OLG Köln, Beschluss vom 04.03.2021 – 5 U 197/20

Oktober 4, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 04.03.2021 – 5 U 197/20

Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 25.08.2020 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 3 O 208/19 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

Gründe
I.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO). Zu Recht hat das Landgericht die Klage auch hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzensgeldanspruchs abgewiesen. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Urteils Bezug und macht sie sich zu eigen. Im Hinblick auf die Ausführungen der Berufung sind lediglich folgende ergänzende Anmerkungen veranlasst:

1.)

Die Klägerin kann die Beklagte nicht auf Zahlung einer Geldentschädigung mit der Begründung in Anspruch nehmen, die Beklagte habe sie durch einen an ihre ehemalige Arbeitgeberin gerichteten Brief vom 04.10.2018 in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

a) Ein vertraglicher Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 278, 253 Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht, denn zwischen den Parteien ist – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – kein Behandlungsvertrag zustande gekommen.

b) Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG gegen die Beklagte zu.

aa) Die Beklagte hat mit dem von den Betriebsärzten Dr. A und Dr. B unterzeichneten Brief vom 04.10.2018 nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst den Schutz der Sozial- und Intimsphäre. Geschützt ist das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner personalen und sozialen Identität sowie Entfaltung und Entwicklung seiner individuellen Persönlichkeit. Hierzu gehört zweifellos auch der Schutz vor der Offenbarung von Geheimnissen oder sonstigen Tataschen, die einem Arzt anlässlich einer arbeitsmedizinischen Untersuchung anvertraut oder bekannt gemacht worden sind.

Indem die Beklagte unter dem Datum des 04.10.2018 einen Brief an die frühere Arbeitgeberin der Klägerin richtete und darin formulierte, dass „die Einschätzung von Frau Dr. C psychischer Einsatzfähigkeit … durch einen psychiatrischen Fachgutachter erfolgen“ solle, hat sie keine Tatsachen offenbart, die ihr anlässlich der betriebsärztlichen Untersuchung bekannt geworden sind. Denn die Notwendigkeit einer Begutachtung der Klägerin in psychiatrischer Hinsicht war der ehemaligen Arbeitgeberin der Klägerin, der Fa. D, bereits bekannt. Anlass der Vorstellung der Klägerin bei der Beklagten war eine E-Mail der Personalmanagerin der Fa. D, Frau E, die der Beklagten am 02.10.2018 den Anlass und die Hintergründe für die Anfrage nach einer vertrauensärztlichen Untersuchung mitgeteilt hatte. Frau E schilderte unter anderem, dass die Klägerin „unkonzentriert und nicht belastbar“ wirke, ihr Verhalten „zur Zeit nicht einschätzbar“ sei, sie „unkontrolliert“ agiere und sich „nicht unter Kontrolle“ habe. Das Auftreten der Klägerin habe zuletzt „sehr befremdlich“ gewirkt. Sie sei mit „mehreren bepackten Körben und Tüten“ bei der Arbeit erschienen und habe dies „von sich aus, sehr ausführlich und wirr“ erklärt. Eine der E-Mail vom 02.10.2018 als Anlage beigefügte Gesprächsnotiz von Mitarbeiterinnen der Fa. D vom 20.09.2018 enthielt Hinweise auf Verhaltensauffälligkeiten der Klägerin und auf die Einschätzung ärztlicher Kollegen, dass die Klägerin die Patienten nicht mehr sicher und adäquat versorgen könne. Mit der E-Mail vom 02.10.2018 äußerte die ehemalige Arbeitgeberin der Klägerin deutliche Zweifel an der uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit der Klägerin aufgrund von psychischen Auffälligkeiten.

Mit der schriftliche Mitteilung der Beklagten vom 04.10.2018 an die Fa. D, dass die Einschätzung der psychischen Arbeitsfähigkeit durch einen psychiatrischen Fachgutachter erfolgen solle, hat die Beklagte weder ausdrücklich erklärt noch in irgendeiner anderen Weise zu verstehen gegeben, dass sie bei der Untersuchung der Klägerin ebenfalls psychische Auffälligkeiten festgestellt habe, die einer psychiatrischen Abklärung bedurften. Aus dem maßgeblichen Empfängerhorizont der Fa. D war der Inhalt der E-Mail vielmehr so zu verstehen, dass sich die Beklagte als arbeitsmedizinische Einrichtung für die Beantwortung der an sie gerichteten Fragestellung einer möglichen psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit nicht für fachkompetent halte, weil diese in die Zuständigkeit eines psychiatrischen Gutachters falle. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der sich anschließenden arbeitsmedizinischen Empfehlung, die Klägerin bis zur Begutachtung durch einen Fachgutachter von ihrer Arbeitstätigkeit freizustellen. Auch diese Erklärung konnte von der Fa. D nicht so verstanden werden, dass die Beklagte oder die bei ihr angestellte Frau Dr. A, die die Klägerin untersucht hatte, bei der Klägerin Auffälligkeiten festgestellt hatte, die eine berufliche Freistellung erforderten.

bb) Ein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes scheidet aber auch aus folgendem Grund aus:

Die ärztliche Schweigepflicht ist das Korrelat zu dem im verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht wurzelnden Anspruch des Einzelnen auf Schutz seines Privatlebens und insbesondere der Erhaltung seines Geheimbereichs. Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann einen Anspruch auf eine Geldentschädigung begründen, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur auf Grund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12 -, BGHZ 199, 237-270, juris Rn. 38).

Um einen solchen schwerwiegenden Eingriff würde es sich auch dann nicht handeln, wenn dem Schreiben der Beklagten vom 04.10.2018 der von der Klägerin unterstellte Erklärungsinhalt entnommen werden würde, die Klägerin habe ein „psychiatrisches Problem“ und müsse deswegen freigestellt werden. Der Brief war vertraulich an die Personalstelle der Fa. D gerichtet und wurde damit nicht einem größeren Adressatenkreis zugänglich gemacht. Da die frühere Arbeitgeberin bereits selbst gegenüber der Beklagten ihren Eindruck geschildert hatte, der auf eine psychische Beeinträchtigung der Klägern hinwies, und die Klägerin – wie sich aus der E-Mail vom 02.10.2018 ergibt – auch bereits freigestellt war, läge jedenfalls kein Eingriff von besonderer Bedeutung und Tragweite vor.

2.)

Die Klägerin kann auch von der Beklagten keine Entschädigung mit der Begründung verlangen, die Beklagte habe in dem zwischen der Klägerin und ihrer ehemaligen Arbeitgeberin geführten Kündigungsschutzprozess der Vorsitzenden Richterin Einblick in die arbeitsmedizinische Akte gewährt.

Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Richterin – wie von der Klägerin behauptet – umfassend Einsicht in die arbeitsmedizinische Akte nehmen konnte, oder ob – wie von der Beklagten behauptet – der Prozessbevollmächtigte der Beklagte der Richterin lediglich seine aufgeschlagene Handakte vorlegte, aus der die Richterin ausschließlich „zwei Worte neben Satzzeichen“ lesen konnte, kann der Senat dahin stehen lassen. Ebenso bedarf die Frage, ob die Beklagte sich ein etwaiges Fehlverhalten ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss, keiner Entscheidung. Denn selbst wenn man den Vortrag der Klägerin als wahr unterstellte und die Beklagte sich das Verhalten ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen müsste, läge jedenfalls kein derart schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin vor, der eine Entschädigung in Geld rechtfertigte. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat die arbeitsmedizinische Akte der Richterin nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Wunsch der Richterin vorgelegt. Die Einsichtnahme durch die Richterin erfolgte offenbar nur kurz während der Sitzung. Mit der Vorlage der arbeitsmedizinischen Akte hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten deren Inhalt nicht einem größeren Adressatenkreis, sondern ausschließlich der Richterin bekannt gemacht, die ihrerseits zur Verschwiegenheit verpflichtet war und das, was sie bei Einsichtnahme in die Akte zur Kenntnis genommen hatte, nicht unbefugt Dritten offenbaren durfte. Zu einer Offenbarung gegenüber Dritten ist es auch nicht gekommen. Der Inhalt der Akte wurde weder der Beklagten noch unbeteiligten Dritten zur Kenntnis gebracht. Unter Abwägung der Gesamtumstände liegt jedenfalls keine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin vor.

II.

Bei dieser Sachlage gibt die Berufung zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt keine Veranlassung. Die Rechtssache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO); eine mündliche Verhandlung erscheint unter Berücksichtigung aller weiteren Aspekte des Rechtsstreites auch aus sonstigen Gründen nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO). Auf die bei förmlicher Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO dem Rechtsmittelführer verloren gehende Möglichkeit einer Kosten sparenden Rücknahme nach Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG wird vorsorglich hingewiesen.

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