Oberlandesgericht Köln, 22 U 171/18

Oktober 3, 2021

Oberlandesgericht Köln, 22 U 171/18

1.

Die Überweisung zur Einziehung verschafft dem Pfändungsgläubiger nicht die Ermächtigung, dem Vollstreckungszweck zuwiderlaufende Maßnahmen zu ergreifen und damit insbesondere nicht dazu, die (kompensationslose) Rücknahme der gegen ihn selbst anhängigen Klage zur Durchsetzung des gepfändeten Rechts zu erklären.

2.

Es verletzt den verfassungsrechtlich verankerten Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG), wenn das Gericht den über einen Rechtsanwalt in einem von ihm eigenhändig unterzeichneten Schriftsatz als nicht ordnungsgemäß in den Prozess eingeführt zurückweist, weil darin umfangreiches und offenkundig von der Partei selbst verfasstes tatsächliches Vorbringen zu Einzelpositionen eines ebenso umfangreichen und zahlreiche Positionen umfassenden Klagevortrages enthalten sind, sofern nicht ganz konkrete und gegebenenfalls im Rahmen der Prozessleitung (§§ 137, 139 ZPO) zu ermittelnde Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Rechtsanwalt das von ihm durch Unterschrift gebilligte Vorbringen entgegen dem äußeren Anschein in Wahrheit doch nicht zur Kenntnis genommen hat und/ oder nicht als Ergebnis eigenverantwortlicher Prüfung in den Prozess eingeführt wissen will.

3.
Auch dann, wenn ein vorläufig vollstreckbarer Räumungstitel des Vermieters von Gewerberaum gegen den Mieter vorliegt, folgt allein daraus nicht, dass ein selbsttätiger Vollzug des Räumungs- und Herausgabetenors durch den Vermieter ohne Einschaltung des hierfür zuständigen Vollstreckungsorgans von diesem Titel gedeckt wäre; vielmehr liegt auch in einem solchen Falle eine unerlaubte Selbsthilfe im Sinne von § 231 BGB vor.

Tenor:
1.

Auf die Berufungen der Kläger und der Beklagten wird das angefochtene Urteil des Landgerichts Aachen vom 03.08.2018 (8 O 381/14) unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel aufgehoben und das Verfahren an das Gericht des ersten Rechtszuges zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, zurückverwiesen,

a.

soweit die Beklagte verurteilt worden ist,

(1)

auf den Klageantrag zu 2. die Gegenstände zu den Positionen

51 – Ess- und Kaffeeservice für 60 Personen und Müslischalen (Form: eckig abgerundet),

61 – 200 Biergläser (Bild 27.5-27.9),

62 – 20 Weizengläser Paulaner (Bild 27.5-27.9),

64 – 20 Sektgläser (hohes Glas mit Stiel, Bild 27.5-27.9),

66 – 4 (verschiedene) Kegverschlüsse Bierfässer (Dom, Gaffel, Reißdorf, Bitburg),

77 – 3 Auflaufformen groß (weiß, Keramik, Bild 31.13),

92 – Rössler Knoblauchpresse [Nr. 92 – 149: Diverses Küchengeschirr von Rössler],

104 – Küchenmesser,

145 – 10 Tortenschaufeln Metall,

146 – 6 Tortenschaufeln Plastik,

150 2 Alfi Thermobecher,

151 5 Alfi Isolierkannen,

152 3 Weinverschlüsse Cillo,

153 – Wein- /Sektverschluss,

154 – Pokerspiel (silberner Koffer mit Chips),

155 – Kartenspiel Seniorenrommé,

156 – Vorwerk Staubsauger (Bild 45),

157 – 2 Vorwerk Staubsauger Tiger (Bilder 45a-45b),

191 – Eierkocher ,

192 – Raclette,

193 – Folienschweißer,

210 – Tupperware mikroplus,

211 – Tupperware Schüssel für Teig,

213 – Tupperware 2 Gefrierschalen (Bild 47a),

214 – Tupperware 2 Kombi (Bild 47a),

215 – Tupperware Salatschüssel mit Deckel,

229 – Granitplatte als Thekentisch mit 4 Edelstahl Hochstühlen (Bild 30.2),

235 – Diverse Rosenstöcke (Bild 50),

247 – 5 Regulatoren (Bild 67,72),

251 Ohrringe Gold mit Steinen (Bild 58a, Beleg 58/59),

252 Ohrringe Gold Carrera mit Brillanten, dazu passender Ring,

253 Carrera Schmuck Ring verschlungen Mann und Frau (Bild 24),

254 Carrera Schmuck Kette nackte Frau hängend mit Brillanten,

255 Kleine Ringe und Goldschmuck (defekte Ketten),

256 Rado Herrenuhr,

257 Halskette Gold mit Schiffsschraube (Bild 61),

268 – Bang & Olufsen: 3 Lautsprecher mit Wandhalterungen Beolab 3500 (Beleg 63a-63r),

269 – Bang & Olufsen: 6 Fernbedienungen (Beleg 63a-63r),

282 – Rattengift Kiste (Bild 44.1),

298 – 12 Pfeil Gläser Weißwein (Bild 66b1, Beleg 66a-b),

299 – 9 Pfeil Gläser Rotwein (Bild 66b1),

300 – 9 Pfeil Gläser Sherry (Bild 66b1),

301 – 6 Pfeil Gläser Whisky (Bild 66b1),

302 – 6 Pfeil Cognac Schwenker (Bild 66b1),

303 – 12 Pfeil Wassergläser (Bild 66b1, Beleg 66a-b),

304 – 6 Pfeil Sektgläser (Bild 66b1),

306 – 12 Römer Weingläser in D7 rot (Bild 66b2),

330 – 2 x Zwölfteiliges Besteck, Chromargan (Beleg 70),

331 – 3 Vasen Meißen weiß eckig ,

332 – Service für 12 Personen schwarzweiß (Bild 71, Beleg 71a-e),

334 – Bilder Ölgemälde in verschiedenen Größen und

337 – Tresor gefüllt mit Videos und Kamera, Fernglas

an die Kläger zu 1) und zu 2) herauszugeben,

(2)

auf den Klageantrag zu 2.a) die Gegenstände zu den Positionen

2 – 2 Auszeichnungen rheinische Meisterschaft Schärpe und Kreismeister,

3 – dazugehörige Medaillen,

9 – Heuballen,

15 – ca. 800 l Heizöl aus Öltank,

19 – drei Pferdeäpfelsammler pink und lila,

20 – Stromgerät für Weidezaun,

21 – Weidepfähle auf der Weide und auf dem Gelände im Werte, Zaunpfähle ca. 1800 mm hoch, unten angespritzt, geteert,

22 – Litze für Weidezaun, schon verarbeitet,

26 – 10 Sättel (Prestige Springsattel schwarz, Bild 20, 1; Modell Apalusa, Prestige Dressursattel schwarz, Bild 20, 11; Schumacher Sattel schwarz, Passier Sattel schwarz, diverse andere Sättel aus Schulbetrieb, alle Sättel mit Ledersattelgurten und Steigbügel mit Riemen,

34 – 6 Ponysättel (Schwarz, Waldhausen)

35 – 6 Ponydecken (rosa, hellblau, von Niki Waldhausen, mit Stickerei),

36 – 6 Ponytrensen (schwarze, kleine Trensen mit Gebiss),

38 – Säule in der Waschbox zum Pferde anbinden (Edelstahlsäule mit Ösen, ca. 1,20 m hoch),

274 – 2 Ambiente Pferdedecken

an die Klägerin zu 3) herauszugeben,

b.

soweit auf den Klageantrag zu 3. festgestellt worden ist, dass die Beklagte allen weiteren Schaden aus der von ihr am 24.09.2010 verübten verbotenen Eigenmacht zu tragen und an die Kläger zu erstatten habe;

c.

soweit die Klage

(1)

mit den Anträgen zu 1. und 1.a),

(2)

mit dem Klageantrag zu 2. in Bezug auf die Positionen

13 – Fingerpalmen,

249 – Rolex Damenuhr stahl/gold mit goldenem Ziffernblatt und Brillanten

250 – Cartier Herrenuhr Santos

263 – Bargeld I 2.000,00 €

und schließlich

(3)

mit dem Klageantrag zu 2.a) in Bezug auf die Positionen

264 – Bargeld: 500,00 €

abgewiesen worden ist.

2.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

1
Gründe:

2
I.

3
Dem Rechtsstreit liegt, soweit im Berufungsverfahren noch erheblich, folgender Sachverhalt zugrunde:

4
Die Parteien waren bis Ende des Jahres 2010 durch ein Mietverhältnis (bzw. mehrere Mietverhältnisse) verbunden: Die Kläger hatten von der Beklagten auf dem Rittergut A eine Reitanlage, bestehend aus Reiterstube und Reithalle nebst Pferdeboxen, ein auf dem Hofraum gelegenes Einfamilienhaus „B“ und weitere Mieträume vor der Reithalle im Parterre und der 1. Etage bestehend aus Pflegerwohnung, 3-Zimmer-Wohnung und einem 1-Zimmer-Appartement gemietet.

5
Im Jahre 2010 nahm die Beklagte die Kläger auf Räumung und Herausgabe sowie Zahlung rückständigen Mietzinses gerichtlich in Anspruch.

6
Mit (inzwischen rechtskräftigem) Urteil des Landgerichts Aachen vom 17.09.2010 (8 O 270/10 = OLG Köln 22 U 167/10) wurden die Kläger dazu verurteilt, die gemietete Immobilie zu räumen und an die Beklagte herauszugeben. Gleichzeitig wurden die Kläger zu 1) und zu 2) zur Zahlung von 4.520,00 € nebst Zinsen verurteilt, die Klägerin zu 3) zur Zahlung von 10.410,00 € nebst Zinsen, während die weitergehende Klage abgewiesen wurde. Die Kläger legten gegen dieses Urteil Berufung ein, nahmen sie indes nach entsprechendem Hinweis des Senats auf mangelnde Erfolgsaussichten zurück. Die Beklagte betreibt aufgrund dieses Urteils die Zwangsvollstreckung.

7
Am 21.09.2010 unterbrach die Beklagte die Wasserversorgung zu den von den Klägern vormals gemieteten Räumlichkeiten und während einer Abwesenheit der Kläger am 24.09.2010 ließ sie alle in den Räumlichkeiten noch vorhandenen Möbel und Gegenstände entfernen und sämtliche Türschlösser austauschen. Den Klägern erteilte die Beklagte Hofverbot und bot ihnen die Herausgabe der Gegenstände gegen Zahlung eines Betrages von über 46.000,00 € an.

8
Die Kläger nahmen daraufhin ihrerseits die Beklagte gerichtlich in Anspruch. Mit (einstweiliger Verfügung vom 28.09.2010 und nachfolgend) inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 08.10.2010 (LG Aachen 8 O 425/10) wurde die Beklagte dazu verurteilt, den Besitz an den vormals vermieteten Räumlichkeiten den Klägern wieder einzuräumen und alle Möbel, Gegenstände und persönlichen Sachen der Kläger, die die Beklagte in ihren Besitz gebracht hatte, an die Kläger durch Verbringung in die genannten Räumlichkeiten herauszugeben. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Aachen vom 03.01.2011 (8 O 425/10) wurde die Beklagte in diesem Verfahren verpflichtet, an die Kläger 2.606,45 EUR zu erstatten.

9
Am 05.11.2010 wurde ein Teil der Gegenstände, die die Beklagte zeitweise hatte entfernen lassen (s.o.), zurückgegeben (GA Bl. 6, 147 f.: Anlage 1 neu). Am 07.12.2010 kam es zu einer Übergabe weiterer Gegenstände (durch C, GA Bl. 7, 147 f.: Anlage 2 neu). Bestand, Umfang und Zustand der zurückgegebenen Gegenstände sind unter den Beteiligten streitig.

10
Als die Kläger aus diesem Kostenfestsetzungsbeschluss die Zwangsvollstreckung betrieben, erhob die Beklagte unter dem 07.02.2011 Vollstreckungsgegenklage zum Landgericht Aachen (8 O 63/11 = 22 U 125/12 OLG Köln = V ZR 322/13 Bundesgerichtshof) und beantragte, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.01.2011 (8 O 425/10) für unzulässig zu erklären (GA Bl. 39 ff.). Die titulierte Forderung der Kläger sei nämlich durch Aufrechnung der Beklagten mit Zahlungsansprüchen aus dem Urteil des Landgerichts Aachen vom 17.09.2010 (8 O 270/10) erloschen. Nachdem die (dortige Klägerin und hiesige) Beklagte im Wege der Zwangsvollstreckung in den Besitz einer Ausfertigung dieses Kostenfestsetzungsbeschlusses gelangt war, erklärte sie ihre Vollstreckungsgegenklage in der Hauptsache für erledigt. Die Kläger widersprachen der Erledigungserklärung und beantragten widerklagend u.a., die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Aachen vom 17.09.2010 (8 O 270/10) für unzulässig zu erklären und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) Schadenersatz in Höhe von (mindestens) 5.000,00 € zu zahlen. Mit Urteil vom 05.06.2012 (8 O 63/11) stellte das Landgericht Aachen die Erledigung der Hauptsache hinsichtlich der Klage fest und wies die Widerklage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung wies der Senat mit Beschluss vom 17.10.2013 (22 U 125/12) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. In seinem Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 20.03.2013 hatte der Senat darauf hingewiesen, dass die geltend gemachten Schadensersatzansprüche der Kläger nicht plausibel dargelegt seien. Für eine Schätzung selbst von Mindestbeträgen fehle es an Anknüpfungstatsachen. Ihre Nichtzulassungsbeschwerde begründeten die Kläger u.a. damit, dass der Senat die Anforderungen an das Substantiierungserfordernis hinsichtlich des Vorbringens der Geschädigten überspannt habe. Der Bundesgerichtshof verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde zunächst mit Beschluss vom 10.07.2014 (V ZR 322/13) als unzulässig mangels Erreichens der erforderlichen Beschwer. Auf Anhörungsrüge der Kläger setzte er das Verfahren fort und wies die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger mit Beschluss vom 25.09.2014 (V ZR 322/13) endgültig zurück.

11
Am 02.09.2014 gab der Kläger zu 2) eine Vermögensauskunft bei der Obergerichtsvollzieherin D ab (GA Bl. 55 – DR II 0427/14). Am 18.08.2017 und 08.09.2017 fanden zwei Pfändungstermine durch den aufgrund einer Forderung gegenüber den Klägern zu 1) und 2) von seinerzeit 8.086,65 € hiermit beauftragten Obergerichtsvollzieher E statt, bei dem 20 in dem Pfändungsprotokoll (Anlage 2 zum Schriftsatz des Klägervertreters vom 20.11.2017, Bl. 421 ff. d.A.) erwähnte Gegenstände mit einem Schätzwert von 10.030,00 € gepfändet wurden, im Übrigen jedoch eine Pfändung abgelehnt wurde. Nach Versteigerung konnten hierdurch Erlöse i.H.v. 2.664,95 € erzielt werden (GA Bl. 503).

12
Die Kläger haben behauptet, die am 05.11.2010 zurückgegebenen Gegenstände, die die Kläger in Anlage 1 auflisten (neue Version, Anl. IV [ = grüner Ordner, Anl. zum Schriftsatz vom 23.08.2015, GA Bl. 147]; neu gefasst als „Anlage 1 neu“ zum Schriftsatz vom 30.11.2015 [vorgelegt als Anl. 1 mit Schriftsatz vom 20.11.2017, GA Bl. 348, 355]), hätten sich in verschmutztem, beschädigtem und verschimmeltem Zustand befunden (GA Bl. 6). Es sei ein Schaden von mindestens 100.726,00 € entstanden (GA Bl. 359, Anlage 1 zum Schriftsatz vom 30.11.2015 [vorgelegt mit Schriftsatz vom 20.11.2017, GA Bl. 348]); die Sachen seien eingelagert und könnten besichtigt werden. Die am 07.12.2010 zurückgegebenen Gegenstände hätten durch unsachgemäße Lagerung in der Stallgasse Feuchtigkeit und Verschmutzungen aufgewiesen (GA Bl. 7). Insoweit soll die Beschädigung ausweislich der Spalte „F“ in Anlage 2 neu einen Wert von 56.982,90 € ausmachen, ausweislich der Spalte „G und H“ in der gleichen Anlage einen Wert von 121.315,79 € (Anlage 2 neu zum Schriftsatz vom 30.11.2015 [vorgelegt mit Schriftsatz vom 20.11.2017, GA Bl. 348] dort Seite 10, GA Bl. 369).

13
Die noch in den Räumen des (neuen) Mieters befindliche Einbauküche (GA Bl. 7) sei von der Beklagten im Hinblick auf ein angebliches aber von den Klägern bestrittenes Vermieterpfandrecht nicht wirksam freigegeben worden, weil die Beklagte die Rückgabe unzulässiger Weise an Bedingungen geknüpft habe (GA Bl. 79, 83 f.).

14
Weiterhin seien Gegenstände der Kläger in erheblichem Umfang und Wert von der Beklagten noch nicht herausgegeben worden. Hierzu beziehen sich die Kläger auf eine von ihnen erstellte Liste (Anl. IV, grüner Ordner, Anl. 3 neu, ferner „Anlage 3 neu“ zum Schriftsatz vom 30.11.2015 [vorgelegt als Anl. 1 mit Schriftsatz vom 20.11.2017, GA Bl. 348, 410 ff.]). Die gepfändeten Gegenstände seien entgegen der Annahme des Obergerichtsvollziehers bei Pfändungsterminen im August/September 2017 keinesfalls wertlos; im Jahr 2010 hätten diese noch einen Wert von 41.625,00 € aufgewiesen (GA Bl. 351). Alle aufgeführten Gegenstände hätten sich vor der verbotenen Eigenmacht in den Mieträumlichkeiten befunden (GA Bl. 8). Die Kläger haben die Ansicht vertreten, die Beklagte habe den Klägern die Sachen durch verbotene Eigenmacht entzogen und hafte insoweit für die Folgen der verbotenen Eigenmacht und etwaige Zustandsverschlechterung der Gegenstände verschuldensunabhängig (GA Bl. 285).

15
Darüber haben die Kläger die Auffassung vertreten, es könne dahinstehen, ob das Vermieterpfandrecht tatsächlich ausgeübt worden sei, da es jedenfalls aufgrund fehlender Geltendmachung im Vorprozess präkludiert sei (GA Bl. 131). Darüber hinaus sei das Vermieterpfandrecht aufgrund Verrechnung erloschen (GA Bl. 139, 288). Im Übrigen seien etwaige Forderungen der Beklagten verjährt. Auf die Einrede der Verjährung haben sich die Kläger insoweit ausdrücklich berufen (GA Bl. 139 f., 288).

16
Die Kläger haben beantragt,

17
1.

18
die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger zu 1) und 2) einen in das Ermessen des Gerichtes gestelltem Schadensersatz, mindestens jedoch i.H.v. 100.000 €, zu zahlen;

19
1.a)

20
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 3) einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Schadensersatz, mindestens jedoch i.H.v. 15.000,00 €, zu zahlen;

21
2.

22
die Beklagte zu verurteilen, alle Sachen der Kläger zu 1) und zu 2) gemäß der Anlage 3 neu, Spalte G/H kostenfrei an diese herauszugeben.

23
2.a)

24
die Beklagte zu verurteilen, alle Sachen der Klägerin zu 3) gemäß der Anl. 3 neu, Spalte F, kostenfrei an diese herauszugeben.

25
3.

26
festzustellen, dass die Beklagte allen weiteren Schaden aus der von ihr am 24.09.2010 verübten verbotenen Eigenmacht zu tragen und an die Kläger zu erstatten hat.

27
Die Beklagte hat beantragt,

28
die Klage abzuweisen.

29
Die einzelnen Positionen, die Gegenstand der Schadensersatzansprüche der Kläger aus den bisherigen Verfahren und dem hiesigen Rechtsstreit seien, seien insbesondere der Höhe nach frei erfunden (GA Bl. 55, 57). Im Besitz der Beklagten befänden sich nach erfolgter Pfändung nur noch Gegenstände ohne Wert (GA Bl. 505), d.h. nicht diejenigen, die in Anlage 3 neu genannt seien, sondern nur diejenigen, die die Beklagte entsprechend ihrem Schreiben vom 09.03.2010 „beschlagnahmt“ habe (GA Bl. 259); alles befinde sich in zwei Garagen verstaut. Die Beklagte sei weder bereit noch in der Lage, herauszusuchen, was unter die von den Klägern gefertigte Aufstellung falle (GA Bl. 259). Zahlreiche von den Klägern als im Mietobjekt befindlich behauptete Positionen seien entweder erfunden bzw. bei Räumung nicht vorhanden gewesen, in der Liste der Kläger doppelt aufgeführt, vom Wert her stark übertrieben, bereits bei Räumung beschädigt gewesen oder hätten im Eigentum Dritter gestanden (hierzu hat der Beklagtenvertreter auf Anlage 7 zum Schriftsatz vom 19.01.2015, GA Bl. 53, auf die [hereinkopierte] Stellungnahme der Beklagten im Schriftsatz vom 27.06.2017, GA Bl. 248 ff., dort Seite 17 ff. verwiesen, ferner auf das Pfändungsprotokoll des Gerichtsvollziehers vom 08.09.2017, GA Bl. 291 ff., und Fotografien der nicht versteigerbaren Gegenstände [CDs sowie Liste als Anlage zum Schriftsatz von RA J vom 02.11.2017, GA Bl. 309 ff.], schließlich weitere Fotografien gemäß Anlage zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters RA J vom 07.03.2018, GA Bl. 499 ff., 537).

30
Der Kläger zu 2) habe ohnehin im Rahmen einer Vermögensauskunft mit bindender Wirkung erklärt, über keinerlei Ansprüche gegen dritte Personen zu verfügen. Soweit am 05.11.2010 Gegenstände der Kläger abgeholt worden seien, habe der anwesende Verfahrensbevollmächtigte der Kläger keinerlei Beanstandungen hinsichtlich des Zustandes der zurückgenommenen Gegenstände erhoben. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 09.03.2010, den Klägern zugestellt am gleichen Tage, ihr Vermieterpfandrecht an den seitens der Kläger eingebrachten Sachen ausgeübt (GA Bl. 115, 119). Die Küche sei mit Schreiben vom 10.08.2011 aus dem Vermieterpfandrecht freigegeben und zur Abholung angeboten worden (GA Bl. 58, 257). Diese habe allerdings höchstens einen Zeitwert von 350,00 € gehabt (GA Bl. 58). Außerdem habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagten (bzw. die Beklagte selbst, GA Bl. 84) dem Prozessbevollmächtigten der Kläger beim letzten Abholtermin am 07.12.2010 angeboten, am nächsten Tage weitere Gegenstände abzuholen (GA Bl. 84, 261; eine weitere Abholung am Folgetage ist aber unstreitig nicht erfolgt).

31
Soweit Gegenstände bei Rückgabe verschmutzt oder feucht gewesen seien, so sei dies auch der am 24.09.2010 vorgefundene Zustand gewesen (GA Bl. 59).

32
Darüber hinaus vertritt die Beklagte die Auffassung, eine verbotene Eigenmacht bezüglich der Räumung liege nicht vor; infolge des Vermieterpfandrechtes habe sie zur Selbsthilfe gemäß § 562b BGB greifen dürfen (GA Bl. 462). Darüber hinaus habe die Klägerin zu 1) dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten Rechtsanwalt K gesagt, die Beklagte solle die Räumung selbst vornehmen, da sie kein Geld hierfür habe (GA Bl. 465).

33
Die Beklagte hat behauptet, nicht die Kläger hätten Forderungen gegen sie. Vielmehr habe die Beklagte noch Restforderungen in erheblichem Umfang von 234.246,51 € (GA Bl. 486), wegen derer sie hilfsweise die Aufrechnung erklärt hat (wegen der Einzelheiten der zur Aufrechnung gestellten Forderungen wird auf GA Bl. 486 ff. ergänzend Bezug genommen).

34
Durch Urteil vom 03.08.2018, auf das wegen der Feststellungen und aller weiteren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird (GA Bl. 575 ff.), hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Kläger zu 1) und zu 2) die in Anl. 1 zum Urteil bezeichneten Gegenstände herauszugeben, an die Klägerin zu 3) die in Anl. 2 zum Urteil bezeichneten Gegenstände herauszugeben; im Übrigen hat es festgestellt, dass die Beklagte allen weiteren Schaden aus der von ihr am 24.09.2010 verübten verbotenen Eigenmacht zu tragen und an die Kläger zu erstatten habe. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht unter anderem dargelegt, die Anträge auf Zahlung von Schadensersatz seien unzulässig, im Übrigen aber auch unbegründet. Unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 02.01.2017 hat die Kammer ausgeführt, es sei weder ein konkreter Klageantrag gestellt noch derselbige substantiiert worden.

35
Begründet seien allerdings weitgehend die Herausgabeanträge, soweit sie sich nicht auf im Einzelnen aufgeführte Gegenstände bezögen, die aufgrund Vermieterpfandrechts gepfändet, nur unzureichend bezeichnet, oder hinsichtlich derer es an der Darlegung der Eigentümerposition der Kläger fehle. Im Übrigen hätten die Kläger substantiiert dargelegt, Eigentümer der Gegenstände zu sein, das Bestreiten der Beklagten sei nicht ordnungsgemäß in den Prozess eingeführt worden, denn es sei lediglich eine von der Beklagten persönlich kommentierte Liste vorgelegt worden. Der Feststellungsantrag sei begründet gemäß § 231 BGB.

36
Hiergegen wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen

37
Die Beklagte rügt, die Kläger seien inzwischen zur Geltendmachung der von ihnen verfolgten Ansprüche nicht mehr aktivlegitimiert (GA Bl. 674). Denn die Beklagte habe die Ansprüche der Kläger aus dem vorliegenden Rechtsstreit aufgrund ihrer eigenen Ansprüche zwischenzeitlich gepfändet (GA Bl. 675 f.). So habe sie den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Euskirchen vom 24.01.2019 (44 M 2073/18) erwirkt, mit dem die klägerischen Ansprüche (GA Bl. 824R: „Herausgabeanspruch der Schuldner gegen die Gläubigerin aus dem Urteil des LG Aachen vom 03.08.2018 – 8 O 381/14 – und Schadensersatzanspruch der Schuldner gegen die Gläubigerin aus dem gleichen Urteil“) gepfändet worden seien. Die Beklagte nehme die Klage von daher mit Wirkung für die Kläger zurück (GA Bl. 821).

38
Den Klägern fehle auch das Rechtsschutzbedürfnis für einen Teil ihrer Klageansprüche, sei ihnen doch die freiwillige Herausgabe durch Schreiben vom 25.11.2010 angeboten worden (GA Bl. 676, 689), worauf sie indes nicht reagiert hätten; weiterhin sei den Klägern durch Schreiben vom 02.11.2017 die Herausgabe anheimgestellt worden. Insoweit sei hinsichtlich der Einbauküche nur ein Teilanerkenntnisurteil in Betracht gekommen.

39
Das Urteil sei auch teilweise in sich widersprüchlich, etwa hinsichtlich der Positionen 6 und 251 – 257 in Anlage 1 (GA Bl. 677). Darüber hinaus hätten zahlreiche Gegenstände bei der Räumung gar nicht existiert oder seien jedenfalls wertlos oder doch wesentlich weniger wert als behauptet gewesen. Einzelne Gegenstände seien auch bereits zurückgegeben worden (GA Bl. 683 ff.).

40
Darüber hinaus habe das Landgericht erforderliche Hinweise nicht oder zu ungenau erteilt, der Beklagten insoweit das rechtliche Gehör entzogen und eine gebotene weitere Sachaufklärung verhindert (GA Bl. 674). Es sei prozessual unzulässig, die Schriftsätze der Beklagten nicht inhaltlich zu verwerten. Zur Dokumentation des Umstandes, dass der Vortrag der Beklagten auf eigenverantwortlicher Prüfung des Beklagtenvertreters beruht habe, habe der Anwalt der Beklagten im Rahmen seiner Akteneinsicht die Schriftsätze vom 07.11.2018 und vom 17.03.2018 nachträglich mit Unterschriften auf den Seiten 17-30 versehen.

41
Die Beklagte habe keine verbotene Eigenmacht begangen, sie habe vielmehr eine zulässige Abwehrhandlung hinsichtlich des seitens der Kläger verübten Eingehungsbetruges bei Abschluss des Mietvertrages vorgenommen (GA Bl. 777).

42
Die Echtheit der Unterschrift der Klägerin zu 3) unter dem Zusatzvertrag vom 01.03.2009 könne durch Sachverständigengutachten belegt werden (GA Bl. 921 ff.).

43
Die Beklagte beantragt,

44
das angefochtene Urteil des Landgerichts Aachen vom 03.08.2018 abzuändern und die Klage insgesamt mit der Maßgabe abzuweisen, dass sich die Berufung allerdings nicht mehr gegen die vom Landgericht zuerkannten Herausgabeansprüche richtet, soweit diese vom Teil-Anerkenntnis gemäß Schriftsatz vom 9. Januar 2019 einschließlich der Trommel, Pos. 336, erfasst sind;

45
Die Kläger beantragen (sinngemäß),

46
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen;

47
das angefochtene Urteil des Landgerichts Aachen vom 03.08.2018 abzuändern und die Beklagte entsprechend den Schlussanträgen der Kläger erster Instanz zu verurteilen, mit der Maßgabe, dass Gegenstand der Berufung zu den Herausgabeanträgen über die im Urteil des Landgerichts titulierten Positionen hinaus nur die fünf in der Berufungsbegründung näher aufgeführten Positionen Nr. 13, 249, 250, 263 und 264 sind,

48
hilfsweise,

49
den Rechtsstreit unter teilweiser Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.

50
Die Beklagte beantragt,

51
die Berufung der Kläger zurückzuweisen,

52
Die Kläger widersprechen der Klagerücknahme durch die Beklagte (GA Bl. 852).

53
Sie rügen, es seien bei der Beschlussfassung des Senats, auf die sich das Urteil in seiner Begründung stütze, umfangreiche Unterlagen nicht berücksichtig worden, die offenbar nicht vorgelegen hätten (GA Bl. 734). Letztlich gehe es im Kern um eine unzulässige verbotene Eigenmacht der Beklagten und die verschuldensunabhängige Haftung für deren Folgen (GA Bl. 735). Von der möglicherweise ungeregelten Vermögenslage der Kläger dürfe im Übrigen nicht darauf geschlossen werden, dass diese keine werthaltigen Vermögensgenstände gehabt hätten (GA Bl. 736). Dieser Schluss sei bereits dadurch widerlegt, dass bei der Räumung wertvolles Inventar vorhanden gewesen sei. Auch aus den negativen Schufa-Einträgen zu Lasten der Kläger sei nur zu entnehmen, dass sie ihre Schulden immer wieder beglichen hätten. Es sei prozessual unzulässig, auf der Grundlage des Klägervorbringens, nicht einmal eine Schätzung des Mindestwertes der Schäden auf Klägerseite vorzunehmen (GA Bl. 738). Da es im Streitfall um einen Gesamtschaden gehe, müsse keine konkrete Zuordnung zu bestimmten Positionen gezogen werden (GA Bl. 738). Im Streitfall bestehe insbesondere nicht die Gefahr einer unzulässigen Teilklage. Es gehe insoweit vielmehr um unselbständige Rechnungspositionen. Fehlerhaft sei im Übrigen die Beurteilung durch das Landgericht, soweit einzelne Positionen als nicht hinreichend bestimmt angenommen würden (GA Bl. 740).

54
Vorbringen und Beweisantritte der Beklagten rügen die Kläger als verspätet (GA Bl. 765). Den Zusatzvertrag (Anlage 6, GA Bl. 708) habe die Klägerin zu 3) nicht unterschrieben (GA Bl. 765).

55
Die Kläger behaupten weiterhin, die Beklagte habe bei der vorgenommenen Räumung vorsätzlich die Rechte der Kläger missachtet (GA Bl. 900 f.). Der Zeuge C habe dem Prozessbevollmächtigten der Kläger im Jahre 2010 offenbart und ihm bestätigt, er sei von der Beklagten gebeten worden, schnellstens einen Besitz der Räumlichkeiten vorzutäuschen, damit eine Zwangsvollstreckung der Kläger aus der einstweiligen Verfügung verhindert werde (GA Bl. 901). Auf seine Bitte sei darum die Bestätigung der Beklagten zustande gekommen (GA Bl. 901).

56
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

57
II.

58
Die in formeller Hinsicht unbedenklichen Berufungen der Beklagten und der Kläger haben teilweise (vorläufigen) Erfolg. Das Urteil war insoweit, als es mit den Rechtsmitteln angegriffen worden ist, auf den Hilfsantrag der Kläger aufzuheben und der Rechtsstreit an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.

59
A.

60
Der Senat legt bei seiner Entscheidung zugrunde, dass der Rechtsstreit, soweit die Parteien das Urteil des Landgerichts Aachen vom 03.08.2018 angefochten haben, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch anhängig war.

61
1.

62
Angesichts der Beschränkung der wechselseitig eingelegten Berufungen ist das Urteil des Landgerichts Aachen allerdings teilweise bereits rechtskräftig.

63
Dies betrifft zum einen die Herausgabeanträge der Kläger, soweit diese teilweise vom Landgericht abgewiesen wurden und die entsprechenden Positionen auch nicht Gegenstand der Berufung der Kläger sind. Konkret sind dies die Positionen 4, 6, 7, 8, 10, 11, 24, 25, 43, 71 – 72, 91, 165, 177, 181 – 185, 188, 199 – 202, 223 – 227, 234, 238, 262, 279, 283 – 285, 289 und 309 – 328.

64
Des Weiteren betrifft dies die Herausgabeanträge der Kläger, soweit sie vom Landgericht zuerkannt wurden und die Beklagte die Verurteilung insoweit anerkannt und ihr Rechtsmittel insoweit ausdrücklich beschränkt hat: konkret erfasst dies die Positionen 1, 5, 12, 14, 16 – 18, 27 – 31, 33, 39 – 42, 44 – 50, 52 – 60, 63, 65, 67 – 70, 73 – 76, 78 – 90, 93 – 103, 105 – 144, 147 – 149, 153, 158 – 164, 166 – 176, 178 – 179, 186 – 187, 189 – 190, 194 – 198, 203 – 209, 212, 216 – 222, 228, 230 – 233, 236 – 237, 239 – 246, 248, 258 – 261, 265 – 267, 270 – 273, 275 – 278, 280 – 281, 286 – 288, 290 – 297, 305, 307 – 308, 329, 333 und 335 – 336.

65
2.

66
Soweit die Beklagte eine Reihe von weiteren Positionen lediglich teilweise anerkannt hat, geht der Senat nicht von einer wirksamen Beschränkung ihres Rechtsmittels aus, weil die Begrenzung des Anerkennens sich in keinem Fall auf einen so eindeutig abgrenzbaren Teil der herauszugebenden Gegenstände bezogen hat, dass in einer der Rechtskraft fähigen Art und Weise bestimmbar wäre, welcher Teil des Tenors des landgerichtlichen Urteils trotz teilweise aufrecht erhaltenen Bestreitens nicht angegriffen werden soll. Konkret betrifft dies die Positionen: 26, 34 – 36, 51, 61 – 62, 64, 66, 77, 145 – 146, 150, 152, 157, 229, 247, 268, 298 – 304, 306 und 337. Diese Positionen sind daher weiterhin in Streit und unterliegen der Entscheidungsfindung des Senats.

67
Auch im Übrigen ist der Rechtsstreit nach wie vor in vollem Umfang anhängig. Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 07.03.2019 erklärt hat, sie nehme die Klage der Kläger zurück (GA Bl. 821), ist diese Erklärung unwirksam, führte insbesondere nicht dazu, dass der Rechtsstreit gemäß § 269 Abs. 3 ZPO nicht mehr anhängig wäre. Zwar hat die Beklagte mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Euskirchen vom 24.01.2019 (44 M 2073/18) die „klägerischen Ansprüche“ pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Auch ist es grundsätzlich möglich, dass ein Gläubiger innerhalb eines von wechselseitigen Ansprüchen geprägten Verhältnisses die Schuldneransprüche gegen ihn selbst pfändet und dann in diese vollstreckt, soweit hierdurch die wechselseitigen Ansprüche gleichzeitig erfüllt und vollstreckt werden. Die Verwertung eines zur Einziehung überwiesenen Rechts kann aber nur in der Weise vollzogen werden, dass das zur Einziehung überwiesene Recht tatsächlich „verwertet“ wird, nicht aber in der Weise, dass der Anspruch, in den vollstreckt wird, entschädigungslos entwertet oder seine Durchsetzung lediglich erschwert wird. Dies wäre keine Vollstreckung und Verwertung eines solchen Anspruches. Die Überweisung zur Einziehung verschafft dem Pfändungsgläubiger indes nicht die Ermächtigung, dem Vollstreckungszweck zuwiderlaufende Maßnahmen zu ergreifen und damit insbesondere nicht dazu, die (kompensationslose) Rücknahme der gegen ihn selbst anhängigen Klage zur Durchsetzung des gepfändeten Rechts zu erklären. Grundsätzlich ermächtigt die Überweisung eines gepfändeten Rechts zur Einziehung gemäß §§ 829, 835 ZPO den Pfändungsgläubiger zu allen im Recht des Schuldners begründeten, der Befriedigung [der gepfändeten Forderung] dienenden Maßnahmen. Er darf deshalb im eigenen Namen die Forderung kündigen, einziehen, mit ihr aufrechnen und vor allem auf Leistung an sich klagen (BGH, Urteil vom 27. 4. 1978 – VII ZR 219/77 (KG), beckonline = BGH NJW 1978, 1914). Im Streitfall dagegen verhält es sich so, dass die Klagerücknahme nicht der Einziehung der (zudem streitigen) Forderungen zu dienen bestimmt war, sondern dazu, sie unabhängig davon, ob sie berechtigt oder unberechtigt sind, zu Fall zu bringen und letzteres vor allem, ohne dass damit eine Befriedigung des Anspruches, wegen dessen vollstreckt wird, erreicht würde. Die Zwangsvollstreckung, die die Beklagte hier betreibt, soll ihre Ansprüche aus dem Urteil des LG Aachen vom 17.09.2010 und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.10.2011 (beide 8 O 270/10) durchsetzen, also Zahlungsansprüche in Höhe von zusammen ca. 20.000,00 €, die sich in ungleichen Teilen auf die drei Kläger verteilen. Könnte die Beklagte in dieser Situation die Klage wirksam zurücknehmen, so wäre damit zwar die Durchsetzung des Anspruches, in den vollstreckt wird, erschwert, aber andererseits wäre dem Anspruch, der vollstreckt wird (also der titulierten Forderung), in keiner Weise gedient. Die Beklagte hätte vielmehr nach wie vor die titulierten Ansprüche. Nach der o.g. Rspr. erstreckt sich das erworbene Einziehungsrecht indes nicht auf die Befugnis, die gepfändete Forderung abzutreten oder zu erlassen (vgl. schon RGZ 169, 54 (56)). Wenn die Forderung aber in solchen Fällen nicht einmal erlassen werden kann, so muss der Fall der aus Schuldnersicht ebenso zweckfreien Rücknahme der Klage gleich behandelt werden.

68
B.

69
Auf den Hilfsantrag der Kläger war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen, § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Denn das angefochtene Urteil beruht in wesentlichen Teilen auf einem wesentlichen Verfahrensmangel, aufgrund dessen eine umfangreiche bzw. aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist (dazu unter 1.); in einem weiteren, wesentlichen Teil hat das Landgericht die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen, was indessen einer rechtlichen Überprüfung nicht standhält (dazu unter 2.); eine Zurückverweisung an das Landgericht erachtet der Senat insoweit für sachdienlich (dazu unter 3.).

70
1.

71
Das angefochtene Urteil beruht jedenfalls insoweit auf einem wesentlichen Verfahrensmangel i.S.v. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, als es mit der Berufung der Beklagten wegen der Verletzung ihres Anspruches auf rechtliches Gehör angegriffen wird und dadurch ergibt sich die Erforderlichkeit einer aufwendigen Beweisaufnahme.

72
a.

73
Die im Rahmen der Herausgabeanträge seitens der Kläger geltend gemachten Ansprüche beruhen gegebenenfalls auf §§ 985, 986 BGB. Die Kläger behaupten einen Herausgabeanspruch aufgrund Eigentums nach behauptet unberechtigter Inbesitznahme durch die Beklagte. Nach dem Klägervortrag handelt es sich bei den von dem Herausgabeantrag erfassten Gegenständen um diejenigen, die die Beklagte am 24.09.2010 im Wege sog. kalter Räumung aus dem Mietobjekt entfernt haben soll.

74
Die Liste der Kläger (Anlage 3 neu) umfasste insoweit vormals 337 Positionen. Davon sind in zweiter Instanz inzwischen zahlreiche Positionen außer Streit (s.o.). Zum einen wurde ein Teil der Herausgabeanträge nicht zugesprochen und ist nicht mehr Gegenstand der Berufung der Kläger (s.o.). Zum anderen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 09.01.2019 einen größeren Teil der Gegenstände als herauszugeben anerkannt und diese von ihrer Berufung ausdrücklich ausgenommen (GA Bl. 893). In Streit stehen somit noch etwas mehr als 70 Positionen bezogen auf alle 3 Kläger im Rahmen der Herausgabeanträge. Die Einwendungen der Beklagten hatten auch insoweit weitgehend den Inhalt, dass eine Reihe von Gegenständen „nicht vorhanden“ sei, was der Senat dahingehend auffasst, sie seien nach Beklagtenvortrag schon bei der Verbringung des Hausrats aus dem Mietobjekt nicht da gewesen (GA Bl. 57).

75
Das Landgericht hat ausgehend von seinem (insoweit nicht zu beanstandenden, s.u.) rechtlichen Ausgangspunkt, dass die Kläger Ansprüche gemäß §§ 985, 986 BGB schlüssig dargetan haben, die Einwendungen der Beklagten zur mangelnden Besitzerlangung sowie zu etwaig fehlendem Klägereigentum allerdings insgesamt mit der Begründung nicht berücksichtigt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt, das Bestreiten der Beklagten sei unbeachtlich, da nicht ordnungsgemäß in den Prozess eingeführt (UA S. 24 f.). Das Landgericht geht dabei davon aus, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe nur deren eigenes Vorbringen weitergereicht, sich dieses aber nicht als Ergebnis der eigenen Prüfung zueigen gemacht. Ausweislich der Urteilsgründe soll das Landgericht auch (insoweit nicht im Verhandlungsprotokoll protokolliert) hierauf hingewiesen haben (UA S. 25 oben). Demnach stellt das Landgericht in tatsächlicher Hinsicht fest, dass es unstreitig (bzw. nicht wirksam bestritten) ist, dass die Beklagte an allen Gegenständen, die die Kläger in Bezug nehmen, durch die kalte Räumung am 24.09.2008 Besitz erlangt hat.

76
Diese Tatsachenfeststellung ist indessen zum Nachteil der berufungsführenden Beklagten fehlerhaft zustande gekommen, weshalb der Senat nicht daran gebunden ist. Grundsätzlich legt das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen vorliegen, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO erneute Feststellungen zu diesem Punkt erforderlich machen würden. Derartige Anhaltspunkte können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2018 – II ZR 196/16 –, juris; BGH, Urteil vom 14. Februar 2017 – VI ZR 434/15 –, juris). Dies gilt insbesondere dann, wenn es Beweise fehlerhaft erhoben oder gewürdigt (BGH, Urt. v. 12. März 2004, V ZR 257/03) oder wenn es Tatsachenvortrag der Parteien übergangen oder von den Parteien nicht vorgetragene Tatsachen verwertet hat. Der Senat erachtet die entsprechende Berufungsrüge der Beklagten für begründet, da das Landgericht entscheidungserheblichen Vortrag nebst Beweisangeboten der Beklagten übergangen hat.

77
Die Nichtberücksichtigung des gesamten Beklagtenvortrages zur bestrittenen Besitzerlangung an den herausverlangten Gegenständen ist in entscheidungserheblicher Weise verfahrensfehlerhaft. Die Beklagte hat über ihren Prozessbevollmächtigten in zu berücksichtigender Weise vorgetragen.

78
Für das Gericht besteht in aller Regel kein Anlass, den Inhalt eines von einem Rechtsanwalt unterschriebenen Schriftsatzes daraufhin zu überprüfen, in welchem Umfang und wie gründlich der Anwalt den darin enthaltenen Prozessstoff tatsächlich selbst durchgearbeitet hat. Die eigenverantwortliche Prüfung des Inhalts durch den Anwalt wird regelmäßig durch seine Unterschrift äußerlich zum Ausdruck gebracht (vgl. BGH, Beschluß vom 23. 6. 2005 – V ZB 45/04, beckonline). Ausnahmen von diesem Grundsatz werden von der Rechtsprechung für zwei Fallgruppen anerkannt, nämlich zum einen, wenn der Anwalt sich durch einen Zusatz von dem unterschriebenen Schriftsatz distanziert, zum anderen, wenn nach den Umständen außer Zweifel steht, dass der Rechtsanwalt den Schriftsatz ohne eigene Prüfung, also unbesehen, unterschrieben und eine eigenverantwortliche Prüfung des Vorbringens der Partei durch den Rechtsanwalt insoweit ausgeschlossen erscheint. Letzteres betrifft indessen Fälle, in denen nicht nur evident ist, dass zum einen der Mandant die Stellungnahme selbst und insoweit ohne Hinzuziehung des Anwalts verfasst hat, sondern darüber hinaus außerdem konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Rechtsanwalt das Vorbringen auch nicht nach Erhalt vom Mandanten nachträglich geprüft und sich auch nicht damit identifiziert und als Werk seiner eigenverantwortlichen Prüfung vorgelegt hat (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 24. Januar 2008 – IX ZB 258/05 –, juris: hier legte ein Rechtsanwalt überaus ausführlichen Mandantenvortrag vor, der sich auf gegenseitiges Vorbringen bezog, dies aber bei gleichzeitigem Akteneinsichtsgesuch mit der Begründung, man kenne den Vortrag der Gegenseite nicht, was wiederum ein vorheriges Nachvollziehen des eigenen Parteivorbringens ausschloss).

79
Für einen solchen Ausnahmefall bestehen im Streitfall indessen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Vielmehr verletzt es den verfassungsrechtlich verankerten Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG), wenn das Gericht den über einen Rechtsanwalt in einem von ihm eigenhändig unterzeichneten Schriftsatz als nicht ordnungsgemäß in den Prozess eingeführt zurückweist, weil darin umfangreiches und offenkundig von der Partei selbst verfasstes tatsächliches Vorbringen zu Einzelpositionen eines ebenso umfangreichen und zahlreiche Positionen umfassenden Klagevortrages enthalten sind, sofern nicht ganz konkrete und gegebenenfalls im Rahmen der Prozessleitung (§§ 137, 139 ZPO) zu ermittelnde Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Rechtsanwalt das von ihm durch Unterschrift gebilligte Vorbringen entgegen dem äußeren Anschein in Wahrheit doch nicht zur Kenntnis genommen hat und/ oder nicht als Ergebnis eigenverantwortlicher Prüfung in den Prozess eingeführt wissen will.

80
Denn zwangsläufig bezieht ein jeder Prozessbevollmächtigter seine Informationen zum tatsächlichen Sachverhalt im Wesentlichen von der Partei selbst, ohne deren Angaben er zu sinnvollem Vorbringen gar nicht in der Lage wäre. Gerade in sog. „Punktesachen“, die sich über eine Vielzahl von Einzelpositionen verhalten, erschiene eine andere Form von Informationsgewinnung kaum denkbar. In solchen Fällen ist allein die erkennbare, unveränderte Verwertung von Angaben der Partei ohne hinreichende Aussagekraft darüber, ob der Bevollmächtigte die übernommenen Angaben (auch) als seine eigenen gelten lassen möchte. Das gilt umso mehr, wenn sich wie im Streitfall der anwaltliche Vortrag nicht auf ein botengleiches Überreichen von Informationen beschränkt, sondern in einer Ergänzung der eigenen rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen besteht. Der Vortrag der Beklagten betrifft im Übrigen keine eigene rechtliche Stellungnahme anstelle einer anwaltlichen Würdigung und ist auch nicht mit dem übrigen Vorbringen ihres Prozessbevollmächtigten unvereinbar. Vielmehr wird eine in die anwaltlichen Schriftsätze eingearbeitete, weitgehend tatsächliche Stellungnahme zu Vorbringen in mehreren hundert Einzelpositionen vorgelegt, wobei das Eingehen auf die Einzelpositionen aufgrund des Klägervortrages überhaupt nicht vermeidbar ist (würde es fehlen, drohte die Zurückweisung des Vortrages als unsubstantiiert). Dabei ging es zudem noch um solche Einwendungen, die in den Schriftsätzen von Rechtsanwalt J (GA Bl. 248 ff., 499 ff.) keineswegs neu waren, sondern im gesamten Verfahren bereits so – oder so ähnlich – geäußert (vgl. bereits den streitigen Tatbestand des Beschlusses vom 02.01.2017, GA Bl. 188) worden waren und bei denen es als reine Förmelei erschiene, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten diese Angaben nach Prüfung (und Billigung) nochmals abschreiben zu lassen. Hinzu kommt, dass auch bereits Rechtsanwalt K als früherer Prozessbevollmächtigter der Beklagten und später dann auch Rechtsanwalt J durchaus umfangreiche weitere rechtliche Ausführungen zu diesen Angaben gemacht haben. Den gesamten Vortrag der Beklagten zu sämtlichen Einzelpositionen nicht zur Kenntnis nehmen, wie im angefochtenen Urteil erfolgt, verletzt von daher den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör, Art. 103 GG, zumal im angefochtenen Urteil auch nicht diejenigen Positionen anders behandelt werden, die in den anwaltlichen Schriftsätzen unmittelbar und insoweit erkennbar nicht als Fremdprodukt dargestellt sind. Auf etwaige Erheblichkeit der später erneut erfolgten Unterzeichnung der einzelnen Seiten seiner Schriftsätze durch Rechtsanwalt J im Rahmen der Akteneinsicht zweiter Instanz kommt es von daher nicht an.

81
Die Nichtberücksichtigung von entscheidungserheblichem tatsächlichem Vorbringen stellt wegen der Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und speziell der umfassenden Berücksichtigungspflicht gem. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO grundsätzlich einen Verfahrensmangel im Sinne von § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO dar (vgl. Rimmelspacher in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 538 Rn. 42). Dies gilt auch in Ansehung von Anwaltsschriftsätzen, die aus (verfahrensfehlerhaften) formalen Gründen nicht zur Kenntnis genommen werden. Ob das Eingangsgericht einen Verfahrensfehler begangen hat, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH NJW 2016, 2274) vom materiell-rechtlichen Standpunkt des Erstgerichts aus zu beurteilen. Da das Landgericht allerdings selbst davon ausging, dass die Vindikationslage schlüssig war, hätte es nach seinem eigenen rechtlichen Ansatzpunkt wirksam unterbreitetes Vorbringen zur mangelnden Besitzerlangung oder fehlendem Eigentum berücksichtigen müssen. Dies ergibt sich auch aus den nachfolgend unter Punkt C. (s.u.) dargestellten Erwägungen.

82
b.

83
Aufgrund des Verfahrensfehlers wird eine aufwendige Beweisaufnahme erforderlich, denn es ist tatsächlich Beweis zu erheben durch Vernehmung zahlreicher Zeugen unter Vorhalt zahlreicher Lichtbilder und die Zeugen werden sich wiederum zu einer Vielzahl von Einzelpositionen zu erklären haben. Die Beklagte benennt für das Nichtvorhandensein der fraglichen Gegenstände bzw. den gegenüber dem Klägervortrag geringeren Umfang beweislich (zur Beweislast s.u.) die Zeugen L M (GA Bl. 683) und N M (GA Bl. 686), wohingegen die Kläger gegenbeweislich für die Existenz vor allem des Schmucks und weiterer Gegenstände (wie sich aus der Spalte „Zeugen“ in der Tabelle 3 neu aufgrund der Chiffren ergibt) die Zeugen O, P, Q, R, S, Rechtsanwalt T, U und V benennen (vgl. auch GA Bl. 169).

84
2.

85
In einem weiteren, wesentlichen Teil und Umfang hat das Landgericht die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen, was indessen fehlerhaft zum Nachteil der eine Zurückverweisung hilfsweise begehrenden Kläger ist. Die Klage ist mit den Anträge zu 1 und zu 1.a) tatsächlich vollauf zulässig.

86
a.

87
Den Gründen des Senatsbeschlusses vom 02.01.2017 – 22 W 75/15 folgend (GA Bl. 189) hat das Landgericht die Anträge der Kläger als zu unbestimmt angesehen. Mit dieser Begründung kann das landgerichtliche Urteil hinsichtlich der Abweisung der Zahlungsanträge allerdings nicht aufrechterhalten werden.

88
(1)

89
Zum einen schließt sich der Senat nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage und aufgrund der weiteren Erläuterungen im Rahmen der Berufungsbegründung der Auffassung der Kläger an, dass die Anträge zu 1 und 1.a) inhaltlich bereits ursprünglich hinreichend bestimmt waren am Maßstab von § 253 Abs. 2 ZPO.

90
Zwar zählt bei Klagen auf Leistung einer Geldzahlung zur Bestimmtheit im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO grundsätzlich die Angabe eines bestimmten begehrten Betrags. Die Rechtsprechung lässt hiervon aber Ausnahmen zu, wenn die Bestimmung des Betrages von einer gerichtliche Schätzung nach § 287 ZPO oder vom billigen Ermessen des Gerichts abhängig ist (BGHZ 4, 138 [142]; 45, 91; OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 26.01.2016 – 11 U 17/15, beckonline). Die nötige Bestimmtheit wird insoweit dadurch erreicht, dass der Kläger in der Klagebegründung die Berechnungs- bzw. Schätzungsgrundlagen umfassend darzulegen (BGHZ 4, 138; BGH NJW 74, 1551) und die Größenordnung seiner Vorstellungen, z.B. in Form eines Mindestbetrags, anzugeben hat (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 253 ZPO Rdn. 14). Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 02.01.2017 (22 W 75/15) davon ausgegangen ist, dass eine verdeckte Teilklage drohe, trägt dies der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht hinreichend Rechnung. Denn ein unbezifferter Klageantrag ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes auch dann zulässig, wenn die Schwierigkeiten, den Antrag zu beziffern, darauf beruhen, dass der jeweilige Kläger eine unüberschaubare Anzahl von Einzelforderungen in einer Klagehäufung gebündelt hat. Allein die Fülle des Prozessstoffs führt nicht zur Unzulässigkeit der Klage (vgl. BGH, Beschluss vom 07. April 2009 – KZR 42/08 –, juris). Das Erfordernis, Gegenstand und Grund des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs anzugeben, dient auf der Ebene der Zulässigkeit allein dazu, den Streitgegenstand festzulegen. Diesen haben die Kläger indes hinreichend abgegrenzt vorgetragen, weil und soweit sie die Gegenstände genannt haben, die in beschädigtem bzw. entwertetem Zustand zurückgegeben worden sein sollen und es ist auch ersichtlich, dass es sich um einen geschlossenen und nicht offenen Kanon von Gegenständen handelt, hinsichtlich dessen nur der jeweilige Wert der Einzelgegenstände insbesondere unter Berücksichtigung des behaupteten Zeitwertes im schadensstiftenden Zeitpunkt und bei Rückerhalt geschätzt werden muss, § 287 ZPO.

91
Im Streitfall haben die Kläger insoweit ihren auf etliche Einzelpositionen gegründeten Klageantrag zumindest dadurch betragsmäßig konkretisiert, dass sie mit 100.000,00 € bzw. 15.000,00 € Mindestsummen genannt haben. Der Umfang des gegebenenfalls zuzubilligenden Schadensersatzes ist insoweit durch Schadensschätzung im Sinne von § 287 ZPO zu ermitteln, wie insbesondere aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den Rechtsfolgen einer unerlaubten Selbsthilfe im Sinne von § 231 BGB folgt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 45/09 –, juris, BGH, Urteile vom 6. Juli 1977, VIII ZR 277/75, WM 1977, 1126, und vom 1. Oktober 2003, VIII ZR 326/02, WuM 2003, 708; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 28.05.2020 – 21 U 53/19, beckonline). Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat insoweit erklärt, „der gesamte hier gegenständliche Hausrat der Kläger “ sei in den beigefügten Listen 1z – 3z zusammengefasst und die Klageanträge zu 1) und zu 1.a) ergäben sich „aus den eingetretenen Schäden an den bisher erhaltenen Sachen“ (GA Bl. 11). Dementsprechend sind hinreichend konkretisierter Streitgegenstand der Schadensersatzklage mit den Anträgen zu 1 und zu 1.a) nur die Gegenstände und Beträge aus den Listen 1z und 2z, der Höhe nach (nach unten hin) gesockelt auf 100.000,00 € bzw. 15.000,00 €. Der Senat schließt sich im Übrigen insoweit der Einschätzung der Kläger an, dass die einzelnen Positionen, die der Klageforderung zugrunde liegen, unselbständige Rechnungsposten eines einheitlichen, auf unerlaubter Selbsthilfe basierenden (s.u.) Schadensersatzanspruches sind, so dass eine Aufschlüsselung nach Einzelpositionen entgegen der ursprünglichen Einschätzung des Senates auch von daher nicht veranlasst ist. Die aufgrund der Ausräumung des Mietobjekts gegebenenfalls entstehenden Schäden an den Sachen der Mieter beruhen als Selbsthilfeschaden auf derselben schadensstiftenden Handlung der Beklagten, da bei lebensnaher Betrachtung das Leerräumen des Mietobjekts und die Vereinnahmung von etlichen Inventarstücken als einheitlichen Vorgang anzusehen ist.

92
(2)

93
Darüber hinaus wäre die Entscheidung des Landgerichts allerdings unabhängig von dem Vorstehenden selbst dann nicht mehr aufrecht zu halten, wenn die ursprünglichen Zahlungsanträge dem Bestimmtheitserfordernis nicht genügt haben würden. Denn spätestens im Berufungsverfahren haben die Kläger hilfsweise erklärt, sich nur in genau bezifferter Anteilshöhe auf die Einzelpositionen zu berufen (GA Bl. 739). Ein zur Aufhebung und Zurückverweisung berechtigendes Prozessurteil im Sinne von § 528 Abs. 2 Nr. 3 ZPO liegt indessen auch dann vor, wenn das Zulässigkeitshindernis erst während des Berufungsverfahrens behoben worden ist (vgl. Ball in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Auflage 2021, § 538 ZPO Rdn. 25).

94
b.

95
Ohne Erfolg erhebt die Beklagte den Einwand doppelter Rechtshängigkeit bezüglich einzelner Positionen, was sich schon daraus ergibt, dass die gerügten Positionen wie dargestellt (s.o.) unselbständige Rechnungsposten sind.

96
3.

97
Der Senat übt das ihm gemäß § 538 Abs. 2 ZPO eingeräumte Ermessen dahingehend aus, den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen. Dies auch deshalb, da andernfalls die insoweit notwendige Klärung von wesentlichen Fragen zum Grund und Höhe erstmals in zweiter Instanz, d.h. unter Verlust einer (verfahrensfehlerfreien) Tatsacheninstanz, stattfinden würde.

98
Dabei gewinnt zusätzlich Bedeutung, dass das Landgericht – insoweit zwar nicht verfahrensfehlerhaft, sondern rechtsfehlerhaft (s.u.) – auch die Klage der Kläger auf Schadensersatz abgewiesen und sich insoweit nur zur Zulässigkeit der Klage geäußert hat.

99
Insoweit ist der Rechtsstreit über die auch insoweit zulässige Klage ebenfalls nicht zur Entscheidung reif. Vielmehr muss auch insoweit eine aufwendige Beweisaufnahme erfolgen. Von daher kann Entscheidungsreife auch nicht etwa im Berufungsrechtszug in der Sache mit zumutbarem Aufwand (vgl. § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1) herbeigeführt werden

100
Soweit im Übrigen die Beweisaufnahme nicht eindeutig zu Lasten der Kläger ausgehen sollte, würden sodann erstmals im gesamten Prozess die Hilfsaufrechnungen der Beklagten entscheidungserheblich werden (s.u.) und mutmaßlich abermals Beweiserhebungen nach sich ziehen. Auch dies spricht für eine Rückverweisung an die erste Instanz.

101
C.

102
Im Übrigen gilt Folgendes:

103
1.

104
Die Herausgabeklage hat nach Aktenlage weiterhin auch im noch anhängigen Umfang Aussicht auf Erfolg.

105
a.

106
Die Herausgabeklage ist entgegen der Rüge der Beklagten insbesondere zulässig. Ohne Erfolg rügt die Beklagte insbesondere, den Klägern fehle bereits deshalb das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für ihre Herausgabeklage, weil sie (die Beklagte) den Klägern die Herausgabe freiwillig angeboten habe.

107
Dabei bezieht sich die Beklagte zum einem auf das außergerichtliche Schreiben vom 25.11.2010, zum anderen auf den Schriftsatz vom 02.11.2017 (GA Bl. 312) sowie das im Berufungsverfahren erklärte Teilanerkenntnis (GA Bl. 782 f.).

108
Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis als Sachurteilsvoraussetzung fehlt bei objektiv sinnlosen Klagen, namentlich wenn der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann. Dies kann aber nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden, denn grundsätzlich hat jeder Rechtsuchende einen öffentlich-rechtlichen Anspruch darauf, dass die Gerichte sein Anliegen sachlich prüfen und bescheiden (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, Vorbemerkungen zu §§ 253-299a Rdn. 18). Selbst wenn und soweit die Beklagte den Klägern die Herausgabe von streitgegenständlichen Sachen angedient haben sollte (was zudem in tatsächlicher Hinsicht streitig ist), läge gleichwohl keine objektiv sinnlose Klage vor. Denn vollstrecken konnten und können die Kläger aufgrund allein signalisierter Herausgabebereitschaft nicht. Es ist durch eine solchermaßen signalisierte Bereitschaft noch keine Erfüllung eingetreten, sondern wenn überhaupt Annahmeverzug. Letzterer könnte die Beklagte aber allenfalls von einer Haftung entlasten, nicht aber von der Herausgabepflicht als solcher.

109
Soweit der Schuldner eines Herausgabeanspruchs sich – wie die Beklagte für den Streitfall behauptet – dem Problem ausgesetzt sieht, dass der Gläubiger die herausverlangte Sache nicht annimmt, so kann und gegebenenfalls muss er bei Bedarf den in § 383 Abs. 3 BGB vorgesehenen Weg beschreiten, wenn er sich von der Herausgabepflicht trotz Annahmeverzuges des Gläubigers befreien will.

110
Ebenso wenig führt der Schriftsatz vom 02.11.2017 dazu, dass das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis nachträglich entfällt. Die Beklagte hat in diesem Schriftsatz zwar ein Anerkenntnis ausgesprochen, das das Landgericht aber zutreffender Weise nicht berücksichtigt hat, denn der Einzelrichter hatte schon mit Verfügung vom 06.02.2018 darauf hingewiesen, dass er das Teilanerkenntnis für unbeachtlich halte (GA Bl. 444). Mit späterem Schriftsatz vom 07.03.2018 (GA Bl. 504) hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten bestätigt, dass dies richtig aufgefasst sei.

111
Soweit die Beklagte schließlich mit Schriftsatz vom 09.01.2019 (GA Bl. 782 f.) in weitem Umfang ein nunmehr nicht mehr von Bedingungen abhängiges Teilanerkenntnis ausgesprochen hat, entfällt hierdurch das ursprünglich gegebene allgemeine Rechtsschutzbedürfnis der Kläger nicht mehr. Die Beklagte hat insoweit im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt, dass dieses Anerkenntnis im Sinne einer Rechtsmittelbeschränkung der Berufung der Beklagten zu verstehen sei (GA Bl. 893 f.).

112
b.

113
Die Kläger haben im Übrigen hinsichtlich der in Anlage 3 neu genannten Gegenstände zu den nunmehr insoweit allein noch in Streit befindlichen Positionen einen Herausgabeanspruch schlüssig vorgetragen, der sich gegebenenfalls auf §§ 985, 986 BGB gründet (dies schließt die Positionen ein, die Gegenstand der Berufung der Kläger sind). Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts im rechtlichen Ansatzpunkt, dass die Kläger sowohl eigenes Eigentum als auch Erlangung des Besitzes durch die Beklagte schlüssig vorgetragen haben.

114
(1)

115
Die Kläger haben ausweislich des angefochtenen Urteils substantiiert dargelegt, Eigentümer der herausverlangten Gegenstände zu sein, soweit die Herausgabe zugesprochen wurde. Abgesehen davon, dass für einen Großteil der Gegenstände, soweit nicht ihre Existenz bestritten ist, das Eigentum schon deshalb schlüssig dargetan ist, weil der ursprüngliche Besitz an den Sachen unstreitig ist und zugunsten der Kläger dann die Vermutung aus § 1006 Abs. 2 BGB eingreift, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2015 ausdrücklich das Eigentum nicht mehr in Zweifel gezogen (GA Bl. 83 oben).

116
Soweit die Beklagte bestritten hat, dass sich bestimmte Gegenstände im Zeitpunkt der Ausräumung der Mietsache unter den herausgeräumten Gegenständen befanden und damit vorgetragen hat, sie habe niemals Besitz erlangt, ist, wie bereits dargelegt (siehe oben), Beweis zu erheben. Die Beweislast trifft insoweit allerdings die Beklagte (siehe unten).

117
(2)

118
Soweit die Beklagte hinsichtlich derjenigen Gegenstände, hinsichtlich derer außer Streit steht, dass sie sie aus der Mietsache hat herausräumen lassen, die Auffassung vertritt, es sei rechtskräftig festgestellt, dass sie keine verbotene Eigenmacht begangen habe, zumal sie die Gegenstände rechtmäßig „beschlagnahmt“ habe, fasst der Senat dieses Vorbringen dahingehend auf, dass die Beklagte ein Recht zum Besitz aus einer ihres Erachtens rechtmäßigen Inbesitznahme herleiten möchte. Ein Recht zum Besitz wäre zwar eine rechtserhebliche Einwendung, in der Sache vermag sich der Senat der Einschätzung der Beklagten allerdings nicht anzuschließen, dass ein solches Recht hier bestehen könnte.

119
(aa)

120
Die seitens der Beklagten vollzogene Räumung der Mietsache und Entnahme allen Inventars der Kläger am 24.09.2010 durch die Beklagte war entgegen ihrer Einschätzung ein Fall der verbotenen Eigenmacht, selbst wenn die Beklagte insoweit möglicherweise auf anwaltlichen Rat gehandelt haben mag, wie sie vorträgt.

121
Die nicht durch einen gerichtlichen Titel gedeckte eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung und deren eigenmächtiges Ausräumen durch einen Vermieter (sogenannte „kalte Räumung“) stellt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, welcher der Senat folgt, eine unerlaubte Selbsthilfe dar, für deren Folgen der Vermieter verschuldensunabhängig nach § 231 BGB haftet (BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 45/09 –, juris, BGH, Urteile vom 6. Juli 1977, VIII ZR 277/75, WM 1977, 1126, und vom 1. Oktober 2003, VIII ZR 326/02, WuM 2003, 708; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 28.05.2020 – 21 U 53/19, beckonline). Ein Unterschied zu bisher in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschiedenen Fällen besteht im Streitfall zwar darin, dass die Beklagte tatsächlich im ordentlichen Verfahren ein Räumungsurteil erstritten hatte, das auch im Zeitpunkt der kalten Räumung zumindest vorläufig vollstreckbar war. Doch auch dann, wenn ein vorläufig vollstreckbarer Räumungstitel des Vermieters von Gewerberaum gegen den Mieter vorliegt, folgt allein daraus nicht, dass ein selbsttätiger Vollzug des Räumungs- und Herausgabetenors durch den Vermieter ohne Einschaltung des hierfür zuständigen Vollstreckungsorgans von diesem Titel gedeckt wäre; vielmehr liegt auch in einem solchen Falle eine unerlaubte Selbsthilfe im Sinne von § 231 BGB vor. Das staatliche Gewaltmonopol, das die Zwangsvollstreckung eines Titels unter Beachtung auch und gerade der zum Schutz des Schuldners ergangenen Vorschriften des achten Buchs der ZPO vorschreibt, ist nämlich gleichwohl zu beachten. Insoweit wäre ohnehin nicht nachzuvollziehen, weshalb der Gläubiger trotz eines vollstreckbaren Titels gleichwohl selbsttätig vollstreckungsähnliche Handlungen durchführen sollte, da ihm der Weg zur Zwangsvollstreckung gerade anders als einem Gläubiger, der noch nicht über einen Titel verfügt, offen steht. Sähe man dies anders, wäre das staatliche Gewaltmonopol konterkariert. So wäre beispielsweise genauso wenig zuzulassen, dass der Gläubiger einer Geldschuld nach Titulierung statt den Gerichtsvollzieher zu entsenden selbst die Wohnung des Schuldners nach Wertgegenständen durchsucht und diese zum Zwecke der Befriedigung vereinnahmt.

122
Ohne Erfolg hat sich die Beklagte in erster Instanz dahingehend eingelassen, die Klägerin zu 2) habe erklärt, sie habe kein Geld für eine Räumung und die Beklagte solle gefälligst „selbst räumen“ (GA Bl. 465), was seitens der Kläger bestritten wird. Der Senat braucht diese Frage in tatsächlicher Hinsicht nicht aufzuklären. Denn selbst wenn die Klägerin zu 2) diese Äußerung getätigt hätte, hätte das nicht die Gestattung einer Privatvollstreckung ohne Einschaltung des Gerichtsvollziehers eingeschlossen. Unter „selbst räumen“ wäre nämlich nicht ohne Weiteres zu verstehen gewesen, dass diese Räumung außerhalb der Zwangsvollstreckung erfolgt, zumal diese Äußerung im Rahmen einer bereits zu diesem Zeitpunkt überaus kontrovers geführten Auseinandersetzung erfolgt ist. Die fragliche Äußerung der Beklagten soll zudem am 08.03.2010 gefallen sein (GA Bl. 119, 465), also im zeitlichen Zusammenhang mit der den Räumungsanspruch begründenden Kündigung. Das nachfolgende Verhalten der Beklagten zeigt, dass auch sie sich damals der Notwendigkeit der Einschaltung der Gerichte bewusst war, hat sie doch anschließend noch Räumungsklage erhoben. Auch der streitige Tatbestand des daraufhin ergangenen Urteils des Landgerichts Aachen (8 O 270/10) verdeutlicht, dass die Kläger schon damals durchaus nicht der Meinung waren, dass die Ansprüche der Beklagten in der Sache berechtigt waren. Dann aber konnte auch die behauptete Äußerung der Klägerin zu 2) nicht dahingehend verstanden werden, dass sie der Beklagten die Genehmigung zur eigenmächtigen Räumung erteilen wollte. Schlussendlich belegt das nach der behaupteten Äußerung versandte Schreiben von Rechtsanwalt W vom 07. Juli 2010, dass die Kläger ausdrücklich eigenmächtigen Handlungen der Beklagten wie etwa dem Abbau der Führanlage widersprachen (GA Bl. 124).

123
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, es sei „rechtskräftig festgestellt“, dass sie keine verbotene Eigenmacht verübt habe, vermag der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Abgesehen davon, dass eine rechtskräftige „Feststellung“ mangels entsprechenden Feststellungsantrages nicht erfolgt sein kann, ergibt sich eine derartige Aussage aus keiner der von Beklagtenseite zitierten Entscheidungen.

124
(bb)

125
Die unerlaubte Selbsthilfe der Beklagten wirkt sich auch auf die Darlegungs- und Beweislast aus: Nach der vom Senat für zutreffend erachteten Rechtsprechung des BGH trifft den Vermieter, der eine Wohnung ohne Vorliegen eines gerichtlichen Titels in verbotener Eigenmacht in Besitz nimmt, für die darin befindlichen Gegenstände eine vertragliche bzw. nachvertragliche Obhutspflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB. Diese hat nicht nur zur Folge, dass der Vermieter die nachweislich in Obhut genommenen Gegenstände vollständig und in einem gegenüber der Inobhutnahme nicht verschlechterten Zustand wieder herausgeben muss. Im Falle einer Unmöglichkeit der Herausgabe oder einer im Vergleich zum übernommenen Zustand nachweislich eingetretenen Verschlechterung der herauszugebenden Gegenstände hat er sich darüber hinaus – wie § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zeigt – zu entlasten, so dass ihn und nicht den Mieter insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1989 – III ZR 126/88, WM 1990, 438, unter III 1). Dabei reicht die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten der Beklagten noch weiter und erstreckt sich zugleich auf den Bestand, den Zustand und die wertbildenden Merkmale der Gegenstände, die sich in der durch verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) in Besitz genommenen Wohnung befunden haben. Denn zu den Obhutspflichten der Beklagten bei Inbesitznahme der Wohnung und der darin befindlichen (Einrichtungs-) Gegenstände hat auch die Pflicht gehört, die Interessen des durch Ortsabwesenheit und mangelnde Kenntnis von der Inbesitznahme an einer eigenen Interessenwahrnehmung verhinderten Klägers zu wahren.

126
Die Beklagte hätte deshalb nicht nur dafür Sorge tragen müssen, dass an den in Besitz genommenen Gegenständen während der Dauer ihrer Obhut oder der anschließenden Einlagerung keine Beschädigungen oder Verluste eintreten. Es hätte ihr vielmehr schon bei Inbesitznahme oblegen, ein aussagekräftiges Verzeichnis der verwahrten Gegen-stände aufzustellen und deren Wert schätzen zu lassen, um dem Kläger eine Sicherung seiner Ansprüche zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 45/09 –, juris). Ein solches Verzeichnis wurde aber bei der Räumung nicht erstellt. Daher können die Kläger ohne Rechtsnachteil im Klageverfahren als schlüssigen Vortrag behaupten, dass bestimmte Dinge bei der Räumung dabei gewesen sein müssten, den Beweis des Gegenteils hat sodann die Beklagte zu erbringen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH kommt es darauf an, dass der Vermieter dem Mieter den genauen Nachweis seines Schadens insoweit schuldhaft unmöglich gemacht hat und deshalb verpflichtet ist, seinerseits zu beweisen, in welchem Umfange Bestand und Wert der Sachen von den vom Kläger gemachten Angaben abweichen.

127
(cc)

128
Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Beweislast nur soweit reicht, wie „die vom Kläger angesetzten Werte plausibel sind.“ (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 45/09 –, juris Rdn. 17), führt dies im Streitfall hinsichtlich der noch in Streit befindlichen Gegenstände nicht zu einer Änderung der Darlegungs- und Beweislast, da die Angaben der Kläger, soweit noch streitgegenständlich, nicht unplausibel sind. Der Senat hat zwar im Rahmen der bisherigen Entscheidungen zwischen den Parteien bestimmte Positionen des klägerischen Herausgabebegehrens als unrealistisch angesehen (Senatsurteil vom 17.09.2013 – 22 U 125/12 UA S. 4), doch hinsichtlich der noch in Streit befindlichen Gegenstände kann eine solche Einschränkung nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage nicht gemacht werden. So beruhten die o.g. Zweifel des Senats auf der Annahme, die Kläger seien „seit Jahren vermögenslos“ gewesen, was unter Berücksichtigung des gesamten wechselseitigen Vorbringens indes nicht aufrechterhalten werden kann:

129
Verwertbare eidesstattliche Versicherungen sind der Akte insoweit nicht zu entnehmen. Es gibt zwar vereinzelt Belege für Haftanordnungen, es fehlt aber an Anhaltspunkten dafür, dass diesen Haftanordnungen entsprechende eidesstattliche Versicherungen gefolgt sind. Die als Anlage zum Schriftsatz v. 22.01.2015 vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Klägers zu 1) stammt vom 02.09.2014 und besagt nichts über einen Zustand am 24.09.2010, zumal die Kläger zu Recht darauf verweisen, dass im Zeitpunkt der Abgabe dieser eidesstattlichen Versicherung zeitweilig alle Ansprüche des Klägers zu 1) an die Klägerin zu 2) abgetreten worden waren (GA Bl. 77), so dass die Angaben formal richtig gewesen sein dürften.

130
Die sodann vorgelegten Auskünfte der Fa. X betreffen die Geschäftsbetriebe der Kläger zu 1) und zu 2) und deren Insolvenzen in den Jahren 2002, 2003. Das Verfahren bezüglich der GmbH des Klägers zu 1) war masseunzulänglich, was allerdings vor allem besagt, dass es nicht durchgeführt wurde. Eine Durchgriffshaftung auf den Kläger zu 1) ergibt das nicht zwangsläufig. Näheres ist hierzu nicht vorgetragen. Bei der Klägerin zu 2) blieb es bei Haftanordnungen, ebenso bei der Klägerin zu 3).

131
Soweit behauptet wird, es habe Pfändungen bei den Klägern gegeben, sind diese nicht im Einzelnen belegt oder datiert und können daher keinem bestimmten Vermögensgegenstand zugeordnet werden. Die Beklagte benennt zwar insoweit OGV E als Zeugen, dass dieser „nahezu wöchentlich zum Pfänden da gewesen sei“ (GA Bl. 57), insoweit fehlt aber schon eine konkrete zeitliche Einordnung. Die Angabe „seit Jahrzehnten“ (GA Bl. 57) kann zudem schwerlich richtig sein, denn es fehlt jeder belastbare Anhaltspunkt dafür, dass die Kläger bereits in den 1990iger-Jahren finanzielle Probleme hatten. Folgerichtig lässt sich auch nicht konkret darauf schließen, dass vor allem etwa Schmuck und/oder Uhren einer Vollstreckung zum Opfer gefallen sein müssten.

132
Vorgelegt haben die Kläger zudem zumindest einige Belege dafür, dass es Schmuck und Uhren ursprünglich gab (z.B. Fotos mit der Klägerin, die Schmuck trägt). Darüber hinaus haben die Kläger SCHUFA-Auskünfte zumindest zu den Klägern zu 2) und 3) vorgelegt, die jedenfalls keine auffällig schlechte Vermögenslage belegen (Anlagen III zu Schriftsatz v. 11.5.2015).

133
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, gerade aus den Streitigkeiten mit dem früheren Vermieter Y ergebe sich, dass die Kläger Schulden gehabt hätten (GA Bl. 60, 778 ff.), vermag der Senat dem nicht zu folgen, denn es ist unstreitig vorgetragen, dass die Klägerin zu 2) am 05.06.2009 – also recht kurz vor dem Räumungsurteil – den Verzicht auf Forderungen über mehr als 105.000,00 € erhielt und obendrein 20.000,00 € versprochen – und offensichtlich auch gezahlt – bekam. Das lässt es aber eher als fraglich erscheinen, ob nicht doch zumindest Bargeld in nicht völlig zu vernachlässigendem Umfang in der Wohnung gewesen sein kann.

134
Soweit bislang auch von gerichtlicher Seite angemerkt wurde, es sei unplausibel, dass Wertsachen in den Räumlichkeiten einfach so herumgelegen hätten, obwohl die Kläger einen Tresor gehabt hätten (dessen Inhalt übrigens angesichts der Herausgabeanträge offenbar weiterhin unbekannt ist), teilt der Senat diese Auffassung nicht (mehr). Dies liefe darauf hinaus, dass eher ungeordnete Vermögensverhältnisse eines Schuldners (die die Kläger selbst einräumen) implizieren würden, dass er mit Wertgegenständen besonders sorgsam umgehe. Dies kann indes nicht ernsthaft unterstellt werden.

135
(3)

136
Ohne Erfolg stützt sich die Beklagte im Übrigen darauf, dass ihr ein Vermieterpfandrecht an dem Inventar der Kläger zugestanden haben soll, welches sie sodann auch ausgeübt haben will. Soweit die Kläger bestreiten, dass die Beklagte dieses Recht ausgeübt und außerdem, dass es in nennenswerter Höhe bestanden habe, kann dies jedenfalls für die Frage eines Rechts zum Besitz dahinstehen.

137
Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass an zahlreichen der geräumten Gegenstände ein Vermieterpfandrecht von vornherein ausschied (etwa den Gegenständen mit reinem Affektionsinteresse oder den nach § 811 ZPO unpfändbaren Sachen). Zum anderen ist es entgegen der Auffassung der Beklagten so, dass auch ein bestehendes Vermieterpfandrecht generell nicht ohne weiteres ein Recht zum Besitz verschafft. Im Gegenteil ist das Vermieterpfandrecht grundsätzlich ein besitzloses Pfandrecht, das dann – und nur dann – wenn der Vermieter das Pfandgut zum Zwecke der Versteigerung herausverlangt (§ 1231 BGB) oder wenn ein Fall erlaubter Selbsthilfe zur Verhinderung der Fortschaffung vorliegt, ein Recht zum Besitz verschafft. Nimmt der Vermieter dagegen zu Unrecht Sicherungsgut einfach an sich, hat der Mieter possessorische, aber auch petitorische Besitzschutzansprüche, weil das Vermieterpfandrecht allein nicht zum Besitz berechtigt (vgl. Bruns, Gegenwartsprobleme des Vermieterpfandrechts, NZM 2019, 46 ff. [57]). Vielmehr wird das Vermieterpfandrecht sogar ad absurdum geführt, wenn ein Vermieter sich zunächst eigenmächtig das Inventar des Mieters verschafft und er sich dann einerseits darauf beruft, das Pfandgut sei im Wesentlichen wertlos, es andererseits aber unter Berufung auf das gerade nach eigenem Vortrag nicht realisierbare Pfandrecht das Inventar nicht herausgibt. Daran zeigt sich im Gegenteil, dass die Besitzerlangung nicht dem Zwecke der Pfandverwertung diente, sondern allein dem Zwecke der Räumung der Immobilie vom darin befindlichen Inventar oder allenfalls der Prüfung, ob eine Verwertung überhaupt in Betracht kommt.

138
Soweit Gegenstände im Übrigen gepfändet und/ oder schon versteigert wurden, wurde die Herausgabe nicht zugesprochen und sie sind auch nicht mehr Gegenstand der Berufung der Kläger (s.u.), so dass diese Frage bezüglich etwaig unstreitig werthaltiger Gegenstände keiner weiteren Prüfung bedarf. Der Einwand der Beklagten bezieht sich inzwischen ausschließlich noch auf Gegenstände, die nach ihrer eigenen Darstellung keinerlei realisierbaren Wert besitzen. Dann aber kann sie daran auch nicht kraft Vermieterpfandrechtes ein Recht zum Besitz haben.

139
(4)

140
Für eine Reihe von Positionen beruft sich die Beklagte schließlich auf einen Zusatzvertrag vom 01.03.2009 (Anlage 6, GA Bl. 708), von dem die Kläger behaupten, er trage nicht die Unterschrift der Klägerin zu 3) (GA Bl. 709, 894). Da der Zusatzvertrag den Beklagtenvortrag zumindest in Teilen stützen dürfte, wird gegebenenfalls Beweis durch Sachverständigengutachten über die Echtheit der Unterschrift zu erheben sein.

141
(5)

142
Soweit die Beklagte für einen verbleibenden Teil der herausverlangten Gegenstände behauptet, dass diese zurückgegeben worden seien, macht sie Erfüllung geltend, § 362 Abs. 1 BGB, wofür sie schon nach allgemeinen Grundsätzen beweisbelastet ist. Auch insoweit wird gegebenenfalls Beweis durch Zeugenvernehmung zu erheben sein.

143
2.

144
Auch die auf Zahlung von beziffertem Schadensersatz gerichteten Klageanträge haben nach Aktenlage noch Aussicht auf Erfolg.

145
a.

146
Soweit die Kläger mit den Anträgen zu 1 bzw. 1.a) Schadensersatz wegen der Verschlechterung von zeitweise geräumten und vereinnahmten Einrichtungsgegenständen nach deren Rückerhalt fordern, steht ihnen dem Grunde nach wegen unerlaubter Selbsthilfe ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte nach § 231 BGB zu (vgl. zur Haftung nach kalter Räumung: BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 45/09 –, juris, BGH, Urteile vom 6. Juli 1977, VIII ZR 277/75, WM 1977, 1126, und vom 1. Oktober 2003, VIII ZR 326/02, WuM 2003, 708; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 28.05.2020 – 21 U 53/19, beckonline).

147
Soweit sich die Kläger insoweit auf umfangreiche Listen stützen, deren Inhalt im gesamten bisherigen Klageverfahren nicht eingehend erörtert worden ist, bedarf es an dieser Stelle keiner abschließenden Entscheidung des Senats dazu, ob die klägerischen Ansprüche in allen Positionen hinreichend substantiiert sind oder hierzu ergänzend vorgetragen werden muss.

148
Soweit streitig, muss im Rahmen des substantiierten (oder noch zu substantiierenden) Vortrages sodann Beweis erhoben werden über die Frage, in welchem Zustand sich die Sachen im Zeitpunkt der Räumung befanden bzw. welchen Zeitwert sie damals aufwiesen und ob und gegebenenfalls inwieweit sich dies bis zum Rückerhalt der Gegenstände zum Nachteil der Kläger verändert hat. Auch insoweit wird zur Beweislast auf die Konsequenzen einer unberechtigten Selbsthilfe ohne gleichzeitige Erstellung eines Bestands- und Zustandsverzeichnisses hingewiesen (s.o.).

149
Soweit im Übrigen die den Klageanträgen zu 1 und 1.a) zugrunde liegenden Ansprüche gepfändet und der Beklagten zur Einziehung überwiesen sind, wird gegebenenfalls zur Vermeidung einer teilweisen Abweisung der Klage als unbegründet die Umstellung auf Zahlung an die Beklagte zu erfolgen haben, § 265 Abs. 1 ZPO.

150
b.

151
Wenn und soweit, gegebenenfalls nach Beweisaufnahme, die Klageanträge zuzusprechen sein sollten, werden die Hilfsaufrechnungen der Beklagten entscheidungserheblich. Insoweit sieht sich der Senat schon jetzt zu folgenden Hinweisen veranlasst:

152
(1)

153
Erfolg hätte die Aufrechnung grundsätzlich mit den rechtskräftig beschiedenen und bereits titulierten Forderungen der Beklagten gegen die Kläger zu 1) und 2) in Höhe von 6.019,82 € und gegen die Klägerin zu 3) in Höhe von 16.145,45 €, soweit diese zur Aufrechnung gestellten Forderungen nicht anderweit untergegangen sind. Letzteres allerdings ist nach Aktenlage zumindest teilweise der Fall, weil die Beklagte ihre Forderung bereits teilweise durch Aufrechnung im Verfahren 8 O 63/11 LG Aachen = 22 U 125/12 OLG Köln vollstreckt hat, was zur Feststellung der Erledigung des dortigen Rechtsstreits geführt hat. Soweit ersichtlich hat die Beklagte diese frühere Aufrechnung bei ihrer neuerlichen Aufrechnung nicht berücksichtigt.

154
Im Übrigen berufen sich die Kläger allerdings ohne Erfolg auf § 393 BGB. Der Senat schließt sich der Einschätzung der Kläger, dass sie ihre Ansprüche auf eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung der Beklagten stützen können, § 823 Abs. 1 BGB, nicht an. Richtig ist, dass die Beklagte auch nach Einschätzung des Senats eine unerlaubte Selbsthilfe vorgenommen hat (s.o.). Eine solche erfüllt aber nicht zwangsläufig den Tatbestand einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung (so wohl lediglich Pielemeier, Das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB, seine Entstehungsgeschichte und seine Bedeutung im geltenden Recht, 1988, 92 ff., 107 ff.). Nach h.M. ist § 393 BGB bei unerlaubter Selbsthilfe nur dann anzuwenden, wenn zugleich und unabhängig hiervon der Tatbestand der vorsätzlichen unerlaubten Handlung vorliegt.

155
Im Streitfall sind die Voraussetzungen vorsätzlichen Handelns nicht gegeben. Vorsatz im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB bedeutet Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung, also der Verursachung der Rechtsgutverletzung durch eine pflichtwidrige, weil außerhalb des erlaubten Risikos liegende Handlung oder Unterlassung (vgl. Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 823 Rdn. 53). Gerade bei fälschlich angenommener Berechtigung zur Selbsthilfe wird insoweit regelmäßig aber kein Vorsatz des Handelnden vorliegen (vgl. Löwisch in: Staudinger/Gursky (2016) BGB § 393 Rdn. 7; Wagner in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 393 BGB Rdn. 2). Dies gilt umso mehr, weil und soweit die Beklagte zumindest nach ihrem eigenen und offenkundig durch rechtsanwaltlichen Rat unterstützten Rechtsstandpunkt der Auffassung war, aufgrund Vermieterpfandrechts auch zur Inbesitznahme des Räumungsgutes berechtigt zu sein. Vorsatz scheidet insoweit allerdings aufgrund der im Zivilrecht herrschenden Vorsatztheorie aus, wenn sie rechtsirrtümlich der Ansicht war, wegen eines Vermieterpfandrechts zu ihrem Vorgehen berechtigt zu sein, so dass es ihr am Bewusstsein der Rechtswidrigkeit im Zeitpunkt des schadensstiftenden Ereignisses fehlte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12.05.1992 – VI ZR 257/91, beckonline).

156
Soweit die Kläger diesbezüglich mit Schriftsatz vom 31.03.2021 ausführen, aus dem Verhalten der Beklagten im Nachgang zu der Räumung lasse sich auf den Vorsatz schon im Zeitpunkt der Räumung schließen (GA Bl. 900 f.), vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Es ist zwar zutreffend, dass bei Wahrunterstellung des Klägervortrages der Versuch der Beklagten, auf C einzuwirken, dass er an der Vereitelung von Vollstreckungsversuchen der Kläger mitwirke, unredlich wäre. Ein hinreichendes Indiz, um darauf schließen zu können, dass die Beklagte dementsprechend auch bereits bei Vornahme der Räumung am 24.09.2010 im Bewusstsein handelte, Unrecht zu tun, ließe sich aus solchem späteren Verhalten aber nicht ableiten. Dasselbe gilt für ein behauptetes Verhalten der Beklagten in Bezug auf einen am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten in gänzlich anderem Zusammenhang (GA Bl. 901).

157
(2)

158
Sodann meldet die Beklagte Ansprüche auf Nutzungsentschädigung in Höhe von 25.200,00 € für Mai bis September 2010 an. Zur Höhe etc. haben die Kläger bisher nichts eingewandt und auf § 393 BGB können sich die Kläger nach dem Vorstehenden nicht stützen, so dass die Forderung im Wege der Aufrechnung berücksichtigungsfähig wäre.

159
(3)

160
Die Beklagte meldet ferner Schadensersatzansprüche in Höhe von 8.170,00 € an, weil der Nachfolgemieter wegen nicht ordnungsgemäßer Räumung die Miete gekürzt habe. Dieser Anspruch ist allerdings ausgehend vom bisherigen Vorbringen nicht begründet: die Beklagte hat selbst geräumt und dabei wohl nicht alle Gegenstände aus den Mieträumlichkeiten entfernt, gleichwohl aber an C vermietet (wobei dahinstehen kann, ob wirksam oder nur pro forma). Der Sache nach geht es also in Bezug auf die Kläger um weitergehenden Anspruch auf Nutzungsersatz wegen unterbliebener Räumung und nicht um einen Schadensersatzanspruch wegen „schlechter“ Räumung. Dabei hat die Beklagte die Kläger aber ab dem 24.09.2010 unstreitig ausgesperrt. Für die Folgen solcher eigenmächtiger Handlungen kann der Vermieter keine Nutzungsentschädigung verlangen. Im Übrigen ist den Akten die angegebene Aufstellung von C ohnehin nicht zu entnehmen.

161
(4)

162
Die Beklagte macht ferner ohne Erfolg Aufwendungsersatz in Höhe von 8.000,00 € für die Kosten der Räumung geltend. Die Kosten des Aufwands einer verbotenen Selbsthilfe können indes ersichtlich nicht ersetzt verlangt werden.

163
(5)

164
Soweit Ansprüche wegen Verschlechterung der Mietsache in Höhe von 44.569,00 € (Reitanlage) und 6.730,00 € (Schweitzer Haus) zudem 1.020,00 €, 1.660,00 € 1.100,00 €, 3.600,00 € und 2.100,00 € an den Wohnungen und der Kläranlage angemeldet werden, haben die Kläger die Verschlechterungen in Gänze bestritten und RA T als Zeugen für den Zustand der Mieträume angeboten (GA Bl. 555). Die für die eingetretene Verschlechterung beweisbelastete Beklagte bietet in weitgehendem Umfang Beweis an durch Vernehmung der Zeugen L M (GA Bl. 472) und N M (GA Bl. 472) an; zudem wurden CDs mit Fotos vorgelegt, auf denen Schäden dokumentiert sein sollen.

165
Insoweit weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte bisher keinen substantiierten tauglichen Vortrag zum konkreten Vergleich von Anfangs- und Endzustand unterbreitet hat. Eine Beweisaufnahme würde damit bislang auf eine unzulässige Ausforschung der beklagtenseits vorzutragenden Umstände hinauslaufen.

166
(6)

167
Alsdann beruft sich die Beklagte auf Ansprüche gemäß einem Leistungsverzeichnis für Arbeiten, die sie im Auftrage der Klägerin zu 3) ausgeführt haben will in Höhe von 5.896,77 €. Eine Haftungsgrundlage ist für den Senat nicht erkennbar vorgetragen.

168
(7)

169
Die Beklagte macht sodann Anspruch auf Nutzungsausfall bzw. Nutzungsersatz in Höhe von insgesamt 67.000,00 € bzw. 36.000,00 € für die Garagen geltend, die sie bisher mit dem Hausrat der Kläger belegt hat. Hier gilt das oben Gesagte zu den Folgen einer unberechtigten Selbsthilfe entsprechend: wer unberechtigt anderer Leute Habe vereinnahmt, kann für die Zeit der unerfüllten Rückgabepflicht die Erstattung von Lagerkosten nicht verlangen.

170
3.

171
Der Feststellungsantrag ist nach Aktenlage begründet, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt. Der Senat sieht sich aber insoweit an einem eigenen Teilendurteil gehindert, weil nicht gänzlich ausgeschlossen ist, dass im Rahmen aller weiteren gerichtlichen Entscheidungen im Instanzenzug über die weiteren in Streit verbleibenden Teile des Rechtsstreits noch in einer der etwaigen Feststellung gegebenenfalls widersprechenden Weise geurteilt werden könnte. Denn ein Teilurteil (§ 301 ZPO) darf nur dann ergehen, wenn es einen abgrenzbaren Teil eines Streitgegenstandes unabhängig von der Entscheidung über den Rest des Anspruchs abschließend so bescheidet, dass die Gefahr einander widerstreitender Entscheidungen, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht bestehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.2010 – XI ZR 82/08, beckonline).

172
4.

173
Der Schriftsatz der Kläger vom 26.08.2021 gibt dem Senat keine Veranlassung zu einer weiteren Vertagung oder Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

174
Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn es einen entscheidungserheblichen Verfahrensfehler, insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung ein Richter ausgeschieden ist. Keiner dieser Fälle ist gegeben. Soweit ein gemeinsamer Besprechungstermin der Parteien den Klägern aus ihrer Sicht Anlass geben mag, ihre Anträge umzustellen, ist dies hierfür nicht von entscheidender Bedeutung. Denn dies ist auch im weiteren Verfahren noch möglich, zumal die Kläger angeben, dass der Anlass für die Umstellung der Anträge erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung bekannt geworden sei. Die Entscheidung des Senats ergeht auf Grundlage der Anträge vom 10.03.21.

175
Soweit die Kläger argwöhnen, dem Senat sei die Bestätigung der Beklagten gegenüber C nicht bekannt gewesen, geht dies im Übrigen fehl. Dieses Schreiben (siehe bereits GA Bl. 283) und den zugehörigen Vortrag der Kläger (GA Bl. 5007) hat der Senat im Rahmen seiner Erwägungen zu § 393 BGB berücksichtigt (s.o.).

176
Ebenso wenig sind erhebliche Gründe im Sinne von § 227 ZPO gegeben. Denn insbesondere droht durch die vorliegende Entscheidung des Senats keine Verkürzung des rechtlichen Gehörs, da den Klägern die Möglichkeit zu einer Anpassung ihrer Anträge verbleibt. Auch besteht kein Anlass zu der Annahme, dass eine weitere Vertagung des Verkündungstermins wegen Vergleichsverhandlungen geboten wäre. Denn die Kläger tragen selbst nicht vor, dass derzeit noch über eine gütliche Einigung verhandelt würde.

177
III.

178
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens ist dem auf die erneute Verhandlung zu erlassenden Urteil des Landgerichts vorzubehalten, da erst bei dessen Erlass absehbar sein wird, inwieweit die Berufungen über die Aufhebung des angefochtenen Urteils hinaus in der Sache zu einer geänderten Entscheidung über das Klagebegehren führen werden.

179
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Auch wenn das Urteil selbst keinen vollstreckungsfähigen Inhalt im eigentlichen Sinn hat, ist die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, da gemäß §§ 775 Nr. 1 und 776 ZPO das Vollstreckungsorgan die Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil erst einstellen und bereits getroffene Vollstreckungsmaßregeln erst aufheben darf, wenn eine vollstreckbare Ausfertigung vorgelegt wird (vgl. Senat, Urteil vom 17.06.2020 – 22 U 86/18; Senat, Urteil vom 24.04.2018 – 22 U 117/16; OLG München, Urteil vom 18. September 2002 – 27 U 1011/01 -, juris).

180
Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO. Der Rechtsstreit hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist im Hinblick auf die Rechtsfortbildung oder die Einheit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich.

181
Berufungsstreitwert:

182
Berufung der Beklagten:

183
Anträge zu 2) und 2.a) bis 280.000,00 €

184
bis 60.000,00 €

185
Antrag zu 3) bis 130.000,00 €

186
Berufung der Kläger:

187
Antrag zu 1) und 1.a) 100.000,00 €

188
15.000,00 €

189
Anträge zu 2) und 2.a) bis 20.000,00 €

190
bis 2.000,00 €

191
Gesamt: 607.000,00 €

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.