OLG Köln, Urteil vom 09.09.2021 – 7 U 11/19

Oktober 3, 2021

OLG Köln, Urteil vom 09.09.2021 – 7 U 11/19

Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 18.12.2018 – 5 O 286/18 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 13.000,00 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klägerin weder gegen die Beklagte zu 1) (dazu 1.) noch gegen das beklagte Land (dazu 2.) einen Anspruch auf Ersatz der von ihr geltend gemachten Schäden hat. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

1. Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) stehen der Klägerin teilweise bereits aus Rechtsgründen, jedenfalls aber nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme, nicht zu.

a) Anders als das Landgericht gemeint hat, können solche Ansprüche, obwohl es sich bei der Beklagten zu 1) um eine öffentlichrechtliche Körperschaft handelt, nicht auf die Grundsätze der Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gestützt werden. Denn regelmäßig ist die in einem Krankenhaus, also auch in einem Universitätsklinikum, durchgeführte ärztliche Heilbehandlung nicht Ausübung eines öffentlichen Amtes iSv Art. 34 GG (BGH NJW 2017, 1745 Rn. 10). Dies gilt auch für die hier in Rede stehende Ausstellung des Totenscheins bzw. der Unbedenklichkeitsbescheinigung.

Nach § 9 Abs. 2 Bestattungsgesetz NRW ist bei Sterbefällen in einem Krankenhaus von der Leitung des Krankenhauses unverzüglich die Durchführung der Leichenschau zu veranlassen. Tritt der Sterbefall nicht in einem Krankenhaus oder einer ähnlichen Einrichtung ein, so trifft die gleiche Verpflichtung nach § 9 Abs. 1 Bestattungsgesetz NRW die Hinterbliebenen. § 9 Abs. 3 Bestattungsgesetz NRW verpflichtet jeden Arzt bzw. jede Ärztin, unverzüglich nach Erhalt der Todesanzeige die unbekleidete Leiche oder die Totgeburt persönlich zu besichtigen und sorgfältig zu untersuchen (Leichenschau) sowie die Todesbescheinigung auszustellen und auszuhändigen. Nur dann, wenn andere Ärzte für die Leichenschau nicht zur Verfügung stehen, ist sie von einem Arzt der für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen Unteren Gesundheitsbehörde durchzuführen.

Demnach ist zur Ausstellung der Todesbescheinigung im Grundsatz ein weit gefasster Personenkreis, nämlich alle approbierten Ärzte, die von einem Todesfall Anzeige erhalten, berufen, ohne dass dieser in einer näheren Beziehung zu einem Träger öffentlicher Gewalt stehen müsste. Bereits dieser Gesichtspunkt einer unüberschaubar großen Vielzahl potenzieller Aussteller von Todesbescheinigungen spricht dagegen, diese jeweils als in Ausübung eines öffentlichen Amtes handelnd anzusehen. Der von dem Landgericht herangezogene Vergleich zum TÜV bzw. zum Durchgangsarzt trägt aus Sicht des Senats nicht. Denn in diesen und vergleichbaren Fällen (Überblick bei Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Auflage 2013, S. 17 ff.) findet stets eine Anerkennung oder ein Beleihungsakt im Einzelfall und beschränkt auf einen der zuständigen Behörde bekannten Kreis von Personen/Institutionen statt (exemplarisch für den TÜV: § 1 Abs. 1 Kraftfahrsachverständigengesetz). Demgegenüber spricht die Indienststellung (potenziell) aller Ärztinnen und Ärzte für diese Aufgabe durch § 9 Abs. 3 Bestattungsgesetz NRW dafür, dass dies lediglich eine Verpflichtung im Allgemeininteresse darstellt. Der Bundesgerichtshof hat insoweit bereits entschieden, dass nicht jeder, der vom Staat für die Bewältigung seiner Aufgaben zur Unterstützung oder als Gehilfe herangezogen wird, damit schon mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes in diesem Sinne betraut ist. Es muss vielmehr ein innerer Zusammenhang und eine engere Beziehung zwischen der schädigenden Handlung und der öffentlichen Aufgabe bestehen (BGH NJW 1973, 554 f.); die öffentliche Hand muss in so weitgehendem Maße auf die Durchführung von Arbeiten Einfluss nimmt, dass der Private gleichsam als bloßes „Werkzeug“ oder „Erfüllungsgehilfe“ des Hoheitsträgers handelt und dieser die Tätigkeit des Privaten deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss. Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Privaten ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen (BGH NJW-RR 2019, 1163 Rn. 18 m.w.N.). Zur Heranziehung von (bei einer Klinik beamteten) ärztlichen Sachverständigen im Zivilprozess hat der Bundesgerichtshof ausgeführt: „Die Beklagten mussten nach § 407 ZPO ihrer Ernennung zum Sachverständigen Folge leisten, weil sie den Beruf eines Arztes öffentlich ausübten. Sie erfüllten dann mit der Sachverständigentätigkeit wie ein Zeuge zugleich eine staatsbürgerliche Pflicht. Diese Pflicht war eine Pflicht gegenüber dem Staat und nicht eine Pflicht des Staates. Der Sachverständige übernimmt also nicht die hoheitliche Aufgabe des Gerichts, und ihm wird nicht ein Teil der öffentlichen Aufgaben des Gerichts übertragen“ (BGH NJW 1973, 554, 555; vgl. auch Staudinger/Wöstmann, BGB, Neubearbeitung 2020, § 839a Rn. 2 m.w.N.).

So liegt der Fall auch hier: Denn die die Leichenschau durchführenden Ärzte der Beklagten zu 1) handelten in Erfüllung der ihnen durch § 9 Abs. 3 Bestattungsgesetz NRW in allgemeiner Weise auferlegten Aufgabe, die Leichenschau durchzuführen. Diese Aufgaben nahmen sie indes nicht weisungsgebunden oder nach strengen Vorgaben dergestalt vor, dass der die Leichenschau bzw. die Ausstellung der Todesbescheinigung vornehmende Arzt gleichsam als Werkzeug eines bestimmten Hoheitsträgers tätig wurde. Denn ungeachtet des Umstands, dass hierfür von der Unteren Gesundheitsbehörde die Nutzung bestimmter Formulare vorgegeben ist, erfolgte die eigentliche Tätigkeit im Kernbereich der ärztlichen Fachkunde und weisungsfrei. Insofern liegt die Annahme deutlich näher, dass der jeweilige Arzt bei der Leichenschau eine ihm im Allgemeininteresse auferlegte (Neben-)Pflicht, die aus seiner beruflichen Stellung als Arzt (aber nicht speziell als beamteter Arzt) resultiert, wahrnimmt; ihm wird – in den Worten des Bundesgerichtshofs – „eine staatsbürgerliche Pflicht“ abverlangt, wodurch er aber nicht zum Werkzeug staatlichen Handelns wird. Er erhält für diese Tätigkeit auch eine Vergütung, die privatrechtlicher Natur ist und keine Gebühr, wie sie für eine amtliche Tätigkeit geschuldet würde (vgl. zur ähnlichen Rechtslage in Bayern BAG, Urteil vom 04.02.1981, 5 AZR 982/78, Rn. 25 – nach juris zitiert). Zwar erlegt § 9 Abs. 2 Bestattungsgesetz NRW der Leitung des Krankenhauses die Pflicht zur Veranlassung der Durchführung der Leichenschau auf; da jedoch auch Krankenhäuser in privater Trägerschaft existieren, kann hieraus noch nicht der Schluss gezogen werden, die Veranlassung durch die Leitung indiziere bei einer öffentlichrechtlichen Körperschaft wie hier auch die Ausübung eines öffentlichen Amtes; es handelt sich vielmehr um dieselbe Pflicht, die ansonsten nach § 9 Abs. 1 Bestattungsgesetz NRW die Angehörigen trifft. In den Blick zu nehmen ist vielmehr die eigentliche Durchführung der Leichenschau, bei der die fachliche Bewertung durch die hierzu berufene Ärzteschaft erfolgt und die, wie aufgezeigt, im Grundsatz unabhängig davon besteht, ob Arzt oder Ärztin in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis stehen. Auch § 19 Abs. 1 Nr. 2 Bestattungsgesetz NRW spricht dagegen, dass es sich um hoheitliches Handeln handelt. Denn dort sind Ordnungswidrigkeitentatbestände niedergelegt, die sich zu Verletzungen von Pflichten nach § 9 Abs. 1-3 Bestattungsgesetz NRW verhalten, was systematisch für die Begründung von „Jedermanns-Pflichten“ und gegen hoheitliches Handeln spricht. Damit ist insgesamt davon auszugehen, dass die hier in Rede stehende Leichenschau jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes geschah.

b) Es kann dahinstehen, ob die Klägerin eigene vertragliche Ansprüche gegen die Beklagte zu 1), gegebenenfalls in Verbindung mit den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, schlüssig dargelegt hat, woran der Senat trotz des auf den Hinweis des Senats hin gehaltenen weiteren Vortrags der Klägerin nach wie vor erhebliche Zweifel hat. Denn unabhängig hiervon setzen vertragliche Schadensersatzansprüche nach dem Gesetz (§ 280 Abs. 1 BGB) eine Pflichtverletzung bzw. ein Verschulden voraus. Dies gilt auch, soweit deliktische Ansprüche der Klägerin aus §§ 823, 31 BGB (die allerdings reine Vermögensschäden, wie sie die Klägerin teilweise geltend macht, von vornherein nicht umfassen) betroffen sind. Denn da es vorliegend nicht um einen unmittelbaren Eingriff der Beklagten zu 1) in Eigentum der Klägerin geht, sondern eine mittelbare Rechtsgutsverletzung im Raume steht, ist die Rechtswidrigkeit der Verletzungshandlung nicht indiziert, sondern muss aus der Verletzung einer Pflicht hergeleitet werden (vgl. nur BeckOGK/Spindler, Stand 01.05.2021, § 823 Rn. 79 m.w.N.).

Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sind die von der Klägerin behaupteten Pflichtverletzungen (vgl. Bl. 6 f. GA) jedoch nicht zur Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) nachgewiesen, was zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin geht.

aa) Eine Pflichtverletzung kann von vornherein nicht in der Ausstellung der Todesbescheinigung ohne Abwarten des Ergebnisses der Untersuchung der an das A-Institut versandten Gewebeproben erblickt werden, weil diese Bescheinigung nach § 9 Abs. 3 S. 1 Bestattungsgesetz NRW unverzüglich ausgestellt werden musste.

bb) In Bezug auf die Unbedenklichkeitsbescheinigung folgt aus dem Gutachten des Sachverständigen des B nebst mündlicher Erläuterung, dass es sich nach den für die Beklagte zu 1) bzw. für ihre Ärzte geltenden medizinischen Maßstäben nicht als pflichtwidrig darstellte, dass sie die Bescheinigung ausstellten, obwohl noch keine Rückmeldung des spezialisierten Instituts für Tropenkrankheiten vorlag. Dabei ergibt sich eine „Wartepflicht“ nicht bereits daraus, dass die Beklagte zu 1) bereits vor Eintritt des Todes Proben an das A-Institut versandt hat, was für das Vorliegen entsprechender Verdachtsmomente sprechen könnte. Dies hat die Klägerin (Bl. 362 GA) zwar vorgetragen, jedoch handelt es sich um erstmals im Berufungsverfahren gehaltenen, mithin neuen, und von der Beklagten zu 1) bestrittenen (Bl. 365, 377 GA) Sachvortrag, für den Zulassungsgründe im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO weder vorgetragen noch ersichtlich sind.

In seinem Gutachten vom 16.07.2020 (Bl. 409 ff. GA) hat der Sachverständige im Wesentlichen ausgeführt: Eine histologische Untersuchung der bei der Obduktion gewonnenen Organproben zwei oder drei Tage nach Durchführung der Obduktion stelle in der Pathologie ein typisches Zeitfenster dar (S. 10 des Gutachtens, Bl. 418 GA). Es sei hinsichtlich des praktischen Ablaufes als üblich zu erachten, dass eine Bescheinigung wie diejenige vom 29.02.2016 unmittelbar nach dem makroskopischen Obduktionsbefund ausgestellt werde und nur dann eine besondere Warnung ausgesprochen und der Leichnam besonders behandelt werde, wenn sich aus der Kombination des klinischen Verlaufs und des makroskopischen Obduktionsergebnisses Hinweise darauf ergäben (S. 10 des Gutachtens, Bl. 418 GA). Mangels eines vorliegenden Sektionsprotokolls bzw. Obduktionsbericht könne seitens des Gutachters nicht bewertet werden, ob die Einschätzung eines nicht vorhandenen Infektionsrisikos allein aufgrund des makroskopischen Obduktionsergebnisses zutreffend sei (S. 10 des Gutachtens, Bl. 418 GA). Sodann hat der Sachverständige unter Auswertung verschiedener Leitlinien zum Thema Obduktionen ausgeführt, dass in der Rechtsmedizin die eigentliche Obduktion, also die gerichtliche Leichenöffnung mit der inneren Besichtigung, zu der die Probenentnahme für histologische Untersuchungen gehöre, abgeschlossen sei (S. 12 des Gutachtens, Bl. 420 GA).

Aus diesen Ausführungen des Sachverständigen folgt, dass die Ausstellung der Unbedenklichkeitsbescheinigung mit ihrem unstreitigen Inhalt vor Durchführung der histologischen Begutachtung der entnommenen Gewebeproben medizinisch fachgerecht war und daher der Beklagten zu 1) nicht zum Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung gereicht. Denn hiernach entspricht es der Üblichkeit, dass grundsätzlich nur eine makroskopische Untersuchung der Leiche vorgenommen wird und diese die Grundlage der Ausstellung sowohl des Totenscheins als auch der Unbedenklichkeitsbescheinigung bildet. So ist bzw. sind vorliegend auch die Beklagte zu 1) bzw. die für sie handelnden Ärzte verfahren. Nur wenn sich bereits hieraus Anhaltspunkte für besondere Umstände im Sinne einer Ansteckung mit einer Krankheit wie dem Lassa-Fieber ergeben, sind danach andere Schritte veranlasst.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann nicht davon ausgegangen werden, dass solche Anhaltspunkte vorlagen.

cc) Dem Vortrag in der Klageschrift (Bl. 4 GA), wonach die einschlägigen Leitlinien die Verdachtsdiagnose des Vorliegens eines hämorrhagischen Fiebers geboten hätten, ist dadurch der Boden entzogen, dass die Beklagte zu 1) – in der Folge von der Klägerin unwidersprochen – vorgetragen hat, dass das Lassa-Fieber in Togo gerade nicht endemisch ist (Bl. 34, 197 GA), was aber eine Voraussetzung für eine entsprechende Verdachtsdiagnose wäre. Dies ergibt sich auch aus dem von der Klägerin selbst vorgelegten (im Schriftsatz aber nur selektiv zitierten) Wikipedia-Artikel Anlage K3, in dem nur bestimmte westafrikanische Länder, zu denen Togo nicht zählt, als Gebiete benannt werden, in denen Lassa-Fieber endemisch ist. Soweit die Klägerin erstmals im Schriftsatz vom 12.08.2021 darauf abstellt, dass dies in angrenzenden Ländern, wie Ghana, Elfenbeinküste, Burkina Faso und Nigeria der Fall sei, so ergibt sich hieraus nicht, dass die Beklagte zu 1) bzw. deren Ärzte hieraus den Schluss ziehen mussten, dass mit einem Malariaverdacht aus Togo eingelieferte Patienten auch auf das Lassa-Fieber zu untersuchen seien; es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung der Unbedenklichkeitsbescheinigung Informationen vorlagen, die einen Bezug des Verstorbenen zu den Nachbarländern von Togo nahelegten. Auch der Sachverständige hat in seiner Anhörung vor dem Senat (S. 5 des Protokolls, Bl. 521 GA) bestätigt, dass allein aus der Herkunft aus Westafrika nicht zu folgern sei, dass weitere Untersuchungen hätten durchgeführt werden müssen. Vielmehr sei die Diagnose Malaria auf den ersten Blick plausibel gewesen und habe zum Herkunftsort aus Togo gepasst. Die von der Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom 12.08.2021 vorgelegte Aufstellung des Robert Koch-Instituts, in der ein gelegentliches Auftreten von Lassa-Fieber in Togo erwähnt wird, gibt, worauf die Beklagte zu 1) zutreffend hingewiesen hat, nicht den im Jahr 2016 geltenden Stand wieder, auf den aber für die Frage einer Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) im vorliegenden Fall abzustellen ist. Insofern sind in der Todesbescheinigung gerade keine dahingehenden Verdachtsmomente dokumentiert.

dd) Der Senat hat aus prozessualen Gründen auch davon auszugehen, dass bei der makroskopischen Untersuchung keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Lassa-Fieber festgestellt wurden. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat zwar anfänglich das Vorliegen innerer Blutungen bei dem Verstorbenen behauptet, die auf Lassa-Fieber hingedeutet hätten (Bl. 175 GA); hierbei handelte es sich aber erkennbar um unbeachtlichen Vortrag ins Blaue hinein. Denn der Klägerin lag und liegt offenkundig der Obduktionsbericht nicht vor. Vor allem aber ist sie dem auf Veranlassung des Senats gehaltenen näheren Vortrag der Beklagten zu 1) im Schriftsatz vom 20.12.2019 (insbesondere Bl. 370 GA) zum Ablauf der Untersuchung und dazu, dass weder bei der inneren noch bei der äußeren Leichenschau Blutungen oder septische Milzschwellungen, die auf ein hämorrhagisches Fieber hätten hindeuten können, vorgefunden worden seien, in der Folge nicht mehr entgegengetreten. Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil die Beklagte zu 1) mit diesem Vortrag einer etwa bestehenden sekundären Darlegungslast jedenfalls nachgekommen ist und es daher an der für eine Pflichtverletzung darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin gewesen wäre, diesen Vortrag konkret zu widerlegen und Beweis hierzu anzutreten. Dies ist indes in ihren nachfolgenden Schriftsätzen, insbesondere in der Stellungnahme zum Gutachten (Bl. 448 ff. GA), nicht geschehen. Auch im jüngsten Schriftsatz vom 12.08.2021, der in Reaktion auf den konkreten diesbezüglichen Hinweis des Senats eingereicht worden ist (Bl. 529 ff. GA), verhält sich die Klägerin nicht näher zum konkreten Ablauf der Obduktion, sondern stellt maßgeblich auf ihren Vortrag dazu ab, dass infolge ähnlicher Symptome von Malaria und Lassa-Fieber eine Abklärung ohnehin geboten gewesen sei, was indes nicht ausreicht, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt.

ee) Eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) lässt sich auch nicht darin erblicken, dass diese den Verstorbenen, bei dem sie unstreitig eine Malaria-Infektion diagnostiziert hatte, bereits aufgrund dieser Diagnose als ansteckungsverdächtige Person bzw. Leichnam hätte behandeln müssen. Insofern hat die Beklagte zu 1), indem sie auf der Todesbescheinigung das vorgesehene Kreuz für das Vorhandensein von Krankheiten im Sinne von § 6, 7 IfSG setzte und im vertraulichen Teil auf den Verdacht einer Malaria-Infektion hinwies, die insoweit erforderlichen Maßnahmen ergriffen. Soweit die Klägerin der Meinung ist (Bl. 174 GA), auch bei Malaria handele es sich um eine hämorrhagische Fiebererkrankung, ist dies im Tatsächlichen und auch hinsichtlich der infektionsschutzrechtlichen Einordnung unzutreffend. Bei Malaria handelt es sich (wie auch die Beklagte zu 1), Bl. 455 GA, unwidersprochen vorgetragen hat) um eine parasitäre (also nicht durch einen Virus wie die Gruppe der hämorrhagischen Fiebererkrankungen hervorgerufene) Erkrankung, die nur den geringeren Meldepflichten nach § 7 Abs. 3 IfSG unterliegt, weil sie anders als die in § 7 Abs. 1 IfSG aufgeführten Erkrankungen (darunter das Lassa-Fieber, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 26 IfSG) kein unverzügliches (§ 9 Abs. 3 IfSG) Handeln der Gesundheitsämter erfordert (vgl. Thiery, in: BeckOK InfSchR, 5. Ed. 1.5.2021, § 7 IfSG Rn. 121) und dementsprechend auch der Verdacht einer Malaria-Erkrankung nicht der Ausstellung der Unbedenklichkeitsbescheinigung entgegenstand, weil diese Erkrankung gerade nicht mit einer dem Lassa-Fieber vergleichbaren Infektionsgefahr verbunden ist. Insofern ist es auch nicht widersprüchlich, dass die Beklagte zu 1) bzw. deren Ärzte auf der Todesbescheinigung das Vorliegen einer nach §§ 6, 7 IfSG meldepflichtigen Krankheit bejahten, zugleich aber nicht von der Notwendigkeit von besonderen Schutzmaßnahmen ausgingen. Denn bei Malaria besteht das Risiko einer Mensch zu Mensch-Übertragung nur bei direktem Blutkontakt, während bei Viren eine deutlich erhöhte Ansteckungsgefahr besteht, für die unter bestimmten Umständen, wie sich aus dem von der Klägerin selbst vorgelegten „RKI-Ratgeber“ ergibt (Bl. 537 GA), bereits Kontakt mit Speichel bzw. Rachensekret durch Husten ausreichen kann.

ff) Soweit der Sachverständige auf S. 13 seines Gutachtens (Bl. 421 GA) ausgeführt hat, dass aus Sicht eines Pathologen „die eigentliche Obduktion erst nach den histologischen Untersuchungen abgeschlossen“ sei, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn insoweit hat der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung klargestellt, dass diese eher allgemeine Überlegung nicht unbesehen auf die konkrete Bescheinigung vom 29.02.2016 übertragen werden kann. Denn deren Erklärungswert konnte sich allein auf die „innere Leichenschau“ / „autopsy“, die nur drei Tage vorher stattgefunden hatte, beziehen; angesichts der von dem Sachverständigen geschilderten Übung, wonach genau diese Bescheinigung unmittelbar nach dem makroskopischen Untersuchungsbefund ausgestellt werde, konnte jedenfalls die fachkundige Klägerin nicht erwarten, dass in die Bescheinigung bereits Ergebnisse der histologischen Untersuchung eingeflossen waren. Dies hat der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung bestätigt (S. 3 des Protokolls, Bl. 519 GA). Auch hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass der Umstand, dass eine Überprüfung des Leberbefunds durch das A-Institut veranlasst worden sei, kein Indiz dafür darstelle, dass die Beklagte zu 1) belastbare Anhaltspunkte für das Vorliegen von Lassa-Fieber gehabt habe. Insoweit hat er anschaulich dargestellt (S. 5 des Protokolls, Bl. 521 GA), dass die Diagnose auf Lassa-Fieber üblicherweise anhand einer PCR-Untersuchung und durch das Anzüchten des Virus, nicht aber anhand einer Inaugenscheinnahme einer Gewebeprobe erfolgen könne, sodass der von Herrn C geäußerte Verdacht, der sich später bestätigt habe, als „Glücksfall“ bzw. „genial“ bezeichnet werden müsse. Ungeachtet dessen sei zum damaligen Zeitpunkt die Diagnose Lassa-Fieber aus dem bloßen Befund der histologischen Untersuchungen heraus objektiv immer noch fernliegend gewesen. Hieraus folgt zwanglos, dass die die Obduktion vornehmenden Ärzte der Beklagten zu 1) (zu denen C gerade nicht gehörte) nicht allein aufgrund dieses Verdachts, der offenkundig auf Sonderwissen eines später hinzugezogenen Arztes beruhte, gehalten waren, ihrerseits vom Vorliegen von Lassa-Fieber auszugehen.

gg) Der Senat folgt den Ausführungen des Sachverständigen. Dieser hat unter Auswertung aller ihm zugänglicher Unterlagen und einschlägiger Literatur seine Ergebnisse schlüssig hergeleitet und diese begründet; in der mündlichen Verhandlung hat er, wie bereits dargestellt, sich anhand des schriftlichen Gutachtens noch ergebende Fragen klären können, ohne sich in Widerspruch zu seinen schriftlichen Ausführungen zu setzen. Aus seiner Sicht nicht eindeutig zu beantwortende Punkte hat er klar als solche gekennzeichnet. Soweit die Klägerin in ihrem jüngsten Schriftsatz beanstandet, es sei nicht ersichtlich, woher der Sachverständige seine Kenntnis über eine Beteiligung des C nehme, so ist auf S. 9 des Schriftsatzes der Beklagten zu 1) vom 19.12.2019 (Bl. 171 GA) zu verweisen, der entsprechenden Vortrag enthält, dem die Klägerin in der Folge nicht entgegengetreten ist.

2. Das Landgericht hat darüber hinaus zutreffend entschieden, dass das beklagte Land für das Handeln der Beklagten zu 1) nicht nach § 39 Abs. 1 lit. b) OBG haftet; es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu 1) als Sonderordnungsbehörde tätig geworden wäre. Auf die Ausführungen des Landgerichts, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden und die obigen Erwägungen dazu, dass die Ärzte der Beklagten bei der Ausstellung der Todes- und der Unbedenklichkeitsbescheinigung bereits nicht in Ausübung eines öffentlichen Amts handelten und deshalb sowie mangels einer Pflichtverletzung auch Amtshaftungsansprüche ausscheiden, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der Rechtsstreit betrifft lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsgrundsätze im konkreten Einzelfall; entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige abstraktgenerelle Rechtsfragen stellen sich im Verfahren nicht. Der Senat hat den Rechtsstreit vielmehr auf Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens und der hieraus folgenden tatsächlichen Umstände entschieden.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.