OLG Köln, Beschluss vom 18.02.2021 – 24 W 1/21

Oktober 4, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 18.02.2021 – 24 W 1/21

Tenor
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 36. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15.12.2020 – 36 O 83/20 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Gläubigerin.

Gründe
I.

Mit rechtskräftigem Teil-Anerkenntnisurteil vom 07.07.2020 sind die Schuldner verurteilt worden, der Gläubigerin durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am xx.xx.2019 verstorbenen Frau A zu erteilen (Ziff. 1. a) des Urteilstenors). Darüber hinaus sind sie verurteilt worden, zur Wertermittlung der Immobilie B Straße 40 in C Unterlagen und Informationen sowie ein auf ihre Kosten einzuholendes Verkehrswertgutachten vorzulegen.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.07.2020 teilten die Schuldner den Prozessbevollmächtigten des Gläubigers mit, dass der Notar D in C mit der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses beauftragt worden sei. Darüber hinaus übersandten sie der Gläubigerin mit dem vorbezeichneten Schreiben zu der Immobilie B Straße 40 ein Verkehrswertgutachten vom 06.07.2020. Hierauf reagierte die Gläubigerin mit Schreiben vom 23.07.2020, in dem sie u.a. mitteilte: „Wegen des ‘Verkehrswertgutachtens‘ werden Sie gesondert von meiner Mandantin hören“.

Mit Schriftsatz vom 13.08.2020 hat die Gläubigerin zur Erzwingung der unter 1 b) des Teil-Anerkenntnisurteils vom 07.07.2020 titulierten Wertermittlungsverpflichtung die Festsetzung von Zwangsmitteln gegen die Schuldner beantragt. Die hierzu angehörten Schuldner haben mit Schriftsatz vom 21.09.2020 ein weiteres, deutlich umfangreicheres Verkehrswertgutachten nebst Anlangen vorgelegt. Daraufhin haben die Parteien das Zwangsmittelverfahren mit Schriftsätzen vom 12.11.2020 und 10.12.2020 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Mit Beschluss vom 15.12.2020 hat das Landgericht der Gläubigerin die Kosten des Zwangsmittelverfahrens auferlegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Schuldner hätten schon durch die Vorlage des Gutachtens vom 06.07.2020 den anerkannten Wertermittlungsanspruch im Hinblick auf die Immobilie erfüllt. Im Übrigen habe die Gläubigerin Beanstandungen des Gutachtens und begehrte Ergänzungen zunächst außergerichtlich gegenüber den Schuldnern geltend machen müssen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin, mit der diese geltend macht, sie habe vor der Kostenentscheidung zum Schriftsatz der Schuldner vom 10.12.2020 angehört werden müssen. Die Entscheidung sei aber auch in der Sache falsch, weil das zunächst vorgelegte Gutachten nicht erfüllungstauglich gewesen sei. Auch sei sie nicht gehalten gewesen, das Gutachten zunächst außergerichtlich zu beanstanden. Das Landgericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 04.01.2021 nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 91a Abs. 2 S. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Gläubigerin hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Das Landgericht hat der Gläubigerin zu Recht die Kosten des Vollstreckungsverfahrens auferlegt

Haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Eine solche übereinstimmende Erledigungserklärung ist grundsätzlich auch im Vollstreckungsverfahren möglich; dies gilt jedenfalls dann, wenn das Verfahren – wie bei Anträgen nach den §§ 887 ff. ZPO – kontradiktorisch ausgestaltet ist (OLG München, BeckRS 2017, 145363, Rdn. 11; Zöller/Althammer, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 91a Rdn. 7; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 41. Aufl. 2020, § 91a Rdn. 7 jeweils m. w. N.).

In der Sache selbst kommt es für die danach zu treffende Kostenentscheidung vornehmlich darauf an, wem nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 91 ff. ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen gewesen wären, wenn die Hauptsache nicht einvernehmlich für erledigt erklärt worden wäre (BGH NJW 2007, 3429; Zöller/Althammer, a.a.O., § 91a Rdn. 24 m. w. N.). Dabei kann neben der Frage, welche der Parteien bei streitiger Entscheidung in der Hauptsache voraussichtlich unterlegen wäre, auch der in § 93 ZPO zum Ausdruck gebrachte Rechtsgedanke herangezogen werden (BGH, NJW-RR 2006, 773; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2019, 922; Musielak/Voit/Flockenhaus, 17. Aufl. 2020, ZPO § 91a Rdn. 23; jeweils m.w.Nachw.). Maßgeblich ist danach, ob das Verhalten der Schuldner vor Einreichung des Zwangsmittelantrages so war, dass die Gläubigerin bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme hatte, sie werde ohne Inanspruchnahme des Gerichts nicht zu ihrem Recht kommen (vgl. hierzu BGH, NJW 2006, 2490; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2019, 922).

Vor diesem Hintergrund hat die Kammer – entgegen der Auffassung der Gläubigerin – im angefochtenen Beschluss zu Recht darauf abgestellt, dass die Gläubigerin gehalten gewesen wäre, die Schuldner vor Einreichung des Zwangsmittelantrages vom 13.08.2020 außergerichtlich zur Nachbesserung des vorgelegten Gutachtens aufzufordern. Denn ohne ein solches Vorgehen hatte sie bei Einreichung des Zwangsmittelantrags keinen Anlass zu der Annahme, die titulierten Verpflichtungen müssten im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. Die Mitteilung im Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Schuldner vom 16.07.2020 war offensichtlich vorläufig. Seit dem Erlass des Teil-Anerkenntnisurteils vom 07.07.2020 waren zu diesem Zeitpunkt erst etwas mehr als eine Woche vergangen, die vorgelegte Verkehrswertermittlung war bereits zuvor, nämlich am 06.06.2020 erstellt worden. Vor diesem Hintergrund ist dem Schreiben vom 16.07.2020 noch nicht einmal eindeutig zu entnehmen, ob es sich bei dem übersandten Gutachten schon um das titulierte Verkehrswertgutachten handeln sollte. Vor allem aber wird aus dem Gesamtzusammenhang deutlich, dass das Schreiben insgesamt nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zur Erfüllung der titulierten Verpflichtungen sein sollte. Die Vorläufigkeit der Auskunft ergibt sich bereits daraus, dass dem Schreiben die nach dem Urteilstenor zu 1. b) aa) ebenfalls vorzulegenden Unterlagen zu wertbildenden Faktoren noch nicht beigefügt waren. Insbesondere aber die Mitteilung, dass der Notar D in C mit der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses beauftragt worden sei, macht deutlich, dass die titulierten Ansprüche auch aus Sicht der Schuldner mit dem Schreiben vom 16.07.2020 offensichtlich noch nicht erfüllt waren. Vor diesem Hintergrund bestand – unabhängig davon, ob das vorgelegte Gutachten tatsächlich zur Erfüllung des Wertermittlungsanspruchs ausreichte – kein Anlass zu der Annahme, dass die Schuldner sich etwaigen Nachfragen oder Nachbesserungswünschen der Gläubigerin verschließen würden. Dem entspricht es im Übrigen auch, dass die Gläubigerin selbst in Ihrem Schreiben vom 23.07.2020 den Eindruck erweckt hat, sie werde das vorgelegte Gutachten zunächst prüfen und sodann von sich aus auf die Angelegenheit zurückkommen („Wegen des „‘Verkehrswertgutachtens‘ werden Sie gesondert von meiner Mandantin hören“). Der Senat teilt dabei die im Schriftsatz vom 09.10.2020 geäußerte Auffassung der Gläubigerin nicht, dass bei verständiger Würdigung mit „von ihr hören“ auch der tatsächlich gestellte Zwangsmittelantrag gemeint gewesen sein könnte.

Eine andere Bewertung ist auch nicht etwa im Hinblick auf die von der Gläubigerin erhobenen Beanstandungen gegen das zunächst vorgelegte Gutachten gerechtfertigt. Das Gutachten beruht auf einer Objektbegehung durch den Sachverständigen und weist den Sachwert und den Ertragswert der Immobilie aus. Es ist jedenfalls nicht so offensichtlich unvollständig, dass durch seine Übersendung ernsthafte Zweifel an der Erfüllungsbereitschaft der Schuldner hervorgerufen werden konnten. Die Schuldner waren zwar – worauf die Gläubigeren im Ansatz richtig hinweist – durch einen Fachanwalt für Erbrecht vertreten. Hieraus folgt aber keineswegs, dass der Prozessbevollmächtigte der Schuldner ohne Weiteres die Erfüllungsuntauglichkeit des Gutachtens erkennen musste, so dass diese gleichsam „sehenden Auges“ ein offensichtlich unzulängliches Gutachten vorgelegt hätten. Soweit die Gläubigerin im Schriftsatz vom 09.10.2020 offenbar davon ausgeht, dass jeder Fachanwalt für Erbrecht zur abschließenden Bewertung von Grundstückwertermittlungen befähigt ist, verkennt sie, dass ihr eigener Prozessbevollmächtigte ebenfalls Fachanwalt für Erbrecht ist und nach eigenem Bekunden „eine Vielzahl von Pflichtteilsmandaten führt“. Gleichwohl hat die Gläubigerin zunächst einen weiteren Sachverständigen mit der Überprüfung des ursprünglichen Gutachtens betraut und auch ihre spätere Stellungnahme zum Gutachten vom 21.09.2021 erst nach erneuter Konsultation ihres Privatsachverständigen abgegeben. Weshalb an den Prozessbevollmächtigten der Schuldner weitergehende Erwartungen gestellt werden sollten, erschließt sich dem Senat nicht.

2.

Soweit die Gläubigerin mit der Beschwerdebegründung rügt, der Tenor des landgerichtlichen Beschlusses sei unverständlich, verhilft auch dies der sofortigen Beschwerde nicht zum Erfolg. Bei der Formulierung des Tenors „…werden die Kosten des Rechtsstreits Die Kosten des Zwangsmittelverfahrens werden der Klägerin auferlegt (§ 91a ZPO)“ handelt es sich mit Blick auf den ersten Teil („werden die Kosten des Rechtsstreits“) um einen offensichtlichen Schreibfehler. Die Passage stammt augenscheinlich aus einer vom Landgericht verwendeten Beschlussvorlage und ist nicht geeignet, den Tenor als solchen unverständlich erscheinen zu lassen. Auch die Bezeichnung der Gläubigerin als „Klägerin“ lässt keinen Zweifel daran, welcher Partei des Vollstreckungsverfahrens die Kosten auferlegt worden sind; dies gilt umso mehr, als die Gläubigerin auch im Rubrum des angefochtenen Beschlusses als „Klägerin“ bezeichnet ist.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht.

Beschwerdewert: bis 1.000,00 € (§ 3 ZPO)

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