OLG München, Beschluss vom 31.10.2018 – 34 Wx 448/17 Kost

September 20, 2021

OLG München, Beschluss vom 31.10.2018 – 34 Wx 448/17 Kost

Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts Starnberg – Grundbuchamt – vom 11. Dezember 2017 dahin abgeändert, dass der Geschäftswert für das Vorkaufsrecht am Erbbaurecht auf 2.032.524 € festgesetzt wird.

II. Die weitergehende Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird zurückgewiesen.

III. Auf die Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts Starnberg – Grundbuchamt – vom 11. Dezember 2017 dahin abgeändert, dass der Geschäftswert für das Vorkaufsrecht am Erbbaugrundstück auf 182.949 € festgesetzt wird.

34 Wx 448/17 Kost

IV. Die weitergehende Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 2 wird zurückgewiesen.

Gründe
I.

Dem Beteiligten zu 1, einem eingetragenen Verein, wurde mit Urkunde vom 13.2.2014 ein Erbbaurecht an einem Grundstück bestellt. Als Inhalt des Erbbaurechts wurden u. a. die Verpflichtung zum Bau und zur Unterhaltung eines Schulgebäudes samt dazu erforderlicher Anlagen bestimmt. Dem jeweiligen Erbbauberechtigten wurde sodann durch die Grundstückseigentümerin ein dingliches Vorkaufsrecht am Grundstück für alle Verkaufsfälle und dem jeweiligen Grundstückseigentümer durch den Erbbauberechtigten ein dingliches Vorkaufsrecht am Erbbaurecht für alle Verkaufsfälle eingeräumt. Das Erbbaugrundbuch wurde am 23.6.2016 angelegt; am gleichen Tag wurden der Erbbauberechtigte in Abteilung I und das Vorkaufsrecht für den jeweiligen Grundstückseigentümer in Abteilung II eingetragen. Im Grundbuch betreffend das Erbbaugrundstück wurden am 23.6.2016 in Abteilung II das Erbbaurecht für den Beteiligten zu 1 (lfd. Nr. 10) und das Vorkaufsrecht für den jeweiligen Berechtigten des Erbbaurechts (lfd. Nr. 11) eingetragen.

Zu notariellen Urkunden jeweils vom 14.7.2016 bestellte der Beteiligte zu 1 zu Lasten des Erbbaurechts Grundschulden zu 2.461.326 €, 2.150.000 € und 2.461.326 €. Er verpflichtete sich gegenüber dem jeweiligen Eigentümer des Erbbaugrundstücks, die Grundschulden löschen zu lassen, wenn sich das Grundpfandrecht mit dem Erbbaurecht in einer Person vereinigt. Zur Sicherung dieser Verpflichtung bewilligte er die Eintragung einer Löschungsvormerkung bei dem jeweiligen Grundpfandrecht. Außerdem trat der Beteiligte zu 1 alle Forderungen gegen den jeweiligen Grundpfandrechtsgläubiger auf Rückgewähr, Abtretung oder Löschung des Rechts ab. Zur Sicherung der (teils auflösend und aufschiebend bedingt) abgetretenen Ansprüche bewilligte er jeweils die Eintragung einer Vormerkung zugunsten des aus den Abtretungen Berechtigten. Am 31.8.2016 wurden im Erbbaugrundbuch die Grundschulden (Abt. III / 1 bis 3) sowie die Löschungsvormerkungen und die Vormerkungen zur Sicherung der (teils auflösend und aufschiebend bedingt) abgetretenen Ansprüche eingetragen.

Der zuständige Bezirksrevisor, der Beteiligte zu 2, beanstandete die Kostenansätze. Für die Eintragung des Vorkaufsrechts am Erbbaurecht sei die Gebühr aus einem zu niedrigen Wert berechnet worden. Außerdem seien Gebühren für die Eintragung der Vormerkungen zu erheben. Gegen die deswegen erfolgte Kostennacherhebung wandte sich der Beteiligte zu 1 unter anderem wegen des zugrunde gelegten Geschäftswerts.

Auf Antrag des Beteiligten zu 2 hat das Grundbuchamt in dem daraufhin eingeleiteten Wertfestsetzungsverfahren den Geschäftswert mit Beschluss vom 11.12.2017 festgesetzt auf:

159.423 € für das Vorkaufsrecht am Erbbaugrundstück

2.600.419 € für das Vorkaufsrecht am Erbbaurecht

2.461.326 € jeweils für die Löschungsvormerkung und die Rückgewährsvormerkungen betreffend die Grundschuld III/1

2.150.000 jeweils für die Löschungsvormerkung und die Rückgewährsvormerkung betreffend die Grundschuld III/2

2.461.326 € jeweils für die Löschungsvormerkung und die Rückgewährsvormerkung betreffend die Grundschuld III/3.

Hiergegen hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde (ausdrücklich nur) hinsichtlich der Festsetzungen für das Vorkaufsrecht am Erbbaurecht sowie für die Löschungs- und die Rückgewährvormerkungen eingelegt.

Der Wert des Erbbaurechts als Bezugswert für den des Vorkaufsrechts am Erbbaurecht sei zu Unrecht unter Einbeziehung der voraussichtlichen Baukosten berechnet worden. Festzusetzen sei nur der Hälftebetrag aus 80% des mit 1.594.230 € angegebenen Bodenwerts, weil zum Eintragungszeitpunkt noch kein Gebäude errichtet gewesen sei. Baubeginn sei erst im September 2016 gewesen. Hilfsweise wird geltend gemacht, dass die Positionen für Außenanlagen, Versicherungen, Projektsteuerung, Landschaftsplaner und Erschließung des Grundstücks nicht als Kosten für die Errichtung der Gebäude anzusehen seien. Schließlich sei allenfalls ein Anteil von 80% der Baukosten berücksichtigungsfähig.

Als Wert der Löschungs- und Rückgewährvormerkungen sei nicht der volle Grundschuldbetrag, sondern – wie bei der Bewertung von Rückauflassungsvormerkungen – nur die Hälfte des jeweiligen Nennbetrags festzusetzen.

Der Beteiligte zu 2 ist den Ausführungen entgegengetreten: Der Wert der beiden Vorkaufsrechte (am Erbbaugrundstück und am Erbbaurecht) müsse in Summe dem Wert eines Vorkaufsrechts am bebauten Grundstück entsprechen. Würde nur ein Anteil von 80% der Baukosten beim Wert des Erbbaurechts berücksichtigt, wären die restlichen 20% der Baukosten somit werterhöhend beim Vorkaufsrecht für das Grundstück anzusetzen. Nach dem Gesetzeswortlaut sei der Wert des Vorkaufsrechts am Grundstück sogar mit 50% des Bodenwerts anzunehmen, nicht – wie bisher geschehen – mit 50% aus dem „Rest“ von 20%.

Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.

Der Beteiligte zu 2 hat vor dem Senat für den Fall einer Herabsetzung des Werts für das Vorkaufsrecht am Erbbaurecht die Heraufsetzung des Werts für das Vorkaufsrecht am Erbbaugrundstück auf 50% des Bodenwerts beantragt.

Mit Beschluss vom 20.8.2018 hat die Einzelrichterin die Sache auf den Senat übertragen.

II.

Die gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1, Sätze 3 bis 5, § 81 Abs. 5 Sätze 1, 2 und 4 GNotKG zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Geschäftswertfestsetzung nach § 79 GNotKG, über die nach Übertragung durch die Einzelrichterin der Senat in seiner Besetzung nach § 122 Abs. 1 GVG entscheidet (§ 83 Abs. 1 Satz 5 GNotKG i. V. m. § 81 Abs. 6 Sätze 1 und 2 GNotKG), hat in der Sache teilweise Erfolg. Auf den als Anschlussbeschwerde auszulegenden Antrag des Beteiligten zu 2 erfolgt allerdings eine – hinter dem Antrag zurückbleibenden -Höherbewertung hinsichtlich des mit der Beschwerde nicht angegriffenen Teils des Festsetzungsbeschlusses.

1. Der Wert des auf ein Erbbaurecht bezogenen Vorkaufsrechts ist nach § 51 Abs. 1 Satz 2 GNotKG mit der Hälfte des Werts des Erbbaurechts zu bemessen.

a) Nach der gesetzlichen Regelung in § 49 Abs. 2 GNotKG ist der Wert des Erbbaurechts pauschal mit 80% der Summe aus den Werten des belasteten Grundstücks und darauf errichteter Bauwerke anzusetzen (hierzu: Korintenberg/Tiedtke GNotKG 20. Aufl. § 49 Rn. 16; Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt GNotKG 2. Aufl. § 49 Rn. 7; Becker in BeckOK-Kostenrecht 23. Edition § 49 GNotKG Rn. 7; Heinze/Deecke in Renner/Otto/Heinze GNotKG 2. Aufl. § 49 Rn. 6). Mithin ist nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes der Anteil von 80% aus der Summe, gebildet aus dem Verkehrswert des belasteten Grundstücks und dem Verkehrswert der aufstehenden Gebäude, zu berechnen (Winkler/Schlögel in von Oefele Handbuch Erbbaurecht 6. Aufl. § 9 Rn. 2 mit Rn. 11 und Bewertungsbeispiel in Rn. 10; Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt § 49 Rn. 7; Becker in BeckOK-Kostenrecht § 49 GNotKG Rn. 7). Die der angefochtenen Wertfestsetzung zugrundeliegende Berechnung als Summe aus 80% des Grundstückswerts und 100% der Gebäudewerte ist damit nicht vereinbar und bedingt schon deshalb eine überhöhte Wertfestsetzung.

b) Die sich daneben stellende und – soweit ersichtlich – seit Inkrafttreten des GNotKG am 1.8.2013 obergerichtlich noch nicht entschiedene Frage, ob der Wert der bei Eintragung des Vorkaufsrechts noch nicht errichteten Bauwerke im Rahmen der Wertbestimmung für das Vorkaufsrecht am Erbbaurecht Berücksichtigung findet, ist grundsätzlich zu verneinen.

aa) Mit § 49 Abs. 2 GNotKG hat der Gesetzgeber in bewusster Abkehr von der Regelung in § 21 Abs. 2 KostO eine Bewertungsvorschrift geschaffen, die immer dann gelten soll, wenn der Wert des Erbbaurechts für die Ermittlung des Geschäftswerts eine Rolle spielt (BT-Drucks. 17/11471 – neu – S. 170; OLG Celle ZNotP 2015, 118/119; Korintenberg/Tiedtke § 49 Rn. 2 und 34 Wx 448/17 Kost – Seite 5 12; Fackelmann in Schneider/Volpert/Fölsch Kostenrecht 2. Aufl. § 49 GNotKG Rn. 18). Diese Vorschrift ist deshalb auch dann maßgeblich, wenn der Wert des Erbbaurechts deshalb zu ermitteln ist, weil er nach § 51 Abs. 1 Satz 2 GNotKG der maßgebliche Bezugswert ist, aus dem sich der Wert des Vorkaufsrechts ableitet.

bb) Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es danach für die Wertbestimmung darauf an, ob bereits in dem nach § 59 Satz 1 GNotKG maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung Bauwerke auf dem Erbbaugrundstück errichtet waren.

Dennoch wird in der Fachliteratur teilweise die Meinung vertreten, dass in den für die Bewertung des Vorkaufsrechts maßgeblichen Bezugswert neben dem Verkehrswert des Grundstücks (samt ggfls. vorhandener Gebäude) auch der Wert der künftigen, noch zu errichtenden Gebäude einfließe (Röhl in Schneider/Volpert/Fölsch § 43 GNotKG Rn. 34 und 35 mit Berechnungsbeispiel Rn. 36; Korintenberg/Sikora § 43 Rn. 20; Hartmann Kostengesetze 48. Aufl. § 51 GNotKG Rn. 3; Sikora MittBayNot 2013, 446/450).

Eine Begründung für diese Meinung wird allerdings nicht gegeben; eine Auseinandersetzung mit der Änderung, die das Kostenrecht durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23.7.2013 (2. KostRMoG; BGBl. I S. 2586) erfahren hat, findet nicht statt. Ohne auf die sich dadurch stellenden grundlegenden Fragen einzugehen, wird schlicht die frühere Rechtsprechung fortgeschrieben.

Der Senat vermag sich dieser Sichtweise nicht anzuschließen.

(1) Unter der Regie von § 20 Abs. 2 KostO entsprach es allgemeinem Konsens in Rechtsprechung und Fachliteratur, dass die zu erwartende künftige Bebauung bei der Bewertung des Vorkaufsrechts am Erbbaurecht nicht außer Betracht bleiben kann (OLG München – 32. Zivilsenat – FGPrax 2006, 134; BayObLGZ 1968, 52/61 f; 1975, 450/456; 1982, 342/347 f). Allerdings beruhte diese Rechtsprechung darauf, dass der nach § 20 Abs. 2 KostO maßgebliche Bezugswert des Erbbaurechts nicht nach den Vorgaben des § 21 KostO zu berechnen war – diese Norm galt nur für die Bestellung eines Erbbaurechts -, sondern gemäß § 30 Abs. 1 KostO nach freiem Ermessen geschätzt werden musste und durfte (BayObLGZ 1968, 52/61 f.; 1982, 342).

(2) Dieses Konzept wurde durch das 2. KostRMoG jedoch dahingehend geändert, dass der Wert des Erbbaurechts auch dann, wenn es nicht um die Bestellung des Rechts geht (zu der insoweit anzustellenden Vergleichsberechnung: § 43 GNotKG), nach der Bewertungsvorschrift des § 49 Abs. 2 GNotKG zu bemessen ist (OLG Celle ZNotP 2015, 118/119). Danach ist die Berücksichtigung einer erst künftigen Bebauung grundsätzlich nicht vorgesehen.

Dass bei der Wertberechnung auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist, besagt zwar nicht, dass in diesem Zeitpunkt bereits hinreichend sicher absehbare, wertrelevante Entwicklungen keine Berücksichtigung finden dürfen (vgl. BayObLGZ 1975, 450/456). Hier jedoch steht der Wortlaut des Gesetzes der Berücksichtigung einer künftigen Bebauung entgegen.

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers entgegen dem Wortlaut des § 49 Abs. 2 GNotKG nicht nur der Wert bereits errichteter, sondern auch der Wert noch zu erstellender Bauwerke dann den Wert des Erbbaurechts bestimmen sollen, wenn dieser Wert als Bezugswert für das Vorkaufsrecht am Erbbaurecht von Bedeutung ist, ergeben sich weder aus § 51 Abs. 1 Satz 2 GNotKG noch aus den Gesetzesmaterialien. Mit der Neuregelung in § 49 Abs. 2 GNotKG verfolgte der Gesetzgeber Vereinfachungszwecke (BT-Drucks. 17/11471 S. 170). Ausdrücklich angesprochen sind die Vereinfachungseffekte, die sich aus der Vorgabe eines pauschalen Anteils von 80% sowie daraus ergeben, dass der Wert bereits errichteter Gebäude ohne Rücksicht darauf, wer die Baukosten wirtschaftlich zu tragen hatte, in die Bewertung des Erbbaurechts einfließt. Ausdrücklich erwähnt ist zudem der vereinfachende Effekt, der sich daraus ergibt, dass die Bestimmung immer zur Anwendung kommen soll, wenn es für die Bewertung auf den Wert des Erbbaurechts ankommt, und eine Vergleichsberechnung auf der Basis des Erbbauzinses einerseits und des pauschal geminderten Werts von Grundstück und Bauwerken andererseits nur noch für die Bestellung des Erbbaurechts anzustellen ist (vgl. Becker in BeckOK-Kostenrecht § 49 GNotKG Rn. 4). Dass die mit dieser Vereinfachung einhergehenden Auswirkungen auf die Bewertung des Vorkaufsrechts am Erbbaurecht nicht ausdrücklich erwähnt sind, besagt nicht, dass sie übersehen wurden oder der Gesetzgeber insoweit ein abweichendes Verständnis von den mit der Neukonzeption verbundenen Änderungen hatte. Insbesondere zeigt die bei der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum maßgebliche Bestimmung in § 42 Abs. 1 Satz 2 GNotKG auf, dass der Gesetzgeber die Frage der Berücksichtigung erst künftiger Bebauung im Rahmen der Bewertung im Blick hatte.

c) Auf dieser Grundlage errechnet sich der Bezugswert für das Vorkaufsrecht mit 1.275.384 € (80% des Bodenwerts von 1.594.230 €), der Wert des Vorkaufsrechts am Erbbaurecht daher mit 637.692 €

d) Hierbei hat es jedoch vorliegend nicht sein Bewenden, denn der nach § 51 Abs. 1 Satz 2 GNotKG gebildete Wert ist im konkreten Einzelfall unbillig.

aa) Eine Unbilligkeit folgt allerdings nicht regelmäßig bereits daraus, dass der Wert der künftigen Bebauung unberücksichtigt geblieben ist, denn dies würde der gesetzlichen Konzeption – wie dargestellt – widersprechen. Eine Abweichung vom gesetzlichen Regelwert kommt nur bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls aus Billigkeitsgründen in Betracht (§ 51 Abs. 3 GNotKG).

bb) Ein solcher Einzelfallumstand ist hier allerdings gegeben.

Er zeigt sich in dem überaus hohen Unterschied zwischen dem nach § 51 Abs. 1 Satz 2 GNotKG gebildeten Wert und dem wirtschaftlichen Wert, den das Vorkaufsrecht am Erbbaurecht für den Berechtigten angesichts der nach dem Vertrag bestehenden Bebauungspflicht und deren Umfang hat. Bleibt der Wert der im Zeitpunkt der Bestellung und Eintragung des Vorkaufsrechts nach dem Vertrag zu erwartenden Bebauung außer Ansatz, so bleibt unberücksichtigt, dass die Bebauung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ErbbauRG kraft Gesetzes zu einem wesentlichen Bestandteil des Erbbaurechts wird. Auf diesen Bestandteil erstreckt sich das Vorkaufsrecht, mit dessen Einräumung bereits ein durch den Abschluss des Kaufvertrags mit dem Dritten und die Ausübung des Vorkaufsrechts bedingter Kaufvertrag geschlossen wird (BGH NJW-RR 2012, 209 Rn. 8).

Im Hinblick auf den Umfang der hier vertraglich verpflichtend zugesagten Bebauung ist der hierfür anzusetzende wirtschaftliche Wert (dazu unter cc)) immens. Ein diesen Wert völlig außer Acht lassender Ansatz erscheint deshalb unbillig. Dies eröffnet nach dem Gesetz die Möglichkeit, einen höheren Wert anzunehmen.

cc) Sachgerecht erscheint es, den Zuschlag am Wert der künftigen Bauwerke auszurichten, der auf der Grundlage der prognostizierten Baukosten geschätzt werden kann (Korintenberg/Sikora § 43 Rn. 20; Hartmann § 51 GNotKG Rn. 3).

Berücksichtigungsfähig sind allerdings lediglich die Kosten für „Bauwerke“ (hierzu: BGHZ 117, 19/25; Winkler/Schlögel in von Oefele Handbuch Erbbaurecht § 2 Rn. 7 f.).

Deshalb sind die Kosten für Außenanlagen, die nicht befestigte Flächen betreffen, ebenso auszuscheiden wie die Kosten nicht näher erläuterter sonstiger Maßnahmen und die Position für Landschaftsplaner. Differenziert werden kann bei den Kosten für Erschließung. Zur nichtöffentlichen Erschließung gehört die Erstellung der Hausanschlüsse von der Grundstücksgrenze bis zum Haus. Nur die hierfür kalkulierte Position kann der Bauwerkserrichtung zugeordnet werden. Sachgerecht erscheint es außerdem, die Nebenkosten für Versicherung und Projektsteuerung, sogenannte Wettbewerbskosten, die Kosten für Baustellensicherheit, Brandschutzgutachten und -prüfung sowie für Gebühren nicht als Errichtungskosten zu berücksichtigen.

Ausgehend von der Kostenplanung ergeben sich unter Berücksichtigung eines Abzugsbetrags von zusammen 578.518 € somit geschätzte Baukosten für Bauwerke von 3.487.080 €. Der mit 1.594.230 € außer Streit stehende Bodenwert erreicht nicht einmal die Hälfte dieses Betrags. Deshalb wäre es völlig unverhältnismäßig und mithin unbillig, den wirtschaftlichen Kern bei der Bewertung des Vorkaufsrechts unberücksichtigt zu lassen.

Unter Einbeziehung ergibt sich der für die Bewertung des Vorkaufsrechts maßgebliche Bezugswert mit 80% von 5.081.310 €, somit 4.065.048 €.

Hiervon ist gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 GNotKG die Hälfte anzusetzen, mithin 2.032.524 €.

Dass der Wert des Vorkaufsrechts über dem Wert des Erbbaurechts liegen kann, liegt in der Natur der Sache und ist auch nach der Kostenrechtsreform nicht als unzulässig anzusehen (vgl. zur KostO: BayObLGZ 1982, 342/348).

2. Die Festsetzung des Werts der Löschungs- und Rückgewährvormerkungen richtet sich vorliegend nach § 45 Abs. 3 Halbs. 1 GNotKG. Der Geschäftswert wird danach durch den Wert des vorgemerkten Rechts bestimmt.

a) Die Löschungsvormerkung gemäß § 1179 BGB wird nach der Spezialnorm des § 45 Abs. 2 Satz 1 GNotKG wie eine Einräumung des Vorrangs (nur dann) behandelt, wenn sie zugunsten eines nach- oder gleichrangig Berechtigten bestellt wird. Weil hier die Löschungsvormerkungen jedoch zugunsten des jeweiligen Grundstückseigentümers bestellt sind, ist zur Wertbestimmung § 45 Abs. 3 Halbs. 1 GNotKG heranzuziehen.

Nach dieser für „sonstige“ Vormerkungen maßgeblichen Norm richtet sich auch der Wert einer Vormerkung, die zur Sicherung des Anspruchs auf (u. a.) Rückgewähr des Grundpfandrechts bestellt wurde.

Maßgeblicher Bezugswert ist danach hier für sämtliche Vormerkungen der Wert des jeweiligen Grundpfandrechts. Für die Löschungsvormerkungen ergibt sich dies daraus, dass sie kostenrechtlich als Veränderung einer Belastung fingiert werden, Nr. 14130 Abs. 1 Satz 1 KV GNotKG (Becker in BeckOK-Kostenrecht Nr. 14150 KV GNotKG Rn. 4, Nr. 14130 KV GNotKG Rn. 11 mit 11.1 sowie Nr. 14120 KV GNotKG Rn. 8), und der Wert der auf Löschung gerichteten Veränderung (Korintenberg/Hey’l Nr. 14150 KV GNotKG Rn. 6) gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GNotKG mit dem Nennbetrag des Grundpfandrechts anzunehmen ist. Für die Rückgewährvormerkungen folgt dasselbe Bewertungsergebnis daraus, dass sie den Anspruch auf Abtretung des dinglichen Grundpfandrechts an den Vormerkungsberechtigten sichern; der somit maßgebliche Bezugswert des Grundpfandrechts entspricht gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GNotKG wiederum dem Nennbetrag der Schuld.

b) Eine Reduzierung des Werts auf die Hälfte nach § 45 Abs. 3 Halbs. 2, § 51 Abs. 1 Satz 2 GNotKG ist nicht angezeigt.

aa) Mit Beschluss vom 9.7.2015 (34 Wx 136/15 = FGPrax 2015, 230) hat der Senat dargelegt, dass weder die gesetzliche Fassung dieser Bestimmungen noch die Gesetzesmaterialien einer 34 Wx 448/17 Kost – Seite 9 Auslegung dahingehend entgegenstehen, dass bestimmte Vormerkungen wegen der häufig völligen Ungewissheit des Bedingungseintritts für den gesicherten Anspruch nur nach dem Wert eines Vorkaufs- oder Wiederkaufsrechts (mithin mit dem halben Wert des Gegenstands, auf das sich das Recht bezieht) zu bewerten sind.

Weiter hat der Senat entschieden, dass für Rückauflassungsvormerkungen, die einen unter Bedingungen gestellten Anspruch des Grundstücksübergebers gegen den Übernehmer auf Rückübertragung sichern, nur der halbe Grundstückwert anzusetzen sei. Diene der bedingte Rückerwerbsanspruch lediglich dazu, von den Vertragsparteien für unwahrscheinlich erachtete vertragliche Störfälle aufzufangen (vgl. Fackelmann in Schneider/Volpert/Fölsch § 51 GNotKG Rn. 14; Wilsch ZfIR 2015, 389/390), so sei es ein Gebot der Kostengerechtigkeit, den Wert der zur Sicherung bestellten Vormerkung an den gesetzlichen Vorgaben für die Bemessung des Werts von Vorkaufs- und Wiederkaufsrechten (im engeren Sinne) auszurichten.

bb) Diese Rechtsprechung, an der festgehalten wird, ist für den vorliegenden Sachverhalt unergiebig. Weder liegt eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte vor noch verlangen sonstige Gesichtspunkte der Kostengerechtigkeit eine Wertreduzierung. Auch unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens ist das von der Beschwerde geforderte weite Normverständnis abzulehnen.

(1) Die Rückgewährvormerkungen sichern vorliegend Ansprüche des jeweiligen Abtretungsempfängers im Rahmen der regulären Vertragsdurchführung, deren Geltendmachung und Realisierung somit berechtigterweise erwartet werden kann.

In der Person des Erbbauberechtigten als Sicherungsgeber entsteht nämlich regelmäßig aufgrund des Sicherungsvertrags ein Anspruch gegen den Grundpfandrechtsgläubiger auf Rückgewähr (Verzicht oder Löschung) der (Finanzierungs-)Grundpfandrechte, der nach den Bestimmungen des Sicherungsvertrags fällig wird. Diese Ansprüche hat der Beteiligte zu 1 zur Sicherung seiner Verpflichtungen aus dem Erbbaurechtsvertrag und aus einem mehrseitigen Treuhandvertrag abgetreten. Die diesbezüglich bestellten Vormerkungen sichern somit Ansprüche im Rahmen einer planmäßigen Vertragsdurchführung. Soweit ein- und dieselben Forderungen auf Rückgewähr (Verzicht oder Löschung) unter auflösender und entsprechend aufschiebender Bedingung (Erledigung des Sicherungszwecks) an verschiedene Zessionare abgetreten wurden, gilt nichts anderes.

Darin besteht ein rechtlich relevanter Unterschied sowohl zu Rückgewährvormerkungen als auch zu Vorkaufs- oder Wiederkaufsrechten, der eine Gleichbehandlung der Sachverhalte unter dem Gesichtspunkte der Kostengerechtigkeit als nicht sachgerecht erscheinen lässt.

Dies gilt auch insoweit, als die Rückgewährvormerkungen teils auflösend und aufschiebend bedingt abgetretene Ansprüche sichern. Allein die Bedingtheit des durch Vormerkung gesicherten Anspruchs rechtfertigt die Wertreduzierung nicht. Auch nach der Vorstellung des 34 Wx 448/17 Kost – Seite 10 Gesetzgebers soll nach der mit dem KostRMoG in dieser Form neu eingeführten Bestimmung des § 45 Abs. 3 GNotKG „wie bereits nach aktueller Rechtslage“ (vgl. BT-Drucks. 17/11471 S. 167; BR-Drucks. 517/12 S. 240) der Wert des vorgemerkten Rechts maßgebend sein. Danach ist nichts dafür ersichtlich, dass – anders als bisher (vgl. nur Hartmann Kostengesetze 39. Aufl. § 66 KostO Rn. 6) – ein Wertabschlag bereits deshalb vorgenommen werden müsste, weil das vorgemerkte Recht bedingt (oder befristet) ist.

(2) Die Löschungsvormerkungen sichern den Anspruch des jeweiligen Eigentümers des Erbbaugrundstücks auf Löschung des Grundpfandrechts für den Fall, dass sich das Grundpfandrecht mit dem Erbbaurecht in einer Person vereinigt.

Auch insoweit ist keine grundlegend abweichende Beurteilung veranlasst. In welchem Maße der Eintritt der Bedingung wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist, ist für das Gericht nicht aufgrund der vereinbarten Bedingungen abzuschätzen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt im Zusammenhang mit § 51 Abs. 3 GNotKG: Korintenberg/Schwarz § 51 Rn. 41). Konkrete Anhaltspunkte für die Behauptung, dass die Wahrscheinlichkeit des Eintritts außerordentlich gering sei, liegen nicht vor.

Aus den Gründen der Senatsentscheidung vom 9.7.2015 lässt sich nichts für die Sicht des Beschwerdeführers ableiten. Die Löschungsvormerkungen sichern vorliegend nicht solche Ansprüche, deren Eintritt die Vertragsparteien als unerwünschten und nicht erwarteten vertraglichen Störfall ansehen. Sie dienen vielmehr der Sicherung einer reibungsfreien Vertragsdurchführung.

Eine die Wahrscheinlichkeit gewichtende Einzelfallbetrachtung ist weder nach dem Gesetz noch unter dem Gesichtspunkt der Kostengerechtigkeit notwendig. Die aus den Gesetzesmaterialien ersichtliche Vorstellung des Gesetzgebers von der Kontinuität der Rechtslage bei der Bewertung von Vormerkungen (siehe zu (1)) steht einer solchen individuellen Betrachtung entgegen.

c) Ob die Ausnahmeregelung in § 51 Abs. 3 GNotKG in diesem Zusammenhang überhaupt zur Anwendung kommen kann, kann dahinstehen, weil keine besonderen Einzelfallumstände vorliegen, die aus Billigkeitsgründen eine Herabsetzung des Werts nahelegen würden.

3. Die Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 2 hat teilweise Erfolg. Der Wert des auf das Grundstück bezogenen Vorkaufsrechts ist zu niedrig festgesetzt.

Der Wert des Vorkaufsrechts ist gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 GNotKG die Hälfte des Werts desjenigen Gegenstands, auf den es sich bezieht.

a) 34 Wx 448/17 Kost – Seite 11 Gemäß § 46 GNotKG wird der Wert des Grundstücks bestimmt durch den Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Grundstücks unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Außer Streit steht der auf die Mitteilung des Notars (80% des Bodenwerts = 1.275.384 €) gestützte Bodenwert für das unerschlossene Grundstück mit 1.594.230 €.

b) Allerdings ist das Vorkaufsrecht auf ein mit dem Erbbaurecht belastetes Grundstück bezogen.

aa) Die Beschaffenheit des Erbbaugrundstücks ist maßgeblich durch das an ihm lastende Erbbaurecht geprägt. Zwar werden gemäß dem in § 38 Satz 1 GNotKG statuierten Bruttoprinzip die auf einer Sache lastenden Verbindlichkeiten, mithin auch dingliche Belastungen, bei der Ermittlung des Geschäftswerts grundsätzlich nicht in Abzug gebracht. Abzugsfähig sind allerdings dauernde Verbindlichkeiten, die auf dem Gegenstand selbst ruhen und nach der Verkehrsanschauung dessen Wert mindern, weil sie vom Eigentümer nicht einseitig abgelöst werden können. Hierbei handelt es sich nicht um Verbindlichkeiten im Sinne von § 38 GNotKG, sondern um den Verkehrswert beeinflussende Beschaffenheitsmerkmale nach § 46 Abs. 1 GNotKG. Dazu zählen auch Erbbaurechte (KG RPfleger 2009, 532/533; Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt § 38 Rn. 6; Soutier in BeckOK-Kostenrecht § 38 GNotKG Rn. 2; Korintenberg/Bormann § 38 Rn. 3).

bb) Im Rahmen der Wertfestsetzung erscheint die in § 47 Abs. 2 GNotKG aus Vereinfachungsgründen zum Ausdruck kommende pauschale Betrachtung als tauglicher Anknüpfungspunkt für die Bewertung des belasteten Grundbesitzes. Ist danach das Erbbaurecht mit 80% des Grundstückswerts zu bewerten, so können die verbleibenden 20% als Wert des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks angesetzt werden.

cc) Ein Zuschlag in Höhe von 20% der zu erwartenden Kosten für die künftige Bebauung ist schon deshalb nicht sachgerecht, weil die zu errichtenden Bauwerke nicht wesentliche Teile des Grundstücks, sondern – wie ausgeführt – des Erbbaurechts werden.

dd) Allerdings sind die vom Vorkaufsberechtigten nach dem Vertrag verbindlich geschuldeten, den Wert des Grundstücks erhöhenden Leistungen bei der Bemessung des Bezugswerts werterhöhend zu berücksichtigen, vgl. § 47 Satz 2 GNotKG. Insoweit handelt es sich um bereits bei Eintragung hinreichend sicher zu erwartende, wertrelevante Entwicklungen des Gegenstands, auf das sich das Vorkaufsrecht bezieht. Eine Spezialnorm, die der Berücksichtigung entgegenstünde, besteht insoweit nicht.

Danach sind die Kosten der Grundstückserschließung in Höhe von 19.278 € werterhöhend in Ansatz zu bringen; das erschlossene Grundstück, auf das sich das Vorkaufsrecht bezieht, ist höherwertig als ein nicht oder nur teilerschlossenes Grundstück. Entsprechendes gilt hinsichtlich der für Außenanlagen veranschlagten Kosten von 215.980 €, nicht aber ohne weiteres für die übrigen oben in Abzug gebrachten Positionen.

Von dem sich somit errechnenden Gesamtbetrag von 1.829.488 € ist ein Anteil von 20%, mithin 365.898 €, als Wert des Gegenstands, auf den sich das Vorkaufsrecht bezieht, anzunehmen. Die Hälfte, mithin 182.949 €, entspricht dem Wert des Vorkaufsrechts.

ee) Sonstige Billigkeitsgründe (§ 51 Abs. 3 GNotKG) für einen Wertzuschlag (oder -abschlag) sind nicht ersichtlich. Besondere Umstände des Einzelfalls, die den Eintritt in eine Billigkeitserwägung veranlassen könnten, liegen nicht vor. § 51 Abs. 3 GNotKG ist eine eng auszulegende Ausnahmeregelung; eine Abweichung kommt daher grundsätzlich nur im Einzelfall bei außergewöhnlichen Umständen in Betracht (Korintenberg/Schwarz § 51 Rn. 41; Fackelmann in Schneider/Volpert/Fölsch § 51 GNotKG Rn. 23; Lutz/Mattes in BeckOK-Kostenrecht § 51 GNotKG Rn. 14).

4. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (vgl. § 83 Abs. 3 GNotKG).

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel statthaft (§ 83 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 81 Abs. 4 Satz 1 GNotKG).

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