oder ob sie in mehrere selbständige Einheiten zerfällt, ist das Erscheinungsbild der Straße, z. B. nach Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge und Straßenausstattung, zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht (BVerwG, Urteile vom 21. September 1979 – 4 C 55.76 – und 7. Juni 1996 – 8 C 30.94 -, zit. nach juris).

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte erweist sich die … zwischen … und … als einheitliche Anlage. Für einen Nutzer der Straße, insbesondere einen Kraftfahrzeugführer, entsteht der Eindruck, dass er eine einheitliche Anlage befährt. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Fahrbahn, abgesehen von Abbiegespuren, einheitlich 6 m breit ist und im Wesentlichen geradeaus verläuft. Zwar gibt es nach der Einmündung der … -Straße in nördlicher Richtung eine Verschwenkung in einer Kurve in östliche und dann wieder in nördliche Richtung. Diese weitgezogene Kurve vermittelt aber nicht den Eindruck, dass hier eine neue Anlage beginnt, denn der Verkehr kann nach der Umgestaltung des Einmündungsbereichs durch die Vorfahrtsberechtigung der … auf dieser unbehindert fließen. Der Verkehrsfluss endet erst an der ampelgeregelten Kreuzung mit der … . Beidseitig der Fahrbahn gibt es im gesamten Verlauf einen etwa gleich breiten Geh- und Radweg. Dieser entfernt sich zwar im 2. Bauabschnitt von der Fahrbahn. Dieser Umstand vermittelt aber noch nicht den Eindruck, hier beginne eine neue Anlage. Ohne Belang für diese Betrachtungsweise ist der Umstand, dass die Straße in ihrem Verlauf durch unterschiedliche Baugebiete verläuft und nördlich der Einmündung der … -Straße auf ca. 300 m Länge durch den Außenbereich (Wald) führt. Die Anbaufähigkeit der Straße ist für die Bestimmung der Anlage, anders als im Erschließungsbeitragsrecht, ohne Belang, da von der Beitragspflicht auch Grundstücke im Außenbereich erfasst werden (vgl. § 5 Abs. 4 Nr. 2 SABS).

Die mithin in der gesamten Ausdehnung zwischen … und … zu betrachtende … ist in dem angefochtenen Bescheid zutreffend als Haupterschließungsstraße berücksichtigt worden. Nach § 4 Abs. 7 SABS sind Haupterschließungsstraßen Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig überwiegend dem Verkehr innerhalb von Baugebieten oder innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen dienen. Hauptverkehrsstraßen sind demgegenüber Straßen, die dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr oder überwiegend dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienen.

Die – in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung unterliegende – Bestimmung der Straßenart beurteilt sich nach ihrer Funktion. Die Einordnung hat nach der gemeindlichen Verkehrsplanung, dem aufgrund dieser Planung verwirklichten Ausbauzustand, der straßenverkehrsrechtlichen Einordnung und den tatsächlichen Verkehrsverhältnissen zu erfolgen (Urteil der Kammer vom 15. September 2008 – 12 K 2166/05 -, n. V.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07. Juni 2006 – 9 M 5.05 -, n. V.; OVG Münster, Urteil vom 03. Oktober 1986 – 2 A 1439/83 – KStZ 1987, 116). Maßgeblich ist dabei die sich aus der Verkehrsplanung der Gemeinde und dem hierauf beruhenden Ausbauzustand ergebende Funktion, den tatsächlichen Verkehrsverhältnissen kommt demgegenüber eine nur untergeordnete Bedeutung zu (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 10. September 2009 – 15 A 1824/09 -, zit. nach juris).

Neben der Erschließung der anliegenden Grundstücke hat eine Haupterschließungsstraße die Funktion, den Verkehr der Anliegerstraßen zu sammeln, zu bündeln und an die Straßen für den innerörtlichen und überörtlichen Durchgangsverkehr weiter zu leiten. Insoweit besitzt die Haupterschließungsstraße – auch – eine Verbindungsfunktion (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 11. November 1986 – 9 A 25/86 -, KStZ 1987, 136). Die typischerweise von der Hauptverkehrsstraße zu leistende Aufgabe besteht demgegenüber darin, durchgehende Verkehrsströme aufzunehmen, zu bündeln und zu untergeordneten Verkehrsanlagen, nämlich Haupterschließungs- und Anliegerstraßen weiterzuleiten (OVG Münster, Urteil vom 18. August 1992 – 2 A 2642/89 -, zit. nach juris). Der Hauptverkehrsstraße kommt zwar noch eine Erschließungsfunktion für die anliegenden Grundstücke zu. Dies schlägt sich im Anteil der Anlieger an den Herstellungskosten nieder. Dieser Erschließungsfunktion ist aber bei der Hauptverkehrsstraße von untergeordneter Bedeutung und tritt gegenüber ihrer Funktion der Durchleitung von Verkehrsströmen deutlich zurück.

Nach den verkehrsplanerischen Vorstellungen der Stadt … handelt es sich bei der … um eine Haupterschließungsstraße. Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt … hat in ihrer Sitzung vom 11. Mai 2010 ein Verkehrskonzept verabschiedet, in der die … als „Haupterschließungsstraße mit besonderer Funktion“ definiert wird. Sie diene vorrangig der Abwicklung des Verkehrs zwischen den verschiedenen Stadtgebieten und erfülle parallel auch Verbindungsfunktion in Ergänzung zum Hauptverkehrsnetz. Da dieses Konzept nach Entstehen der sachlichen Beitragspflicht beschlossen wurde, ist es allerdings für die Entscheidung nicht maßgeblich. Diese Einstufung entspricht aber einem Konzept der Verwaltung zur Einrichtung von Geschwindigkeitszonen aus dem Jahre 2003. Dort wird die … als Sammelstraße (Haupterschließungsstraße) bezeichnet (Beiakte 5 zu VG 12 K 111/12, Plan 2). Diese Einordnung beruht auf einem vom Beklagten beauftragten Verkehrsgutachten aus dem Jahre 2002, das folgende Feststellung enthält (Seite 29, Beiakte 5 zu VG 12 K 111/12): „Der Straßenzug … nimmt als Nord-Süd-Trasse den Durchgangsverkehr vom Industriepark in Richtung Süden auf. Angesichts der Konzentration sensibler Nutzungen wie mehrerer Schulen, Krankenhaus, altersgerechtem Wohnen und nicht zuletzt reinen Wohngebieten sollte der hohe Anteil ortsfremden Verkehrs in diesem Straßenzug möglichst reduziert werden“. Der planerischen Einordnung als Haupterschließungs-straße entspricht die tatsächliche Funktion der Straße im Straßenverkehrsnetz.

Betrachtet man das Verkehrsnetz der Stadt … unter Berücksichtigung der Anschlüsse an überörtliche Verkehrsverbindungen, ergibt sich, dass der … keine erhebliche Bedeutung für die Durchleitung des überörtlichen Verkehrs zukommt. Die Anbindung an den überörtlichen Verkehr erfolgt weitgehend über die … und die … Straße mit ihren Anbindungen an die Bundesstraße 101 und die Bundesautobahn 10. Ein Durchfahren der … ist für den Durchgangsverkehr, d. h. solchen, der das Stadtgebiet erreicht und auch wieder verlässt, nicht erforderlich.

Demgegenüber stellt die … eine wichtige innerörtliche Verbindung, insbesondere zwischen der … und damit dem südlich der Bundesautobahn gelegenen Stadtteil und dem Industriepark Ost dar. Dabei handelt es sich um durchgehenden innerörtlichen Verkehr. Dieser Umstand verleiht der Straße aber noch nicht die Funktion einer Hauptverkehrsstraße. Der Definition in § 4 Abs. 7 Nr. 3 SABS ist in Abgrenzung zu § 4 Abs. 7 Nr. 2 SABS zu entnehmen, dass bei einer Hauptverkehrsstraße der Erschließung von Grundstücken gegenüber der Durchleitung des durchgehenden innerörtlichen Verkehrs nur untergeordnete Bedeutung zukommt, denn die Erschließungsfunktion wird in der Beschreibung der Hauptverkehrsstraße im Gegensatz zur Haupterschließungsstraße nicht erwähnt. Der … kommt aber für die anliegenden Grundstücke eine wesentliche Erschließungsfunktion zu. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Straße nicht nur durch Wohnbebauung verläuft, sondern mit Schulen und Sportstätten sowie dem Krankenhaus Grundstücke erschließt, die einen erheblichen Ziel- und Quellverkehr auslösen, der dem Anliegerverkehr zuzurechnen ist.

Dieser Funktion entspricht auch der gewählte Ausbauzustand. Die Fahrbahn ist mit einer Breite von jeweils 3 m für die beiden Fahrspuren nicht für eine Begegnung zweier LKW mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h geeignet (vgl. Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen RASt 06, Nr. 4.3). Für das Vorbeifahren ist nach den Richtlinien eine Herabsetzung der Geschwindigkeit erforderlich. Das gleiche gilt für die auf dieser Straße verkehrenden Buslinien. Diese geringe Ausbaubreite widerspricht dem Bild einer Hauptverkehrsstraße. Es entspricht aber dem planerischen Willen der Stadt …, durch die Einengung von 7,50 m bzw. 7 m auf 6 m Einfluss auf die Verkehrsströme zu nehmen.

Erkenntnisse über die tatsächlichen Verkehrsströme im gesamten Straßenverlauf gibt es nicht. Diese wären für die Bestimmung der Straßenart auch nicht entscheidend (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 3. September 2008 – 15 E 1125/08 -, zit. nach juris). Eine quantitative Beurteilung verbietet sich auch deswegen, weil der Erschließungsfunktion der Straße für die anliegenden Grundstücke grundsätzlich eine höhere Gewichtung zukommt, als den durchgehenden Verkehrsbewegungen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 22. Januar 2009 – 15 A 3137/06 -, zit. nach juris).

Nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 Nr. 2 SABS beträgt der Gemeindeanteil an den beitragsfähigen Aufwendungen damit für die Fahrbahn, die Beleuchtung und die Oberflächenentwässerung 55 %, für die gemeinsamen Geh- und Radwege 45 % und für unselbstständige Grünanlagen 40 %.

Das Gericht hat erwogen, ob angesichts des Umstandes, dass die … in erheblichem Umfang durchgehenden innerörtlichen Verkehr aufnimmt, eine Heranziehung der Anlieger zu den Ausbaukosten eine Satzungsregelung erfordert, die zwischen unterschiedlichen Arten der Haupterschließungsstraße differenziert, etwa zwischen solchen, denen eine bloße Sammelfunktion zukommt und anderen, die in größerem Umfang Verbindungsfunktionen im Straßennetz der Gemeinde wahrnehmen, bzw., ob die besondere Vorteilslage hier eine Einzelsatzung erforderlich macht, die in Abweichung von der allgemeinen Satzung dem gerecht wird. Im Ergebnis wird aber bei Anwendung der maßgeblichen Straßenbaubeitragssatzung der wirtschaftliche Vorteil der Allgemeinheit gegenüber dem Vorteil der Grundstückseigentümer (§ 8 Abs. 4 Satz 7 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 KAG) – noch – zutreffend erfasst. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber berechtigt ist, aus Gründen der Praktikabilität zu pauschalieren und zu typisieren und damit unter Nichtberücksichtigung individueller Besonderheiten Straßentypen von annähernd gleichen Vorteilsverhältnissen zu bilden (vgl. Driehaus, a. a. O. § 34 Rdnr. 11 m. w. N.; vgl. auch § 8 Abs. 6 Satz 2 KAG). Hier hat der Satzungsgeber dem Vorteil der Allgemeinheit bei den wesentlichen Teileinrichtungen zudem ein Übergewicht beigemessen, indem er den Gemeindeanteil dafür mit 55 % bemessen hat. Der Umfang des Anliegerverkehrs, der auf den Vorteil der Anlieger hinweist, ist dabei, wie ausgeführt, neben dem Durchgangsverkehr gleichfalls erheblich. Angesichts der dargestellten Umstände bedurfte es hier keiner weiteren Differenzierung der Straßenarten und damit der Anteilssätze.

Zweifel an der Ermittlung des in die Abrechnung eingestellten und nach Maßgabe von § 5 SABS verteilten beitragsfähigen Aufwands sind weder vorgetragen noch für das Gericht ersichtlich.

Insbesondere unterliegt auch das Flurstück … der Beitragspflicht. Es wird durch die … nicht unmittelbar erschlossen, die Erschließung erfolgt vielmehr über das davor liegende Flurstück … der Flur 3 der Gemarkung …, mit dem es einheitlich wirtschaftlich genutzt wird. Die alleinige Zufahrt erfolgt über das Flurstück … . Dies war auch zum maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht (§ 8 Abs. 7 Satz 1 KAG) mit Abnahme der Baumaßnahme am 30. November 2007 der Fall. Unerheblich ist, dass zu diesem Zeitpunkt beide Grundstücke in unterschiedlichem Eigentum standen. Der Zugang zur … war zu diesem Zeitpunkt jedenfalls durch ein Notwegerecht hinreichend rechtlich gesichert (vgl. dazu Driehaus, a. a. O., § 35 Rdnr. 23).

Die Klägerin ist für den festgesetzten Beitrag auch persönlich beitragspflichtig. Nach § 12 Abs. 1 SABS i. V. m. § 8 Abs. 2 KAG ist beitragspflichtig derjenige, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstückes ist. Der Bescheid vom 16. Dezember 2010 wurde der Klägerin am 20. Dezember 2010 zugestellt. Dadurch wurde die Bekanntgabe gemäß § 122 Abs. 2 AO i. V. m. § 12 KAG bewirkt (BFH, Urteil vom 19. Juni 1991 – I R 77/89 -, zit. nach juris).

Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin Eigentümerin des Grundstücks. Der Eigentumserwerb erfolgt nach § 873 Abs. 1 BGB durch die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch entsprechend der vorangegangenen Einigung der Berechtigten. Diese Eintragung ist hier ebenfalls am 20. Dezember 2010 erfolgt. An diesem Tag wurde die Eintragung wirksam.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchordnung (GBO) soll jede Eintragung den Tag, an welchem sie erfolgt ist, angeben. Die Angabe der genauen Uhrzeit der Eintragung ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen (vgl. dazu Kral in Beck-Onlinekommentar GBO, § 44 Rdnr. 100; Demharter, Grundbuchordnung 28. Auflage, § 44 Rdnr. 59) und hier auch nicht erfolgt. Sie ist für die Bestimmung der Wirksamkeit der Eintragung damit unerheblich. Mit der Angabe des Tages ist die Vermutung für das Bestehen dieses Rechts ab diesem Zeitpunkt verbunden (Kral a. a. O, Einleitung zu § 44). Dem entspricht § 129 Abs. 2 Satz 1 GBO für das elektronische Grundbuch. Zwar wird nach § 129 Abs. 1 Satz 1 GBO die Eintragung wirksam, sobald sie in den Datenspeicher aufgenommen worden ist. In Angleichung an § 44 Abs. 1 Satz 1 GBO regelt § 129 Abs. 2 Satz 1 GBO aber, dass es – nur – auf den Tag der Eintragung ankommt, denn dieser soll angegeben werden. Dies ist der Tag, an dem die Eintragung wirksam wird (Kral a. a. O. § 129 Rdnr. 5; Demharter a. a. O. § 129 Rdnr. 5). Die Angabe eines genaueren Zeitpunktes ist nach der Systematik der Grundbuchordnung auch nicht erforderlich. Für die Rangfolge gemäß § 45 GBO ist der nach § 13 Abs. 2 Satz 1 GBO aufzunehmende genaue Zeitpunkt des Eingangs des Antrags von Bedeutung. Danach bemisst sich die Eintragung gem. § 44 GBO.

Kommt es für die Wirksamkeit aber ausschließlich auf den Tag und nicht auf die Uhrzeit der Vornahme der Eintragung an, erfasst die Wirkung der Eintragung den gesamten Kalendertag. Die Eintragung ist mithin ab 0.00 Uhr dieses Tages wirksam. Die durch Postzustellurkunde nachgewiesene Bekanntgabe kann damit nur zu einem Zeitpunkt erfolgt sein, an dem der Eigentumsübergang bereits wirksam geworden war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.

Die Berufung war nach § 124 a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Der Frage, ob eine Straße, die der Erschließung von Grundstücken dient und gleichzeitig in erheblichem Maße durchgehenden innerörtlichen Verkehr aufnimmt und insoweit eine besondere Funktion besitzt, im Rahmen zulässiger Typisierung noch als Haupterschließungsstraße eingestuft werden kann oder ob die Straßenbaubeitragssatzung dieser besonderen Funktion durch Schaffung eines gesonderten Straßentyps in der allgemeinen Straßenbaubeitragssatzung oder durch eine einzelfallbezogene Satzung gerecht werden muss, weist über den entschiedenen Fall hinaus und besitzt daher grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche, verallgemeinerungsfähige Bedeutung kommt auch der Beantwortung der Frage zu, ob es für die Wirksamkeit der Eintragung im Grundbuch auf den genauen Zeitpunkt der Vornahme der Eintragung ankommt oder ob, wie vom Gericht angenommen, die Wirksamkeit mit Beginn des Kalendertages eintritt, an dem die Eintragung erfolgt.

B e s c h l us s:

Der Streitwert wird auf 103.170,75 Euro festgesetzt.

G r ü n d e:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes.

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