Brandenburgisches OLG, Urteil vom 21.06.2012 – 5 U 66/11

September 6, 2021

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 21.06.2012 – 5 U 66/11

Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 21. Juni 2011 – Az. 1 O 228/07 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 20.300,00 €

Gründe
I.

In der Berufungsinstanz streiten die Parteien noch darüber, ob dem Beklagten aus dem notariellen Kaufvertrag vom 28. Juni 2006 (Urkundenrolle Nr. 790/2006 des Notars … in P…, Bl. 3 ff. d. A.) ein Eigentumsverschaffungsanspruch gegen die Klägerin deshalb nicht zusteht, weil diese bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages nicht wirksam vertreten worden ist.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass dem Beklagten ein Eigentumsverschaffungsanspruch hinsichtlich der Grundstücke, die Gegenstand des Vertrages vom 28. Juni 2006 sind, nicht zusteht und zur Begründung ausgeführt, der Kaufvertrag sei für die Klägerin durch Herrn N… geschlossen worden, der, was zwischen den Parteien unstreitig sei, zu keinem Zeitpunkt ordentlich bestellter Geschäftsführer der Klägerin gewesen sei. Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass dieser zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen gewesen sei und er, der Beklagte, auf die Richtigkeit dieser Eintragung vertraut habe. Es könne in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob der Beklagte, wie dies die Klägerin geltend mache, Kenntnis von der fehlenden Geschäftsführerstellung gehabt habe. Nach h. M. werde § 15 Abs. 3 HGB einschränkend dahingehend interpretiert, dass der Vertrauensschutz nur zur Anwendung gelange, wenn die Bekanntmachung von dem Betroffenen oder einer Person, deren Verhalten ihm zurechenbar sei, veranlasst worden sei. Als Veranlassung genüge bereits eine richtige Anmeldung, die eine falsche Bekanntmachung auslöse.

Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Bekanntmachung, dass Herr N… der neue Geschäftsführer sei, in irgendeiner Art und Weise veranlasst habe. Der Umstand, dass der Geschäftsführer der Klägerin in einem anderen Zusammenhang eine Blankounterschrift geleistet habe, sei nicht ausreichend, da die Unterschrift nicht bestimmungsgemäß einem Wechsel in der Geschäftsführung habe dienen sollen. Ebenso wenig reiche es aus, dass der Mitgesellschafter G… mit dem Handeln des N… einverstanden gewesen sei. Nach dem Vortrag der Klägerin sei vielmehr davon auszugehen, dass N… auf Grund eines gefälschten Protokolls einer Gesellschafterversammlung seine Eintragung im Handelsregister selbst veranlasst habe.

Unerheblich sei, dass der Beklagte die Grundstücke mittlerweile weiterveräußert habe.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner rechtzeitigen Berufung. Unter Bezugnahme auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2010 vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht in dem Verfahren 6 U 87/07 macht er nunmehr geltend, es sei keineswegs unstreitig, dass G… N… nicht als Geschäftsführer der Beklagten gehandelt habe. Selbst in dem genannten Berufungsverfahren sei diese Tatsache noch streitig gewesen. Der Beklagte hat seinen Vortrag insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2012 dahingehend klargestellt, dass es sich hierbei um eine Rechtsauffassung handele, mit der er nicht präkludiert sein könne. In der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2010 sei G… N… vorsorglich für die Zukunft als Geschäftsführer abberufen worden. Es sei daher unbillig, dem Beklagten, der auf die Rechtmäßigkeit der Handelsregistereintragung habe vertrauen dürfen, den Anspruch auf Eigentumsverschaffung nicht zuerkennen zu wollen.

Bereits in I. Instanz hatte der Beklagte bestritten, dass die Eintragung des neuen Geschäftsführers durch G… N… selbst veranlasst worden ist (Schriftsatz vom 4. Januar 2010, Bl. 243).

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Neuruppin vom 21. Juni 2011 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. In der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2010 sei eine Abberufung lediglich vorsorglich für den Fall erfolgt, dass G… N… noch Geschäftsführer sein sollte.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519, 520 ZPO). Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem Beklagten aus dem notariellen Kaufvertrag vom 28. Juni 2006 ein Eigentumsverschaffungsanspruch gegen die Klägerin nicht zusteht, weil diese bei Abschluss des Kaufvertrages nicht wirksam vertreten worden ist und der Beklagte sich nicht auf die Vermutung des § 15 Abs. 3 HGB berufen kann.

1.

a) G… N…, der die Klägerin bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages vom 28. Juni 2006 vertreten hat, war zuvor nicht wirksam zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt worden. Diese rechtliche Bewertung durch das Landgericht ist zutreffend, weil es an einem entsprechenden Gesellschafterbeschluss (§§ 46 Nr. 5, 47 Abs. 1 GmbHG) fehlt. Am 8. Juni 2006 hat bereits eine Gesellschafterversammlung nicht stattgefunden, vielmehr haben G… N… und der Mitgesellschafter der Klägerin H… G… unter missbräuchlicher Verwendung einer zu anderen Zwecken erteilten Blankounterschrift des Geschäftsführers und Mitgesellschafters D… S… eine Gesellschafterversammlung und einen entsprechenden Beschluss der Gesellschafter lediglich fingiert, das gefälschte Protokoll notariell beglaubigen lassen und dadurch die Eintragung des G… N… als neuen Geschäftsführer im Handelsregister bewirkt. Aus der beigezogenen Handelsregisterakte ergibt sich in diesem Zusammenhang, dass das notariell beglaubigte Protokoll durch den Notar, der die Beglaubigung vorgenommen hat, beim Handelsregister eingereicht worden ist und G… N… nachträglich noch eine notariell beglaubigte Vollmachtsurkunde, wonach er zur Vertretung des Gesellschafters L… befugt war, beim Registergericht vorgelegt hat (HRB 5446 AG Neuruppin, Bl. 24-R).

b) Die Tatsache selbst, dass am 8. Juni 2006 eine Gesellschafterversammlung nicht stattgefunden hat, vielmehr ein solches Protokoll durch H… G… und G… N… gefälscht worden ist, ist vom Beklagten nicht bestritten worden.

Ein erstmaliges Bestreiten dieser Tatsache wäre im Übrigen in der Berufungsinstanz nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Dem Beklagten sind die Umstände, die zur Eintragung des G… N… geführt haben, nämlich schon seit langem bekannt. Die Klägerin hatte schon in I. Instanz das in dem Verfahren 2 O 318/06 Landgericht Neuruppin ergangene Urteil vom 29. März 2007 vorgelegt, in dem über die Umstände, unter denen das Protokoll vom 8. Juni 2006 zustande gekommen ist, u. a. durch Vernehmung des Beklagten als Zeugen Beweis erhoben worden ist. Zudem war der Beklagte selbst Partei des Verfahrens 6 O 30/07 Landgericht Neuruppin (Bl. 207 ff. d. A.), in dem er bereits geltend gemacht hatte, dass G… N… wirksam zum Geschäftsführer bestellt worden sei.

2.

Der Beklagte kann sich nicht auf die Vermutung des § 15 Abs. 3 HGB berufen, weil die Klägerin die Bekanntmachung (und die Eintragung), dass G…. N… zum Geschäftsführer bestellt worden sei, nicht zurechenbar veranlasst hat.

a) Bis 1969 wurde der Verkehrsschutz gegenüber unrichtigen Eintragungen und Bekanntmachungen im Wege der Rechtsfortbildung durch zwei Ergänzungssätze zu § 15 Abs. 1 HGB gewährleistet. Der eine besagte, dass derjenige, der durch eine unrichtige Anmeldung eine unrichtige Eintragung im Handelsregister veranlasst hat, sich gegenüber einem Dritten hieran festhalten lassen muss. Der zweite besagte, dass derjenige, der eine unrichtige Eintragung im Handelsregister schuldhaft nicht beseitigt, von einem gutgläubigen Dritten an dieser Eintragung festgehalten werden kann. Art. 3 Abs. 6 der Publizitätsrichtlinie von 1968 (68/151EWG des Rates vom 9. März 1968) statuierte für Kapitalgesellschaften die Pflicht der Mitgliedsstaaten, ein Abweichen der Bekanntmachung von der Eintragung zu verhindern: Kommt es dennoch zu einer Abweichung, kann sich die eintragungspflichtige Gesellschaft hierauf nicht berufen, während ein Dritter sich auf den Inhalt der Bekanntmachung berufen könnte.

Bei der Umsetzung der Richtlinie durch Einfügung des Absatzes 3 in § 15 HGB (Gesetz vom 15. August 1969; BGBl I, S. 1146) ist der bundesdeutsche Gesetzgeber über den Inhalt der Richtlinie hinausgegangen. Anders als die Richtlinie beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 HGB nicht auf Kapitalgesellschaften. Das Tatbestandsmerkmal der unrichtigen Eintragung erfasst nach der Richtlinie eine von der Eintragung abweichende Bekanntmachung, während nach § 15 Abs. 3 HGB die Abweichung von der tatsächlichen Rechtslage maßgeblich ist (vgl. Koch, in: Staub, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 2009, § 15 HGB Rdnr. 102 f.).

b)

aa) Der Wortlaut der Vorschrift sieht ein Veranlassungserfordernis jedenfalls nicht ausdrücklich vor. In der Begründung des Gesetzentwurfs findet sich in diesem Zusammenhang die Formulierung, der gutgläubige Dritte solle „unabhängig davon geschützt werden, ob die Unrichtigkeit von der Gesellschaft, in deren Angelegenheiten die Tatsache einzutragen war, veranlasst worden ist und ob sie die Berichtigung schuldhaft unterlassen hat“ (RegE, BT-Drucks. V/3862, S. 10).

Ausgehend hiervon wird teilweise die Ansicht vertreten, § 15 Abs. 3 HGB enthalte eine abstrakte Verkehrsschutzregel, die keine konkrete Veranlassung voraussetze. Die Vorschrift erfordere weder Kenntnis des Dritten von der Bekanntmachung noch eine konkrete Vertrauensdisposition. Auch die Formulierung „in dessen Angelegenheiten“ enthalte kein Veranlassungsprinzip (m. w. Nachw. Münchener Kommentar/Krebs, 2. Aufl. 2005, § 15 HGB Rdnr. 83-85). Auf der Basis der zuverlässigen deutschen Handelsregisterpraxis verblieben nur theoretische Fälle einer kriminellen Fälschung der Anmeldeunterlagen, die für das Registergericht nicht erkennbar sei. In einem solchen, bislang nicht dokumentierten, Fall werde der primäre Schutz durch das Strafrecht und durch die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche gewährleistet. Die verbliebenen, nach den bisherigen Erfahrungen sehr theoretischen, Fälle seien dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen. Es bestehe daher schon wertungsmäßig kein dringendes Bedürfnis dafür, einen veranlassten Rechtsschein zu fordern (Münchener Kommentar/Krebs, a. a. O., Rdnr. 84).

bb) Die h. M. schränkt den durch § 15 Abs. 3 HGB gewährten Vertrauensschutz in der Weise ein, dass die Vorschrift nur zu Lasten desjenigen wirkt, der den Eintragungsantrag selbst gestellt hat oder sich einen solchen Antrag zurechnen lassen muss. Nur dann sei eine Tatsache„in dessen Angelegenheiten“ einzutragen. Ob die Anmeldung selbst fehlerhaft war oder nicht, soll dabei keine Rolle spielen. Die Begrenzung der Haftung sei wegen des hohen Risikos einer unbegrenzten Haftung nötig (m. w. Nachw. Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 35. Aufl. 2012, § 15 HGB Rdnr. 19; Koch, in Staub, a. a. O., Rdnrn. 107 ff.).

cc) Eine am Wortlaut des § 15 Abs. 3 HGB sowie an Sinn und Zweck dieser Vorschrift orientierte Auslegung führt nach Auffassung des Senates zu dem Ergebnis, dass die Vermutung des § 15 Abs. 3 HGB einen durch denjenigen zurechenbar veranlassten Rechtsschein voraussetzt, in dessen Angelegenheiten die Tatsache einzutragen war.

Zwar sieht § 15 Abs. 3 HGB ein solches Veranlassungserfordernis nicht ausdrücklich vor, eröffnet aber durch den Passus „in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war“ eine solche Auslegung. Wer die Eintragung weder selbst noch durch Dritte zurechenbar veranlasst hat bzw. an der Schaffung der einzutragenden Tatsachen nicht zurechenbar beteiligt war, dessen Angelegenheiten sind durch die Eintragung nicht betroffen (vgl. Koch, a. a. O., Rdnr. 107).

Die Gesetzesmaterialien, denen im Rahmen der Auslegung ohnehin nur eine eingeschränkte Bedeutung zukommt, stehen einer solchen Auslegung nicht entgegen. Der Verzicht auf ein Veranlassungserfordernis, wie er in der oben zitierten Formulierung zum Ausdruck kommt, bezieht sich allein auf die Unrichtigkeit, nicht auf die Eintragung als solche. Vielmehr gehen auch die Gesetzesmaterialien davon aus, dass die Unrichtigkeit von der Gesellschaft veranlasst worden ist, in deren Angelegenheit die Tatsache einzutragen war. Die Äußerung des Gesetzgebers stellt danach lediglich klar, dass es nicht darauf ankommt, ob die fehlerhafte Bekanntmachung durch eine fehlerhafte Anmeldung veranlasst worden ist (vgl. dazu Koch, a. a. O., Rdnr. 107).

Allein der Umstand, dass eine nicht zurechenbare Registereintragung äußerst unwahrscheinlich ist, ist kein Argument, das einer solchen Auslegung entgegensteht. Allein der Umstand, dass eine Sachverhaltskonstellation sehr unwahrscheinlich sein mag, führt nicht dazu, dass die Rechtsordnung einem solchen Ausnahmefall nicht Rechnung tragen muss, zumal dann, wenn das drohende Risiko – anders als bei §§ 892, 2366 BGB – in einer unbeschränkten Haftung völlig Unbeteiligter besteht (etwa wenn das Registergericht fehlerhaft jemanden nicht als Geschäftsführer der GmbH einträgt, die dies beantragt hat, sondern als Geschäftsführer einer anderen GmbH oder in manipulativer Weise ein völlig Unbeteiligter als Gesellschafter einer OHG eingetragen wird und nach § 15 Abs. 3 HGB dann für deren Verbindlichkeiten unbegrenzt haften würde; Bsp. bei von Olshausen, BB 1970, 137, 140). Das Strafrecht und zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen diejenigen, die in strafbarer Weise eine falsche Bekanntmachung bzw. Eintragung im Handelsregister herbeigeführt haben, können insoweit einen hinreichenden Schutz des Opfers einer Straftat nicht gewährleisten.

Die Auffassung, die § 15 Abs. 3 HGB als einen Fall des reinen Rechtsscheinsprinzips ansieht, berücksichtigt darüber hinaus nicht hinreichend den Wortlaut der Vorschrift. Dem Einschub „in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war“ käme danach keine Bedeutung zu, er könnte nach diesem Verständnis der Norm auch entfallen. Für die Annahme, der Gesetzeswortlaut habe insoweit keinerlei Einfluss auf die Auslegung, ist aber nichts ersichtlich. Im Gegenteil liegt es vielmehr nahe, dass, wenn der Gesetzgeber eine reine Rechtsscheinhaftung auf der Grundlage einer unwiderleglichen Vermutung hätte normieren wollen, sich an dem Wortlaut bereits bestehender vergleichbarer Regelungen, die eine solche unwiderlegliche Vermutung enthalten, orientiert hätte.

So gilt nach § 892 Abs. 1 BGB der Inhalt des Grundbuchs zugunsten desjenigen, der ein Recht an einem Grundstück oder ein Recht an einem solchen Recht erwirbt, als richtig. Der Vertrauensschutz wird hier durch eine unwiderlegliche Vermutung begründet, die allein auf dem Rechtsschein der Eintragung beruht, der – etwa auch im Unterschied zu beweglichen Sachen – durch das Veranlassungsprinzip nicht eingeschränkt wird. Dies kommt in der Norm in der Weise zum Ausdruck, dass die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit (positive und negative Publizität) allein an die Eintragung im Grundbuch anknüpft. Eine dem § 892 BGB vergleichbare Regelung findet sich in § 2366 Abs. 1 BGB für den durch den Erbschein veranlassten Rechtsschein. In Kenntnis dieser Vorschriften hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 3 HGB aber gerade keine Formulierung gewählt, die allein und ausschließlich auf den Inhalt der Bekanntmachung bzw. der Eintragung abstellt, sondern die Rechtsscheinhaftung an die zusätzliche Voraussetzung geknüpft, dass sich ein Dritter nur demjenigen gegenüber auf die unrichtig bekanntgemachte Tatsache berufen darf, in dessen Angelegenheiten diese einzutragen war.

c) Das Landgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass durch die Blankounterschrift des Geschäftsführers ein solcher zurechenbarer Rechtsschein nicht gesetzt worden ist. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Blankounterschrift nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand anlässlich einer Herzattacke des Geschäftsführers S… geleistet und der Rechtsanwältin H… allein deswegen überlassen worden, um die Handlungsfähigkeit der Klägerin zu gewährleisten. Die Mitwirkung des Gesellschafters H… G… an der Fälschung des Gesellschafterprotokolls vermag ebenfalls eine zurechenbare Veranlassung nicht zu begründen, da er bei der Fälschung des Protokolls der Gesellschafterversammlung nicht in seiner Funktion als Gesellschafter tätig geworden ist, sondern vorsätzlich lediglich einen Beschluss der Gesellschaft vorgetäuscht hat. Um tatsächlich die Eintragung des G… N… zu erreichen, mussten darüber hinaus eine zumindest pflichtwidrige Mitwirkung eines Notars und die Einreichung des notariell beglaubigten Protokolls – die Eintragungsunterlagen waren nach § 12 HGB in öffentlich beglaubigter Form einzureichen, deren Anforderungen sich aus § 129 BGB, §§ 39,40 BeurkG ergeben – zur Eintragung im Handelsregister hinzu kommen.

Nach dem Inhalt der beigezogenen Handelsregisterakte steht vielmehr fest, dass die Eintragung des neuen Geschäftsführers durch G… N… im Zusammenwirken mit dem Notar, also gerade nicht durch den Geschäftsführer der Klägerin veranlasst worden ist.

Danach ist dem Notar das Protokoll der – fingierten – Gesellschafterversammlung zur Beglaubigung ausgehändigt worden. Dies kann jedenfalls nicht durch den Geschäftsführer der Klägerin veranlasst worden sein, weil dieser von dem Protokoll zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis hatte. G… N… hat dann, wie sich aus dem Vermerk in der Handelsregisterakte ergibt, ein weiteres Eintragungshindernis dadurch beseitigt, dass er selbst beim Handelsgericht eine Ausfertigung der Vollmachtsurkunde, wonach er befugt war, den Gesellschafter L… zu vertreten, vorgelegt hat.

3.

Da die Frage, ob § 15 Abs. 3 HGB einen durch denjenigen, in dessen Angelegenheiten die Tatsache einzutragen war, zurechenbar veranlassten Rechtsschein voraussetzt, bislang höchstricherlich nicht entschieden ist, und der Einzelfall jedenfalls Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen, war die Revision zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

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